
Sie wecken Emotionen, Kindheitserinnerungen und beeinflussen unser Handeln, oft unbewusst, aber dennoch wirkmächtig – Düfte. Selbst wenn sie nur schwach sind, lösen sie positive oder negative Reaktionen aus und spielen eine entscheidende Rolle, ob wir uns in einer Situation wohlfühlen oder eben nicht. Die aktuelle Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf nimmt den Besucher mit auf eine olfaktorische Entdeckungstour.
„Ab morgen zu riechen“ – mit diesen Worten stimmt Generaldirektor Felix Krämer die Journalisten bei der Pressekonferenz zur Ausstellung „Die geheimnisvolle Macht der Düfte“ auf einen ganz neues Erleben von Kunst ein. Zwei Jahre dauerte die Entwicklung des Konzepts zu dieser ungewöhnlichen Ausstellung, die keinen greifbaren Gegenstand umfasst, sondern einen Sinn anspricht. Parallelen zu „Please touch“ mit Werken von Tony Cragg sind keineswegs zufällig; dort stand der Tastsinn im Mittelpunkt, hier geht es um das olfaktorische Erleben. Der entscheidende Unterschied liegt hier im Bewusstsein oder vielmehr im Nicht-Bewusstsein. So haben wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass Düfte messbar auf Menschen wirken. Manche fördern die Konzentration, andere beruhigen, wieder andere lassen uns attraktiver wirken, auch ohne, dass wir Düfte bewusst wahrnehmen. Zwischen diesem Nicht-Wahrnehmen und einem als penetrant-aufdringlich empfundenen Geruch spannt sich ein weiter Bogen.
Was lässt uns einen Duft als angenehm empfinden? Welche Erinnerungen löst er aus?
Zimt, Vanille, Kardamom – der Plätzchenduft aus der Weihnachtsbäckerei, der strenge Geruch des Ölofens aus der Wohnstube der Großeltern – Düfte lösen Erinnerungen aus, sie sind sozusagen das olfaktorische Gedächtnis des Menschen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um natürliche Essenzen oder künstliche, im Labor erzeugte, Duftmoleküle handelt. Die körperlich Reaktion, das Erleben des Duftes, das Assoziieren von eigenen Lebenssituationen ist unmittelbar und intensiv. Ohne „Umweg“ über bewusste Reflexion sozusagen von der Nase direkt ins Gehirn.
Ein paar Worte zum Konzept
Wie kann man etwas präsentieren, das weder sicht- noch greifbar ist?
„Es ist ein Experiment“, erläutert Felix Krämer, „und eine Einladung an unser Publikum, die Geschichte des Duftes mit der Nase zu entdecken.“
Sozusagen „angedockt“ an den chronologischen Sammlungsrundgang des Kunstpalastes werden die einzelnen Themenkomplexe um eine Dimension erweitert. Angelehnt an die Darstellung von religiösen Figuren und Symbolen kann der Besucher an Myrrhe, Harzen und Hölzern schnuppern. Möglich machen dies sogenannte interaktive Duftstationen, an denen auf Knopfdruck der entsprechende Duft ausgelöst wird. Andere Räume wiederum werden „beduftet“, jedoch so dezent, dass sie nicht als aufdringlich wahrgenommen werden. Um eine Vermischung der einzelnen Düfte zu verhindern, werden die jeweiligen Themenräume durch Vorhänge voneinander getrennt, so dass der Nase zwischendurch eine Riechpause gegönnt wird.
Duft im historischen Kontext
Beim Weg durch die Ausstellungsräume eröffnen sich ungewöhnliche Verknüpfungen von Düften mit geschichtlichen Entwicklungen. Das Bonmot vom „Duft der großen weiten Welt“ lässt sich im Raum, der sich fernen Ländern und den damit verbundenen Gerüchen widmet, erleben. Die Welt rückt duftend näher, der Besucher riecht Pflanzen wie Patchouli, Jasminblüten, aber auch feuchte Hafenluft, Lederkoffer und tropische Regenwälder und kann sich zumindest in seiner Phantasie auf Weltreise begeben.
