Die schwachen Linken schwächen auch (fast) alle anderen

Er profitiert: Christian Lindner (FDP), Foto: Roland W. Waniek

Man mag von der Linken halten, was man will, aber man muss festhalten, dass ihr schlechtes Abschneiden fast alle anderen Beteiligten geschwächt hat. Das Ausscheiden einer rot-rot-grünen Koalition aus den Rechenspielen hat die Verhandlungsmasse erheblich beschädigt. Nun liegt es an der FDP und den Grünen, sich den nächsten Kanzler auszusuchen.

Dabei scheinen die Liberalen die Nase vorn zu haben. In der Berliner Runde ließ sich bereits beobachten, wie geschickt Christian Lindner hierbei vorgeht. Während Annalena Baerbock unsicher wirkte und sich auf Allgemeinplätze zurückzog, ging Lindner direkt in die Vollen. Er umschmeichelte die Grünen und versprach, dass in der zukünftigen Koalition der Umweltschutz eine große Rolle spielen muss. Ganz nebenbei stellte er klar, dass Steuererhöhungen aber mit der FDP nicht machbar seien und dass die Union für die FDP der Wunschkandidat sei. Er hat die Grünen direkt festgenagelt, worauf Frau Baerbock keine Gegenwehr zeigte.

Wenn es der FDP gelingt, den Grünen ausreichende Zugeständnisse zu machen, etwa in Bezug auf den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor (der ohnehin besiegelt ist und der Autoindustrie höchstens einen kleinen Innovationsschub verpassen würde), dann wird es für die Grünen schwierig, ohne Gesichtsverlust weitere Forderungen zu stellen. Die FDP wird es so drehen, dass die Grünen in ihrem Kerngebiet gut dastehen, Themen wie Steuerpolitik und Wirtschaft aber den vermeintlich „Erwachsenen“ überlassen bleiben. Wenn die Grünen darauf nicht eingehen, werden sie trotzig wirken und so, als ob sie den Hals nicht voll kriegen können.

Hinzukommt, dass die Grünen bereits beinahe in eine schwarz-gelb-grüne Koalition eingetreten waren und es somit keinen Gesichtsverlust mehr bedeuten würde, dies erneut zu tun. Umgekehrt dürfte eine Koalition mit der SPD für die FDP der wesentlich weitere Weg sein und wesentlich bessere Begründungen benötigen. Lindner hat klargestellt, wie gekränkt er immer noch über die letzten Verhandlungen ist, bei denen Grüne und Union quasi an der FDP vorbei verhandelt hätten und die FDP nur noch zur Unterschrift hinzu gebeten worden sei. Es ist naheliegend, das Lindner nun mit der Union in gleicher Weise verfahren will. Eine Jamaika-Koalition zu seinen Bedingungen wäre sein Triumph.

Und was sollte die Union dem entgegensetzen? Laschet bleibt keine Wahl, als nahezu jedem Angebot von Gelbgrün zuzustimmen. Die Drohung, als Juniorpartner in eine große Koalition unter Scholz zu gehen, wird selbst sein Schamgefühl überschreiten. Die Macht hingegen abzugeben fällt Politikern grundsätzlich schwerer, als der normale Mensch sich vorstellt.

Scholz wiederum ist fast in der gleichen Situation. Angenommen, es gelingt den Grünen, die FDP von einer Ampel-Koalition zu überzeugen, so wird Scholz kaum noch Bedingungen stellen können. Schließlich bleibt ihm keine Alternative, da Rot-Rot-Grün ausscheidet. Die Macht abzulehnen kommt aber gleichfalls kaum infrage. Scholz hat einen beeindruckenden Aufstieg geschafft. Man erinnere sich an die Häme, die ihm entgegenschlug, als er sagte, selbstverständlich wolle er Kanzler werden. Der Triumph, nun tatsächlich stärkste Kraft geworden zu sein, ist aber zerbrechlich. Ein Angebot von Gelbgrün abzulehnen, wäre zu demütigend.

Und auch die Grünen haben gegenüber der FDP kaum Verhandlungsmasse, da eine andere Option mit ihnen an der Regierung nicht mehr möglich ist.

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Gäbe es noch eine Chance auf Rot-Rot-Grün, so könnte Laschet sich selbstbewusst als Alternative dazu präsentieren und der FDP einiges abverlangen. Gleiches gilt für Scholz, der mit dieser Alternative drohen könnte. Die aktuellen Verhältnisse führen dazu, dass die beiden stärksten Parteien weitgehend gelähmt sind und die Frage der Kanzlerschaft bei einem geschickten und persönlich gekränkten Taktierer namens Christian Lindner liegt.

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Ruhr Reisen
Ruhr Reisen
2 Jahre zuvor

Katastrofe. Wenn Grüne und FDP mit Lachet weitermachen – werden beim nächsten Mal noch mehr nicht mehr wählen gehen.
Was stimmt: Die Linken haben auf ganzer Linie versagt und ihre Wähler durch die eigene Ungeschlossenheit vergrault. Schlimm.

