Der Ruhrpilot

zeche_lohbergRuhrgebiet: Auf dem Weg zum Kohleausstieg…Welt

NRW: Rot-Grün verschiebt Rechtsanspruch für behinderte Kinder…Westdeutsche Zeitung

Salafismus: Die Krieger aus dem Ruhrgebiet…FAZ

Ruhrgebiet II: Bistum stellt Ende 2013das „RuhrWort“ ein…Der Westen

Ruhrgebiet III: Städte müssen weiter sparen…Ruhr Nachrichten

Bochum: Förderbescheid aus Arnsberg für die Marienkirche ist da…Ruhr Nachrichten

Dortmund: Demokraten wollen „keinen Millimeter weichen“…Ruhr Nachrichten

Dortmund II: Rat bestellt vier Gutachten für DEW…Der Westen

Duisburg: Kuratorium kündigt Lehmbruck-Direktor Raimund Stecker…Der Westen

Duisburg II: In Sachen Stecker – Muss ein Museumsleiter nun Finanzbeamter oder Künstler sein?…Xtranews

Essen: „Die Politik soll endlich Farbe bekennen“…Der Westen

Essen II: Stilles Ende des Traditionsvereins ETB Schwarz-Weiß Essen…Der Westen

Buch: “Terror von rechts”: Wohltuend besserwisserisch…Publikative

Die Junge Union Münster und die Reichsflagge

JU MünsterDie Junge Union Münster ist in Erklärungsnot. Stein des Anstoßes sind Fotos, die der Jugendverband der CDU von ihrer letzten Weihnachtsfeier im Internet veröffentlicht hat. Darauf ist zu sehen, wie die Jungunionisten vor einer Schwarz-Weiß-Roten Flagge posieren. Diese ist vor allem bei Neonazis sehr beliebt. Ab 1867 war sie die Flagge des Norddeutschen Bundes. Von 1871 bis 1919, sowie ab 1933 in Nazideutschland waren Schwarz, Weiß und Rot die Reichsfarben des Deutschen Reiches. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten verfügte Reichspräsident Paul von Hindenburg in einem Erlass:

„Am heutigen Tage, an dem in ganz Deutschland die alten schwarz-weiß-roten Fahnen zu Ehren unserer Gefallenen auf Halbmast wehen, bestimme ich, daß vom morgigen Tage bis zur endgültigen Regelung der Reichsfarben die schwarz-weiß-rote Fahne und die Hakenkreuzflagge gemeinsam zu hissen sind.“

Heute tragen Neonazis die die Flagge wieder, da das Tragen der ebenfalls Schwarz-Weiß-Roten Hakenkreuzflagge verboten ist.

Die Junge Union Münster rechtfertigt sich

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Der dichtende Grüne und die Beschneidung

Ulf Dunkel Foto: Grüne Cloppenburg
Ulf Dunkel Foto: Grüne Cloppenburg

Ulf Dunkel ist Landtagskandidat der Grünen in Niedersachsen und ein begeisterte Anwender des DTP-Programms Calamus. In dem Grünen-Politiker steckt zudem ein Dichter:

Wetzt das Messer, singt ein Lied,
Ab die Vorhaut von dem Glied.
Kinder können sich nicht wehren,
darum müssen sie uns ehren.
Wir verstümmeln, wir beschneiden
Recht und Vorhaut; allen beiden
muss man hier den Garaus machen,
denn wir steh’n auf solche Sachen.
Und ihr Schreien hilft so wenig,
denn wer festhält, ist der König.
Wir bestimmen, was hier Recht.
Wer dagegen ist, ist schlecht.
Gründe sind uns ganz egal,
der Verstand, der kann uns mal.
Bist Du für ein intaktes Glied,
so bist Du gleich Antisemit.

