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NRW: Rettungsdienst und Notfallversorgung auf dem Scheideweg

Magnus Memmeler Foto : Privat

Magnus Memmeler warnt vor dem Niedergang des Rettungsdienstes, wie man ihn bislang kannte. Nutzt NRW die Chance der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes, um den Rettungsdienst nachhaltig aufgestellt zu wissen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern? Wann sorgen Bund und Länder für die erforderlichen Reformen in der Notfallversorgung, statt weiterhin Mangelverwaltung zu betreiben?

Ruhrbarone: Im letzten Interview hatten Sie auf eine Studie zum Rettungsdienst hingewiesen. Das Thema wurde in dieser Woche dann aufgegriffen. Muß man sich Sorgen, dass nach dem Notruf keine Rettung naht?

Memmeler: Beim Rettungsdienst ist es wie in der gesamten Gesundheitsversorgung. Das System wurde kaputt gespart in ins Chaos geregelt, wenn man es recht knapp und populistisch ausdrücken will. Selbstverständlich wird der Rettungsdienst bei Notrufen weiterhin zur Hilfe kommen. Es kann aber zunehmend länger dauern und, wenn sich die Kassenvertreter durchsetzen, auch mit einem geringeren Versorgungsniveau einhergehen. Schuld daran haben auch wir.

Ruhrbarone: Warum sind wir selber schuld, wenn das Versorgungsniveau zukünftig sinkt?

Memmeler: Weil für jede Lappalie der Rettungsdienst gerufen wird, um Wartezeiten zu umgehen; weil unsere Gesellschaft zunehmend hilfloser wird, wenn es gilt mit Krankheit umzugehen. Nicht umsonst posten Rettungsdienstmitarbeitende in Sozialen Medien bei Dienstantritt Aussagen wie „heute wieder eilige Hausbesuche“ oder „Taxi mit Blaulicht ist besetzt.“

Dieser Beitrag bringt die zugrundeliegende Problematik recht gut auf den Punkt, wenn es darum geht, dass Planungsversagen der letzten 20 Jahre zu beschreiben, welches nun für den drohenden Kollaps des Rettungsdienstes verantwortlich ist. In der ambulanten Versorgung und in der Notfallversorgung ist der Rettungsdienst leider das schwächste Glied mit der kleinsten Lobby.

Vielen Mitmenschen ist die Rufnummer des Kassenärztlichen Notdienstes 116 117 schlicht unbekannt, weshalb oft direkt der Notruf 112 gewählt wird. Andere wollen die Wartezeiten umgehen, die bei der Versorgung durch den Kassenärztlichen Notfalldient bestehen und wählen direkt den Notruf 112, um so schnell, wie eben möglich, eine Lösung für ihr Problem zu erhalten. Außerdem versprechen sich viele, die Wartezeit in Klinikambulanzen zu verkürzen, da der Rettungsdienst ja immer schnell „bedient“ wird.

Machen unsere Mitmenschen so weiter, wird das System Rettungsdienst und die ambulante Versorgung bersten. Beim Aquarium in Berlin war es wahrscheinlich Materialermüdung, die zum Schaden führte. Beim Rettungsdienst ist es permanente Belastung am Limit, die auch zum Ermüdungsbruch führen könnte.

Kassenärztlicher Notdienst:  116 117

Die Anwendung von „Strafgesetzbuch (StGB) § 145 Missbrauch von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln“ erscheint hier vielen noch als mit Kanonen auf Spatzen schießen, da dem Bürger ja nicht zuzutrauen sei, einen Notfall korrekt einzuschätzen. Sehr wohl wissen aber immer mehr Mitmenschen, welche Stichworte bei einer Notrufabfrage dazu führen, dass der Rettungsdienst garantiert kommt, auch wenn es sich nicht um keinen wirklichen Notfall handelt. Das muß aufhören.

Ruhrbarone: Zurück zu den grundsätzlichen Versäumnissen. Was fordern Sie und andere Vertreter der Branche?

Memmeler: Die zuvor kurz beschriebene Problematik führt zu einem permanenten Aufrüsten des Rettungsdienstes, weil die Fallzahlen jährlich steigen. Bei einer leider nahezu konstant bleibenden Anzahl von Fachkräften im Rettungsdienst, ist die Möglichkeit immer mehr Rettungswachen und Rettungswagen im System zu installieren zwangsläufig endlich und auch dieses Fehlen von Fachkräften ist selbst verschuldet.

