Der krasse Absturz des Rudy Giuliani

Früher konnte er noch lachen: Rudy Giuliani. Quelle: Wikipedia, Foto: Gage Skidmore, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Heute einmal wieder etwas Privates: Als ich heute am sehr frühen Morgen bei laufendem Fernseher auf meiner Couch wachwurde, da erblickte ich auf dem Bildschirm als allererstes einen zornigen, alten Mann, der wild schimpfte und dabei extrem schwitzte, dem offenkundig dadurch die Farbe der eigenen Haartönung oder Schminke über das Gesicht lief. Wahrlich kein schöner Anblick, so kurz nach dem Aufwachen.

Nach ein paar Sekunden, in denen ich zu mir fand, erkannte ich in der unerfreulichen Erscheinung, den Ex-Bürgermeister meiner Lieblingsstadt New York, Rudy Giuliani, einen Mann, den ich seit Jahren eigentlich sehr geschätzt habe, dessen Anblick für mich einst für Freude und Zuneigung stand. Lange ist es her.

Giuliani, der heute, viele hier werden das sicherlich selbstverständlich längst wissen, als Anwalt für den scheidenden US-Präsidenten Donald Trump tätig ist, begegnete mir vor rund 20 Jahren nicht nur als ein zupackender, engagierter Bürgermeister in New York, er ist mir auch durch einige TV-Auftritte, u.a. in der von mir sehr geschätzten Sitcom ‚Seinfeld‘, wo er sich mit viel Selbstironie selber spielte, noch sehr gegenwärtig.

Unvergesslich, wie sich der Sohn italienischer Einwanderer nach den Anschlägen des 11. September 2001 für ‚seine Stadt‘ New York einsetzte, wie er selber als einer der Anführer mit einem großen Tross von Leuten gemeinsam vom Ground Zero davonstapfte, nachdem die Türme eingestürzt waren, dabei zig Leute in Sicherheit brachte. Etliche Dokumentationen, die ich in den vergangenen rund 20 Jahren x-mal gesehen habe, zeigen ihn als Mann der Tat, der mit klug gewählten Worten nach der Tragödie für neue Zuversicht und Optimismus in New York sorgte. Kurz gesagt: Er war mir als ein durchaus selbstironischer, engagierter Politiker der USA aufgefallen.

Und jetzt, im Jahre 2020 vertritt ausgerechnet dieser mir einst so positiv aufgefallene Mann den US-Präsidenten, mit dem ich mich wohl am allerwenigsten in meinem bisherigen Leben identifizieren konnte bzw. kann. Schlimmer noch, er macht sich dabei selber zu einer Person, deren Auftreten ich überhaupt nicht teilen und gutheißen kann. Was für ein Albtraum!

Giuliani beschimpfte in der von mir beim Aufwachen im Halbschlaf miterlebten Sequenz anwesende Reporter in Washington, wie ich im Nachhinein in Erfahrung brachte. Sie würden „krankhaften Hass“ auf Trump empfinden., meinte er. Der Anwalt des Abgewählten kritisierte Medien für ihre „hysterische“ Berichterstattung über den Präsidenten und bezichtigte eine Journalistin konkret wiederholt der „Lüge“. Giuliani warf den Medien lt. der aktuellen Berichterstattung dabei sogar vor, Zensur zu betreiben.

Der erfahrene Anwalt wiederholte dabei auch die von Trump verbreiteten Betrugsvorwürfe. Es habe eine „nationale Verschwörung“ gegeben, um eine Wiederwahl Trumps bei der Wahl am 3. November zu verhindern.

Ich muss sagen, das entsetzt mich regelrecht. Wie kann sich ein einst von mir sehr geschätzter Mann in ein paar Jahren nur so sehr verändern? Klar, ziemlich konservativ ist Giuliani schon über viele Jahre. Auch mir ist nicht entgangen, wie häufig ich politisch mit ihm daher nicht übereinstimme, wenn es um die Details in der Politik geht. Trotzdem schätzte ich ihn stets über all die Jahre als Persönlichkeit.

Das ist jetzt vorbei. Die Auftritte der vergangenen Wochen, insbesondere die jüngsten, zeigen der ganzen Welt einen sehr verbitterten, alten Mann, der mit der Welt um ihn herum offenkundig nicht mehr wirklich gut klarkommt. Damit mag er ja gut zu Donald Trump passen, aber nicht mehr zu mir.

Schade, Rudy Giuliani, das hätte es so nun wahrlich nicht gebraucht!

 

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Lutz
Lutz
3 Jahre zuvor

Er hat sich während und nach dem 11. September sehr gut dargestellt. Aber allen seine seine knallharte Law and Order-Politik sollte an diesem Glanz kratzen. Seine Nulltoleranzpolitik hat jedenfalls vieles falsch gemacht, die damit Polizeibrutalität bspw. war ein deutlicher Vorgeschmack auf heutige Untaten.

Susanne Scheidle
Susanne Scheidle
3 Jahre zuvor

Habs mir eben angesehen, ja, es hat was Tragisches. Wie das Ende von Viscontis "Der Tod in Venedig", wenn Gustav von Aschenbach/Dirk Bogarde die Haarfarbe ausläuft – nur diesmal ohne Gustav Mahler, Posse statt Poesie…

Ja, was ist wohl in ihn gefahren… Ich denke mal, sehr viele der alten Garde der GOP mussten eine Menge Grundsätze über Bord werfen als sie sich entschlossen, Trump zu unterstützen. Und je mehr Grundsätze das waren, desto verbissener halten sie jetzt wohl zu ihm. Nix ist ja schlimmer, als aus Opportunismus einen Clown unterstützen und noch nicht mal Erfolg zu haben.

Andreas
Andreas
3 Jahre zuvor

Rudy Guliani hat sich nicht geändert. Er ist weiter eine stabile Basis für die Demokratie und jetzt untersucht Wahlbetrug, was in jeder Hinsicht ehrenhaft für einen Demokraten ist. Wenn sie, lieber Herr Robin Patzwald, ihn jetzt anders als früher wahrnehmen, haben sie sich wohl verändert. Ich mache mir Sorgen um sie.

bob hope
bob hope
3 Jahre zuvor

@#3 Andreas: Was für ein Wahlbetrug? Aktuell sehr ich nur einen Wählerbetrug. Und daran ist Guiliani maßgeblich beteiligt. Bislang habe ich die Demokratie in den USA für ziemlich stabil gehalten – trotz all ihrer Schwächen -, Trump und Co könnten ihr tatsächlich nachhaltigen Schaden zufügen.

Lutz
Lutz
3 Jahre zuvor

Erst diesen Text gelesen, dann über meinen alten, selbstgerechten Kommentar gestolpert, wie peinlich. Habe dem Autoren, der im Gegensatz zur mir zur Selbstreflektion fähig ist, unrecht getan. Während des Lockdowns beschlossen, aus Fehlern zu lernen. Zu lernen…in diesem Sinne, genug mit meiner Selbstbeweihräucherung!
Viele Grüße
Lutz

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