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Die Piratenpartei: „Eine Stimme für die Freiheit“

Er kann ja auch mal die richtige Frage stellen: „Wird es in Deutschland weiter eine liberale Partei geben im politischen Spektrum?” fragt Christian Lindner als jüngster Re-Import der NRW-FDP. Die Frage ist weit interessanter als die Antwort, die Lindner dabei im Kopf hat – denn seine FDP wird es nicht sein. Von unserem Gastautor Hans Immanuel Herbers.

Eine Partei, die eine freiheitliche Gesinnung (so definiert Wikipedia zu Recht das Wort liberal) stark macht ist dringend nötig. Und Freiheit heißt „ohne innere oder äußere Zwänge zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden zu können” (nochmal der Einfachheit halber Wikipedia zitiert).

Alexander Grau beschrieb das im September 2011 in der Zeitschrift Cicero sehr treffend so: „Für Liberale gibt es keine universale Moral und keine ethischen Grundsätze, die es erlauben würden, eine solche Moral abzuleiten. Liberale gehen davon aus, dass der Mensch frei ist, autonom und selbstbestimmt. Er hat das Recht, sein Leben gegebenenfalls egoistisch, verantwortungslos und alles andere als nachhaltig zu führen. Das bedeutet nicht, dass der Mensch sein Leben so führen sollte, sondern lediglich, dass es keine Institution geben darf, die ihn, mit welchen Mitteln auch immer, dazu zwingt, ein Leben nach ihren Vorstellungen zu führen – insbesondere nicht den Staat.”(http://www.cicero.de/berliner-republik/die-gruenen-nicht-liberal-sondern-stockkonservativ/42902)

So neu ist das nun nicht – für freiheitliche Überzeugungen gilt Immanuel Kants Satz: „Niemand kann mich zwingen, auf seine Art glücklich zu sein, sondern ein jeder darf seine Glückseligkeit auf dem Wege suchen, welcher ihm selbst gut dünkt, wenn er nur der Freiheit Anderer, einem gleichem Zwecke nachzustreben, die mit der Freiheit von jedermann nach einem möglichen allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, nicht Abbruch tut.“ Aufgabe von Politik und Staat ist darum, Freiheit zu schützen und da einzuschreiten, wo Freiheit missbraucht wird um die Freiheit anderer zu beseitigen.

Wer Freiheit über Jahrzehnte laut im Mund geführt hat, in der Praxis aber wenn es drauf ankommt das Wort nur noch mit €$-Zeichen schreibt und für den ungehemmten Profit Weniger als einzig wahre Freiheit eintritt, hat das Recht sich liberal zu nennen langeverwirkt. Da hilft auch eine persönlich ehrenwerte Justizministerin nichts, die als Matrosin auf verlorenem Posten ruft: „Die Titanik darf nicht sinken!”und dabei von ihren Schiffsoffizieren längst allein gelassen ist. Spätestens seit Guido W.’s bekanntem Hit „Auf jedem Schiff das dampft und segelt…” weiß jeder, wohin dieser Dampfer unterwegs ist.

Doch richtig bleibt Lindners Frage trotzdem. Es muss eine wirklich liberale Partei geben, eine Partei, die Freiheit und Bürgerrechte stark macht, für mehr Selbstbestimmung eintritt und die Politik wieder den Menschen in die Hand gibt in deren Auftrag sie doch gemacht werden muss in einer Demokratie.

Als die Erben des Freiheitsgedankens sehen sich schon lange die Grünen. Das stolz vorangestellte „Bündnis 90″ soll an die DDR-Bürgerbewegung erinnern, deren organisierten Rest sich die Grünen 1993 einverleibten.

Aber sind die Grünen liberal? Grau hat Recht wenn er schreibt: Den Grünen geht es um die Durchsetzung einer „strengen Pflichtenethik” – und das mit Macht. Grüne Zwangsbeglückung, anders gesagt: Volkserziehung, sieht man in all ihren Politikansätzen. Sie haben einen Katalog dessen, was gut und richtig ist und das versuchen sie, administrativ durchzusetzen. Dass frühere Grüne Ansätze für mehr direkte Demokratie, Bürgerbeteiligung und ein selbstbestimmteres Wahlrecht da erstmal nicht auf der Agenda stehen ist dann logisch: Das Volk ist noch nicht so weit um „richtig” zu entscheiden. Oder würde ein Volksentscheid die grüne Quotenpolitik beschließen? Ich teile Graus Folgerung: „Die Politik der Grünen bedeutet vor allem Zwang. Die Grünen sind daher alles Mögliche, nur keine liberale Partei. Und die Wähler der Grünen sind keine Liberalen. Allerdings fühlen sie sich als solche. Und hier liegt das Missverständnis.”