Im Jahr 2018 war eine Petition, begleitet von temporärem medialen Interesses, erforderlich, um ab dem Jahr 2019 endlich die Refinanzierung der Notfallsanitäterausbildung in NRW zu regeln. Ähnliches gilt für alle übrigen Bundesländer. Zur Erinnerung – das Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters* (Notfallsanitätergesetz – NotSanG) stammt aus dem Jahr 2013.

Sechs Jahre lang wurde es von der Politik verpennt und von Interessenvertretern der Krankenkassen blockiert, die erforderliche Ausbildung von hoch qualifizierten Fachkräften zu regeln und zu finanzieren. Diese sechsjährige Regelungslücke rächt sich nun, da viel zu viele Jahre kein Nachwuchs ausgebildet wurde, um allein die übliche Fluktuation ausgleichen zu können. Und noch immer sind die absoluten Ausbildungszahlen zu gering.

Durch den Qualifizierungsdruck zu Notfallsanitätern ist es vielerorts zwischenzeitlich zu Personalengpässen gekommen, da Rettungsassistenten die Prüfung zum Notfallsanitärer ablegen mussten, um den erlernten Beruf zukünftig weiter ausüben zu dürfen. Diese dann in Qualifikationsmaßnahmen steckenden Rettungsassistenten mussten sodann durch Aushilfen ersetzt werden, um Rettungswagen weiterhin besetzen zu können.

Genau das klappte aber nicht überall, weil die Personalnot es nicht zuließ. Nun enden die Übergangsfristen, innerhalb derer sich Rettungsassistenten zu Notfallsanitätern qualifizieren können, was dazu führt, dass der Personaldruck erneut steigt und ggf. einige Rettungsassistenten zukünftig nicht mehr zur hochqualifizierten Patientenversorgung zur Verfügung stehen, da Fristen versäumt wurden.


Magnus Memmeler mit Maske Foto: Privat

Magnus Memmeler (54 Jahre) lebt in Kamen. Seit über 31 Jahren arbeitet er im Rettungsdienst und Katastrophenschutz. 25 Jahre davon hat er diverse Leitungsfunktionen eingenommen. Er war beauftragt zur Organisation des Sanitätsdienstes beim DEKT in Dortmund und Verantwortlicher einer großen Hilfsorganisation bei der Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten in den Jahren 2013 – 2018. Er war zudem Mitglied bei der Stabsarbeit von Bezirksregierungen und in Arbeitskreisen des Innenministeriums bei der Konzeption von Katastrophenschutzkonzepte.


Aktuell funktioniert das System Rettungsdienst nur noch, weil im Rettungsdienst tätige Mitarbeitende sich nebenberuflich als Aushilfen im Rettungsdienst einige Euros dazu verdienen, um beispielsweise ein Haus abzubezahlen. Die vorhandenen Personallücken werden also durch bereits stark belastete Retterinnen und Retter gefüllt, die sich nach der Tätigkeit in der Hauptbeschäftigung, beispielweise als GFB-Kraft, in einem weiteren Rettungsdienstbezirk engagieren.

Aus diesem Grund boomen aktuell Firmen, die mit dem Konzept der Mitarbeitergestellung Retterinnen und Retter vermitteln, die sich Geld dazu verdienen müssen oder wollen. Überspitzt könnte man formulieren, die Retterinnen und Retter sind im völlig maroden Gesundheitssystem die Pakistanis auf den Baustellen der gerade endenden Skandal WM, damit die Notfallversorgung weiterhin aufrechterhalten werden kann.

Zum Glück wirken hier verantwortungsvolle Dienstgeber entgegen und sorgen durch sehr gute Haustarife dafür, dass diese Mehrfachbelastung reduziert werden kann.

Ruhrbarone: Was gilt es jetzt zu tun und welche weiteren Probleme müssen angepackt werden, um den Rettungsdienst nicht gegen die Wand zu fahren?

Memmeler: Zuallererst müssen wir mit der Augenwischerei aufhören, mit der wir versuchen, uns das System Rettungsdienst schön zu reden. Noch immer gilt das Ehrenamt vielerorts als Rückgrat für den funktionierenden Rettungsdienst. Der Beitrag zeigt, dass das nicht stimmt und auch die Hilfsorganisationen inzwischen zustimmen müssen, dass die Professionalisierung längst zur Realität geworden ist.

