Frank Baranowskis Großmarkt-Ärger

Der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski hat ein Problem. Um fair zu bleiben: Er hat sich das Problem nicht selbst einbebrockt. Aber die Lösung hat Baranowski zu verantworten. Und diese Lösung hat die Stadt gut 15 Mio Euro gekostet. Das Geld hat ein Baulöwe aus Goslar kassiert, der die naiven Stadtpolitiker sicher in dankender Erinnerung behält, wenn er mal lachen muss. Aufgebracht wurden die Millionen, wie üblich im Ruhrgebiet, nicht aus dem städtischen Haushalt, sondern aus den Kassen einer städtischen Tochtergesellschaft. Denn manche Revier-Politiker denken, über die Ausgaben der städtischen Töchter bräuchten sie keine Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit abzulegen. Sie behandeln diese Etats deshalb wie schwarze Kassen. Auch Baranwoskis-Sprecher will nichts zu den Zahlen sagen, um die es hier geht. Er hält sie geheim.

Doch der Reihe nach: Diese Geschichte handelt von Händlern, naiven Politikern und rund 15 Millionen Euro, die im Nebel verschwanden. Diese Geschichte handelt vom Großmarkt in Gelsenkirchen.

Baranowski ist der Komiker ganz links. Foto: gelsenkirchen.de

Alles beginnt mit einer Idee um die Jahrtausendwende. Ein paar Markthändler hatten sich mit einem Entwickler zusammengetan. Sie wollten von der Deutschen Bundesbahn ein brachliegendes Grundstück hinter dem Gelsenkirchener Bahnhof kaufen, um hier einen neuen Großmarkt für Fleisch und Gemüse zu bauen. Die Gelsenkirchener Politik fand die Idee toll und unterstützte die Verhandlungen. 2003 wurde der Baubeschluss gefasst, ein Highlight in der gebeutelten Ruhrgebiets-Stadt.

Als verantwortlicher Oberbürgermeister lobte damals Oliver Wittke (CDU) das Projekt Großmarkt: "Ein wichtiges Handelszentrum nicht nur für Gelsenkirchen, sondern für die gesamte Region" Heute als NRW-Bauminister schweigt Wittke lieber. Eine Anfrage von mir verwies er an die Stadt Gelsenkirchen. Aber auch die SPD sonnte sich im Licht des Projektes. Der langjährige SPD-Fraktionschef Klaus Haertel sagte damals: Nach "vielem Hin und Her" sei eine Lösung für den Großmarkt gefunden worden, "an der sich die SPD-Fraktion durch zahlreiche Gespräche mit den Investoren aktiv beteiligt hat".

Jenseits dieser Worte, ging es im Getriebe der Verwaltung derweil ums Geld. Nach Angaben mehrerer am Projekt beteiligter Personen verhandelten die Beamten direkt mit Markthändlern aus dem Ruhrpott, einem Bauunternehmer aus Goslar und einem Entwickler aus Hildesheim. Dabei kam ein Vertrags-Konstrukt heraus, das der Stadt zum Schaden gereichte.
Doch der Reihe nach: Besitzer des Baugeländes wurde zunächst die Firma Grundstücksgesellschaft Großmarkt Gelsenkirchen Gmbh mit Sitz in Essen. Dahinter verbargen sich der Entwickler Sebastian Lüder aus Hildesheim und einige Gelsenkirchener Markthändler. Kurz vor der Bauentscheidung verkauften Lüder und die Markthändler ihre Anteile an den Unternehmer Folkert Bruns aus Goslar. Dieser wollte die Hallen errichten. Die Investition lag dafür laut Bauträger bei rund 13 Millionen Euro. Die Markthändler selbst gründeten eine neue Firma. Die GROMA mit Sitz in Gelsenkirchen. Diese Gesellschaft sollte die Hallen von Bruns anmieten und dann an die einzelnen Händler durchreichen.
Soweit war alles normal. Doch Bruns verlangte von der Stadt eine Garantie für seine Investition. Zunächst sollte Gelsenkirchen selbst die Hallen vom Bauträger für knapp 1,1 Millionen Euro im Jahr anmieten. Und dann für rund 1,25 Millionen Euro an die GROMA untervermieten. Im Sandwich zwischen Händler und Investor sollte die Stadt das Risiko schultern.

Die Stadt willigte ein. Für Gelsenkirchen stieg die Tochtergesellschaft Gelsen-Log in den Mietvertrag ein, angeblich aus Steuergründen. Einer der dabei war, erinnert sich: "Der Mietvertrag wurden Gelsen-Log fertig auf den Tisch gelegt. Der Geschäftsführer musste das nur noch unterschreiben." Ich habe den Vertrag. Er läuft ohne das Recht auf Kündigung über 20 Jahre. Wow.

