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Fridays for Future: “Arzttöchter treffen auf Juristensöhne“

Diskussion unnötig (Foto: Stefan Laurin)

In seinem Buch „Future for Fridays? Streitschrift eines jungen Fridays for Future-Kritikers“ kritisiert Clemens Traub Öko-Hipster, Politik und Medien gleichermaßen.

Anfangs, schreibt Clemens Traub, war er von Fridays for Future (FfF) begeistert: Wie viele seiner Generation nahm der 22jährige Mainzer Student Anfangs an den Demonstrationen Teil. Die Euphorie des Januars 2019, als er bei FfF in Frankfurt mitlief, ist in seinem Buch noch zu spüren: „Die ansonsten eher graue Bankenstadt verwandelte sich von jetzt auf gleich in ein buntes Farbenmeer: Überall, wohin man schaute, kreative Protestschilder. So schön wie an diesem Tag hatte ich Frankfurt noch nie erlebt. Alles fühlte sich irgendwie richtig an. und vor allem: Wir standen auf der richtigen Seite, daran gab es für uns gar keinen Zweifel. Die Welt ein für alle Mal zu einem besseren Ort zu machen, das verband an diesem Tag Tausende Menschen meiner Generation. Es war unbeschreiblich schön, Teil von etwas ganz Großem zu sein. Dieses Gefühl hatten wir an diesem Tag, glaube ich, alle.“ Traub hatte dieses Gefühl nicht allzu lange. Als er zu Besuch in seinen Heimatort, einem Dorf in Pfalz, fuhr, stellte er fest, dass seine Altersgenossen seine Begeisterung nicht teilten. „In den Augen meiner alten Freunde war die Bewegung eine „Öko-Sekte“, eben die Selbstinszenierung großstädtischer, linker Spinner. Greta Thunberg nannte jemand „gestörte Nervensäge“.

Was seine Freunde störte, war „das bevormundende Auftreten vieler „Fridays for Future“-Demonstranten, die Dieselfahrer und Fleischesser zu Menschen zweiter Klasse machten.“ Erst war Traub von seinen alten Freunden enttäuscht. An der Uni distanzierte er sich von ihnen. Dumm und rückständig kamen sie ihnen vor. Aber dann begann er nachzudenken und sie nicht einfach, wie viele seiner Kommilitonen und Mitdemonstranten abzutun. Man könnte auch sagen, dass sich bei Traub, der SPD-Mitglied ist, die guten, sozialdemokratischen Instinkte wieder der Oberhand über das kurzzeitige Öko-Hipstertum gewannen. Er schaute sich FfF und die führenden Personen an. Das war nicht der Durchschnitt seiner Generation, der da auf die Straßen ging, sondern die Töchter und Söhne der Oberschicht und der oberen Mittelschicht. Menschen, deren Eltern schon ein Leben ohne wirtschaftliche Probleme führten, ausgestattet mit dem Selbstbewusstsein ihrer Klasse, allen anderen den Weg weisen und die eigenen Interessen über die aller anderen stellen zu können. Treffend beschreibt Traub die Szene: „Das typische Milieu der meisten „Fridays for Future“- Demonstranten kenne ich gut. Es ist in gewisser Weise mein eigenes und das meines jetzigen Freundeskreises: Großstädtisch, linksliberal, hip. Arzttöchter treffen darin auf Juristensöhne. Gin-Tasting und Diskussionen über plastikfreies einkaufen und Zero Waste stehen nebeneinander auf der Tagesordnung. Veganismus zählt ebenso zum unausgesprochenen Kodex des hip-seins wie der Einkauf im Secondhand-Laden. und der Bioladen um die Ecke wertet die Lage der eigenen Wohnung selbstverständlich auf.“

In seinem Buch zeichnet Traub glaubwürdig und mit vielen Beispielen seinen Weg vom FfF-Fan zum Kritiker nach: Die Zukunft von Beschäftigten in der Kohle- oder Automobilindustrie ist den Öko-Hipstern egal, ihre Begeisterung für die Postwachstumsökonomie und die Verachtung für die Industrie naiv. Die Arroganz gegenüber den Älteren, auf deren Kritik gerne mit „Ok, Boomer“ geantwortet wird, ohne sich inhaltlich mit ihr Auseinanderzusetzen, stößt ihn ab: Nur die eigenen Argumenten gelten. Traub arbeitet den teilweise autoritären Charakter von FfF gut heraus.