Darum ist auch verständlich, dass Grünen-Fraktionschef Priggen in NRW so allergisch reagiert, wenn sein Parteifreund Trittin schwarz-grün ausschließt. CDU und Grüne teilen ein Weltbild und ein Politikverständnis, dass das Gute vorschreiben will aus Angst vor der Anarchie durch Freiheit. Nur die jeweilige Moral eines traditionell katholischen CDU-Vertreters und Ortsausschussvorsitzenden aus dem Euskirchener Land und einer grünen Grünen Sozialarbeiterin aus Bielefeld unterscheiden sich – noch. Wer den gruseligen Bericht von Markus Feldenkirchen in Spiegel-Online über „Die grüne Hölle” in Tübingen liest, dem schwant nichts Gutes (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-77531620.html).

Freiheitlich will in Deutschland jede Partei sein. Spannend wird es, wenn man hinschaut wann und wovon Freiheit in der Praxis der Parteien und auch in der Entwicklung ihrer Programme eingeschränkt wird.

Soviel Grüne auch von Freiheit reden – selbst in der grünen Theorie tritt Freiheit zurück hinter die gewünschte Veränderung der Gesellschaft: Ist eine Gruppe nicht so gleich, wie es die Grünen wünschen (seien es z.B. Frauen, Menschen mit Behinderungen, mit Migrationshintergrund), dann tritt die Freiheit zurück hinter die Regulierung. Ein theoretisches Bild einer Gesellschaft der Gleichen steht über jedem Freiheitsgedanken.

Im Kern unterscheidet sich das nicht von traditionell linken Ideologien. Freiheit, so wird unterstellt, kann erst gelten, wenn alle von Status, Bildung und materieller Ausstattung diese Freiheit gleich nutzen können. Freiheit und Gleichheit sind immer in einem Spannungsverhältnis. Klassisch Rechte und wirtschaftsliberale Richtungen verneinen in der Praxis dass es tatsächlich unmöglich von Freiheit zu reden ohne dass es die Möglichkeit gibt, sie zu nutzen. Linke Ideologien behaupten, der Widerspruch wäre aufgelöst wenn beides gekoppelt ist und also frei nur sein könne, wer gleich ist. In der Praxis heißt das aber, dass Freiheit nur dort zugestanden wird, wo Gleichheit erreicht ist.

Tatsächlich geht es darum, für beide Werte zugleich einzutreten und dabei nie Freiheit und Gleichheit gegeneinander auszuspielen. Für Freiheit eintreten darf man nicht auf eine Weise, die die Gleichberechtigung verletzt – sonst geht man zu sozialer Kälte und Menschenverachtung. Und für Gleichheit eintreten auf eine Art, die die Freiheit verletzt, führt zu Bevormundung und Zwangsbeglückung.

Voraussetzung für liberale Politik ist, jeden Menschen als Person und Individuum zu akzeptieren. Nicht als bloßer Teil kämpfender Gruppen, Minderheiten, Klassen oder Herkünfte sondern als die jeweilige einzelne Person. Überall dort, wo diese Person und mit ihr auch andere benachteiligt und diskriminiert wird gilt es, ihre Rechte und Freiheiten zu verteidigen. Und zwar so, dass nicht die einen gegen die anderen ausgespielt werden sondern auf dem mühevollen Weg gegen die konkreten Ursachen. Und da der Weg hierbei immer auch Teil des Zieles ist, verbietet es sich, Freiheit gegen Gleichberechtigung auszuspielen.

Pflichten kann man nur denen auferlegen, die sie auch leisten können. Rechte und Freiheit hat aber jeder. Pavel Mayer schreibt für die Grundsätze der Piratenpartei: „Nur der freie Mensch trägt Verantwortung. Pflichten hat nur, wer die gleichen Rechte wie seine Mitmenschen verwirklichen kann. Die Handlungsfreiheit des einzelnen findet seine Grenze im gerechten Anspruch des anderen.” (http://aggregat7.ath.cx/files/Freiheit12.pdf).

