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„Die Spieler spielen wie Flasche leer und die Kasse ist auch leer!“

Das Stadion in Dortmund Foto: Ulrike Märkel

Die Fußball-Bundesliga ist am vergangenen Wochenende in die Rückrunde gestartet. Jetzt steht der 19. Spieltag an. Unsere Autoren Peter Hesse und Robin Patzwaldt haben das einmal mehr zum Anlass genommen, sich über die aktuellen Themen auszutauschen.

In dieser Woche ging es dabei unter anderem um die beiden Berliner Erstligisten und ihre Erfolgsaussichten, die Dauerbrenner der Liga und natürlich erneut um die Situationen auf Schalke und rund um den BVB.

Peter Hesse: Hallo Robin, sollte Borussia Dortmund nicht die Champions League Teilnahme schaffen, werden Einnahmen von mindestens 75 Millionen Euro nicht in die schwarz-gelbe Vereinskasse gespült. Das müsste dann mit Spielerverkäufen aufgefangen werden. Die Bildzeitung orakelt, dass es Jadon Sancho, Giovanni Reyna und Raphaël Guerreiro treffen könnte – auch Marcel Schmelzer und Lukasz Piszczek werden sehr wahrscheinlich gehen, beide Verträge laufen aus. Ich denke, dass in naher Zukunft ein so großes Angebot für Erling Haaland auf den Schreibtisch von Michael Zorc wird, dass er schneller weg ist, als uns allen lieb ist. Lothar Matthäus kommentiert in seiner aktuellen Sky-Kolumne über den BVB wie folgt: „Unterm Strich holt dieses Team einfach viel zu selten alles aus sich heraus. Sie schießen Tore, die Weltklasse sind, und verhalten sich dann regelmäßig bei Standard-Situationen wie eine Amateur-Mannschaft. Sie überrollen Leipzig – und sind dann mit Mainz überfordert. Und so geht es seit Jahren.“ Das schlimme ist: er hat komplett recht…

Robin Patzwaldt: Hallo Peter! Aus meiner Sicht ist die Personalpolitik beim BVB gescheitert. Der Plan auf so viele junge Talente zu setzen, dabei aber die Gesamtzusammensetzung des Teams aus den Augen zu verlieren, rächt sich jetzt. Schönwetterfußballer haben wir in Dortmund aktuell zu viele. Ich wurde mit Leuten wie Günter Kutowski und Michael Zorc in der Mannschaft groß. Solche Typen fehlen heute. Klar, damals waren die Ansprüche noch andere. Aber man sieht ja, dass es nur mit Talent nicht geht. Wenn also in Kürze der eine oder andere von denen ginge, wäre das auch eine Chance. Na ja, und Marcel Schmelzer ist ja schon seit Jahren mehr Teammaskottchen als aktiver Kicker auf Spitzenniveau. Trotzdem hoffe ich, dass es der Verein noch in die Königsklasse schafft. Alles andere würde die Kasse stark belasten. Anfang des Jahrtausends hat das Verpassen der Champions League ja schon mal in Existenznot gebracht. Ich dachte, das hätten wir hinter uns….

Peter Hesse: Tja, die Spieler spielen wie Flasche leer und die Kasse ist ja auch leer – was für eine Tragik. Die BVB-Spieler müssen ja wegen der finanziellen Einbußen in der Corona-Krise weiter auf zehn Prozent ihres Gehalts verzichten. Ein Enddatum dieser Sparmaßnahme wurde noch nicht festgelegt. Der erste Gehaltsverzicht wurde im Frühjahr 2020 vereinbart. Bei dem damaligen Lockdown verzichteten die Profis auf 20 Prozent, im Geisterspielbetrieb waren es dann zehn Prozent. Damit spart der BVB jeden Monat eine Summe im siebenstelligen Bereich. Die Grundgehälter sollen sich monatlich auf 13 Millionen Euro belaufen. Der BVB verliert aktuell pro Heimspiel rund vier Millionen Euro. Das mal zu den Zahlen. Nach Schalke und Bremen hat jetzt auch der 1. FC Köln laut eines Berichts vom „Handelsblatt“ beim Staat vorgefühlt, ob der Club eine Bürgschaft von 10 Millionen beantragen kann. Findest du das in Ordnung?

Robin Patzwaldt: Grundsätzlich habe ich kein Problem damit. Wenn andere Betriebe Unterstützung erhalten, warum nicht auch Profiklubs, die Millionen von Menschen unterhalten. Natürlich muss das Alles fair und vergleichbar bleiben. Ich fürchte, da ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Auch im August werden die Stadien noch nicht wieder voll sein können. Maximal werden wir mit Teilmengen von Zuschauern arbeiten können, so wie zu Beginn dieser Saison. Und auch dann werden die Vereine Verluste schreiben. Für den BVB geht es deshalb umso mehr darum nicht aus den Champions League-Plätzen zu fallen, denn dann wäre er gleich doppelt betroffen von solch dramatischen Mindereinnahmen. Mal abwarten, wie sich das in den kommenden Monaten noch entwickelt.

