Nacht(f)Lüge

Sieht doch romantisch aus! Foto: (CC BY-SA 2.0), Flickr via marfis75

Am Samstag gingen zehntausende Menschen in Deutschland gegen Fluglärm auf die Straße. Bei der bundesweiten Aktion wurde an sechs großen Flughäfen demonstriert. Im Kern ging es um die Forderung nach einem Verbot von Nachtflügen, aber auch um den Ausbau von Start- und Landebahnen. Nach den Protesten gegen Stuttgart 21 und dem Okkupieren von Finanzmetropolen gegen „Die da oben“, umweht Deutschland also wieder ein Hauch von ’68. Der wohl wichtigste Unterschied zu Dutschke und Co.: Hier kümmert sich jeder um sich selbst.

Für Außenstehende mag es recht merkwürdig anmuten, was da im Eifer des Gefechts wutentbrannt auf die Pappschilder gepinselt wurde. „Fluglärm ist kein Kavaliersdelikt sondern Mord auf Raten!!!“ steht da, oder „Fraport foltert Flörsheim“. Sowas hat man seit den Anti-Isolationshaft-Demos der RAF-Zeit nicht mehr gesehen. Die Anwesenden sind ernsthaft erbost. In Freising etwa haben sich Fluglärm-Gegner als ein Trupp von Totengräbern verkleidet, sie trugen schwarze Kreuze vor sich her mit der Aufschrift „Drehkreuz“. Und die mehrheitlich aus Rentnern bestehende Bewegung hat revolutionäre Forderungen. „Picknick in Ruhe!“ wird auf einem überdimensionierten Transparent gefordert, und „auch Ralf Schmitz (48) demonstrierte am Samstag. Er möchte am Wochenende länger schlafen können, ohne um sechs Uhr von Fluglärm geweckt zu werden“, berichtet die Rheinische Post.

Es ist ein Drahtseilakt

Womit wir auch schon beim eigentlichen Kern der Sache wären. Das, was unter dem Label „Für Umwelt und Gesundheit“ als Kampf für das Allgemeinwohl verkauft wird, ist letztlich eine egomane, von wenig Weitsicht begleitete Dem-Ärger-Luft-Macherei. Natürlich sei man nicht „pauschal gegen den Flughafen“, wie etwa die „Bürger gegen Fluglärm“ aus Düsseldorf versichern. Im Gegenteil, die Initiative ist sogar so gnädig, „die Berechtigung der Anwohner der Region, ein- oder zweimal im Jahr in Urlaub zu fliegen (…)“, ausdrücklich anzuerkennen. Ja, es ist ein Drahtseilakt, seine sich widerstrebenden Eigeninteressen miteinander in Einklang zu bringen.

Das logistische Netzwerk, welches Deutschland erst durch Flughäfen zu der Exportnation macht, wegen der die Fluglärm-Kritiker überhaupt CDU gewählt haben; Tausende von Arbeitsplätzen die geschaffen werden; Dies alles wird von den Wutbürgern als „Kapazitäts- und ‚Jobmaschinen‘-Märchen des Flughafens“ bezeichnet, das es zu entlarven gelte, so das Düsseldorfer Bündnis. Apropos Düsseldorf: Unter dem Menüpunkt „Erfolge“ ist auf der Bündnis-Website ein interessanter Punkt aufgeführt. Gleich als erstes brüstet man sich damit, dass „erstmalig ein Verein über jedes Kirchturmdenken hinweg fast 2.500 Mitglieder von Essen bis Korschenbroich, von Neuss bis Tönisvorst im gemeinsamen Interesse bündeln konnte.“ Was nicht gerade für eine lebendige Protestkultur spricht. Eher für ein hohes Erregungspotenzial, welches relativ zum steigenden gesamtgesellschaftlichen Kontext linear abzunehmen scheint.