Rechte aber und eben Freiheit gelten für alle – ob sie die nutzen wollen oder nicht. Marina Weisband hatte Pavel Mayer zugehört und schreibt in ihrem Blog:

„Als Mayer seine Erläuterungen zu Freiheit und Verantwortung ausführte, stellte ich ihm öffentlich eine Frage: ‚Was ist mit den Menschen, die nicht frei sein wollen?’

Ich stellte mir meine eigene Großmutter vor, die in einigen Jahren vielleicht alt wird und dann in ihrem Wohnzimmer sitzt und fern sieht, wo man ihr sagt, dass sie mit ihrem Leben nun machen kann, was sie will. Was ist richtig? Was ist falsch? Vielleicht will sie dazu nicht alle erdenklichen Quellen konsumieren, bewerten, für sich in eine Reihenfolge legen und daraus Handlungsanweisungen ableiten? Vielleicht will sie einfach leben und diesen Halt in etwas haben. Vielleicht will sie die Verantwortung nicht tragen, die immer mit erhobenem Zeigefinger an die Freiheit geknüpft wird.

Letzlich – beschneiden wir, die die ultimative Freiheit fordern, nicht jene in ihrer Freiheit, die nicht frei sein wollen? Sollte nicht auch das eine individuelle Entscheidung sein? Ich frage, was die Piratenpartei den Menschen zu bieten hat, für die das Konzept von Freiheit nicht so verlockend ist.” (http://www.marinaslied.de/?p=423)

Freiheit ist eben die Freiheit jedes Einzelnen. Wie und wozu sie jemand nutzen möchte, ist eine persönliche Entscheidung solang nicht dadurch die Freiheit anderer eingeschränkt wird. Und wo ein Mensch Halt in seinem Leben sucht ebenso.

Wenn also nun Christian Linder wenigstens einmal die richtige Frage stellt, soll sie auch beantwortet werden: „Wird es in Deutschland weiter eine liberale Partei geben im politischen Spektrum?” Ja, es gibt sie längst, auch wenn Lindners eigene Partei durch ihre Politik längst nicht mehr liberal ist. Sebastian Nerz, Bundesvorsitzender der Piratenpartei, beantwortete diese Frage schon im Oktober 2011: Die Piratenpartei, so Nerz, ist „eine sozialliberale Grundrechtspartei”.

Ich bin Pirat, weil ich in der Freiheit einen unantastbaren und unverzichtbaren Grundwert sehe. Und ich sehe uns Piraten da in guter Gesellschaft in unserer Geschichte – uns gibt es heute, weil der Ruf nach Freiheit nicht verstummt. Wer in unserem Land eine freiheitliche Partei vermisst kann sie bei den Piraten finden. Auch im Mai in NRW.

Hans Immanuel Herbers ist seit 2009 Pirat und kandidierte bei der letzten Landtagswahl auf Platz zwei der Landesliste der Piratenpartei. Zuvor war er fast 30 Jahre Mitglied der Grünen, die er 1980 mitgründete.

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Klaus
Klaus
12 Jahre zuvor

Man kann nur wirklich hoffen, dass die Verbotspartei „Die Grünen“ einige Prozente verliert.

Sebastian Dicke
Sebastian Dicke
12 Jahre zuvor

Als ich dieses Zitat von Herrn Lindner im Fernsehen gesehen habe, habe ich mich darüber geärgert, wie jemand so lügen kann. Oder wusste er es einfach nicht besser?

Höddeldipöpp
Höddeldipöpp
12 Jahre zuvor

Puh, wird hier gegauckt.

Spider
Spider
12 Jahre zuvor

Der Landtag hat bevor er sich aufgelöst hat, den Fraktionen noch schnell 1,87 Millionen Euro
zugeschustert. Die Fraktionen hätten nach der Auflösung sonst wohl kein Geld mehr bekommen. (Das war Punkt 14 im Plenarprotokoll)

Hoffe mal, dass sich die Piraten solche Freiheiten nicht so einfach nehmen. Hätte mir für so eine Entscheidung zumindest eine kurze (1 Woche) öffentliche Diskussion erhofft.

Ist mir immer noch unverständlich, wieso der Landtag aufgelöst wurde. Wie man sieht konnte man sich ja in anderen Fragen auch einigen. Und den Haushalt hätte man ja nochmal einbringen können.