Ehrenamt sinnvolle Ergänzung im Sanitätsdienst

Das Ehrenamt stellt eine sinnvolle Ergänzung im sanitätsdienstlichen Bereich dar, wird durch die hochqualifizierte Ausbildung des Notfallsanitäters aber zunehmend nur noch auf niedriger qualifizierten Rettungsmitteln einsetzbar sein, da eine berufsbegleitende Ausbildung zu Notfallsanitäter schlicht unmöglich ist. Mit dieser Aussage will ich das sanitätsdienstliche Ehrenamt keinesfalls diskreditieren, sondern lediglich den erforderlichen Hinweis geben, dass es auch im Bevölkerungsschutz zunehmend professioneller Strukturen bedarf, wenn hier zukünftig weiterhin Rettungswagen eingesetzt werden sollen, statt das Niveau abzusenken, um ausschließlich mit Ehrenamt Planvorgaben erfüllen zu können, weil Krankenwagen dann Rettungswagen in Patiententransportzügen ersetzen müssen.

Wie die Petition zeigt, muss unmittelbares Handeln einsetzen, um einen Systemkollaps zu vermeiden. Die Petition kann deshalb auch sehr gerne durch alle Leserinnen und Leser unterstützt werden.

Deshalb ist es so wichtig die Gesamtheit der Notfallversorgung, die aus Hausärzten, hausärztlichen Notfalldienst, Kliniken und Rettungsdienst besteht neu zu denken und zu strukturieren, als auch die komplette Gesundheits- und Pflegeversorgung zu stärken. Wenn nachts Rettungsmittel in ein Altenheim fahren müssen, weil dort ein Blasenkatheder gewechselt werden muss, zeigt das doch nur, dass dort die qualifizierten Fachkräfte fehlen, die den Einsatz des Rettungsdienstes und die spätere ambulante Behandlung in der Klinik hätten nicht erforderlich machen können. Rettungsdienste und Ambulanzen müssen deshalb zunehmend Mangel im pflegerischen Bereichen kompensieren.

Eventuell zeigt diese Zeitungsmeldung aus 2019 sehr gut, wie Versäumnisse dazu beigetragen haben, dass sich die Versorgungsnot in der BRD hat derart zuspitzen können, wie es momentan der Fall ist. 2019 wurde bereits der Bund aufgefordert, einen Sicherstellungsauftrag für Medikamente zu übernehmen. Die gleichen Meldungen lesen wir heute erneut. Identisch verhält es sich bei der seit vielen Jahren geforderten Novellierung der Notfallversorgung. Die gemeinsame Leitstelle von Kassenärzten und Rettungsdienst wird seit vielen Jahren gefordert, um Patientenströme besser lenken zu können, damit diese der jeweils erforderlichen Versorgung zugeführt werden können. Probebetriebe, die den Erfolg belegt haben, werden aber, wie zum Beispiel im Kreis Lippe geschehen, beendet und nicht nachhaltig etabliert.

Seit Jahren besteht der Fehlanreiz im Rettungsdienst, dass ausschließlich Transporte und nicht die medizinische Leistung vergütet werden, was dazu führt, dass nach fast jeder Alarmierung auch ein Transport in die Klinik stattfindet, was die dortigen Notaufnahmen ans Limit führt, da ohne Transportschein keine Bezahlung durch die Krankenkassen erfolgt. Als Folge sind Kliniken belegt und der Rettungsdienst sucht verzweifelt aufnahmefähige Krankenhäuser. Reanimationen, die zu den aufwändigsten und materialintensivsten Einsätzen gehören, werden regelmäßig nicht vergütet, wenn die Reanimation erfolglos geblieben ist.

Ändern könnte das die Abbildung des Rettungsdienstes im SGB V, damit die jeweiligen medizinischen Leistungen vergütet werden, wodurch wahrscheinlich auch die eine oder andere Hilfeleistung damit enden würde, dass die Anrufer daheim versorgt werden und nicht in die Klinik müssten.

Bei diesem Lösungsansatz greifen die Krankenkassen jedoch nicht nur den kleinen Finger, sondern sofort den ganzen Arm. Bei diesem Vergütungssystem zweifeln die Kassen nämlich an, dass dann auch die reine Rettungsmittelvorhaltung oder gar die Infrastruktur zu refinanzieren sei. Heißt, die Kommunen müssten die Kosten für Rettungswachen vollständig selbst stemmen, was zwangsläufig zu noch größeren Instandhaltungsversäumnissen führen würde, als sie ohnehin schon bestehen.

Manche Rettungsdienstbereiche im Süden preschen hier schon vor und platzieren Rettungswagen irgendwo im Stadtbezirk, von wo aus sie zu Einsätzen ausrücken, um dann wieder dort platziert zu werden, wo aktuell eine Versorgungslücke besteht. Dabei sehen die Besatzungen die ganze Schicht lang keine Rettungswache. Wie wollen wir so Mitmenschen motivieren, diesen wichtigen Beruf zu erlernen? Zum Glück sind das noch Einzelfälle, die hoffentlich niemals Schule machen werden.