Doch Traub kritisiert nicht nur die ökologisch beseelten Bürgerkinder, sondern auch die Medien und die Politik: „Was die Aufgabe eines guten Journalisten ist, dazu hatte Rudolf Augstein, der Gründer des „Spiegels“, eine glasklare Meinung: „Sagen, was ist.“(…) in den letzten Monaten hatte ich allerdings den Eindruck, dass aus „Sagen, was ist“ allzu oft „Sagen, was sein soll“ geworden ist. (…)Aus sachlicher Berichterstattung wurde oftmals distanzloser Klimaaktivismus und -moralismus.“

Den Politikern wirft Traub vor, kopflos auf die Forderungen der Aktivisten mit plakativen Maßnahmen wie dem Verbot von Plastiktüten reagiert zu haben.

Bei aller Kritik ist für Traub der Klimawandel weiterhin ein großes Problem. Aber er will es wirtschaftlich lösen, die Menschen überzeugen, ihre Sorgen ernst nehmen und keine Moraldebatten führen. „Meine Überzeugung ist: mit einer innovativen „Green Economy“ – anstelle der wirkungslosen Diskussionen über die richtige Moral – haben wir eindeutig die besseren Argumente!“

Clemes Traub
„Future for Fridays? Streitschrift eines jungen Fridays for Future-Kritikers“
Köln, 2020

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abraxasrgb
abraxasrgb
4 Jahre zuvor

Das Prenzlauer-Berg Milieu nannte ich schon vor Jahrzehnten Bionade-Biedermeier, weil Spießer zu altbacken klang und Öko-Fascho zu hart 😉

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
4 Jahre zuvor

Genau. Es darf in den Gräbern der SPD ja nicht angehen, dass das Bildungsbürgertum letztlich doch noch über das stumpf malochende Prekariat siegt…

ke
ke
4 Jahre zuvor

Wenn die junge Mittel-/Oberschicht mit Mamas/Papas Geld in modernsten Outdoor Klamotten nach Neuseeland reist, um mit teuren Telefonen und noch noch teureren Kameras die Ungerechtigkeit anderen von der ungerechten Welt zu erzählen.

Andere Aktivisten/Politiker müssen den Klimawandel vorort am Ende der Welt sehen bzw. darüber sprechen (Frau Roth in der Südsee, Frau Rackete in Patagonien, Greta überall) .

Ja, die Widersprüche im Verhalten sind zu offensichtlich. Warum nicht einfach mit kleinen Schritten anfangen. Studenten, Schüler etc. könnten ihren eigenen Öko-Footprint nachweisbar reduzieren und die Erahrungen publizieren.

So landen wir final bei Gabriel mit seinem Wunsch, dass Politiker auch mal richtig arbeiten sollen, bevor sie Chef werden wollen.

Hans Spitzmeier
Hans Spitzmeier
4 Jahre zuvor

Bei all dem fehlt völlig: Bei quasi allen fff-Veranstaltungen fehlen die Problemausländergruppen völlig. Und der Gesamtanteil der (sichtbar) Schüler mit Migrationshintergrund beträgt meist unter 5% , ich möchte fast behaupten (in Berlin) unter 1% der Demonstrierenden.

Wie hoch war noch mal (in Berlin) der Anteil der Migrationshintergründling*innen insgesamt? …

Nora Berg
4 Jahre zuvor

Passt ganz gut, dass FFF für ihr Partei-Pendant, die Grünen, Wahlkampf machen. Indirekt durch die Hambi-Demonstrationen (Ende-Gelände-Sprecherin Kathrin Henneberger war mal Vorsitzende der Grünen Jugend) oder eben wie in Hamburg ganz dreist mit Greta selbst. Und die Grünen haben sich bekannterweise für Soziales ja noch nie wirklich interessiert (daher auch kaum Verluste durch Hartz IV).

Ach ja: manche SPD-Mitglieder hoffen, dass sich nach dem Ermüden der Bewegung einige der AktivistInnen nicht nur den Grünen, sondern auch der SPD anschließen. Ich bin da ja eher zweifelnd..

Thomas Weigle
4 Jahre zuvor

"Ärztetöchter treffen…." Wie jetzt, haben wir `ne Ärzteschwemme oder hat jeder Arzt unzählige Töchter?

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