TuxDerPinguin
TuxDerPinguin
12 Jahre zuvor

naja, bei einer persönlichen Definition von Freiheit kann man ja nicht falsch schreiben.
Aber es gibt verschiedene Formen.

bei
„Ist eine Gruppe nicht so gleich, wie es die Grünen wünschen (seien es z.B. Frauen, Menschen mit Behinderungen, mit Migrationshintergrund), dann tritt die Freiheit zurück hinter die Regulierung. Ein theoretisches Bild einer Gesellschaft der Gleichen steht über jedem Freiheitsgedanken.“
könnte man einwenden, dass es negative und positive Freiheit gibt. Und wenn man der Meinung wäre, dass die Individuen genannter Gruppen benachteiligt wären, könnte man Regulierungen hier auch als positive Freiheit auffassen.

Regulierung und Freiheit sind ja keine Widersprüche.
Klassisches Beispiel ist die Schulbildung. Staatliche möglichst kostenfreie Bildungseinrichtung sind auch freiheitlich im positiven Begriffsverständnis, obwohl sie Eingriffe darstellen im Marktgeschehen und Regularien unterworfen sind etc…

So wie ich den Artikel verstehe, legt er die Definition der FDP an. Also das, was uns die FDP immer wieder über „Freiheit“ erzählt. (wobei sie dann aktiv sich um die gesellschaftliche Ebene nicht gekümmert haben und ihre Wirtschaftspolitik z.T. eher Lobbyismus als liberal war)

Aber gut. Eine so umfassende Betrachtung hätte ja wissenschaftlichen Anspruch fast. Kann man nicht verlangen.
Wobei ich mich frage, ob dann die Piraten eine liberale Partei sind, wo viele Mitglieder ja früher in der Linkspartei waren… genau wie SPD und CDU für mich eine konservative Partei.

Jetzt könnte man auch ne Diskussion starten, ob diese Parteien konservativ sind und käme zu unterschiedlichen Ergebnissen…

Thomas Auer
12 Jahre zuvor

Gut, nichts anderes ist von Ehemaligen zu erwarten.
Wir sind gut, die anderen schlecht. Halt auch nicht anders zu erwarten.
Allen werden wir es eh nie recht machen können – siehe Rüder Sagel (heute Die Linke).
Allerdings wird es schwierig, wenn man/frau so etwas sagt:
Z.:
„Freiheit ist eben die Freiheit jedes Einzelnen. Wie und wozu sie jemand nutzen möchte, ist eine persönliche Entscheidung solang nicht dadurch die Freiheit anderer eingeschränkt wird.“

Wer wird wann, wo, wie und wodurch beschränkt? Beinhaltet Freiheit auf die Freiheit auf Ressourcenverbrauch auf Kosten der zukünftigen, ungeborenen Generationen?
So sucht sich halt jede/r seinen/ihren passenden Freiheitsbegriff und schon wird die Sache rund. 😉

Beste Grüße
Thomas

Galumpine
12 Jahre zuvor

Warum diese komischen Deutschen, die in ihren jeweiligen Alters- Geschlechts- und Einkommensklassen so uniform wirken wie kaum eine andere Lebensform, derzeit andauernd über Freiheit schwafeln müssen ist mir ein Rätsel… Aber wahrscheinlich ja genau deshalb.
Besonders absurd wird es immer, wenn Freiheit gegen Gleichheit ausgespielt werden soll, um irgendwelche politischen Gegner_innen zu diskreditieren. Solche Idiotien sollte man vielleicht besser der „Extremismusforschung“ überlassen. In einem solchen Koordinatensystem lässt sich am Ende alles genau dort einordnen, wo man es eben einordnen will.
Die Gleichheit der Geschlechter fordern schließlich nicht die Grünen mit ihren Quoten, sondern die Piraten mit ihrem Post-Gender. Lässt sich also problemlos austauschen: „Ist eine Gruppe nicht so frei, wie es die Grünen wünschen (seien es z.B. Frauen, Menschen mit Behinderungen, mit Migrationshintergrund), dann tritt die Gleichbehandlung zurück hinter die Regulierung.“

Felix Keßler
Felix Keßler
12 Jahre zuvor

Klasse Erklärungen von Grundsätzlichem!