Marie-Luise Beck fragte auf Facebook entgeistert: „Wie gehen Grüne mit einem Landtagskandidaten um, aus dem es so dichtet? Ist diese Geschichte mit einer Entschuldigung erledigt?“

Das müssen nun die Grüne entscheiden…

Stefan Stoppok begeistert auf traditioneller Vorweihnachtstournee in Dortmund

Stefan Stoppok am 20. Dezember 2012 in Dortmund. Foto: Robin Patzwaldt
Stefan Stoppok ’solo‘ am 20. Dezember 2012 in Dortmund. Foto: Robin Patzwaldt

Am gestrigen Donnerstag stand für mich ein ‚vorweihnachtlicher‘ Termin mit inzwischen gewachsener Tradition auf dem Programm. Stefan Stoppok machte auf seiner inzwischen schon altbewährten Vorweihnachtstour mal wieder Station in Dortmund. Ein Ereignis, welches ich mir schon seit längerer Zeit in keiner Adventszeit entgehen lasse.

Das seit Jahren bei Stoppok-Besuchen immer wieder rappelvolle ‚Fritz-Henßler-Haus‘ in der Reviermetropole füllte der inzwischen 56-jährige dieses Jahr gleich an zwei aufeinanderfolgenden Abenden.

Für mich persönlich ein willkommener Anlass der sich überall breitmachenden Weihnachtsstimmung zumindest kurzzeitig zu entkommen.

Ein Beweggrund, den übrigens auch Stefan Stoppok selber vor Jahren schon nannte, als er über seine Motivation plauderte, warum er immer wieder ausgerechnet in den Wochen vor dem größten Familienfest des Landes so ausgiebig auf Tournee geht.

Wer das Weihnachtstreiben mit seinem überall auftauchenden Glöckchengeklingel, dem künstlichem Schnee und die vielen vollen Kaufhäuser also nicht so recht mag, oder wer

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Dortmund: Rat beschließt Resolution gegen „Die Rechte“ – NPD enthält sich

Mit den Stimmen von CDU, Grünen, SPD,  Linken,  FDP/Bürgerliste und FBI hat der Dortmunder Rat eine von den Grünen eingebrachte Resolution gegen die Neonazi-Partei „Die Rechte“ verabschiedet. Die NPD, mit zwei Mitgliedern im Rat vertreten, verweigerte ihren Kameraden den Beistand: Sie enthielt sich und stimmte nicht gegen die Resolution.  Das angelaufene Verbotsverfahren scheint bei den Rats-Nazis die Begeisterung für die Nationale Erhebung deutlich geschmälert zu haben.

 

Piraten: Marina Weisband kandidiert nicht für den Bundestag

Marina Weisband Foto: Nocke-de Lizenz: CC

Marina Weisband kandidiert nicht für den Bundestag. Die in Münster lebende ehemalige politische Geschäftsführerin der Piratenpartei sagte der Welt: „Es war eine schwere Entscheidung. Ich habe mich jedoch nach reiflicher Überlegung gegen die Kandidatur entschlossen, denn ich sehe meinen Schwerpunkt in der politischen Bildung.“

Jeder, der den Alltag von Politikern auch nur ein wenig kennt, wird diese Entscheidung gut verstehen können. Politik heißt, vor allem, wenn man wie Weisband im Fokus der Öffentlichkeit stehen würde, Druck, eine massive Einschränkungen im Privatleben, Häme aus dem Lager der Gegner und oft auch von den eigenen Anhängern. Der Verzicht auf Wochenenden. Die Möglichkeit, sich mit Themen inhaltlich intensiv auseinanderzusetzen, besteht nur selten. Dazu kommt, das nur wenige Politiker ihre Ideen wirklich umsetzen können. Ein Traumberuf ist Politiker nicht. Die meisten zahlen eine  sehr hohen Preis für ihr Engagement.

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Duisburg: Müllsammlung für Lehmbruck-Chef Stecker

Das angekündigte Event zur Unterstützung von Raimund Stecker als Museumsleiter war doch stärker besucht, als ich ursprünglich dachte. Von unserem Gastautor Helmut Junge.

