Landesmediengesetz-NRW: „Der Versuch, von oben herab Einfluss auf die Presselandschaft zu nehmen.“

Thomas Sternberg, MdL, CDU NRW
Thomas Sternberg, MdL, CDU NRW

Der nun dem Parlament vorliegende Entwurf des neuen Landesmediengesetzes der Landesregierung ist der überarbeitete Text eines Entwurfs, der im vergangenen Jahr schon einmal in der Öffentlichkeit sehr kritisch diskutiert wurde. Das Ergebnis war: Die Landesregierung musste den Entwurf grundlegend überarbeiten. Unser Gastautor Thomas Sternberg ist medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag NRW.

Wir haben jetzt das Ergebnis einer breiten Diskussion vorliegen. Man hätte sich gewünscht, dass die Landesregierung den Kritikpunkten vieler Beteiligter entgegengekommen wäre.

Doch es wird jetzt deutlich: Der Entwurf entspricht nicht der Höhe der Zeit. Er spiegelt nicht den Stand der aktuellen Medienentwicklung wider.

Im Gesetzentwurf ist vielfach von Partizipation die Rede. Aber was heißt eigentlich Partizipation?

Heißt Partizipation, dass man am Geldsegen der Rundfunkgebühren partizipiert, der durch die Landesregierung gönnerhaft verteilt wird? Es gilt festzuhalten: Rundfunkgebühren sind keine Verfügungsmasse von Medienpolitikern. Das sollte bei den weiteren Diskussionen um das Gesetz von Anfang an der Grundsatz sein.

Aber, um nun zum eigentlichen Punkt zu kommen, wie partizipieren heute junge Menschen eigentlich an den Medien der Informationsgesellschaft?

Eines kann man auf jeden Fall festhalten: Ganz sicher nicht mehr über den Bürgerfunk, das schöne, alte, gemütliche Thema des vergangenen Jahrhunderts. Gegen diese bestimmte Form von Rundfunk, in dem Musik abgespielt wird, gelegentlich unterbrochen durch Wortbeiträge von engagierten Bürgerinnen und Bürgern aus den Regionen, ist nichts einzuwenden. Sie kann und soll auch, wo gewünscht, fortgeführt werden. Nur, ein innovatives Medienthema ist das ganz sicher nicht.

Ich habe selber vor 20 Jahren für etliche Jahre eine Medienwerkstatt geleitet. Ich kenne daher das Thema sehr gut. Wir hatten eine Medienwerkstatt mit für damalige Verhältnisse sehr modernen Bandmaschinen, Schnittplätzen und vielem mehr. Das ist längst alles eingemottet. Es ist längst museumsreif. Denn junge Menschen, aber nicht nur die, die in der politischen Bildung aktiv sind, laden heute selbstverständlich ein You-Tube-Filmchen hoch und liken das bei Facebook. Dadurch werden wesentlich mehr Menschen erreicht als Bürgerfunker jemals mit ihrem Wirkungskreis erzielen konnten.

Die Medienwelt hat sich in den letzten Jahren radikal verändert. Und dieser Veränderung wird der Entwurf nicht gerecht. Er spiegelt

einen überholten und veralteten Medienbegriff wider. Nicht nur junge Menschen, aber besonders sie nutzen Radio und Fernsehen längst anders, als man das im traditionellen Programmschemadenken noch glaubt. Viele Menschen sehen heute Fernsehen in einer Form, wie sich klassische Programmfernsehmacher das kaum vorstellen können. Sie sehen in der Regel zeitversetzt Fernsehen. Das Radio wird zwar weiterhin als Begleitmedium über den Tag genutzt, wird aber längst durch umfangreiche Angebote von Mediatheken im Netz ergänzt. Und Informationen kommen für sie heute fast ausschließlich über das Internet.

Die Medienwelt hat sich daher vor allem durch das Internet verändert. Aber, das muss gefragt werden, ist das Internet im Gesetzentwurf überhaupt angekommen? Man gewinnt den Eindruck, dass dieser Gesetzentwurf noch aus dem vorigen Jahrhundert stammt. Allein der ungenaue Rundfunkbegriff, der im Gesetz in seiner ganzen Unklarheit übernommen wird, müsste angesichts der Entwicklung crossmedialer Plattformen dringend präzisiert werden.

Angesichts dieser Entwicklungen gewinnt der Begriff der Partizipation eine andere Bedeutung, die sich aber nicht im Gesetz wiederfindet. Mediennutzer und Mediennutzerinnen sind heute nicht mehr auf die huldvolle Zuweisung von Rechten und Mitteln durch den Staat angewiesen. Sie agieren ganz frei und ganz unabhängig von staatlichen Zuwendungen in der Medienwelt. Und das ist auch sinnvoll. Doch von angemessenen Rahmenbedingungen für diese kreative Freiheit findet sich nichts im Gesetz.