Hauptsache Garnelen-Pikser

Anders: Die Leute, die da demonstrieren, sind dieselben Leute, die gegen Kinderschänder in ihrer Nachbarschaft mobilmachen. Eine effektive Resozialisierung für Straftäter wollen sie alle, aber bitte nicht nebenan. Es sind dieselben Leute, die mit Wonne durch die Prachtbauten touristischer Megazentren flanieren, die aber die Aussicht auf eine mehrjährige Baustelle vor der eigenen Stuttgarter Haustür auf die Schlossparkbäume treibt. Es sind dieselben Leute die anderen ihren Erfolg im kapitalistischen Wirtschaftssystem neiden, gegen deren „Gier“ auf die Straße gehen, selber aber dem Feinkostverkäufer Kaufinteresse vorgaukeln, nur, um sich kostenlos an den Garnelen-Piksern zu bedienen. Andere Menschen sind ihnen egal. Sollen sich die Sexualstraftäter doch zu dem Sozialgesindel verziehen, sollen sie Stuttgart 21 doch in Polen zusammenschrauben lassen und dann fertig hier hinstellen, sollen „die Manager“ doch den Verlockungen der Kapitalakkumulation widerstehen, damit wir endlich wieder ruhig schlafen können!

Die zu entlassenden Flughafen-Mitarbeiter können sich ja dann zusammen mit den fortgejagten Kinderschändern und den ruinierten Ex-Bankern an die Hauptstraßen jenseits der Speckgürtel begeben. Hier gibt es auch keine Probleme mit Fluglärm. Die akkustische Symbiose aus Autolärm, Straßenbahn und, wenn man Glück hat, Zugverkehr, macht quasi immun gegen die Geräuschbelästigung von oben. So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Die wirklich drängenden gesellschaftlichen Probleme sind außer Sicht – und auch Ralf Schmitz kann endlich mal wieder gepflegt auspennen.

 

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Stefan Laurin
Admin
12 Jahre zuvor

Martin, ein grandioser Artikel! Trifft genau den Kern.

Arnold Voß
Arnold Voß
12 Jahre zuvor

Obwohl es auch unsinnige Flughäfen in Deutschland gibt und Stuttgart 21 eine milliardenteure Fehlentscheidung ist, schließe ich mich Stefans Urteil an.

Robin Patzwaldt
Robin Patzwaldt
12 Jahre zuvor

Der zunehmende Egoismus in der Gesellschaft geht aber noch viel weiter. Er ist auch in Fragen des Wohnungsrechts usw. prima zu beobachten. Auch hier steht der eigene Vorteil im Alltag oft im Mittelpunkt. Die Rechte der Anderen werden gerne mal ‚übersehen‘ solange man selber einen persönlichen Vorteil ziehen kann. Das Thema ‚Hier kümmert sich jeder um sich selbst.‘ ist vielschichtig und betrifft viele Bereiche der Gesellschaft.

Helmut Junge
12 Jahre zuvor

Produkt ja, Produktion nein.

Henk
12 Jahre zuvor

Danke für diese zurecht wütende und trotzdem sachliche Analyse! Ich habe es noch nie verstanden, wie sich Menschen, die in Flughafennähe schön günstige Baugrundstücke erworben haben, in eine solche Opferrolle begeben können, ohne selbst lauthals lostprusten zu müssen. Ganz überraschend bemerken die plötzlich, dass da nebenan ja jetzt auch erst seit 100 Jahren ein Flughafen liegt und dass der Flugverkehr zunimmt.

Torti
Torti
12 Jahre zuvor

Sehr schöner Artikel. Was noch fehlt ist der Hinweis auf das Beamtentum mit grünem Parteibuch, die tagsüber die Projekte planen, für denen sie nach Feierabend in der BI Anwohner Klagetipps geben….selber erlebt !

Thomas Krämerkämper
Thomas Krämerkämper
12 Jahre zuvor

Das ist ein beachtliches demagogisches Kunststück, aus Fluglärmgegnern so mir nichts dir nichts Kinderschänderhetzer zu konstruieren, alle Achtung!

Ich erinnere mich noch gut an einen NRW-Staatssekretär für Verkehr, der verträumt von den Möglichkeiten in China schwärmte, für eine Straße ohne viel Aufhebens zehntausende Menschen aus ihren Wohnungen zu vertreiben, natürlich für das „Gemeinwohl“. Ein Gemeinwohl, dass die dummen und egoistischen Deutschen, in diesem Fall NRWler, ignoranterweise einfach nicht erkennen wollen, obwohl Herr Staatssekretär es uns doch schon erklärt hat.
Leider nehmen die Beiträge dieser beängstigenden China-Freunde auf Ruhrbarone in der letzten Zeit überhand. Leute, ist euch klar, dass ihr hier DDR-Verhältnisse anstrebt?

