
Lange Zeit galt im Ruhrgebiet der Spruch, dass auch ein Besenstiel gewählt wird, wenn er rot ist. Die Erfolge von CDU-Oberbürgermeisterkandidaten in den vergangenen Jahrzehnten in Essen, Duisburg, Gelsenkirchen und nun Dortmund sind Beispiele dafür, dass diese Zeiten lange vorbei sind. Nur in Bochum gilt noch die Besenstiel-Regel: Jörg Lukat, der gestern als gemeinsamer Kandidat von SPD und Grünen die Oberbürgermeister-Stichwahl souverän mit 64,67 Prozent gegen Andreas Bracke (CDU, 35,33 Prozent) gewann, ist erst seit 2024 SPD-Mitglied. Seine 1979 begonnene Laufbahn bei der Polizei beendete er 2024 als Polizeipräsident in Bochum. Erfahrung in der Politik hat er keine, sein Lebensmittelpunkt liegt in Herten im Kreis Recklinghausen. Klar, Lukat kennt sich mit dem Thema Sicherheit aus, aber von Wirtschaft, Stadtplanung, Wohnungsbau, Kultur und allen anderen Bereichen hat er nicht mehr als Laienwissen. Den Bochumern war das alles egal, sie wählten ihn.
Im Vergleich zu Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen und Essen hat Bochum wenig Probleme. Hier wanken kaum Crack-Zombies durch die Fußgängerzone, Clans liefern sich keine Straßenschlachten, eine Slumentwicklung durch Armutsmigration wie in Hagen, Gelsenkirchen und Duisburg gibt es nicht. Aber die Stadt ist hochverschuldet, die nächsten Jahre werden hart, es muss gespart werden. Der 63-jährige Lukat wird in einer schwieriger werdenden Zeit ein Übergangskandidat, in fünf Jahren wird er kaum noch einmal antreten. Die Parteien, die ihn aufs Schild hoben, verfügen nach der Kommunalwahl am 14. September nicht mehr über eine Mehrheit im Rat. Ein wenig politische Erfahrung wäre da nicht verkehrt. Den Bochumern war das egal, sie wählten den roten Besenstiel.