Das bringt mich zur Frage nach dem Staatsverständnis, das dieser Gesetzentwurf widerspiegelt. Und damit komme ich auch zum Thema „Stiftung“, die das Land zur Unterstützung lokaler und regionaler Medien plant. Unabhängig von der Frage, ob die Art der Gestaltung der Stiftung als privatrechtliche Gesellschaft, deren Zielsetzung in der Förderung von Vielfalt und Partizipation bestehen soll, juristisch einwandfrei gelungen ist, muss eine der Aufgaben dieser „Stiftung“, nämlich die Vergabe von Recherchestipendien, äußerst kritisch betrachtet werden. Man muss es einmal genau auf den Punkt bringen: So soll tatsächlich der Staat über diese „Stiftung“ Journalisten Geld geben, damit diese dann Politikern unangenehme Nachfragen stellen. Stellt sich die Landesregierung so unabhängigen investigativen Journalismus vor? Hier zeigt sich das Staatsverständnis dieser Regierung, denn Staatsferne sieht anders aus.

Journalismus muss staatsfern sein! Alle Versuche, der Landesregierung, sich einzumischen, müssen zurückgewiesen werden. Der jetzige Gesetzentwurf bahnt hier Wege zu einem staatsnahen Journalismus. Die Landesregierung sollte vielmehr dafür Sorge tragen, dass Rahmenbedingungen entstehen, unter denen unabhängige Verleger auch im Internet Geld verdienen können. Dann werden sie auch. Redakteure einstellen und einen lokal vielfältigen Journalismus gewährleisten.

Der Entwurf zeigt meines Erachtens ein falsches Staatsverständnis. Es ist die Rede von möglichen regulatorischen Bedarfen. „Regulatorische Bedarfe“ – eine wunderschöne Wortzusammenstellung. Ja, es geht bei diesem Gesetz um eine Form der Regulierung. Man möchte mit dem Gesetz steuern, bestimmen – und dann großzügig Partizipation gewähren. Das ist ein Staatsverständnis, das „von oben nach unten“ denkt. Wie auch in der Hochschulpolitik: Subsidiarität ist für diese Regierung ein völlig unbekanntes Fremdwort. Zentralisierung, Steuerung, Abhängigkeit– das sind die leitenden Begriffe, die auch das neue Landesmediengesetz bestimmen. Selbstständige, eigenverantwortliche, starke Einrichtungen sind für die rot-grüne Landesregierung etwas Störendes. Sie möchte herrschen, bestimmen und dann huldvoll verteilen. Das ist nicht meine Vorstellung von Politik. Das lehne ich ab.

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Udo Höppner
10 Jahre zuvor

„Regulatorische Bedarfe“ klingt wahrlich so verquast wie bedrohlich.
Aber: Der Staat sind wir, wir finanzieren das Konstrukt durch unsere Steuern. Und natürlich ist es so legitim, wie bewährt, dass wir auch Sendeanstalten finanzieren, die Journalisten dafür bezahlen, dass sie bspw. den Politikern „unbequeme Fragen stellen. Ich will nicht ausschließlich Privatsender, deren Werbung zwischendurch durch Spielfilme und „News“ unterbrochen wird. Dass dieses Landesmediengesetz NRW von gestern ist – da stimme ich spantan zu. Dass die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Journallie nur noch schwer auffindbare Ausnahme ist, scheint auch deutlich. Dass der Gebührendoppelzahler („GEZ“ und Steuern) viel zu wenig für eine Menge Kohle bekommt: Ja!
Aber das Kind mit dem Bade ausschütten ist mir keine Alternative. Reformen allerdings sind überfällig.

hape
10 Jahre zuvor

Für einen Mann vom Fach ist mehr als 15 Monaten nach Abschaffung der Rundfunkgebühr die Nutzung dieses Begriffs für den Rundfunkbeitrag ein Zeichen dafür, dass auch er nicht in der aktuellen Medienwelt angekommen ist. Es ist in meinen Augen auch ziemlich verlogen, „staatlichen“ Journalismus, wenn er als Rundfunk daherkommt, für notwendig zu erachten, während in der Presse Journalismus von den Renditen einiger weniger abhängen soll. Und das, wo der Fachmann doch darlegt, dass die Medienwelt wg. Internet sich gewaltig gewandelt hat.

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