Stefan Laurin
Admin
12 Jahre zuvor

@Thomas Krämerkämper: Zwischen der Blockade eines Landes durch egoistische Wutbürger und Anhängern des Ökologismus und der DDR gibt es schon ein paar Unterschiede. Nicht jeder der ahnt, das ein Land nicht vom Export von Betroffenheitsbeauftragten leben kann, ist für Dikturen. Und für Ökodiktaturen schon mal gar nicht.

Matthes
Matthes
12 Jahre zuvor

Ich weiß, es ist Wahlkampf, und da muss man auch für die Stimmen der Doofen was tun. Aber die aus der 68er Protestbewegung entstandenen Grünen in der ersten Reihe bei einem „bundesweiten Aktionstag für Nachtruhe“? Hallo?!?! Note to self: Piraten-Programm auf Vielleicht-doch-Wählbarkeit durchforsten…

Henk
12 Jahre zuvor

@Thomas Krämerkämper: Niemand wünscht sich einen dirigistischen oder diktatorischen Überstaat.

Man kann einfach bemerken, dass in Sachen Fluglärm wie in manch anderen Fällen Floriansjünger des gehobenen Kalibers am Werk sind. Alle wollen fahren und fliegen und Arbeitsplätze im Land halten, aber keinen will den Verkehr. Dat funktioniert so nich!

paule t.
paule t.
12 Jahre zuvor

Diese argumentfreie Denunzierung von Protesten finde ich recht erstaunlich. Argumentfrei, weil im wesentlichen nur aus zwei haltlosen Behauptungen bestehend:

Erstens – es gehe den Leuten nur um ihre eigenen Interessen, anderes sei ihnen egal – was aber durch nichts belegt ist. Woher weiß der Autor denn, dass diejenigen, die gegen Fluglärm sind, andere Lärmquellen an anderen Standorten nicht auch als Problem ansehen, oder gar dass ihnen die „wirklich drängenden“ gesellschaftlichen Probleme egal wären?

Und zweitens – es wären die „Leute, die da demonstrieren, […] dieselben Leute, die […]“ sich bei ganz anderen Themen zerstörerisch egoistisch verhalten. Das ist aber blanke Spekulation; nichts als ein rhetorisches Mittel, um sich die argumentative Auseinandersetzung im Einzelfall zu sparen.

paule t.
paule t.
12 Jahre zuvor

und @ Nr. 5:
Bei den letzten Flughafenausbauten gab es ja zu ihrer Durchsetzung auch immer wieder Aussagen von Politikern, damit sei es dann aber auch gut und weitere Start-/Landebahnen würden nicht benötigt. Wer sich darauf verlassen hat und ein Grundstück in nach diesen Aussagen akzeptabler Lage gekauft hat, ist also nach ihrer Meinung nach selbst schuld und hat das Recht auf Proteste verwirkt? Meinen Sie das ernst?

Und steigender Flugverkehr ist also quasi ein Naturgesetz und nicht eine gesellschaftliche Entwicklung, zu der man auch seine Meinung sagen und sie zu verändern trachten kann?

und @ 10:
„Alle wollen fahren und fliegen und Arbeitsplätze im Land halten, aber keinen will den Verkehr“
Nein, keineswegs alle. Ich will nicht fahren (jedenfalls nicht so viel wie üblich und habe deshalb auch kein eigenes Auto) und auch nicht fliegen (jedenfalls auch nicht so viel wie üblich – bisher eine einzige Flugreise in meinem Leben), und Arbeitsplätze im Land bin ich bereit gegen unerwünschte Dinge aufzuwiegen (halte das aber gar nicht unbedingt immer für nötig – werden nicht möglicherweise viele Arbeitsplätze gerade durch Verkehr woandeshin ausgelagert?). Und nu?

Henk
12 Jahre zuvor

@ Paule T.:

Ich finde nicht, dass irgendjemand sein Recht auf Protest verwirkt hat, habe das auch nicht behauptet. Die Flughafenausbaugegner protestieren aber nun einmal gegen einen gesellschaftlichen Trend an. Das kann man beklagen, man kann es politisch bekämpfen, aber man muss das Verhalten des überwiegenden Bevölkerungsteils, der fahren und fliegen möchte oder muss, zumindest akzeptieren.