Im Bereich der nicht refinanzierten Vorhaltung würde das von den Kassen favorisierte Modell entweder eine Unterversorgung ländlicher Gebiete bedeuten, da hier weniger Einsätze nicht dazu taugen die Vorhaltung zu refinanzieren oder würde dazu führen, dass der Rettungsdiensteinsatz hier das Vielfache kosten würde, als dies in einer Großstadt der Fall wäre. Diese beiden Beispiele sind nur wenige Pferdefüße der einst durch Herrn Spahn entworfenen Novellierung der Notfallversorgung, die wegen großer Kritik dann doch nicht umgesetzt wurde.

Eine Lösung könnte darin bestehen, dass jetzige Finanzierungssystem mit Teilen der Einbindung des Rettungsdienstes in das SGB V zu kombinieren. Das funktioniert derzeit jedoch nicht, da es im Gesundheitswesen nur ein Ganz oder Gar Nicht gibt. Aus diesem Grund begrüße ich die Vorschläge aus der Bertelsmann – Studie, die wir heute erneut unter den weiterführenden Links ablegen.

Extrem kleiner Anteil an den Gesundheitskosten

Da der Rettungsdienst nur einen extrem kleinen Anteil an den Kosten des Gesundheitswesens abbildet, ist der Reformwillen auch nur gering ausgebildet, bzw. führt immer wieder dazu, dass bestehende Lücken durch Qualitätsabsenkungen kompensiert werden sollen. So hat das Fehlen von ausreichend Rettungswagen in Köln dazu geführt, dass dort seit Jahren sog. Notfallkrankenwagen erprobt werden, um diese Lücke zu füllen, denn auf denen müssen keine Notfallsanitäter eingesetzt werden, sondern nur zusätzlich qualifizierte Rettungssanitäter.

All diese Baustellen sorgen dafür, dass sich derzeit viele Retterinnen und Retter Sorgen machen, zu welchem Ergebnis die Novellierung des Rettungsdienstgesetzes in NRW führen wird.
Ruhrbarone: Herzlichen Dank für diese grobe Übersicht zu den zahlreichen Versäumnissen der letzten Jahre und Jahrzehnten.

Ruhrbarone: Zum Schluss bleibt die Frage, was Sie vom neuen Rettungsdienstgesetz NRW fordern.

Memmeler: Zu allererst müssen wir vermeiden, dass das Versorgungsniveau gesenkt wird und Kassenärztliche Versorgung und Rettungsdienst weiterhin in zwei verschiedenen Welten agieren.

Bereits jetzt fordern Krankenkassen, dass sogenannte Liegemietwagen, die häufig Transporte durchführen, wenn Mitmenschen sich nicht eigenständig zur ärztlichen Versorgung bewegen können, im Rettungsdienstgesetz abgebildet werden sollen. Aus zwei Gründen sollte das unterlassen werden.

Erstens sind diese Transporte Bestandteil des Personenbeförderungsrechtes, wie auch Taxifahrten, und beinhalten deshalb auch keinerlei fachliche Betreuung, sondern nur Unterstützung beim Transport. Und zweitens sind die eingesetzten Fahrzeuge eigentlich schlicht nicht zulassungsfähig.

Tragestuhl und Trage im Mietwagen

Der Einsatz von Tragestuhl und Trage, die als medizinisches Gerät zu klassifizieren sind, dürfen nämlich als Ausnahme nur in Rettungsdienstfahrzeugen nach DIN betrieben werden. Für Mietwagen gilt, dass Fahrgäste auf durch die Industrie zugelassenen Fahrgastplätzen, mit entsprechender Sicherung zu transportieren sind.

Bislang gilt – wo kein Kläger, da auch kein Richter. Die Straßenverkehrszulassungsverordnung sieht die Zulassungsmöglichkeit dieser Fahrzeuge schlicht nicht vor. Hierzu gibt es auch schon zahlreiche Gutachten und Urteile. Krankenkassen und Mietwagenbetreiber ignorieren das sehr gerne, da die Krankenkassen so billig Transporte ermöglichen können und diese ohne Rechtsgrundlage vergüten und Mietwagenbetreiber bedienen so eine Nische, die es eigentlich nicht gebe dürfte.