trackback
12 Jahre zuvor

Links anne Ruhr – und am Rhein (Landtagswahl #nrw12) 21.03.2012…

Duisburg (Loveparade 2010): Michael Rubinstein kandidiert für OB-Posten in Duisburg (DerWesten) – Bochum/Gelsenkirchen: Auszeichnung für Ruhrtriennale-Chef: Heiner Goebbels bekommt den Ibsen Award (Ruhr Nachrichten) – Do…

Klaus
Klaus
12 Jahre zuvor

Sehr schwach:

https://www.derwesten.de/politik/piratenpartei-ist-fuer-hoehere-diaeten-im-nrw-landtag-id6481129.html

Piratenpartei ist für höhere Diäten im NRW-Landtag

Heinz
Heinz
12 Jahre zuvor

Es ist ja schon toll, wenn man so über Freiheit redet. Was aber dann in der Realität passiert, kann man an den Berliner Piraten sehen. Diese verhalten sich noch mehr als Gesinnungspolizei als die Grünen und sind ebenfalls noch weiter links einzuordnen. Wer es nicht glaubt, muss sich nur mal deren Arbeit und Vorschläge anschauen. Beispiel: https://www.piratenfraktion-berlin.de/2012/03/01/ein-recht-auf-stadt-fur-alle-die-es-sich-leisten-konnen/

Ich finde es schön, dass es bei den Piraten solche Leute gibt, wie Denjenigen, der hier den Artikel geschrieben hat, allerdings bezweifle ich stark, dass dies die Mehrheitsmeinung bei den Piraten ist, sein wird und bleibt. Bisher aufgefallen ist nur eine Forderung für freies Internet, aber von Freiheit, wie sie zum Beispiel in der „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ von 1789 beschrieben wird, findet man bisher nicht.

Hans-Dampf
Hans-Dampf
12 Jahre zuvor

„Rechte und Freiheit hat aber jeder. Pavel Mayer schreibt für die Grundsätze der Piratenpartei: (…) Die Handlungsfreiheit des einzelnen findet seine Grenze im gerechten Anspruch des anderen.”

Und was bedeutet dies jetzt für die Debatte um ein totales Rauchverbot im öffentlichen Raum?

a) Die Handlungsfreiheit zu rauchen vs. den gerechten Anspruch auf die eigene Gesundheit von Nichtrauchern? = Rauchverbot im öffentlichen Raum.

oder doch:

b) Die Handlungsfreiheit der Nichtraucher in bestimmte Läden nicht zu gehen vs. den gerechten Anspruch der Raucher, im öffentlichen Raum zu rauchen? = kein Rauchverbot im öffentlichen Raum.

Wenn sich die Piraten für b) entscheiden: Wie frei sind Nichtraucher in ihren Entscheidungen, wenn sie zwischen ihrer Bewegungsfreiheit und ihrem Gesundheitsschutz abwägen müssen?

Fragen über Fragen…:-)

Methusalex
Methusalex
12 Jahre zuvor

Der Artikel ist lange gut, interessant und nachvollziehbar. Bis auf die letzten beiden Absätze. Der Autor endet abrupt mit der Behauptung, die sogenannten „Piraten“ würden den zuvor beschriebenen Freiheitsbegriff eher verkörpern als die FDP. Beleg dafür soll eine Behauptung des Bundesvorsitzenden sein, welche dann in den knappen zwei Absätze unbewiesen stehen bleibt. Der Autor endet dann im letzten Absatz mit einem ideologischen Erguss, der genau so von einem Angehörigen jeder Partei stimmen könnte.

Wer sich das Wirken der „Piraten“ dort anschaut, wo sie Verantwortung tragen, weiß, dass die Realität eine andere Sprache spricht: https://www.bild.de/regional/berlin/piratenpartei/christoph-lauer-glaubt-nicht-mehr-an-piraten-partei-23225242.bild.html

Schade, dass der Autor eher über eigene Ansprüche fabuliert, als sich mit eben dieser Realität zu befassen. Denn diese wird – vielleicht nicht bei den kommenden Wahlen, aber sicher zu einem späteren Zeitpunkt – auch für die momentan noch so hippen „Piraten“ eine Rolle spielen. Dann nämlich, wenn immer mehr Wähler merken, dass diese Partei ihre eigenen kessen Sprüche weder mit persönlicher noch mit fachlicher Kompetenz hinterlegen kann.

