Die Linke und die Wagenknechte: Mit zweierlei Maaßen messen

Sarah Wagenknecht (Die Linke) im Bundestagswahlkampf 2021 (Foto: Roland W. Waniek)


Geht es um Politiker bei SPD und CDU, die mit Rechten kooperieren, gefällt sich die Linkspartei in der Rolle des empörten Mahners. In den eigenen Reihen werden hingegen Antisemitismus und die Zusammenarbeit mit Verschwörungstheoretikern und Rechtsradikalen seit Jahren geduldet.

13.000 folgten am Samstag in Berlin dem Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer zu einer Kundgebung in Berlin, bei der gegen die Unterstützung der Ukraine protestiert und Putins Lied vom Frieden durch Unterwerfung gesungen wurde. Alice Schwarzer sah den Beginn einer neuen Friedensbewegung. Eine bunte Mischung versammelte sich am Brandenburger Tor: Rechtsradikale, Teile der traditionellen Friedensbewegung, Verschwörungstheoretiker und Anhänger der Linkspartei.  Neu war dieses Bündnis nicht: Schon 2014 gab es in Deutschland eine solche „Neue Friedensbewegung“: Nachdem Russland in die Krim einmarschiert war, gingen Tausende auf die Straße. Natürlich nicht, um gegen Putin und seinen Imperialismus zu demonstrieren, sondern für „Frieden mit Russland“. Mit dabei waren damals prominente Bundestagsabgeordnete der Linkspartei: Inge Höger, Jutta Krellmann, und Kathrin Vogler unterzeichneten einen Friedenswinter-Aufruf, in dem als Reaktion auf Putins Angriffe auf die Ukraine unter anderem die Kooperation mit Russland, das Ende der NATO und ein Waffenstillstand gefordert wurde. An einer Friedenswinter-Demonstration in Berlin nahmen 2014 nach einem Bericht des Tagesspiegels Ulla Jelpke und Diether Dehm, seinerzeit Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, teil: „Eigentlich hatte sich ihre Partei auf einen Boykott der Bewegung verständigt, dennoch haben mehrere Spitzenpolitiker der Linken den Aufruf zur Demonstration unterschrieben, darunter Sahra Wagenknecht. Jelpke hat nicht unterschrieben. Sie wolle zunächst nur „beobachten“, sagt sie dem Tagesspiegel. Hinterher wolle sie sich dann ihr Urteil bilden. Zu Putin und der Ukraine hat aber auch sie eine klare Meinung. Sie findet, dass vor allem die Nato „angegriffen werden muss“. Diese dränge zunehmend an die Grenzen Russlands. Für sie steht fest: „Ich sehe keinerlei Aggressionen durch Putin oder durch Russland.“ Die Demonstration, weiß die Tageszeitung, sei eine Ansammlung „von Putin-Verstehern, Verschwörungstheoretikern, Teilen der antiwestlich ausgerichteten, traditionellen Friedensbewegung und ein paar Neonazis gewesen.“

Berlin war keine Ausnahme: Diese Mischung fand sich in ganz Deutschland bei Friedenswinter-Kundgebungen.

2014 war auch das Jahr, in dem Politiker der Linkspartei gegen Israel auf die Straße gingen: In Dortmund demonstrierte Ralf Michalowsky, der damalige Vorsitzende der Linken in NRW, gemeinsam mit Neonazis gegen Israel. Jules El-Khatib gehörte zu den Mitorganisatoren  einer Demonstration gegen Israel in Essen, in deren Folge es zu massiven antisemitischen Ausschreitungen, dem Zeigen des Hitlergrußes und Angriffen auf Teilnehmer einer israelsolidarischen Kundgebung kam.

Der Linken-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko demonstriert seit Jahren immer wieder gemeinsam mit Verschwörungstheoretikern und AfD-Anhängern.

Die Führung der Linkspartei distanzierte sich von solchen Auftritten ihres Personals.  Konsequenzen wurden jedoch nie gezogen. Im Gegenteil: Inge Höger wurde 2018 zur Vorsitzenden der Linken in NRW gewählt, Jules El-Khatib war 2021 der Spitzenkandidat bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl. Ulla Jelpke war bis 2021 ebenso Mitglied des Bundestages wie Dieter Dehm und Jutta Krellmann. Sahra Wagenknecht ist es wie Kathrin Vogler, die amtierende Vorsitzende der Partei in NRW, und Andrej Hunko bis heute.

Inge Höger 2014 beim Friedenswinter in Bochum im Gespräch mit einem Ordner

Immer wenn Politiker von SPD und CDU wie Hans-Georg Maaßen oder Thilo Sarrazin nach rechts abdriften, gefällt sich die Linkspartei in der Rolle des antifaschistischen Mahners und fordert, wie in den Fällen Maaßen und Sarrazin, deren Rauswurf. Geht es um Politiker aus den eigenen Reihen, kommt es zu nicht mehr als einer distanzierenden Öffentlichkeitsarbeit. Partei- und Fraktionsausschlüsse? Verweigerung sichererer Listenplätze? Karierende in der Partei? Fehlanzeige. Die Zusammenarbeit mit Rechtsradikalen wird geduldet, hat man doch nicht nur eine ähnliche Wählerklientel, sondern zu einem großen Teil die gleichen Ziele: Man lehnt die NATO ebenso ab wie die demokratischen Gesellschaften des Westens, ist sich bei der Feindschaft zu Israel einig, schätzt autoritäre Herrscher wie Putin und verachtet ein Land wie die Ukraine, dessen Menschen für Freiheit und Selbstbestimmung kämpfen. Ein Freund von mir brachte es auf Facebook auf den Punkt:

„Die Feinde der Linken sind das Finanzkapital der Wall-Street, der zersetzende amerikanische Kulturimperialismus, das Hegemonialstreben der USA und der Staat Israel.

Die Feinde der Rechten sind das jüdische Finanzkapital, das zersetzende jüdische Hollywood-Establishment, die Kolonisierung Europas durch die USA und der Staat Israel.

Ich finde nicht überraschend, dass da zusammenkommt, was zusammen gehört.“

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