Nicht davon kommen lassen – Die entgrenzte Empörung schlägt mal wieder zu

Ist überhaupt jemand noch ohne Fackel oder Mistgabel unterwegs? Photo by Aziz Acharki on Unsplash

Wohlfeile Empörung ist keine linke Domäne. Sie ist universell. Der Shitstorm erfasst jetzt den antifaschistischen Fotografen Sören Kohlhuber. Während der Demonstration gegen den G20-Gipfel hatte Kohlhuber Fotos von rechten Aktivisten veröffentlicht. Danach wurden diese angegriffen und verletzt. Deshalb herrscht Empörung vom bürgerlich-konservativen Lager bis zum äußerst rechten Rand. 

Wenn man nur einen empörten Hammer hat …

Die Aufregung beginnt mit Blogs wie der „Achse des Guten“. Dort schreibt Dirk Maxeiner:

[Der Anstand] scheint hierzulande bis in die Reihen von ZEIT ONLINE vollkommen verloren gegangen zu sein.

Und:

… damit sollte man ihn nicht davon kommen lassen.

In seinem Blog hat Kohlhuber weiter gehende Reaktionen dokumentiert: Morddrohungen und Anfeindungen durch Neonazis. Nach den heftigen Reaktionen hat „Die Zeit“ Kohlhuber von ihrem Nazi-Watchblog „Störungsmelder“ ausgeschlossen.

… sieht alles aus wie ein empörender Nagel

Es soll hier nicht darum gehen, wie Kohlhubers Verhalten zu bewerten ist¹. In den sozialen Medien streitet man sich dazu bereits eifrig. Dabei sind sich alle in einem Detail einig. Die eigene Empörung über die jeweils anderen sei gerechtfertigt.

In diesem hitzigen Durcheinander wird das „nicht davon kommen lassen“ zum Leitmotiv. Die Kontrahenten gehen nicht mehr nach einem Streit ihrer Wege. Sie wollen einander ernsthaft verfolgen und schaden, ohne Rücksicht auf Verluste.

Der ironische Kreis schließt sich dann, wenn ein Blog wie „Die Achse des Guten“ einerseits eine „empörungswillige Gesellschaft“ diagnostiziert und mit abwertenden Fremdzuschreibungen kokettiert, aber andererseits unnachgiebig empörte Kampagnen fährt.

Der Anspruch, man wolle Andersdenkende „nicht davon kommen lassen“, war schon bedenklich, als solche Kampagnen sich hauptsächlich von Links gegen (tatsächliche oder vermeintliche) Rassisten, Sexisten, Chauvinisten und sonstige Unholde richteten.

Dass die gleiche Art entgrenzter Empörung  jetzt immer häufiger Linke trifft, wie zuletzt Sören Kohlhuber, ist kein Grund zur Schadenfreude. Den Schaden haben nämlich wir alle.


¹ Ich für meinen Teil finde es bedenklich. Aber das tut nichts zur Sache.

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Daniel
Daniel
7 Jahre zuvor

"Der Anspruch, man wolle Andersdenkende „nicht davon kommen lassen“, war schon bedenklich, als solche Kampagnen sich hauptsächlich von Links gegen (tatsächliche oder vermeintliche) Rassisten, Sexisten, Chauvinisten und sonstige Unholde richteten."

Die Unterstellung, man wolle ihn "nicht davonkommen lassen", weil er "Andersdenkender" sei, halte ich für falsch und intendiert manipulativ. Die (auch meine) Empörung richtet sich dagegen, dass hier ein "Journalist" eine Hetzjagd auf andere Berichterstatter organisiert und sich dabei der Gefahren für die Gesundheit und das Leben der Betroffenen bewusst gewesen sein muss. An dieser Stelle ist mir völlig egal, wie (und ob) er denkt. Dieses Verhalten ist einfach inakzeptabel und muss sanktioniert werden. Daher: "… damit sollte man ihn nicht davon kommen lassen."

Daniel
Daniel
7 Jahre zuvor

@2: Es war ggf. auch deswegen nicht folgenlos, weil sich Blogs wie "Achse des Guten" mit diesem Thema beschäftigt und es in die Öffentlichkeit getragen haben. Mir drängt sich dabei allerdings der Eindruck auf, dass einige der kritischen Recherche und Transparenz nur so lange positiv gegenüberstehen, bis es die "eigenen Leute" trifft. Ein solches Lagerdenken ist nach meiner Auffassung Kindergartenniveau. Die Abwehrmechanismen sind aber wahrscheinlich zu stark, als dass eine Selbstreflektion und -Kritik möglich wäre. So sad!!!

