
Ob Gründer, Studenten, Handwerker oder einfach nur Menschen mit Ideen: Makerspaces sind die Orte, an denen Geistesblitze umgesetzt werden können.
„Machen“. Das Wort steht in schwarzen Buchstaben auf einer Wand in einem Hinterhof im Düsseldorfer Stadtteil Flingern. Hier, in der Birkenstraße, ist auf 2500 Quadratmetern auf dem Gelände der ehemaligen Schreinerei Kunze vor gut einem Jahr der „Makerspace Maschinendorf“ gegründet worden. Ein Jahr danach nutzen 600 Handwerker, Künstler und Privatleute die Werkhallen, Keller und Werkstätten auf dem Gelände.
Die Grundidee, einen Ort zu schaffen, „Sachen zu machen“, stammt aus dem Jahre 2011. „Damals“, erinnert sich Markus Lezaun, „haben wir mit ein paar Freunden zusammen die ‚Garage Bilk‘ betrieben, einen Coworkingspace. Eines Tages hat uns eine Gruppe von Nerds gefragt, ob sie bei uns am Wochenende einen 3-D-Drucker zusammenschrauben können.“ Kein Problem, Lezaun erfüllte den Wunsch. „Wofür ein 3-D-Drucker gut ist, hatte ich damals nicht verstanden.“
Ein Dutzend begeisterter Bastler traf sich darauf, um einfache 3-D-Drucker zu bauen und mit ihnen ihre Ideen in die Wirklichkeit zu übertragen. Mit dabei war Josef Průša, ein junger tschechischer Informatiker, der den Teilnehmern im Düsseldorfer Hinterhof zeigte, wie man einen „Prusa Mendel“ zusammenbaut – eine vereinfachte Weiterentwicklung eines Open-Source-3D-Druckers. Heute ist Průša Chef von Prusa Research, dem weltweit zweitgrößten Hersteller von 3-D-Druckern.
Was damals in den Räumen des Vereins GarageLab auf 15 Quadratmetern als Bastelbude begann, ist heute zu einem kreativen Zentrum mit Keramiköfen, Sägemaschinen, Fräsen, Drechselmaschinen, einer Fahrradwerkstatt, einer Glaserei, einer Schlosserei, einer Siebdruckwerkstatt – und natürlich einem Raum voller 3-D-Drucker geworden. „Der älteste 3-D-Drucker im Raum ist damals bei dem Treffen mit Průša entstanden“, sagt Lezaun. „Er heißt wie der Dorfälteste aus Asterix: Metusalix.“. Noch beliebter als die Drucker-Abteilung sei heute allerdings die Keramikwerkstatt des Vereins GarageLab.
Was auf den ersten Blick wie eine chaotische Ansammlung von vielen kleinen Firmen, Werkstätten und technischen Beliebigkeiten wirkt, ist tatsächlich die Stärke des Makerspaces: „Das Interessante ist die Rekombination der Ideen, die ab einer bestimmten Gruppengröße entsteht.“ Sie kommen zum Töpfern und sehen, wie ein Roboterarm oder ein Sarg entstehen. „Das kann der Moment sein, in dem das Interesse geweckt wird und das geht nur an einem Ort wie diesem.“
Es ist der Do-it-yourself-Geist des Punks, der im Maschinendorf in jeder Ecke spürbar ist. Wer eine Idee hat, kann sie hier alleine umsetzen, ein paar Gleichgesinnte finden, mit denen die Umsetzung besser gelingt oder, wenn er oder sie will, sich von erfahrenen Handwerkern helfen lassen.
