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Do widzenia, polska!

Hat nichts mehr zu lachen: PO-Vorsitzende Ewa Kopacz
Hat nichts mehr zu lachen: PO-Vorsitzende Ewa Kopacz (Quelle:  Platforma Obywatelska RP /FlickR/ cc-by-sa)

Warschau – Am Tag nach den Parlamentswahlen in Polen ist das Ergebnis ziemlich klar: Polen hat sich für Polen entschieden – und gegen die Europäische Gemeinschaft. Schade. Die Wahlbeteiligung war höher als bei der letzten Parlamentswahl; 39% der Polen machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch, mit der höchsten Wahlbeteiligung in Warschau (über 50%). Das war aber auch schon an guten Nachrichten. Die Relevanz einer Parlamentswahl in Polen für Deutschland sollte eigentlich jedem offenkundig sein. Einige Fakten zur Erinnerung: Polen ist wichtiger Nachbar der Bundesrepublik, in der Rangfolge der Aussenhandelspartner nimmt das Land den achten Rang ein, mit einem deutschen Aussenhandelsüberschuss von knapp 8 Milliarden Euro im Jahr. In Deutschland wiederum leben 1,5 – 2,0 „Auslandspolen“, die zur sogenannten „Polonia“ gezählt werden – nur in den USA gibt es mehr.

Polen ist Bindeglied hin zu Russland, und sichert eine der Außengrenzen der EU. Auch deswegen sieht sich das mittelosteuropäische Land stärker mit der Flüchtlingsfrage konfroniert, auch wenn es sich bisher der Aufnahme von Flüchtlinge massiv versperrt hat. Eben jene Flüchtlingsfrage war die Gretchenfrage der gestrigen Wahl. Zwar hatte Premier Ewa Kopacz von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) wenig Mut bei der Aufnahme flüchtender Menschen bewiesen, doch war selbst dies der Mehrheit in Polen zuviel. Die PO-Vorsitzende Kopacz musste mit ansehen, wie ihre Partei auf 23,6% der Stimmen fiel, und damit mehr als ein Drittel ihrer Zustimmung im Vergleich zur Wahl von 2011 einbüßte.

Großer Wahlsieger ist die nationalkonservative bis -populistische „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) von Jaroslaw Kaczynski, der vor knapp 8 Jahren mit antideutscher Demogagie die deutsch-polnischen Beziehungen nachhaltig belastete. Kaczynskis PiS kommt nach aktuellen Hochrechnungen auf 37,7% der abgebenen Stimmen. Ein Triumph, die absolute Mehrheit ist greifbar – für Polen ein ungewöhnliches Ergebnis. PiS erhält damit klare Unterstützung für eine nationalistische Positionierung, die „Nein“ sagt – zu (nicht-christlichen) Flüchtlingen, Homosexuellen, Sterbehilfe, Abtreibung, Frauenrechten und Atheisten – letztlich also „Nein“ zu all dem, was ein freiheitliches Europa auszeichnet.

Kaczynski ist es zweifellos gelungen, die rechten Kräfte der polnischen Gesellschaft relativ geschlossen hinter sich zu bringen. Die Stimmungsmache war geprägt von EU- und Merkelhassenden Tönen (wobei die polnischen EU-Agrar-Subventionen von PiS gern genommen sind). Es steht zu befürchten, dass Polen sich damit (wieder) in die Isolation begibt, und – nicht zum ersten Mal – vier verlorenen Jahren entgegenstrebt. Auch die Kluft zwischen der eher liberalen Stadtbevölkerung und der erzkonservativen Landbevölkerung wird sich wohl wieder in den nächsten Jahren vergrößern.

Seltsam? Aber so steht es geschrieben…

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Gerd
Gerd
8 Jahre zuvor

Was das "freiheitliche" Europa nicht nur derzeit auszeichnet, ist Rechtlosigkeit! Die Abkommen von Maastricht, Schengen und Dublin sind zwar geltendes Recht, aber sie werden nicht angewendet. Es "wäre" kein Wunder "würden" sich die Polen von so einem Europa abwenden.

Ich schreibe wäre und würden, weil sie es allem Anschein nach nicht getan haben. Wahlentscheidend war wohl die Innenpolitik. Die Regierungsparteien wurden als abgehoben und arrogant empfunden. Zu freundlich zu Unternehmen, den "kleinen Mann" sollen sie vergessen haben.

Sarah Falkenbach
Sarah Falkenbach
8 Jahre zuvor

Dass die Polen sich für Polen entschieden haben, das geht ja mal gar nicht! Wie können die nur! Da möchte man doch am liebsten europäische Panzer einrollen lassen, um diese dummen Polen wieder auf den rechten, ach ne, Moment, äh, europäischen, Weg zu bringen! *ironie-off*

Rainer Möller
Rainer Möller
8 Jahre zuvor

Polen isoliert sich damit von den "Bobos" ("bourgeois-bohémiens", wie unsere westlichen Nachbarn sagen) und deren spezifischen politischen Anliegen, verbindet sich aber gerade dadurch mit einer großen Zahl von Nicht-Bobos in Europa.

Für die Bobos wäre es ganz gut, sie würden mal zurückschalten und ihre spezifischen Anliegen wieder als spezifische Anliegen vertreten und nicht als "alles das, was ein freiheitliches Europa ausmacht". Dann würde man sie auch nicht mehr als extrem arrogant wahrnehmen und ein demokratischer Diskurs käme wieder in Schwung.

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[…] (PiS), eine schwulenhassende Partei katholischer EU-Gegner, die Wahl in Polen. Wir berichteten. Jetzt liegen auch die Ergebnisse der deutschen Auslandspolen vor, und zeigen den Riss durch die […]

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