Der Großmarkt, wie er mal geplant war. Foto: Architekt Wegemann

Doch das reichte Bruns noch nicht. Er wollte mehr Garantien. Und er bekam sie: mir liegt eine Patronatserklärung der Stadt vor. Darin verpflichtet sich die Stadt, Bruns die Summe von rund 23 Millionen Euro für sein Investment von 13 Millionen Euro zu garantieren. Die Patronatserklärung trägt die Unterschrift von Oliver Wittke.

Das war bestenfalls blauäugig. Denn direkt nach Eröffnung des Großmarktes im Jahr 2004 begannen die Probleme, wie mehrere Zeugen berichten. Die geplanten Hallen für Fisch und Fleisch wurden nicht eröffnet. Darüber hinaus seien einige Zufahrtswege nicht fertig gewesen. Die Markthändler zahlten die vereinbarte Miete von 11 Euro je Quadratmeter nicht an die GROMA. Diese hielt daraufhin die Mieten an die Gelsen-Log zurück.

Doch trotz der ausbleibenden Einnahmen musste die Gelsen-Log an Bruns zahlen. Jahr für Jahr 1,1 Million Euro, ohne Abzüge. Ansonsten hätte der Baulöwe die Patronatserklärung ziehen können, mit unvorhersehbaren politischen Folgen. Die Stadt Gelsenkirchen sagt dazu: "Bereits in den Jahren 2004 bis 2007 ist das Geschäftsergebnis der Gelsen-Log durch das Projekt Großmarkt negativ beeinflusst worden." Wie hoch der Verlust war, will die Stadt nicht sagen. Die Verantwortung für die ausbleibenden Mieten schieben sich die Beteiligten gegenseitig in die Schuhe. Die Verantwortlichen der GROMA pochen auf nicht eingehaltene Zusagen, die Gelsen-Log auf böswilligen Vertragsbruch. Nach einem Verfahren vor dem Landgericht Essen räumte die GROMA den Markt und Gelsen-Log übernahm die Verwaltung.

Doch damit hörten die Probleme nicht auf. Im Gegenteil: Mit den Markthändlern begann ein Katz-und-Maus-Spiel, wie sich Beteiligte erinnern. Immer wieder wurden Hallen angemietet und auf neue Firmen übertragen, ein wildes durcheinander. Nur eines blieb gleich. Die Händler zahlten kaum Mieten. Und dennoch überwies die Gelsen-Log Millionen an Bruns. Zeitweise trauten sich die Gelsen-Log-Manager nur noch mit Personenschutz auf das Gelände.

Um den Schaden zu lindern, boten sich wieder Markthändler bei SPD-Oberbürgermeister Frank Baranowski an. Über einen neuen Entwickler wollten sie den Großmarkt in Eigenregie übernehmen. Doch Baranowski ließ die Vorschläge unter den Tisch fallen. "Es musste ein Ende mit Schrecken geben, damit der Schrecken ohne Ende aufhört", sagt ein Beteiligter.

Nach Informationen dieser Zeitung kaufte schließlich die städtische Tochterfirma GEW den Großmarkt vor wenigen Monaten für rund 12 Millionen Euro von Bruns. Im Gegenzug entließ dieser die Stadt aus ihrer Patronatspflicht. Ein Sprecher von Oberbürgermeister Baranowski bestätigte den Kauf, wollte aber die Kaufsumme nicht nennen.

Jetzt soll der Großmarkt zum Monatsende geschlossen werden, versichert Gelsen-Log. Läuft alles nach Plan, werde auf der Fläche eine Müllstation der GEW aufgebaut. Sicherheitsmänner sind bereits angeheuert, die Händler ab dem 28. September zu verscheuchen. Summiert man den Schaden für die Stadt, kommt man allein aus dem Kauf des Geländes und den ausgefallenen Mieten auf eine Summe von über 15 Millionen Euro. Baranowskis Sprecher will dazu nichts sagen: "Ein Gesamtschaden für die Stadt Gelsenkirchen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht quantifiziert werden." Wozu auch, sind ja bald Wahlen.

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Arnold Voß
Arnold Voß
15 Jahre zuvor

Der typische Kniefall vor einem Investor!Im Ruhrgebiet ist man schon dankbar, wenn sie überhaupt anklopfen. Und die Gemeinden werden gegeneinander ausgespielt weil jede Angst hat, er könnte ja in eine andere Gemeinde gehn.

Keine Berechnung darüber ob ein Großmarkt überhaupt am Standort sinnvoll ist, bzw. unter welchen Bedingungen, geschweige den zwischengemeindliche Kooperation für einen gemeinsamen Großmarkt der an anderer Stelle vielleicht sogar funktionieren könnte. Verträge die nichts anderes sind als legale Erpressung. Lokale Hazardeure die mit abgezockten Geldgebern kooperieren. Politiker die unbedingt etwas vorzeigen wollen, selbst wenn es auf tönernden Füßen steht.

In Ruhr gilt selbst das systematische Schaufeln des eigenen Grabes als Arbeitsplatz, wenn es denn wenigstens die Statistik schönt.

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