Auch Handwerker setzen auf das Maschinendorf: „Wir haben hier alle Maschinen, die ein Tischler braucht. Die stehen hier, die kann man bei Bedarf nutzen. Wir nehmen Warenlieferungen an während die Handwerker beim Kunden sind, kein Problem – es ist ja immer jemand da.“ Privatleute und Hobbynutzer wenden sich am besten an den Verein GarageLab, der über 500 Mitglieder hat. Handwerker und Künstler sind beim Maschinendorf richtig
Fablabs und Makerspaces gibt es mittlerweile weltweit. Die Anfänge der Bewegung liegen in den USA. Dort wurde das erste FabLab 2002 an einer der bekanntesten und besten technischen Hochschulen der Welt gegründet: dem Massachusetts Institute of Technology (MIT). Sie gelten als einer der Gründe, warum es in den USA eine blühende Gründerszene gibt. Etwas, zu dem die Makespaces in Deutschland auch beitragen sollen.

Sind alle Maschinen im Düsseldorfer FabLab gebraucht, aber sicherheitstechnisch auf höchstem Niveau, gleicht der Makerspace in Bochum einer Ausstellung der neuesten Handwerksmaschinen. Untergebracht auf einer Etage der backsteinroten, ehemaligen Zentrale der 2014 geschlossenen Opel-Fabrik, ist er ein vom Land unterstütztes Projekt der Ruhr-Universität. Das Gebäude liegt mitten in dem neuen und boomenden Gewerbegebiet Mark 51°7, das auf dem Gelände der Autofabrik seit Jahren Unternehmen anzieht.
2013, sagt Leiter Florian Welsandt, sei die Idee eines Makerspaces an der Ruhr-Universität entstanden. Seit Beginn der Planungen 2016 sei er dann dabei gewesen. 2018 habe man auf gerade einmal 150 Quadratmetern mit der Arbeit begonnen, bis man 2020 in das nun „O-Werk“ genannte Opel-Gebäude auf 2.000 Quadratmeter Fläche gezogen sei. Offenheit sei das Konzept, sagt Welsandt: „Hier können auch Privatleute vorbeikommen und einfach etwas ausprobieren. Wir haben Start-ups, die hier ihre Prototypen bauen, Studenten der Uni kommen vorbei, uns besuchen Berufsschulen oder Gesellen, die mit einer speziellen Maschine, die es in ihrem Betrieb nicht gibt, an ihrem Meisterstück arbeiten wollen.“ Die Ruhr-Universität sei mittlerweile der größte Arbeitgeber Bochums und ein Teil der Stadtgesellschaft. „Wir haben eine Holzwerkstatt, Metallbau, 3-D-Druck, Robotik, Laser-Cut, eine Kunststoffwerkstatt, einen Textilbereich, es kann mit Elektronik gearbeitet und programmiert werden. Bei uns kann jede Idee umgesetzt werden.“ Auch ein Medienlabor steht den Besuchern zur Verfügung. „Wenn ein Start-up sich mit einem Video präsentieren will, können sie es hier professionell erstellen.“ Und wie in Düsseldorf stehen Fachleute, oft ausgebildete Meister, zur Verfügung, um den Umgang mit den Maschinen zu erklären und bei der Umsetzung der Pläne zu helfen. Eine von ihnen hat schon hier gearbeitet, als in den Hallen Opel Astras vom Band liefen: Dietmar Krukowski war bei Opel Industriemeister und ist heute der Leiter der Metallbauwerkstatt. „Was mich fasziniert, ist, dass jeden Tag eine neue Aufgabe auf mich wartet. Es gibt keine Routine, ich muss mich auf jedes Projekt neu einstellen.“ Es mache ihm viel Freude, seine Erfahrung weitergeben zu können und die Besucherinnen und Besucher des Makerspaces zu unterstützen.
In den lichtdurchfluteten Räumen sind an diesem heißen Sommernachmittag Anfang Juli nur wenige Besucher. Aber man sieht, woran hier gearbeitet wird: Bei den 3-D-Druckern steht auf einem ein Objekt, das wie eine Mischung aus Unterleib und Achterbahn aussieht, im Roboterraum steht ein Greifarm und Pepper, der etwas in die Jahre gekommene, aber bislang sympathischste Roboter, und in einer Art Garage steht ein umgebauter alter Dreiradtransporter, der aussieht, als sei er gerade erst vom Band gelaufen. Der Makerspace sei ein großer Experimentierort, auf dem man etwas ausprobieren könne, sagt Welsandt. „Wir wollen, dass die Menschen einfach Spaß dabei haben, neue Dinge auszuprobieren.“ Aber es gehe auch um Wirtschaft, darum, eine Start-up-Kultur zu unterstützen und somit dazu beizutragen, dass es zum Beispiel für Studierende und Absolventen der Ruhr-Uni einfacher wird, Unternehmensideen in die Praxis umzusetzen.

