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Metal-Historie: Kumpels in Kutten

Schwermetall auf Papier: Das Buch Kumpels in Kutten von Holger Schmenck und Christian Krumm zeichnet die Geschichte des Heavy-Metals im Ruhrgebiet nach.

Heavy Metal, las ich irgendwann einmal in der Spex, sei die größte proletarische Jugendbewegung. Das ist lange her und war vielleicht auch nie die ganze Wahrheit. Heute ist Heavy Metal vor allem Gymnasiastenrock und das Subproletariat liegt, je nach Fraktion, dem Wendler oder irgendwelchen Gangsterrappern zu Füßen.

Heavy Metal war nie meine Musik. OK, ein paar Deep Purple Platten habe ich, aber  als ich die gekauft habe war Helmut Schmidt noch Kanzler. Aber ich mochte Heavys. Ein paar mal war ich auf Konzerten und mir viel auf, wie liebevoll der Umgang untereinander war. Die beißen ihre Alten nicht weg, dachte ich mir auf einem diese Konzerte und dass sie sich gegenseitig akzeptieren. Wer die Musik mag und nicht gerade aussieht wie ein aufstrebendes Talent der Volksbankfiliale in Alt-Marl gehört dazu. Nette Sache das.

Das Ruhrgebiet war immer eine Heavy Metal Gegend. Das konnte man früher im Straßenbild sehen. Die laute harte Musik, das passte zum alten Ruhrgebiet, zu den Mythen von harter Arbeit, von Stahl und Lärm. Es war Musik zum abreagieren. Ein Paralleluniversum. Und dem widmet sich mit „Kumpels in Kutten“  nun ein ganzes Buch. Die letzten 30 Jahre Heavy-Metal-Geschichte des Ruhrgebiets laufen an einem vorbei: Kreator, Sodom und Grave Digger.

Grave Digger – die kannte ich übrigens aus meiner Zeit in Gladbeck: Mit dem Sänger, Chris Boltendahl, habe ich in der Caritas-Hausaufgabenbetreuung ein paar Wochen zusammen gearbeitet. Und im Cafe Goethestraße sah man sich auch immer mal wieder.

Für alle die sich auskennen ist das Buch ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Es zeichnet detailliert die Entwicklung der einzelnen Band und ihrer Protagonisten nach. Themen wie Nazis und Heavys werden nicht ausgespannt. Die wichtigsten Clubs und Kneipen werden erwähnt. Musikhistorischer Ereignisse wie das zweitätige ZDF-Rockpop Konzert in die Westfalenhalle 1983 finden ihre Würdigung.

Schön, auch etwas über die Entwicklung der Heavy Metal Medien zu erfahren. Rock Hard ist bis heute ein erfolgreiches Musikmagazin mit Sitz in Dortmund und auch der Metal Hammer hatte seine Wurzeln zumindest am Rand des Reviers in Lüdenscheid.

Und hat einer eigentlich eine Antwort darauf, warum während der Kulturhaupstadt hier kein großes Heavy Metal Festival veranstaltet wurde (neben denen, die es ohnehin gibt)?Hätte doch gepasst.

Kumpels in Kutten – für alle die es härte mögen ein Muss.

Holger Schmenck, Christian Krumm: Kumpels in Kutten, Verlag Henselowsky Boschmann, Bottrop, 2010

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Sebastian
13 Jahre zuvor

Ja, bin auch ein Kuttenträger. Aber „Heute ist Heavy Metal vor allem Gymnasiastenrock“ kann ich so nicht stehen lassen, auch wenn ich selber vor über 10 Jahren Abi gemacht habe. Metal ist Musik für alle sozialen Schichten, es ist vollkommen egal, wer was macht oder woher er kommt. Ich kenne Bänker, Müllmänner, Arbeitslose, Handwerker, IT-ler usw. und beim gemeinsamen Bier auf dem Rock Hard Festival zu Pfingsten 2010 (in Gelsenkirchen, na, was gemerkt? 😉 machte das alles keinen Unterschied!

Philip
Admin
13 Jahre zuvor

@Stefan, das schließt aber nicht aus, dass das auch andere Leute hören.
Jedenfalls kannst Du Dich bei einem Slayer-Konzert nicht mit jedem über viel mehr als das Wetter, Bier und Titten unterhalten 😉

Sebastian
13 Jahre zuvor

@Stefan: Ich bin ja auch nur ein Dinosaurier, der Slipknot nicht für Metal hält. Und Slayer waren auch früher besser, um mal das Klischee zu bemühen.
Aber Gymnasiastenrock klingt für mich so nach Placebo, Die Happy oder so. Da schüttelt’s mich.