Markus Walloschek
Markus Walloschek
12 Jahre zuvor

“Ist eine Gruppe nicht so gleich, wie es die Grünen wünschen (seien es z.B. Frauen, Menschen mit Behinderungen, mit Migrationshintergrund), dann tritt die Freiheit zurück hinter die Regulierung. Ein theoretisches Bild einer Gesellschaft der Gleichen steht über jedem Freiheitsgedanken.”

Möchte diesem Kritikpunkt mit einem Beispiel ebenfalls wiedersprechen.

Wenn ich (Rollstuhlfahrer) spontan mit der DB fahren möchte weil heute die Sonne scheint, dann hab ich dafür nicht die Freiheit, weil die DB sagen darf: das muß vorher angemeldet werden!

Falk D.
Falk D.
12 Jahre zuvor

Der Post fängt gut, tief und breit an. Dass zitierunfähige Quellen genutzt werden, stört fast gar nicht (Ehrlich!). Leider schaffen es die ersten Absätze nicht, über das dünne Ende hinwegzutäuschen.
Der Freiheitsbegriff der Piraten hat doch eine komische Schrankendefinition.
Beispiel: Die Piraten haben sich das bedingungslose Grundeinkommen auf die Fahne geschrieben und zwar in einer Ausprägung, die seine Wirkung von der Steuer-Liberalisierung (Bürgergeld) zu einem weiteren Sozialsystem hin (BGE) verkehrt. Die Antwort auf die Frage ob es sich um eine Abgabe- oder Steuer-finanzierte Leistung handeln soll, wird im Schritum der Piraten sehr vage gehalten. So oder so findet jedoch ein indirekter Kontrahierungszwang statt. Ein weiterer. Bei den anderen sind die Piraten erstaunlich schweigsam. Gleiches gilt für den kostenlosen ÖPNV. Auch hier wird der Allgemeinheit die Finanzierungsverantwortung einer „guten Sache“ aufgegeben. Ähnliche Tendenzen gibt bei der Entlohnung von Kreativen mit der noch lavierenden Einstellung zur „Kulturflatrate“.
Diese Politik funktioniert aber nur so lange Geld eine unendliche Ressource ist oder die Regierung die alleinige Definitions- und Richtlinienmacht hat und durchsetzen kann.
Beim BGE kann man über den Grundrechtseingriff noch mit dem übergeordnetem Interesse hinwegargumentieren. Beim gratis-ÖPNV wird es dann schon eng, da zu viele Gruppen mit Recht die Finanzierungsverantwortung von sich weisen werden und bei einer Kulturflatrate fällt das System aus beiden Richtungen: Zahlender und Empfangender, weil der Kontrahierungszwang hier ggf. den Weg zu alternativen besseren Verträgen verbaut.
Aber auch abseits des Finanziellen ist der Freiheitsbegriff der Piraten durch eine von Empörung, Betroffenheit und Schuldzuweisung geprägten Norm beschränkt.
Einer der Berliner Piraten im Abgeordnetenhaus trägt eine Kufiya zur Schau. Dieses Tuch ist ursprünglich ein Zwangskleidungsstück für Männer und Symbol für Antisemitismuss und Frauenunterdrückung.
Ob und was er sich dabei etwas gedacht hat vermag ich nicht zu ergründen, da seine Einlassungen dazu nacheinander alle drei Verhaltensmuster Trotz, Kleinreden und Victimblaming enthielten und demzufolge auch a posteriori nicht von einer Reflektion auszugehen ist.
Aber das Muster, dass die Piraten erst von außen angestoßen auf dem antisemitischen Auge sehend werden, setzt sich seit Bodo T. fort.
Und da wären wir beim nächsten Aspekt der Freiheit: Rechtsstaatliche Verbindlichkeit als Fundament der Grundrechte. Ich werde diese Peinlichkeit nicht weiter ausbreiten, aber die Piraten sind unfähig ihre 2006, 2007 und 2008 gemachten Fehler und Satzungslücken offen einzugestehen.
Stattdessen wird an einem Partei-Ausschlussverfahren gebastelt, das jeder Hinterhofsanwalt binnen Sekunden zu Makulatur degradieren wird. Wenn von der „öffentlichen Meinung“ getrieben aber schon elementarste Rechtsgrundsätze wie das Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege) über Bord gehen: Wie soll diese Partei am Rahmen einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung mitwirken können? Was ist von so einer Grundrechtspartei zu erwarten?