Beides wäre eventuell hinnehmbar, wenn endlich die erforderlichen Rechtsgrundlagen geschaffen würden. Sollte es bei einem solchen Transport zu einem Unfall kommen, bei dem jemand verletzt würde, der auf einer nicht rechtskonform eingesetzten Trage transportiert wurde, besteht im Extremfall keinerlei Versicherungsschutz. Für diese Fahrzeuge muss endlich eine DIN her und die Zulassungsfähigkeit muss geklärt werden. Andernfalls gehören diese Fahrzeuge schlicht stillgelegt, um Fahrgäste vor nicht absehbaren Risiken zu schützen.

Diese Regelung muss unmittelbar her, da kein Rettungsdienst der Republik die zahlreichen Transporte kompensieren könnte, die derzeit durch diese Mietwagen realisiert werden. In das Rettungsdienstgesetz gehören diese Transporte aber selbst dann nicht, da bei diesen Transporten keinerlei medizinische Betreuung gewährleitet werden muss.

Ob die Etablierung von Notfallkrankenwagen taugt, um den Mangel an Fachkräften zu kompensieren oder ein Beitrag dazu sind, das Versorgungsniveau im Rettungsdienst zu reduzieren, kann man differenzierter betrachten. Das Risiko kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, solange wir auf immer mehr Einsätze lediglich mit immer mehr Fahrzeugen reagieren.
Aus diesem Grund kann eine Experimentierklausel im zukünftigen Rettungsdienstgesetz NRW entweder Segen oder Fluch sein.

Segen wäre es, wenn „ambulante Versorgungen“ durch den Rettungsdienst zukünftig ermöglicht würden, um unnötige Krankenhauszuweisungen zu vermeiden. Selbst Notfallkrankenwagen könnten ein Segen sein, wenn alle Krankenwagen so ausgestattet und besetzt würden, damit das Risiko sinkt, welches bei jedem Krankentransport besteht, denn potentiell kann jeder Krankentransport sich zum Notfall verändern, wenn sich der Zustand von zunächst relativ stabilen Patienten ins Negative verändert.

Sollten die Notfallkrankenwagen jedoch lediglich Versäumnisse bei der Gewinnung von Fachkräften kompensieren müssen, wäre das ein Festhalten an Planungsfehlern unter Inkaufnehmen von Qualitätsverlusten.

Wenn alle relevanten Akteure angemessen bei der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes NRW angemessen eingebunden würden, könnte das RettG NRW einen sehr guten Aufschlag dazu bieten, den Rettungsdienst nachhaltig zu stärken. Aus den momentanen Stellungnahmen entnehme ich jedoch nur, dass die jeweiligen Interessengruppen Partikularinteressen gesichert sehen wollen.

Keine der vorhandenen Leitstellen soll zu Gunsten von Verbundleitstellen wegfallen, die zukünftig aus Kassenärzten und Rettungsdienst bestehen sollen. Die Krankenkassen wollen Lowbudget-Lösungen ausweiten, Hilfsorganisationen wollen einen Closed Shop, der den Rettungsdienst zukünftig nur durch Feuerwehr und Hilfsorganisationen abgebildet wissen will und das Ministerium wird den Kompromiss suchen, bei dem keine Interessensgruppe als Verlierer dastehen wird, sondern jeder etwas bekommt, obwohl eine vollständige Neustrukturierung Not täte.

Tarifbindung im Rettungsdienst

Ich denke, dass NRW und in der Folge auch alle anderen Bundesländer eine gute Chance haben, Tarifbindung im Rettungsdienst zu etablieren, alle vorhandenen Anbieter regelhaft einzubinden, zukünftigen Wildwuchs zu vermeiden, die Versorgungsqualität nachhaltig zu regeln, um so das Berufsbild Rettungsdienst zu stärken und die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger auf hohem Niveau sicherzustellen. Sollte diese Chance verpasst werden, muss davon ausgegangen werden, dass für viele Jahre weiterhin nur geflickschustert werden muss, um Mängel zu kaschieren.

Linksammlung zum heutigen Interview

• § 145 StGB
• Studie zur Neuordnung des Rettungsdienstes

• Beitrag zur ambulanten Notfallversorgung

• NotSanG

• Bericht über Insolvenz eines DRK Verbandes in Hessen, wegen Finanzierungsproblemen im Rettungsdienst

• Bericht über die Professionalisierung des Rettungsdienstes, da die Mär vom reinen Ehrenamt nicht mehr haltbar ist.

• Sendung Panorama zum Ist-Zustand

• Petition zur Rettung des Rettungsdienstes

• Ein Beispiel für Wertschätzung gegenüber dem Rettungsdienst.

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