Start-ups und sonst niemand will Garage33, der Makerspace mit der Uni Paderborn ansprechen. Untergebracht in einem futuristisch wirkenden Betonquader neben der von den Briten aufgegebenen Barker-Kaserne, die von der Stadt zu einem Zukunftsquartier entwickelt werden soll.
Der Makerspace, sagt sein Leiter Lennart Engel, sei eng mit der Wirtschaftsförderung und den Unternehmen in Ostwestfalen-Lippe verbunden. Viele von ihnen seien Hidden Champions, hochinnovative Unternehmen, die in ihren Branchen oft Weltmarktführer sind. Ein Ökosystem, das Gründer anzieht. Einer von ihnen ist Christoph Dreesbach, der Geschäftsführer von Cellgo, einem Unternehmen, das automatisierte Kleinteilelager entwickelt hat. „Wir wollten, dass auch kleine und mittlere Unternehmen auf die Technologie in derselben Qualität zurückgreifen können wie Amazon.“ Dreesbach kehrte wegen des Makerspaces aus Düsseldorf zurück nach Paderborn, wo er Wirtschaftsingenieurwesen studiert hat. Cellgo gründete er gemeinsam mit Kommilitonen, und der Makerspace bot genau das, was sie für den Unternehmensaufbau brauchten: „Hier konnten wir Rollen, die wir für unser Logistiksystem brauchten, einfach am 3-D-Drucker anfertigen und schnell ausprobieren und auch unsere Anlage aufbauen und in Betrieb nehmen.“ „Der Makerspace hat inzwischen auch ein eigenes Lager von Cellgo angeschafft, um Verbrauchsmaterialien und Materialien von Start-ups lagern zu können.
Auch in den Hallen in Paderborn stehen – wie in Bochum – neue Maschinen, helfen erfahrene Meister nicht nur dabei, sie zu bedienen. „Wenn Start-ups ein Produkt entwickeln, ist es wichtig, dass sie jemanden haben, der ihnen dabei hilft, Komponenten so zu bauen, dass sie nicht zu kompliziert werden und sich später nicht aufwendig und teuer produzieren lassen“, erklärt Engel. In den Hallen kann man sehen, was hier entwickelt wurde: Schon auf dem Markt ist eine Matte, die Hunde im Sommer kühlt, ein automatisiertes Frittiersystem ist noch im Anfangsstadium seines Werdens.
Doch in Paderborn geht es nicht nur um Technik, sondern auch um Kontakte und Unternehmenswissen. Für beides ist Maike Niewind als Gründungscoach zuständig: „Wir sagen den Gründenden, dass es wichtig ist, sich früh klarzumachen, wer die möglichen Kunden sind, und dann schnell raus zu den Unternehmen zu gehen. Wir helfen dann dabei, ein Geschäftsmodell zu entwickeln und lernen dabei selbst immer etwas über neue Branchen.“ In den Makerspace kämen Schüler und Studierende mit einer Idee, emeritierte Professoren, die noch einmal etwas praktisch umsetzen wollen, aber auch Start-ups aus Unternehmen wie Miele, die hier ihre Ideen weiterzuentwickeln.
Es wäre gut, schon früh zum Makerspace zu gehen, sagt Engel: „Wenn man nachts eine Idee hatte, sollte man schnell mit Freunden darüber reden. Und wenn man danach noch an diese Idee glaubt, ist der Moment gekommen, den Makerspace zu besuchen.“
Der Text erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag
