Merz in der Klemme

Kanzler In schwieriger Lage: Friedrich Merz, CDU (Foto: Roland W. Waniek)

Der Kanzler wird heftig kritisiert. Durchaus berechtigt. Aber der Handlungsdruck auf ihn ist gewaltig. Ein wenig Geduld und Verständnis sollte man daher aufbringen. Denn sein Scheitern wäre eine Katastrophe.

Merkel konnte bequem regieren. Ihre GroKo war noch groß, die AfD gab es zu Beginn ihrer langen Amtszeit noch nicht, die Gesellschaft war weniger polarisiert, Deutschland ging es dank Schröders Reformen wirtschaftlich gut, die internationale Krisen waren beherrschbar. Vor allem gab es keinen Krieg in Europa. Für Scholz war es wesentlich schwieriger. Seine Ampelkoalition war ein fragiles Gebilde, Putins Angriff auf die Ukraine machte all ihre Reformpläne obsolet und stürzte Deutschland und Europa in eine tiefe Krise. Mit der nun sein Nachfolger fertig werden muss.

Merz hat im Wahlkampf große, zu große Erwartungen geweckt. Mit der Wirtschaft werde es unter seiner Regierung rasch aufwärts gehen, die Bürger würden schnell spüren, dass sich ihre Lage verbessere. Daran gemessen konnte er nur scheitern, jedenfalls bisher.

Die schwarz-rote Koalition, aus der Not eines schwierigen Wahlergebnisses geboren, musste erst einmal zusammenfinden. Mit zwei geschwächten Partnern und einem unerfahrenen Kanzler. In den Koalitionsverhandlungen gelang es ihr recht gut, im Frühjahr und Sommer rumpelte es gewaltig. Nun will sie sich zusammenraufen. Aber die großen Aufgaben beginnen erst: der von Merz ausgerufene „Herbst der Reformen“ und die Haushaltssanierung trotz immenser neuer Schulden.

Die Regierungsarbeit beginnt jetzt erst

Der Kanzler hat sich mit seinen Versprechungen selbst in die Enge getrieben. Aber die inneren und äußeren Bedingungen sind auch äußerst schwierig und verlangen rasches Handeln: Die Wirtschaft stagniert weiter, die Arbeitslosigkeit wächst, ebenso die Probleme in den sozialen Sicherungssystemen. Putin verstärkt seinen Krieg gegen die Ukraine und Europa jeden Tag, in Washington irrlichtert Trump, Europa zerstreitet sich am Verhältnis zu Israel und zum Gazakrieg.

Einiges hat die Regierung immerhin geschafft: Die Haushalte für 2025 und 2026 sind auf dem Weg, die Zahl der Asylbewerber und Migranten ist auch dank der verstärkten Kontrollen an den Grenzen gesunken, die Wahl von drei Verfassungsrichtern – im Frühsommer Auslöser für eine erste schwere Koalitionskrise – wird im zweiten Anlauf wohl glatt über die Bühne gehen. Und die Koalitionäre streiten weniger. In diesen aufgeregten Zeiten eine Wohltat.

Nun jedoch geht es ans Eingemachte, für die Koalitionsparteien wie für die Bürger. Wie kann und muss der Sozialstaat reformiert werden, damit er im Kern erhalten, aber zukunftsfest wird? Wie kommen die Unternehmen wieder auf die Beine? Wie werden die Energiewende und -versorgung gesichert und bezahlbar? Und vor allem anderen: Wie schnell können Deutschland und Europa verteidigungsfähig werden gegen einen offenen Angriff Russlands, ohne gesicherte Hilfe durch die USA?

Merz und seine Regierung müssen darauf Antworten finden. Aber das wird nicht schnell gehen und nicht ohne Reibungen. Dafür sind die Aufgaben viel zu groß. Regierende brauchen keine Schonung. Aber ein wenig Geduld und Verständnis sollten die Bürger und Medien schon haben.

Wer vorschnell redet und handelt, wozu Merz gelegentlich neigt, macht Fehler. Wer wenig tut, wozu Merkel und Scholz zu oft neigten, macht erst recht Fehler. Merz muss auch für sich da noch Maß und Mitte finden. Angesichts der Lage kann man ihm nur Erfolg wünschen. Denn was passiert, wenn auch er scheitert, mag man sich nicht ausmalen.

Kanzler In schwieriger Lage: Friedrich Merz, CDU (Foto: Roland W. Waniek)

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