Dass es den Leuten um ihre eigenen Interessen geht, ist offensichtlich. Wollen Sie ernsthaft behaupten, die Flughafendemonstranten gehen bei nächster Gelegenheit genau so vehement gegen einen 30 km entfernten Autobahnausbau auf die Straße oder gegen Walzwerk X, dass in der fremden Stadt Y bauen will? Natürlich tun sie das nicht. Das verlangt ja auch keiner. Eigeninteressen sind nichts Schlimmes. Man darf sie aber benennen.

Es ist auch absolut respektabel, dass Sie persönlich sich anders verhalten als viele andere (da sind wir übrigens Brüder im Verhalten: Ich fliege äußerst selten und fahre mit der Bahn zur Arbeit). Wir können aber nicht die Augen davor verschließen, dass unsere Gesellschaft von immer größerer Mobilität geprägt ist – und davon auch profitiert. Einen solchen gesellschaftlichen Wandel sollte man gemeinwohlorientiert gestalten. Dabei darf die Mehrheit mit ihren Interessen nicht rücksichtslos über die betroffene Minderheit hinwegpreschen. Es darf aber auch nicht so sein, dass Minderheiten für die Allgemeinheit sinnvolle Lösungen blockieren können.

Wenn wir akzeptieren, dass ein wachsendes Verkehrsaufkommen Realität ist, können wir nach den verträglichsten Lösungen suchen. Der Zustand des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs gerade in NRW ist vor diesem Hintergrund eine himmelschreiende Unverschämtheit. Hier liegt ein großes Potential, um zumindest privaten Autoverkehr und Güterverkehr auf den Straßen zu reduzieren. Dennoch werden weiterhin Straßen (aus-)gebaut werden müssen. (Am Rande: Auch die verträglichsten Lösungen werden Einzelinteressen massiv verletzen. Die Anwohner an Bahndämmen und Straßenbahndepots haben z.B. genau so legitime Interessen wie Flughafenanwohner. Wollen wir deshalb auf die Option eines erhöhten Schienenverkehrsaufkommens verzichten?)

Für den Flugverkehr fehlt (zumindest in meiner Fantasie) die Alternative. Wenn wir keine Deglobalisierung und Entnetzung anstreben, müssen wir uns auf mehr Flugverkehr einstellen. Dafür benötigen wir Flughäfen, die mehr leisten als aktuell.

Wer in den letzten 50 Jahren in der Nähe eines Flughafens gebaut hat, musste ein ansteigendes Flugverkehrsaufkommen doch zumindest als mögliches Szenario mitplanen, oder? Egal, was welche Politiker gesagt haben: Es wird doch hoffentlich niemand ernsthaft angenommen haben, die betroffenen Politiker könnten die Zukunft so verlässlich vorhersagen, dass damit ein Ausbau für alle Zeiten auszuschließen sei, oder? Wer tatsächlich fest davon ausgegangen ist, es bliebe alles beim Alten, dem ist aus meiner Sicht nicht zu helfen.

Kurz und gut: Wer heute gegen einen Flughafenausbau protestiert, verteidigt seine legitimen Interessen. Recht hat er trotzdem nicht!

Spider
Spider
12 Jahre zuvor

Ich halte es für sehr gewagt, die Proteste in dieser Art und Weise zu diffamieren („RAF“, „kostenlos an Garnellenpiksern zu bedienen“). Dies ist eine unzulässige Verallgemeinerung der Protestierenden.

In Deutschland dauert es üblicherweise ewig, bis die Leute anfangen zu protestieren. Da muss sich inzwischen schon eine gewaltige Wut aufgebaut haben.

Lärm ist ein ernstes gesamtgesellschaftliches Problem und es ist gut, dass dafür
langsam eine Öffentlichkeit entsteht. Wenn Sie gerne den Lärm haben wollen, können Sie ja dorthin ziehen, aber nicht jeder hat die Möglichkeit von dort wegzuziehen.

