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Help Kobanê

Kinder in Kobanê | Foto: Privat
Kinder in Kobanê | Foto: Privat

Vor einem Jahr – am 15. September 2014 – fiel der IS/ISIS in den vorwiegend von Kurden bewohnten Kanton Kobanê in Nordsyrien – kurdisch: Rojava – ein. Knapp zwei Wochen später, am 28. September, begann der IS-Angriff auf das Stadtgebiet von Kobanê. Trotz des erbitterten Widerstandes der kurdischen Selbstverteidigungskräfte (YPG/YPJ) konnte der IS in den folgenden Wochen große Teile der Stadt unter seine Kontrolle bringen. Der IS war den Kurden zahlenmäßig und militärtechnisch überlegen. Doch sowohl der IS als auch die internationale Öffentlichkeit hatten den Widerstandswillen der Kurden unterschätzt.

Erst mit der Unterstützung durch die FSA und nordirakischer Peshmerga-Einheiten, die mit schweren Waffen ausgerüstet waren, sowie durch die Luftunterstützung durch die von den USA geleitete internationale Koalition gelang es der YPG/YPJ Anfang Februar, die Stadt Kobanê vom IS zu befreien.

Über diese dramatische Phase wurde in den Medien intensiv berichtet. Bald danach endete allerdings die Berichterstattung über den Krieg in Rojava, obgleich die Kämpfe der Kurden im Kanton Kobanê gegen den menschenverachtenden und faschistischen IS nach wie vor andauern. Denn nur langsam gelingt es, den IS gänzlich aus dem gesamten Kanton zurückzudrängen. Wie heftig die Kämpfe in Rojava noch im Sommer waren spiegelt eine Pressmitteilung der YPG vom 5. August 2015, die von Firatnews veröffentlicht wurde. Dieser Pressemitteilung zufolge wurden in Gefechten zwischen der YPJ/YPG und dem IS im Juli 831 IS-Terroristen getötet und 71 YPJ/YPG Angehörige.

Seit dem die türkische Armee vor gut einem Monat begonnen hat, die PKK in der Türkei und im Nordirak zu bombadieren, sind die Kämpfe in Rojava etwas zurück gegangen. Einerseits scheint der IS abzuwarten, wie sich die türkischen Angriffe auf die PKK auf die YPJ/YPG auswirken und ob die Türkei, wie sie es angekündigt hat, den IS tatsächlich angreifen wird. Zum andere hat der IS seine Aktivitäten im Augenblick auch auf Lybien ausgedehnt. Insofern ist die gegenwärtige Lage in Rojava schwierig einzuschätzen.

Andererseits ist es der YPJ/YPG gelungen, einen Korridor von Kobanê entlang der türkischen Grenze bis an die Grenze zum Nord-Irak freizukämpfen und zu sichern. Damit ist vorerst sichergestellt, dass Konbaê über irakisch Kurdistan erreichbar ist. Die türkische Regierung kann den Zugang zu Kobanê also derzeit nicht blockieren.

Kriegsschäden in Kobanê | Foto: Privat
Kriegsschäden in Kobanê | Foto: Privat

Die kurdischen Selbstverteidigungskräfte in Rojava haben die Stadt Kobanê und weite Teile des Kantons Kobanê zwar vom IS befreien können. Der heftige Kampf um Kobanê hat aber einen hohen Preis gehabt: Große Teile der Stadt sind durch die Kämpfe zerstört worden und viele Dörfer im Kanton Kobanê ebenfalls.

Da der Kanton Kobanê weitgehend befreit ist vom IS kommen derzeit 2000 bis 3000 Menschen, die vor den IS-Terroristen und den Kämpfen geflohen waren, nach Kobanê zurück. Damit Kobanê für sie wieder bewohnbar wird, sind umfangreiche Aufbaunahmen im Bereich der öffentlichen Infrastruktur  wie auch im Bereich des Wohnungsbaus nötig. Ohne internationale Unterstützung ist der Wiederaufbau Kobanês nicht leistbar.

Um einen ersten Anstoß zur Organisation einer internationalen Unterstützung des Wiederaufbaus von Kobanê zu geben, fand am 1. Juli 2015 im Europäischen Parlament in Brüssel eine internationale Konferenz statt (CONFERENCE on International mobilisation to rebuild Kobanê). Beteiligt an dieser Konferenz waren Vertreter aus Kobanê, Abgeordnete verschiedener Fraktionen des Europäischen Parlaments, Vertreter der EU-Kommission und rund 40 Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs).

In der Abschluss-Erklärung dieser eintägigen Konferenz heißt es: „Internationale Unterstützung wird dringend benötigt für die Räumung von Minen, den Wiederaufbau grundlegender Infrastruktur und die Hilfe bei der Wiederherstellung der Grundversorgung in Kobanê.“

Gute Gründe für eine internationale Unterstützung gibt es ausreichend. Die Kurden im Rojava haben nicht nur die Ausbreitung des faschistoiden IS gebremst und gezeigt, dass der IS keinesfalls unbesiegbar ist. Sie bauen eine demokratische Selbstverwaltung in Rojava auf, an der alle ethnischen Gruppen, die in Rojava leben, beteiligt sind. Und schließlich gewähren sie Minderheiten, die vor dem IS fliehen, Schutz und verteidigen sie auch vor Angriffen des IS.

