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NPD-Verbot: Ohne Relevanz und V-Männer


Das zweite Verbotsverfahren gegen die NPD ist gescheitert. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verfolge die Partei zwar verfassungsfeindliche Ziele. Sie sei jedoch zu unbedeutend, um diese Ziele zu verwirklichen. Die NPD hat in dem Verbotsverfahren vor dem BVerfG nicht gewonnen. Sie wurde nur nicht verboten.

Was oder wem hätte ein NPD-Verbot genützt?

Sie hatten es gut gemeint und schlecht gemacht. Von Anfang an litt das NPD-Verbotsverfahren unter dem Geburtsfehler unklarer Zielvorgaben: Was sollte mit einem Parteiverbot überhaupt erreicht werden? Eine effektive Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen war jedenfalls nicht zu erwarten. Im Falle eines Parteiverbots hätten die Mitglieder der NPD ihre Aktivitäten auf das freie Kameradschaftsspektrum verlagern können. Damit drohte ein „Abtauchen“ von Rechtsextremen in die informellen Zusammenschlüsse der Freien Kameradschaften mit der Folge, dass die Beobachtung rechtextremer Aktivitäten erschwert würde. Ehemalige NPD-Mitglieder hätten sich als „Unterdrückte“ gerieren und damit ihrer Widerstandsrhetorik eine erhöhte Authentizität verleihen können.

Auch das Ärgernis der Finanzierung von Rechtsextremisten durch die staatliche Parteienfinanzierung wäre nicht beseitigt worden. Da die NPD-Führung nach dem gescheiterten, ersten Verbotsverfahren mit einem zweiten Verbotsverfahren rechnen musste, hatten ehemalige NPD-Funktionäre und Aktivisten des Freien Netzes Süd vorsorglich die Partei „Der Dritte Weg“ gegründet. Eine „lückenlose Versorgung“ des rechten Bodensatzes der Gesellschaft mit einem parlamentarischen Ansprechpartner war so oder so gewährleistet.

NPD mittlerweile zu unbedeutend für ein Verbot

Andererseits hat die NPD durch das Scheitern des Verbotsantrags wenig gewonnen. Die Mitgliederzahlen stagnieren schon lange. Ihr Mobilisierungspotential sank bereits vor dem Auftauchen der AfD. Die „Nationaldemokraten“ sind intern zerstritten. Auch hat sich das rechte Politikspektrum in Deutschland längst gewandelt – und die NPD hat den Anschluss verloren. Diese Perspektivlosigkeit bekundete der NPD auch das BverfG. Die Partei sei zwar verfassungsfeindlich. Dies sei jedoch nicht hinreichend für ein Parteiverbot, dessen Voraussetzungen in Art. 21 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes festgelegt sind:

Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.

Den Anforderungen eines Parteiverbots wird die NPD mangels politischer Relevanz damit nicht – oder nicht mehr – gerecht. Nach Auffassung der Verfassungsrichter hat die NPD keine reelle Chance, ihre verfassungsfeindlichen Ziele zu verwirklichen. Sie hat in jeder Hinsicht versagt. Ein Parteiverbot hätte ihre Mitglieder allenfalls virtuell aufwerten können und ihnen womöglich den unverdienten Nimbus des gefährlichen Staatsfeindes verliehen.

Insofern stellt sich bereits die Einleitung eines zweiten NPD-Verbotsverfahrens als strategischer Fehler heraus: Die Aufdeckung des NSU offenbarte schwerwiegende Versäumnisse bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Von einem zweiten NPD-Verbotsverfahren versprach  sich der Bundesrat womöglich einen schnellen, symbolischen Erfolg. Ein Parteiverbotsverfahren lässt sich jedoch als auch Eingeständnis auslegen, dass den selbsternannten Feinden der Demokratie nicht mehr durch den politischen Meinungskampf Einhalt geboten werden kann.