Das Berliner Olympiastadion. Foto: Robin Patzwaldt

Peter Hesse: Kommen wir mal zur Hauptstadt. Der dortige ›Big City Club‹ Hertha BSC hat sein Trainerpersonal ausgewechselt. Pal Dardai ist für Bruno Labbadia gekommen und bringt Andreas „Zecke“ Neuendorf als seinen Co-Trainer mit. Das klingt ganz schön nach ”Back To The Roots“ und „Alte Werte“ – es wäre ja wirklich ein außerordentliches Husarenstück, wenn Hertha trotzdem absteigen würde – und Union Berlin in der Champions League landet. Ist das für dich vorstellbar?

Robin Patzwaldt: Nein, beides nicht. Hertha wird nicht absteigen und Union nicht ins internationale Geschäft kommen. Den Abstieg werden Schalke, Köln, Mainz und Bielefeld untereinander ausmachen. International werden Bayern, Leipzig, Leverkusen, Dortmund, Gladbach und Wolfsburg oder Frankfurt spielen. Am Ende wird es wieder wenige Überraschungen geben, fürchte ich. Aber es ist toll, wie gut Union gerade dasteht. Mich freut das für den Klub. Na ja, und Hertha ist einfach zu vollmundig mit Windhorst gestartet. Das holt sie jetzt ein. Ich mag Dardai, der wird den Klub beruhigen und ins Mittelfeld führen, wo der Verein auch hingehört.

Peter Hesse: Kommenden Spieltag steht ein besonderes Jubiläum auf dem Spielplan. Denn mit 33 Jahren steht Gonzalo Castro vom VfB Stuttgart vor seinem 400. Einsatz – und das haben in der Geschichte der Liga erst 68 Akteure geschafft. Von den aktiven Bundesliga-Spielern standen überhaupt nur zwei häufiger auf dem Platz als der gebürtige Wuppertaler – es sind Manuel Neuer vom FC Bayern und Christian Gentner von Union Berlin. An welchen Spieler mit besonders vielen Einsätzen denkst du gern zurück? Ich denke vor allem an den Bananenflanken-Großmeister Manni Kaltz vom HSV, der 581 Spiele auf dem Konto hatte. Oder den messerscharfen Fighter Miroslav Votava von Werder Bremen, der in den 1970er Jahren auch noch beim BVB kickte. Otto Rehagel sagte mal resümierend über die 546 Votova-Einsätze in der ersten Liga, dass der in jedes Training gegangen ist, als sei es ein Europapokalspiel…

Robin Patzwaldt: Haha, das ist eine gute Frage. Klaus Fichtel, seines Zeichens alte Schalke-Legende und Dauerbrenner der Bundesliga wohnt bei mir um die Ecke. Den sehe ich regelmäßig hier vor meinem Fenster vorbeilaufen. Natürlich denke ich dann häufig an ihn als Spieler und an die alten Zeiten. Fichtel trägt übrigens heute noch gerne seinen Schalker Trainingsanzug. Da kann man nur schwer dran vorbeischauen, auch wenn er selber eher zurückhaltend, fast schüchtern daherkommt. Charly Körbel fand ich früher auch klasse. Aber den treffe ich hier leider nie. ?

Schalker Fans zeigen Flagge. Foto: Michael Kamps

Peter Hesse: Jetzt wo du Schalke 04 erwähnt hast, fällt mir noch folgendes ein: Gestern ist ja über den Ticker gegangen, dass die Königblauen nochmal Geld vom Personaldienstleister Stölting erhalten. Auch die Böklunder-Gruppe, die innerhalb der „Division Sausages“ ein Baustein in der Unternehmer-Familie von Clemens Tönnies ist, wird auch nochmal tief in die Tasche greifen. Nach Informationen der WAZ ergibt sich dadurch eine „Soforthilfe“ für die angeschlagenen Königsblauen von ein paar Millionen Euro. Das Geld soll „ohne weitere Bedingungen“ fließen, der Vertrag gelte auch für die 2. Bundesliga. Zuletzt hatte das Fußballmagazin Kicker berichtet, dass der Schalker Vertrag mit Hauptsponsor Gazprom bei einem Abstieg ende, beide Parteien sich aber „innerhalb von 20 Werktagen“ auf eine Fortführung einigen könnten. Gazprom zahlt eine Basissumme von 20 Millionen Euro pro Jahr. Den Tabellenletzten aus Gelsenkirchen drücken derzeit Verbindlichkeiten in Höhe von 240 Millionen Euro – eine schwere Hypothek…

Robin Patzwaldt: Das dürfte den Stolz so manchen Schalkers hart treffen. Tönnies-Geld wollten viele da zuletzt ja nicht mehr. Eine echt doofe Situation, in der die Nachbarn da gerade stecken. Nach Schadenfreude ist mir aber nicht zumute, zeigt das doch nur noch einmal, wie schwierig die Zeiten für alle Vereine gerade ist. In Geldnot sind ja auch viele Sportvereine auf anderen Ebenen. Auch da wird händeringend nach Gönnern gesucht. Dass Tönnies sich aber so doch noch einmal als Retter von Schalke fühlen kann, ist schon bemerkenswert. Hoffen wir, dass der BVB am Ende nicht auch irgendwann ‚betteln‘ gehen muss.

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