Helmut Junge
Helmut Junge
2 Jahre zuvor

Es wird auf jeden Fall Schwarz-Grün-Gelb geben, weil die FDP sich genau darauf festgelegt hat, und die Grünen unbedingt mitregieren wollen, was aber ohne FDP nicht geht.
Laschet wird auch dann Kanzler, wenn es erneut zur Groko kommen sollte, weil er das ja wegen der FDP nicht machen muß.
Von der Linken habe ich im gesamten Wahlkampf keine Leute gesehen, weder in Duisburg, noch in Oberhausen. In Oberhausen waren sogar kaum Plakate zu sehen. Keine Lust? Es wird aber doch wenigstens endlose Diskussionen der Lifestyllinken in Hinterzimmern gegeben haben?
Was ich selber von der Linken wahrgenommen habe, waren Trolle und Nicknamenkommentare im Internet.
Daß das nicht reicht, hatte ich immerschon gewußt und jetzt am Wahlergebnis ablesen können. Dazu kommt, daß diejenigen Kandidaten der Linken, die sich persönlich im Wahlkampf gezeigt haben, oft genug von Trollen und Nicknamenkommentatoren aus eigenen Reihen, gemobbt wurden. Die Linke hat sich selber zerlegt.
Daß die SPD jetzt, trotz ihres Sieges außen vor bleiben wird, hat sie tatsächlich der schwachen Linken zu verdanken.
Fazit: So merkwürdig es klingt, aber wird bekommen mit Schwarz-Grün-Gelb eine Mitte-Rechts Regierung, weil die Linke sich selbst zerlegt hat. In dem Punkt stimme ich dem Autor Robert von Cube zu.

sneaking_beauty
sneaking_beauty
2 Jahre zuvor

Dass Die Linke die meisten Stimmen an Grüne und SPD verlor und nur wenige von der AfD dazu bekam, ist ein Beleg, dass der nationalbolschewistische Kurs, der vorher aus der Ecke Lafontaine/Wagenknecht anvisiert wurde, gescheitert ist. Wer versucht, die Rechten kleiner zu machen, in dem man sich inhaltlich an sie annähern möchte, verliert selbst und macht die Rechten stärker. Das sollte aus Österreich oder den Niederlanden bekannt sein. Ich hoffe, man lernt aus dieser Lektion.

Lustig finde ich aber der Neid auf das Ergebnis der Grünen in fast allen heutigen Artikeln auf diesem Blog. Die Grünen haben das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte und mit fast 15 Prozent eine deutlich bessere Verhandlungsbasis als die FDP.

Helmut Junge
Helmut Junge
2 Jahre zuvor

Herr Riexinger hat in Stuttgart genauso viele Stimmen bekommen, wie ein mir völlig unbekannter Direktkandidat in Duisburg.
Der Grund liegt wohl eher nicht in der Abweichung von der reinen Lifestyllehre.
Ich ahebe von einem "nationalbolschewistischen Kurs" dummerweise nix mitbekommen. Wie auch?
Auch hier in meinem Wohnort überwiegen diejenigen, die nie am Werkstor von Porsche stehen würden. (Hier ist statt Porsche die Thyssen-Hütte) Auch hier geht keiner unter das Volk. Sogar der theoretisch mögliche Unterschied in der Programmatik der diversen linken Gruppen ist den Wählern unbekannt. @sneaking_beauty, wie kann man nur so weit außerhalb der Realität leben, wie Sie und die anderen Kommentatoren, die sich als Linke defininieren? Ihr glaubt, daß ein paar anonyme Kommentare reichen, um gewählt zu werden? Die drei direkt gewählten Linken sind von Tür zu Tür gegangen und haben mit den Leuten geredet.
In Graz (Steiermark) hat die KPÖ die meisten Stimmen geholt. Aber nur, weil sie sich um die Bürger gekümmert hat. Die haben Mieterberatungen durchgeführt.
https://www.derstandard.at/story/2000129967401/erfolg-der-grazer-kpoe-gut-wohnen-wollen-alle

Albert Rech
Albert Rech
2 Jahre zuvor

Warum soll Rot-Grün-Rot unmöglich sein?
Im letzen Wahlgang der Kanzlerwahl reicht die einfach Mehrheit, und Rot-Grün-Rot hat mehr Sitze als Schwarz-Gelb.
Rot-Grün-Rot hat nur dann keine Chance wenn CDU & FDP gemeinsame Sache mit der sogenannten "Alternative für Deutschland" machen.
Natürlich kann es sein das die FDP wie schon in Thüringen einen eigenen Kandiaten aufstellt und dieser sich mit den Stimmen der ultrarechten AfD wählen lässt.
Hier ist es jetzt nötig Druck zu machen das CDU & FdP darauf verzichten eigene Kanzlerkandiaten aufzustellen.

D. S.
D. S.
2 Jahre zuvor

Sehr gute Analyse, ich befürchte es wird genau so kommen. Beide Kanzlerkandidaten sahen schwach und fast devot aus gestern.
Die FDP biedert sich seit einiger Zeit den Grünen an. Man wird ein paar Klimazugeständnisse machen, die man sowieso machen müsste, schon wegen internationaler Verpflichtungen und spielt dann die Jamaika-Karte. Die Grünen haben den Fehler gemacht, das Thema Klima über alles zu hängen. Thema Klima wird bedient und der Rest fällt hinten runter. Bezahlbare Wohnungen, Altersarmut, Pflege, Gesundheitswesen war überhaupt kein Thema gestern und auch in Zukunft wird es hier keine grundlegenden Änderungen geben. Die soziale Spaltung in Deutschland kann weitergehen.
Unfassbar, dass der schöne Herr Lindner jetzt die Richtung vorgibt.

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