Neben der erwachenden Neugier auf die Entdeckung der Welt bedeuten Düfte jedoch auch ein politisches und zeitgeschichtliches Statement. So wird die gesellschaftliche Aufbruchstimmung der 1920er Jahre durch die Kreation ganz neuer Parfums eingefangen, z.B. „Chanel No. 5“ oder „Tabac Blonde“, die mit völlig neuen Duftnoten überraschten und als Ausdruck von Freiheit, neuen Rollenbildern und Tabubrüchen galten. Diese Spiegelung gesellschaftlicher Umbrüche und neuer Akzente ist auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu erkennen. So galt der Herrenduft „Eau Savage“ von Dior in den 60er Jahren mit seiner Leichtigkeit und Frische als Synonym für Freiheit und Abkehr von Konventionen, ebenso wie das Damenparfum „Poison“ zu Beginn der 1980er Jahre als Statement weiblicher Emanzipation erlebt wurde.
Die politische Ebene der Düfte ist ebenfalls Thema der Ausstellung. Kehren wir zurück zum Beginn des 20. Jahrhunderts, in die Zeit des Ersten Weltkrieges. Die Assoziationen, die hier geweckt werden, Tod, Angst, Zerstörung, Schweiß, Rauch und Blut, werden olfaktorisch so verbunden, dass sich der Besucher an der entsprechenden Duftstation selbst in die Situation auf dem Schlachtfeld versetzen kann. Bedrückend!
Sogar die ehemalige DDR wird wieder lebendig: Auspuffgase des „Trabi“ und die belastete Luft durch ungefilterte Industrieemissionen lassen sich erschnuppern. „Wie zu Hause“, erinnert sich eine Besucherin, die in der Nähe von Bitterfeld aufgewachsen und selbst überrascht ist, mit welcher Intensität sie wieder in ihre Kindheit zurückkatapultiert wird. Allein durch den Geruch!
Auch die dunklen Kapitel der Geschichte werden thematisiert. Die Nationalsozialisten reagierten auf die Verknappung von Rohstoffen zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, indem sie Parfums als dekadenten Luxus brandmarkten und maximal Eau de Cologne-Düfte akzeptierten. Wegen ihrer desinfizierenden Wirkung, aber auch weil sie ins gesellschaftliche Ideal von „Schlichtheit und Reinheit“ passten, wurde der Mangel zum Ideal umfunktioniert. Duft als Instrument politisch motivierter Handlungen ist eine weitere Ebene dieser Ausstellung.
Parfum im Wandel der Zeit – die berühmtesten Düfte der letzten hundert Jahre

Zum Abschluss des Rundganges eröffnet sich dem Besucher nicht nur ein duftiges, sondern auch ein visuelles Highlight. Kurator Robert Müller-Grünow hat 21 Parfums ausgewählt, die prägend für die vergangenen 100 Jahre waren, die Flakons unter Glashauben präsentiert und die entsprechenden Duftstationen darunter angeordnet. Hier findet sich Guerlains „Shalimar“ aus den 1920er Jahren, das schon erwähnte „Chanel No. 5“, „CK One“, der erste Unisex-Duft und weitere ikonische Parfums der letzten Jahrzehnte.
Beim Anschauen und Riechen werden Erinnerungen geweckt, Situationen, in denen bestimmte Düfte eine Rolle gespielt haben, sind auf einmal wieder präsent – diese Ausstellung führt den Besucher zurück in die eigene Vergangenheit.
Sozusagen auf Knopfdruck.
Übrigens gibt es den Kunstpalast-Duft auch zum Mitnehmen. Robert Müller-Grünow hat extra für diese Ausstellung einen eigenen Duft kreiert, der u.a. mit Essenzen wie Bergamotte, Zedernholz und weiteren natürlichen Komponenten als Duftkerze eine schöne Erinnerung für daheim schafft.
Die Ausstellung ist noch bis zum 08. März 2026 im Düsseldorfer Kunstpalast zu erleben. Näheres, auch zu dem vielfältigen Begleitprogramm, gibt es unter www.kunstpalast.de