Pete
Pete
13 Jahre zuvor

„als ich die gekauft habe war Helmut Schmidt noch Kanzler“

here we go for a bit of nostalgia:

https://www.youtube.com/watch?v=ePsHKqbdRfA&feature=related

Jimmy Page plays Whole Lotta Love – It might get loud

Eva
Eva
13 Jahre zuvor

Ja, es fällt wirklich auf, wie nett und rücksichtsvoll die Leute auf Heavy-Konzerten miteinander umgehen. Da gibt es kein Gedränge und Geschubse wie bei anderen Konzerten (außer natürlich direkt vor der Bühne, aber wer dahin geht, sucht wohl auch nicht den kontemplativen Konzertgenuss). Jeder wird akzeptiert, meiner Erfahrung nach auch der sich äußerlich abhebende Bankangestellte. Dahinter steht wohl der Gedanke, dass man/frau mit der Anwesenheit beim Konzert bereits den Beweis erbracht hat, zur family dazuzugehören – weitere Beweise in Form eines bestimmten outfits sind nicht mehr nötig. Das Alter ist egal, da stehen der 16jährige Nachwuchs-Heavy und der 60jährige Altrocker friedlich nebeneinander. Ganz im Gegensatz zu ihrem Ruf hat diese Szene einen so guten Stil im Umgang miteinander, dass sich andere Richtungen davon mal was abschauen könnten.

Ali
Ali
13 Jahre zuvor

Schade finde ich allerdings den nicht vorhandenen Migranten-Anteil in der Metal-Szene.

Sebastian
13 Jahre zuvor

@Ali: „Nicht vorhanden“ kann ich nicht bestätigen. Mir fallen aus dem Stegreif mind. 3 Metal-Fans mit türkischer Herkunft ein. Dazu kommen Spätaussiedler, Ost- und Südosteuropäer usw. Was aber stimmt ist, das der Anteil nicht dem Anteil an der gesamten Gesellschaft entspricht.
Über die Ursachen kann man allerdings mMn nur spekulieren. Die Szene ist sehr international, offen und säkularisiert, Intoleranz gibt es höchstens gegenüber anderen Subkulturen, aber unabhängig von Herkunft und Religion.

Philip
Admin
13 Jahre zuvor

Säkularisierung würde für einen Migranten mit strenger islamischer Prägung schon Schwierigkeiten bereiten.
Und Intoleranz gibt es sehr wohl, bekennende Homosexuelle wie Rob Halford oder Gorgoroth’s Gaahl sind auch eher die Ausnahme.

Willy
13 Jahre zuvor

Das mit dem eher spärlichen Anteil von Migranten liegt nicht daran, dass die Metalszenen diesen gegenüber intolerant wäre.

Ich denke vielmehr, dass diese aufgrund anderer kultureller Prägung innerhalb ihrer Subkultur eher andere Musikrichtungen wie z.B. Hip Hop bevorzugen (Wie gesagt: Eher. Es gibt durchaus auch türkische Metalfans, diese haben aber in der Tat eher Seltenheitswert).

Dies hängt glaube ich wirklich von Herkunftsland / Kultur ab. Unter Polen oder Russen z.B. sind Metalfans wiederum keine Seltenheit.

Und Intoleranz gegenüber Homosexuellen kann man der Metalszene auch nicht vorwerfen. Zwar gibt es nicht allzu viele Musiker, die sich wie Rob Halford dazu bekennen, aber das muss ja auch nicht sein. Ist schließlich jedermanns Privatsache, wie er oder sie das handhabt.

Und gerade Rob Halford – schwul hin oder her – wurde von der Metalszene eigentlich immer tolerant behandelt. Letztlich wurde das ganze Outfit der Metalszene – Leder, Nieten, enge Jeans (ok, letzteres war mehr in den 80ern) – von Rob Halford entscheidend geprägt und dieser Stil stammt ursprünglich aus der Schwulenszene.

Auch nicht vergessen sollte man dabei Bands wie Mötley Crüe, Cinderella und vor allem Twisted Sister, die bewusst mit einem deutlich femininen Auftreten kokettieren (das dann natürlich äußerst grell überzeichnet und ins Absurde übertrieben wurde).

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