Strenge Anforderungen an Parteiverbote

Das Scheitern des Verbotsantrags war absehbar. Denn das Grundgesetz sieht äußerst strenge Anforderungen an Parteiverbote vor. Dafür gibt es gute Gründe. Die Freiheitlichkeit einer repräsentativen Demokratie bedarf eines ungehinderten Wettbewerbs von Ideen und Meinungen. So stellte das BVerfG schon im ersten NPD-Verbotsverfahren fest:

Die Partei kann zwar politisch bekämpft werden, sie soll aber in ihrer politischen Aktivität von jeder Behinderung frei sein. Das Grundgesetz nimmt die Gefahr, die in der Tätigkeit der Partei bis zur Feststellung ihrer Verfassungswidrigkeit besteht, um der politischen Freiheit willen in Kauf. Die Partei handelt, auch wenn sie verfassungsfeindliche Ziele propagiert, im Rahmen einer verfassungsmäßig verbürgten Toleranz.

Andernfalls besteht die Gefahr, dass allzu lasche Maßstäbe für ein Parteienverbot von politischen Mehrheiten dazu missbraucht werden, sich ihrer Konkurrenz zu entledigen. Dabei muss es nicht einmal zu einem tatsächlichen Verbot kommen. Schon die Eröffnung eines Verbotsverfahrens kann Oppositionsparteien mit einem Stigma belegen und so das Wählerverhalten beeinflussen. Daher ist das Parteienverbot nicht nur eine Ausprägung der wehrhaften Demokratie, sondern zugleich eine Gefahrenquelle für den demokratischen Pluralismus.

Überfällige Entflechtung von NPD und Geheimdiensten

Nicht nur aus abstrakten, demokratietheoretischen Erwägungen heraus ist das Urteil zu begrüßen. Erfreulich ist, dass die Verfassungsrichter eine weitgehende Entflechtung von NPD und Geheimdiensten feststellen konnten.

Das erste Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte im März 2003 aus Verfahrensgründen. Da die NPD bis in die Führungsebene hinein mit V-Männern durchsetzt war, konnte nicht mehr zuverlässig bestimmt werden, ob verfassungsfeindliche Aktivitäten der NPD auf eingeschleuste Mitarbeiter der Behörden oder auf überzeugte Parteimitglieder zurückzuführen waren. Dadurch sah das BVerfG den Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien verletzt.

Dass die Verstrickungen von Neonazis und deutschen Geheimdiensten zum Scheitern des ersten Verbotsverfahrens führten, war für alle Beteiligten außerordentlich blamabel. Darüber, dass ein nicht unerheblicher Teil der rechtsextremen Staatsfeinde für den Staat arbeitete, konnte man vielleicht noch witzeln. Unerträglich war jedoch, dass der Verfassungsschutz die NPD finanzierte, anstatt sie zu bekämpfen. Es ist rückblickend schwer feststellbar, ob die bloße Existenz der NPD oder ob ihre Kooperation mit dem Verfassungsschutz dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Funktionstüchtigkeit der wehrhaften Demokratie mehr Schaden zugefügt hat.

Insofern ist es zumindest zu begrüßen, dass das BVerfG im zweiten NPD-Verbotsverfahren endlich feststellen konnte, dass „alle V-Leute auf den Führungsebenen der NPD spätestens zum Zeitpunkt des Bekanntmachens der Absicht, einen Verbotsantrag zu stellen, abgeschaltet waren und eine informationsgewinnende Nachsorge unterblieben ist.

Immerhin etwas.

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Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
7 Jahre zuvor

Etwas wird z.Zt. so gut wie gar nicht erwähnt – mit dem Urteil ist dem BVerfG auch der Spagat gelungen, eine noch größere Blamage der Antragsteller (und damit auch der deutschen Demokratie) zu verhindern, weil die NPD so nicht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen kann, wobei ihr dabei von vielen Verfassungsrechtlern schon beim Aufkommen der ersten Bemühungen um ein zweites Verbotsverfahren sehr gute Gewinnchancen auf eine Verbotsuntersagung durch den EGMR vorausgesagt wurden.
Die europäische Menschenrechtskonvention legt nämlich in Art. 11/Vereinigungsfreiheit ähnlich wie unser Grundgesetz genau die strengen Regeln für ein Parteienverbot zugrunde, die das BVerfG jetzt angewendet hat, indem es auf die Aussichtslosigkeit der Nazipartei-Bemühungen um einen propagierten Umsturz abzielt.
Ein deutscher Alleingang wie beim KPD-Verbot ist somit auch zukünftig wohl nicht mehr möglich, das ist auch eine richtungsweisende Erkenntnis dieses Urteils.

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