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Immobilien: Landtag prüft Privatisierungen

Leiterin der Enquetekommission: Daniela Schneckenburger (MdL/Grüne)

Eine Enquetekommission des Landtags prüft die Auswirkungen der Privatisierung von Wohnimmobilien. Ihre Ergebnisse sollen die Wohnungspolitik der Städte und des Landes verändern.

Innerhalb der letzten zehn Jahre wechselten alleine in NRW hunderttausende Wohnungen den Besitzer. Häufig früher mit öffentlichen Mittel geförderte Wohnungen von Unternehmen, Städten, dem Land und auch den Gewerkschaften gehören heute Finanzinvestoren. Die LEG NRW wurde vom Whitehall Fonds von Goldman Sachs gekauft, die Deutschen Annington ist eine Tochter der Terra Firma Capital Partners und Hauptaktionär der Gagfah ist die Fortress Investment Group.

Gründe für den Verkauf der Wohnungsbestände war bei Unternehmen eine Fokussierung auf das Kerngeschäft und bei Städten und dem Land die Sanierung der traditionell maroden Haushalte.

Häufig verschlechterte sich nach dem Besitzerwechsel die Situation der Mieter. Meldungen über Mieterhöhungen, häufige Besitzerwechsel, nicht bezahlte Wasser- und Heizungsrechnungen oder ungerechtfertigte Mieterhöhungen schreckten auch die Politik auf. Die setzt nun  die Enquetekommission „Wohnungswirtschaftlicher Wandel und neue Finanzinvestoren auf den Wohnungsmärkten in NRW“ ein. Die Vorsitzende, die Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger (Grüne), erklärt gegenüber der Welt am Sonntag die Gründe für die Einsetzung der Enquetekommission:„Viele der Finanzinvestoren müssen sich bald Umschulden. Sie haben die Wohnungsbestände über Kredite finanziert, die bald auslaufen. Wir wollen wissen: Was kommt auf die Mieter zu, wenn der Vermieter zum Beispiel durch steigende Zinsen unter Druck gerät – und wie kann man den Mietern dann helfen?“

Klar ist für Schneckenburger aber schon heute, dass das Land keine Wohnungen aufkaufen kann. Nicht nur aus finanziellen Gründen: „Das Signal wäre: Wir helfen euch die verrotteten Bestände loszuwerden. Das kann nicht sein.“

Die Kommission soll auch erarbeiten, welche rechtlichen Möglichkeiten die Städte im Umgang mit Vermietern haben, die ihren Pflichten nicht nachkommen und vielleicht stellt sich ja auch heraus, dass wir die Städte durch Beratung im Umgang mit Finanzinvestoren unterstützen können.“

Martin Krämer vom Mieterforum Ruhr, einem Zusammenschluss mehrerer Mietervereine im Ruhrgebiet, sieht ebenfalls die Gefahr, dass die Immobilienbesitzer durch Umschuldungen unter starken Druck geraten: „Viele sind ohnehin enttäuscht, weil sie mit Renditeerwartungen auf den deutschen Markt gekommen sind, die unrealistisch waren. Wenn jetzt die Finanzkosten steigen, sind die Möglichkeiten für sie begrenzt, auf diese Entwicklung zu reagieren.“ Die Unternehmen können, vor allem nicht im Ruhrgebiet, einfach die Mieten erhöhen. Dem steht nicht nur das Mietrecht im Weg sondern auch der Markt. Im Ruhrgebiet stehen heute schon mehrere tausend Wohnungen leer – wer zu teuer anbietet, findet keine Mieter. Die Alternativen: Die Unternehmen können beim Service sparen,  Mitarbeiter abbauen oder bei der Instandhaltung der Wohnungen. „Das“, sagt Krämer, „fällt nicht so schnell auf. Es ist ein schleichender Prozess, an dessen Ende verwahrloste Siedlungen stehen.“ Und in die will dann auch niemand ziehen, weiß Burkhard Drescher. Der heutige Immobilienberater war bis 2004 Oberbürgermeister von Oberhausen und wechselte, nach einem beruflichen Zwischenspiel bei der RAG-Tochter Montan Grundstücks Gesellschaft (MGG) als Vorstandsvorsitzender 2006 zur Gagfah. Das Unternehmen verließ Drescher 2009, weil er sich mit den Besitzern nicht über die Geschäftspolitik einigen konnte. „Auf dem Wohnungsmarkt werden nur die Unternehmen erfolgreich sein, die eine realistische Renditeerwartung haben, und die liegt eher bei vier als bei zehn Prozent.“ Drescher rät Immobilienunternehmen auch dazu, die Interessen der Mieter ins Zentrum zu stellen. „Nur mit zufriedenen Mietern kann ein Unternehmen Geld verdienen und Leerstände vermeiden.“

Gegen Privatisierungen ist Drescher nicht: „Es gibt heute zahlreiche Unternehmen, die ein langfristiges Interesse an Wohnungsbeständen haben und das Vermietungsgeschäft verstehen.“

Das taten etliche der Unternehmen, die in den vergangenen Jahren Wohnungsbestände in Deutschland verkauf haben nicht. Falsch eingeschätzt wurden vor allem die Erlöse, die man durch den Verkauf von Wohnungen erzielen konnte. Deutschland ist Mieterland, und die Bereitschaft, eine Wohnung zu kaufen ist deutlich geringer als in anderen Ländern. Und wenn Deutsche bauen oder kaufen dann gerne Häuser. Aber keine Wohnungen in Siedlungen in mittleren bis einfachen Lagen.

Auch der Generalsekretär der NRW-CDU, Oliver Wittke sieht Privatisierungen auch nach den Erfahrungen der letzten Jahre als eine Chance. Sein Beispiel für eine gelungene Privatisierung: Die Wohnungsbestände der LEG NRW, die er in seiner Zeit an Bauminister an Goldman Sachs verkaufte: „Die Sozialcharta, die wir ausgehandelt haben gilt bis heute als vorbildlich und schützt die Interessen der Mieter und der Mitarbeiter der LEG.“ Dass die LEG Anfang des Jahres versucht hat, ihre Mieter durch ein undurchsichtige Anschreiben zu einer freiwilligen Mieterhöhung zu bewegen, ist für ihn ein ärgerlicher Fehler. „Ich bin mir sicher, dass die Enquetekommission zu dem Schluss kommt, dass die Sozialcharta der LEG gut war. Die Einrichtung der Kommission begrüßt Wittke trotzdem: „Wir müssen alles tun, um die Rechte der Mieter zu sichern und Verwahrlosung ganzer Stadtteile vorzubeugen. Nicht alle Privatisierungen waren erfolgreich. Vor allem die zweiten und dritten Besitzer haben oft unverantwortlich gehandelt.“

Das soll bei dem anstehenden Verkauf der Wohnungen von Evonik nicht passieren. Nach dem Börsengang, der in diesem oder im kommenden Jahr stattfinden wird, will sich das Unternehmen wohl 2013 von den 130.000 Wohnungen von Evonik Wohnen und der THS trennen. Evonik versichert, dass bei der Auswahl des künftigen Besitzers die Interessen der Mieter einen hohen Stellenwert haben. Martin Krämer vom Mieterforum beruhigt das nicht: „Wohnungen gehören nicht an die Börse. Der Immobilienbereich von Evonik sollte vom Börsengang ausgenommen werden“

Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag

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