Flughäfen bringen vielleicht jetzt Arbeitsplätze, aber wenn in 10 Jahren der Sprit zu teuer wird, werden diese wohl auch zu Altlasten wie die Atommeiler. Die Qualifikationen, die sich die Arbeitnehmer dort momentan aufbauen, werden dann am Arbeitsmarkt wohl nicht mehr gefragt sein. Wenn es dann noch so etwas wie den Arbeitsmarkt dort gibt.

Das war jetzt übrigens auch ein unzulässiger Vergleich.

Ben
Ben
12 Jahre zuvor

Ein Freund von mir aus der Umgebung von Frankfurt ist von der Neuregelung der Flugzonen und der massiven Steigerung des Fluglärms betroffen. Ich kenne ihn als einen sehr besonnenen Menschen, der sicherlich nicht in eine der oben genannten Kategorien fällt. Trotzdem protestiert er gegen den Fluglärm, denn seit der Änderung hat sich für ihn vieles verändert: In den ersten Wochen wurde er morgens mit den ersten Fliegern wach und jetzt – wo der Sommer beginnt – kann er die Sommerabende nicht mehr auf der Terasse genießen. Vielleicht sind das egoistische Gründe, aber ihm – der dort seit einigen Jahren wohnt – wurde dieser Lärm aufgezwungen und ich halte seinen Protest für legitim.

Und diesen Artikel für das peinliche Pamphlet eines verwöhnten Pöblers.

trackback
12 Jahre zuvor

Links anne Ruhr – und am Rhein (Landtagswahl #nrw12) 27.03.2012…

Bochum: Betonstühle im Bermudadreieck sorgen für Ärger (DerWesten) – Gladbeck: A52: Gladbeck – die dümmste Stadt Deutschlands! (Ruhrbarone) – Siehe auch DerWesten: Nach dem Votum ist vor dem Votum. Bochum: Bauarbei…

Hanno
Hanno
12 Jahre zuvor

Naja, der Artikel ist eben eine Polemik, die sich im Detail sicherlich an vielen Stellen wider- oder zumindest nicht belegen lässt. Das herauszufinden ist keine analytische Glanzleistung, auch wenn einige Kommentatoren hier das zu glauben scheinen.
Dabei geht es doch hier gar nicht so sehr um den Fluglärm selber, sondern eher um diese irritierende Protestkultur: Demonstriert wird wieder gerne, aber nur im ganz engen Sinn in eigener Sache. Die gesamtgesellschaftliche Sicht fehlt meist. Und das zeigt sich auch daran, wogegen oder wofür die BürgerInnen sich in letzter Zeit so erheben können. Da ist Fluglärm ja noch nachvollziehbar. Aber dass in dutzenden Gemeinden Unterschriftenlisten (wie basisdemokratisch!) geführt werden und Menschen Lobby-Parties organisieren, um ihre alten KfZ-Kennzeichen wiederzubekommen – das macht mich einfach fertig. Und auch wütend. Und ich behaupte einfach mal: Die gleichen Menschen für eine Aktion gegen – sagen wir mal – zunehmende rassistische Übergriffe in Langendreer zu mobilisieren, wird echt schwer. Denn erstens erforderte das einen Grad von politischem Bewusstsein, der Anstrengung kostet und den man sich als Wanne-Eickel-Fan schlicht sparen kann. Und zweitens (wie Martin vermutet) betrifft das den deutschen Wutbürger einfach nicht in seiner persönlichen Bequemlichkeit. Das nervt mich, und darum geht es hier, finde ich, Argumente für/gegen Fluglärm hin oder her.

paule t.
paule t.
12 Jahre zuvor

@#17
Langendreer-spezifisch kenn ich mich nicht aus, aber Demos gegen rechts bringen doch auch sehr viele Leute auf die Straße.

Henner
Henner
12 Jahre zuvor

Hahaha! Sehr guter Artikel. In der Tat stehen gerade in Frankfurt Leute an der vordersten Wutbürger-Front, die im ehemals ruhigen Sachsenhausen geglaubt haben in Ruhe gelassen zu werden. Und Sachsenhausen war teuer – verdammt teuer! Ergo sind es Ex-Banker, Werbeleute, Ärzte und Anwälte die sich da bei den Montagsdemos tummeln, Leute denen die Startbahnwest einst in den Achtzigern völlig wurscht war und DIE typische CDU-Wähler-Klientel der Neunziger

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