Das Komitee für den Wiederaufbau Kobanês in Kobanê (The Kobanê Reconstruction Board in Kobanê) hat mittlerweile eine Webseite mit der Adresse www.helpkobane.com eingerichtet (vorerst ist die englische Version zugänglich, eine deutsche Version ist in Vorbereitung).

Nach Auskunft des Komitees sind bisher rund 60 % der Trümmer und Kriegsreste weggeräumt worden. Und ebenfalls rund 60 % der Wasserversorgung und des Abwassersystems konnten bis heute wiederhergestellt werden.

Vor allem fehlt Wohnraum für die rückkehrenden Flüchtlinge. Genauer gesagt: Es fehlt an finanziellen Mitteln. Den Wiederaufbau der zerstörten Häuser in Kobanê können die zurückkehrenden Flüchtlinge selbst leisten, wenn die dazu nötigen finanziellen Mitteln zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise kann eine regionale Wirtschaft wieder aufgebaut  und neue Arbeitsplätze im Baugewerbe geschaffen werden, die es den Menschen ermöglicht, ihren Lebensunterhalt selbst durch sinnvolle und nötige Arbeit zu verdienen.

Weiterhin will die Verwaltung von Kobanê eine solare Energieversorgung aufbauen. Gegenwärtig wird Strom mit teuren und umweltbelastenden Dieselgeneratoren erzeugt. Da es aber ausreichend Sonne gibt, setzt die Stadtverwaltung beim Wiederaufbau auf eine verstärkte Nutzung von Solarenergie.

Das geplante Shemamok-Schulprojekt soll sich der Betreuung von Kriegswaisen widmen.

Ein ökologisches Schulprojekt soll Kinder nach der Schule und in den Schulferien mit einer ökologischen Lebens- und Arbeitsweise vertraut machen.

In der Frauen-Akademie sollen Frauen einerseits ihre Kriegstraumata bearbeiten können. Andererseits sind viele Männer vom IS getötet worden, so dass viele Frauen verwitwet sind und nun die Rolle des Ernährers für sich und ihre Kinder übernehmen müssen. Mit diesem Rollenwechsel sollen sich betroffene Frauen in der Frauen-Akademie auseinandersetzen können und auch ganz praktisch berufliche Fähigkeiten erwerben, die sie für ihre neue Rolle brauchen.

Weiterhin ist ein spezielles Rehabilitationszentrum für Kinder im Grundschulalter mit Kriegstraumata geplant.

Und schließlich sollen in einer ökologischen Landwirtschaftsschule Menschen für einen ökologischen Nahrungsmittelanbau ausgebildet werden.

Einzelheiten zu diesen Projekten und zu weiteren kleineren Projekten sowie zu konkreten Hilfsmöglichkeiten sind auf der Webseite von Help Kobanê beschrieben.

Die genannten Projekte zielen darauf, den Menschen im Kanton Kobanê wieder ein normales Leben zu ermöglichen und eine weitgehende Versorgung aus eigener Arbeit sicher zustellen. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass die Menschen wieder dauerhaft in ihrer Heimat Fuß fassen können und nicht mehr aus Not fliehen müssen. Eine zweite, schwieriger zu erfüllende Voraussetzung ist, dass der IS gestoppt wird und die Menschen in Rojava keine erneute Vertreibung und Zerstörung ihrer Heimat fürchten müssen.

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Gerd
Gerd
8 Jahre zuvor

Es ist eine Schande dass die Kurden aus Rücksicht auf das Regime Erdogan allein gelassen werden. Neben Israel sind sie die einzige prowestliche und säkulare Kraft in der Region.

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
8 Jahre zuvor

Es wird Winter. Damit bleibt nicht mehr viel Zeit, die Menschen, die den Aufbau der Stadt und damit ihrer alten/neuen Heimat planen, zu unterstützen.

Der Mut und das Engagement der Kämpfer ist bewundernswert. Insbesondere wenn man betrachtet, dass viele andere Städte fast kampflos aufgegeben wurden und jetzt terrorisiert werden (z.B. Mossul).

Final werden die Bewohner ihre Sicherheit und ihre Zukunft selber gestalten müssen Es sollte aber doch möglich sein, einen Sicherheitsbereich auch mithilfe einer internationalen Truppe zu sichern.
Hierbei wird es dringend Zeit, dass die Ost<->West-Beziehungen wieder intensiviert werden. Was machen unsere Diplomaten eigentlich seit Jahren?

Wir können dieses Engagement und auch die Flüchtlingshelfer in der Region unterstützen. Jeder Euro, der in der Region eingesetzt wird, erreicht mehr Menschen als ein Euro, der hier investiert wird. Offen ist, wie schwierig es für die Kriegsgeneration ist, eine Zukunft aufzubauen.

Insgesamt war mir in den Planungen etwas zu viel Öko-Romantik. Es wird auch eine konkurrenzfähige Landwirtschaft benötigt, die Massen versorgen kann.

Gerd
Gerd
8 Jahre zuvor

keineEigenverantwortung,

Mossul ist ein schlechtes Beispiel. Es ist eine sunnitische Stadt. Deren Bewohner haben die schiitische Armee des Irak als Besatzungstruppe wahrgenommen und die Soldaten die Stadt als "femdes Territorium " für das sie nicht ihr Leben riskieren wollten. Aus schiitischen Städten hat sich die Armee m.W. nicht zurück gezogen.

Kobane ist eine kurdische Stadt, die dazu noch eine strategisch wichtige Lage hat. Zwei gute Gründe für Kurden diese zu halten.

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