Thorsten Stumm
7 Jahre zuvor

@Daniel
Mir ist egal von welcher Seite die Pressefreiheit eingeschränkt wird…gegen jede Form und von jeder Seite gilt es sie zu verteidigen. Auch Menschenrechte, hier das Recht auf körperliche Unversehrtheit, gelten unteilbar.

Daniel
Daniel
7 Jahre zuvor

@4: Genau. Daher finde ich es äußerst bedenklich, wenn hier eine Täter-Opfer-Umkehr versucht wird. Herr Kohlhuber hat andere Journalisten denunziert und der Gewalt fanatisierter Spinner ausgesetzt.

Der Verdienstausfall" für seine ehrenamtliche Tätigkeit beim Störungsmelder ist wohl verkraftbar.Wenn er jetzt bedroht werden sollte, kann er das öffentlich machen oder juristische Mittel dagegen nutzen.
Sein Verhalten bleibt trotzdem scheisse.

Stefan Laurin
Admin
7 Jahre zuvor
Reply to  Daniel

@Daniel: Sören Kohlhuber hat ehrenamtlich für den Störungsmelder gearbeitet und nichts für seine Tätigkeit erhalten.

Thorsten Stumm
7 Jahre zuvor

@Daniel
Ich kann dir versichern, der Text von Daniel Fallenstein versucht eine solche Umkehr nicht. Ich lese sie jedenfalls nicht heraus. Für Herrn Kohlhuber hatte sein Verhalten Konsequenzen. Und damit ist dann auch mal gut. Das Herr Kohlhuber sich nun selbst als Opfer sieht, ist sein gutes Recht.

Daniel Fallenstein weist zurecht daraufhin, dass wir entweder alle in einer anständigen Welt leben oder niemand. Sonst haben wir alle den Schaden.

Daniel
Daniel
7 Jahre zuvor

@6: Deshalb schrieb ich ehrenamtlich.

@7: Ich traue eher meiner Wahrnehmung als Versicherungen. Und ich nehme eine solche Umkehr wahr. Herr K. hat das "Recht" dies so zu empfinden, ich habe "Recht" auf eine andere Sichtweise.
Die letzten beiden Sätze machen nur Sinn, wenn man das Handeln der unterschiedlichen Akteure gleichsetzt. Und das ist nach meiner Auffassung falsch.

Davbub
Davbub
7 Jahre zuvor

SK bekommt die Medizin zu schmecken, die er anderen verabreicht hat. So what?

"Der Anspruch, man wolle Andersdenkende „nicht davon kommen lassen“, war schon bedenklich, als solche Kampagnen sich hauptsächlich von Links gegen (tatsächliche oder vermeintliche) Rassisten, Sexisten, Chauvinisten und sonstige Unholde richteten.

Dass die gleiche Art entgrenzter Empörung jetzt immer häufiger Linke trifft, wie zuletzt Sören Kohlhuber, ist kein Grund zur Schadenfreude. Den Schaden haben nämlich wir alle."
Ich fühle mich dadurch nicht geschädigt, im Gegenteil. Die Linke konnte schon immer gut austeilen; wenn es an's einstecken geht, fangen si an zu heulen.

Hopping Hipster
Hopping Hipster
7 Jahre zuvor

Zu 7#:

Du schreibst, Du "versicherst der Text versuche keine Umkehr". Dies zu unterstellen ginge fehl- der Text ist in der Absicht geschrieben zu relativieren, und zu verharmlosen, bei gleichzeitig problematischer Wortwahl in Bezug auf die Reaktionen zu Kohlhuber:

"Die entgrenzte Empörung schlägt mal wieder zu"
"In diesem hitzigen Durcheinander"

Unbelegte Behauptung, die wohl kaum der Realität entspricht:
"Dass die gleiche Art entgrenzter Empörung jetzt immer häufiger Linke trifft…"

So kann man natürlich auch formulieren:
"Während der Demonstration gegen den G20-Gipfel hatte Kohlhuber Fotos von rechten Aktivisten veröffentlicht".
Allerdings stellt sich Kohlhubers Agieren deutlich anders dar wenn man eine etwas detailliertere Betrachtung heranzieht:
http://meedia.de/2017/07/10/nach-hetzjagd-vorwuerfen-beim-g20-zeit-online-trennt-sich-von-stoerungsmelder-autor-soeren-kohlhuber/

Dann:
"Deshalb herrscht Empörung vom bürgerlich-konservativen Lager bis zum äußerst rechten Rand. "
Meiner Erfahrung nach besteht die Bevölkerung nicht ausschliesslich aus einem linken und einem "bürgerlich-konservativen Lager bis zum äußerst rechten Rand"
Das ist eine eindeutig verzerrte Wahrnehmung, prototypisch für die Perspektiven jener die dem äusserst linken Rand (lol) zuzuordnen sind.
Was soll das?