Spider
Spider
12 Jahre zuvor

@11: Bei der Piratenpartei erfaehrt man zumindest was ueber die Gesinnung der Abgeordneten und kann evtl. auch darauf einwirken (Blogs mit einfacher Kommentarfunktion).

Bei den etablierten Parteien bekommt man solche Informationen meist nicht oder sehr schlecht (siehe z.B. Abgeordnetenwatch). Ferner kann es mitunter schon mal sein, dass dort
ein Mitarbeiter die Antworten schreibt.

Dort habe ich auch das Gefühl, dass die Fraktionsentscheidungen von sehr wenigen Personen getroffen werden.

Nansy
Nansy
12 Jahre zuvor

@Hans Dampf:

Zitat:“Wie frei sind Nichtraucher in ihren Entscheidungen, wenn sie zwischen ihrer Bewegungsfreiheit und ihrem Gesundheitsschutz abwägen müssen“

Wie frei sind Vegetarier in ihren Entscheidungen, wenn sie zwischen ihrer Bewegungsfreiheit und ihrem Gesundheitsschutz abwägen müssen, weil sie nicht sicher sein können, dass alle Restaurant fleischfrei sind?

Man kann es auch übertreiben. Was ist so schwer daran, ein Schild an einer Raucherkneipe zu lesen und sich dann für ein Nichtraucherlokal zu entscheiden?

Hans Immanuel Herbers
Hans Immanuel Herbers
12 Jahre zuvor

@Klaus: Der Landesvorsitzende der Piratenpartei Michele Marsching bestreitet, das erklärt zu haben. Meinung der Piratenpartei NRW ist es nicht – wir lehnen die Diätenerhöhung ab. Das haben wir unmisverständlich auch öffentlich gemacht:
https://wiki.piratenpartei.de/NRW-Web:News/2012-02-01_-_Geplante_Di%C3%A4tenerh%C3%B6hung_ist_eine_schallende_Ohrfeige_an_die_B%C3%BCrger_NRWs

Hans Immanuel Herbers
Hans Immanuel Herbers
12 Jahre zuvor

@HansDampf: Ich kann hier die Nichtraucherschutz-Debatte nicht aufrollen. Ich habe genau dazu aber Thesen publiziert, die Sie gern nachlesen können: https://fwd4.me/0wpg

Kurz gesagt: Klarer Nichtraucherschutz ist notwendig. Die Rechtslage in NRW dazu reicht völlig aus. Was fehlt ist die Umsetzung – und da ist das grüne Ministerium von Frau Steffens in der Pflicht was nun statt seine Verwaltungsarbeit ordentlich zu tun die Gesetze verschärfen will.

Hans Immanuel Herbers
Hans Immanuel Herbers
12 Jahre zuvor

@Markus Walloschek: Ihr Beispiel ist hervorragend! Konkrete Benachteiligungen müssen aufgehoben werden – und was Sie beschreiben ist eine. Der Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Rollstuhl kann wirklich nicht nur nach Anmeldung möglich sein. Hier muss eine konkrete Diskriminierung beseitigt werden.

Das führt aber keineswegs logisch zu Behindertenquoten in der Politik, oder?

Peter Podewitz
Peter Podewitz
12 Jahre zuvor

#12 Hans Dampf
Bei b) haben die Nichtraucher wenigstens die Wahl, mithin die Möglichkeit, für sich persönlich selbst zu entscheiden.
Bei a) haben Raucher diese Möglichkeit nicht.
So schnell lassen sich Fragen beantworten.