Im Zusammenhang mit dem Schulz-Dogma, daß jeder der irgendetwas "schlechtes" tut automatisch links wäre, weil links ja ein Synonym für das Gute wäre, zusammen mit den Relativierungsversuchen, der Schuldumkehr der Linken in signifikantem Ausmass finde ich obigen Text für die Diskussion vollkommen wertlos.

Wenn das die zeitgenössische Linke repräsentiert sieht dieses Land schlimmen Zeiten entgegen.

Hopping Hipster
Hopping Hipster
7 Jahre zuvor

Wie es scheint, muss sich Sören Kohlhuber auch keine Sorgen bezüglich der "Kampagne" gegen Ihn machen, die Antifa sorgt für ihre Schäfchen:

"Du stehst ab jetzt unter dem Schutz der internationalen Antifa Bewegung.
Mit Faschisten machen wir kurzen Prozess, erst recht mit so kleinen Feiglingen wie jenen die dir drohten und drohen.
Wende dich jederzeit an uns, wenn du es für notwendig erachtest!"

Ein Kommentar aus seinem Blog.
Alles wird gut.

Jan Trammer
Jan Trammer
7 Jahre zuvor

Ein niedlicher "Artikel" welcher von Kohlhuber selbst geschrieben sein könnte.

Das Kohlhuber nix Ernstes droht, sieht man doch schon daran, das Sie sich sofort auf seine Seite stellen und ohne nachzudenken Kohlhuber nachplappern und als armes armes Opfer an Ihren Busen drücken. Lustigerweise kann ich mich nun noch an den Medienempörungssturm erinnern, als in Dresden Rentner Journalisten zuriefen "Haut ab". Hier nun stellen Sie sich dann vor einen Mann, welcher hilft Ausländer mit angeblich falscher Gesinnung zu verprügeln ( die einzige "Rechte" blieb übrigens unbehelligt) . Dabei hätte Ihnen 10 Minuten Recherche gezeigt das, da keine rechten Aktivisten gejagt wurden (was ja wohl für Sie OK wäre, wie im Artikel durchscheint).

Das ganze Thema ist so Medienentlarvent.
Rentner schrein Journalisten an "haut ab" -> Medien schreien Pressefreiheit in doller Gefahr! ->extrem Böse, tagelang Artikel dazu.
Rechte jagen Ausländer durch die Stadt -> Medien schreien –> extrem Böse, tagelang Artikel dazu.
Linke jagen ausländische Journalisten durch die Stadt -> die armen armen Menschenjäger. 🙁 Last die in Ruhe! Keine Artikel zur Jagt dazu!

Naja ok eins ist noch entlarvender und zwar das sich mit dem Thema nur 2-3 Blogs beschäftigt haben und keine einzige Zeitung aus dem Reigen des betreuten Lesens. Und das bei all den Video-/Twitterbeweisen zum Thema.

D. 'hackbyte' Mitzlaff
7 Jahre zuvor

Oh my gosh …. tl;dr zu den kommentaren (erträgt niemand, ich hab beim dritten aufgeben müssen)…..

Mir fällt zu all dieser kackscheisse die _von beiden seiten_ veranstaltet wird immer wieder nur ein COLOSSUS zitat ein, das einzige welches gerade heutzutage noch sinn macht:

RESTORE COMMUNICATION

Das die "klassen" auseinanderdriften und auch die ideologischen grundlagen bzw die darauf aufbauenden dogmen ebenfalls … ist nicht einfach nur zufall sondern imho eine gezielte auswirkung wenn nicht gar taktik des aktuellen "klassenkampfes", den Georg Schramm anhand eines Warren Buffet zitates am 16. Schönauer Stromseminar wunderbar deutlich machte.
.oO( https://www.youtube.com/watch?v=s37DR54NVr8 )

Es ist der kampf reich gegen arm…

Und so wie sich die "weniger reichen" klassen von allen seiten manipulieren lassen, _werden sie ihn gewinnen_. 🙁

Alles kackscheisse .. von links wie von rechts, extremisten bleiben extremisten, die ideologie dabei is am ende komplett egal.

Hacky

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