crusius
crusius
12 Jahre zuvor

„Für Liberale gibt es keine universale Moral und keine ethischen Grundsätze, die es erlauben würden, eine solche Moral abzuleiten.“ Dieses Zitat ist Quatsch mit Soße. Der wohl wichtigste deutsche Liberale, Immanuel Kant, war zugleich ein energischer Verfechter einer universalen Moral. Wesentlich für den Liberalismus ist vielmehr, dass der Staat keine Moraldurchsetzungsinstanz sein darf, weil der Staat auf Recht gegründet ist, das Recht wiederum auf Zwang. Deswegen benötigt der moderne Rechtsstaat Verfahren, die der Regelung des Zusammenlebens seiner Bürger Legitimität verleihen. Die piratische Forderung nach Transparenz ist also deswegen liberal, weil sie die Nutzung aller technischen Möglichkeiten zur größtmöglichen Beteiligung des Souveräns (des Volks) an diesen Verfahren fordern. Und weiter braucht es Sicherungsmechanismen, die verhindern, dass eine demokratische Mehrheit eine ‚Gesinnungsdiktatur‘ installiert und so die Minderheit dazu zwingt, sich ihren weltanschaulichen Zielen unterzuordnen. Sichtbarster Ausdruck dessen sind in unserem Land die im Grundgesetz kodifizierten Bürgerrechte. Sofern die Piraten also Transparenz fordern, Bürgerbeteiligung stärken und Bürgerrechte schützen, sind sie liberal. Dennoch ist es auch einem Piraten bzw. einem Liberalen unbenommen, 17 Mio € für Herrn Winterkorn für moralisch unappetitlich zu halten und allen Menschen auf diesem Erdenkreis anzusinnen, das genauso zu sehen. Der Liberale würde nur vor dem Erlass eines Managerentlohnungsbeschränkungsgesetzes darüber nachzudenken haben, mit welcher Begründung er in das grundrechtgleiche Recht der Vertragsfreiheit einzugreifen gedenkt. Und diese Begründung müßte mehr enthalten als die Formel „Das geht doch nicht!“.

das ich
das ich
12 Jahre zuvor

als ich las, das bündnis 90 sei „einverleibt“ worden, war ich nicht mehr mit dem kopf dabei: immerhin haben die darüber abstimmen können.

und als ich las, der autor war 30 jahre bei den grünen und ist jetzt bei den piraten, da klingelte es: enttäuschte liebe.

jede diskussion, welche partei die wahre partei der freiheit sei, geht schon mal völlig fehl. vielmehr muss die frage lauten, welche freiheitsvorstellung, welches verständnis von freiheit eine partei hat. die vorstellung der fdp hat da augenscheinlich abgewirtschaftet. und ob die zwischen grünen und piraten wirklich so verschieden sind, wird sich zeigen…

Nansy
Nansy
12 Jahre zuvor

@Hans Immanuel Herbers: Ihre bei den Piraten eingestellten Thesen zur Rauchverbots-Debatte habe ich mit Interesse gelesen. Nun stellt sich für mich die Frage, inwieweit Sie mit ihrer These Nr. 1 schon unbewußt die Strategien der Tabak-Kontrolle umsetzen?
Wie ich das meine, können Sie gerne hier nachlesen: https://yigg.de/nachrichten/2012/02/28/radikales-rauchverbot-in-der-gastronomie-und-wie-geht-es-weiter

Hans Immanuel Herbers
Hans Immanuel Herbers
12 Jahre zuvor

Es geht um einen Balanceakt: Schutz der Nichtraucher ist Aufgabe des Staates. Erziehung der Raucher ist es nicht.

@Das_Ich: Von den DDR Bürgerrechtlern ist bei den Grünen nicht viel übrig geblieben. In der Parteiführung hat nie einer davon mitspielen dürfen. Werner Schulz wurde mit einem Europamandat belohnt, Kathrin Göring-Eckart war klug genug ihre politische Wirksamkeit in der EKD-Synode zu entfalten. Fast alle anderen bekannten Bündnis 90 Repräsentanten waren bei den Grünen schnell abgeschrieben. Nun hat Jürgen Trittin zuerst Gauck als Bundespräsidenten vorgeschlagen – ursprünglich um Merkel mit ihrem Kandidaten Wulff in Verlegenheit zu bringen. DDR-Bürgerrechtler, die wirklich politisch wirksam werden wollten, suchten nach der Fusion ihre politische Heimat woanders: Matthias Platzeck etwa bei der SPD oder Günther Nooke bei der CDU. Schade, aber eine Folge der Übernahme.

Matthias
12 Jahre zuvor

Ich hoffe, dass ihr die Freiheit konsequent sozial und liberal durchdekliniert. Dann werdet ihr Erfolg haben.

das ich
das ich
12 Jahre zuvor

was sie erzählen hinsichtlich der bürgerrechtler geht doch erneut an dem fakt vorbei, dass sie einfach mal ignorieren, dass dort wenigstens abgestimmt wurde über das zusammen gehen – und eben nicht einverleibt, übernommen wurde, wie sie erneut schreiben.

und: wie sollen da denn auch viele noch übrig sein? bei der mitliederfluktuation? quote für ossis, oder wie?

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