Wie man auf den Fotos sehen kann, haben sich die Teilnehmer an die Bitte der Organisatoren gehalten keine Großgeräte ins Museum zu schleppen. Sie haben sich, es ist ja ein Kunstmuseum, sogar sehr bemüht, ihre Müllsammlung irgendwie ästethisch zu arrangieren.
Der Grund für diese überraschend kurzfristig angesetzte Aktion:
Heute früh tagt übrigens das Kuratorium der Stiftung Wilhelm-Lehmbruck-Museum. Stecker ist erstmalig nicht zur Sitzung eingeladen. 5 Leute, davon 2 Spd, 2 Cdu, 1 Die Linke.

Mehr zu dem Thema:

Das Lehmbruckmuseum in Duisburg am Tag vor dem Maya-Kalender Weltuntergang

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Berliner helfen dem Ruhrgebiet I: So geht arm und sexy!

Das Ruhrgebiet hat es geschafft: Das ehemalige Industriezentrum ist so arm wie Berlin. Doch Armut alleine ist nur die halbe Miete – „arm, aber sexy“ ist das gebot der Stunde. Wir haben Berliner gefragt, wie das geht. Unser Gastautor Hergen Albus hat geantwortet.

„Berlin ist arm, aber sexy“, sagte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, in einem Fernsehinterview im Jahr 2004. Daran hat sich offensichtlich nicht viel geändert, denn im Jahr 2011, im Vorfeld der Wahlen zum Abgeordnetenhaus, sagte er: „Wir wollen, dass Berlin reicher wird und sexy bleibt.“ Wie macht man das, arm zu sein, und gleichzeitig sexy, diese Frage wurde jetzt im Ruhrgebiet aufgeworfen, einer Gegend Deutschlands, die Berlin in vielem gleicht. Wie Berlin hatte das Ruhrgebiet einmal einen industriellen Kern, der Arbeit schaffte für viele und Menschen nicht nur aus Deutschland, sondern gesamt Europa anzog. Wie Berlin hatte das Ruhrgebiet unter dem Wandel der Zeiten zu leiden, und so gehört die wirtschaftliche Hochphase hier wie dort der Vergangenheit an. Dennoch, die Geschichte bleibt.

Und damit kommen wir zum ersten Teil der Beantwortung der Frage. Um arm, aber gleichzeitig sexy zu sein, sollte man sich erst einmal darauf besinnen, was man hat, auf seine Geschichte, auf seine Landschaft, auf seine Kulturszene, und auf die Standortfaktoren, die einen auszeichnen. Man sollte all das haben. Eine Einöde kann reich sein, aber sexy ist sie noch lange nicht. Berlin hat in dieser Hinsicht einen unvergleichlichen Vorteil. Berlin hat Geschichte, Landschaft und Kulturszene. Es ist eine Weltmetropole, deren Lebenshaltungskosten ganz am unteren Ende vergleichbarer Weltstädte liegen. Dies zieht Kreative an, diejenigen Menschen, die einerseits die Provinz leid sind, aber sich gleichzeitig die Mieten und sonstigen Kosten der Metropolen wie London, New York, aber auch bereits München oder Hamburg nicht leisten können.

Dazu kommt eine bereits lebendige Kulturszene, die sich aus der Insellage Berlins während des kalten Krieges herleitete, als eine bunt durcheinander gewürfelte Szene entstand, die sich vor allem durch einen tief empfundenen Non-Konformismus auszeichnete, und auf die Berlin vor allem auch deswegen anziehend wirkte, weil man durch seinen Wohnsitz in Berlin den Wehrdienst vermeiden konnte. Diese Kulturszene mit Brennpunkten wie Kreuzberg oder Friedrichshain kann inzwischen in einem Atemzug mit ähnlichen Künstlervierteln wie dem Quartier Latin in Paris oder Soho in New York genannt werden. Das sind im Endeffekt zwar auch nur Markenkerne, wenn man sie nicht mit Leben erfüllt, aber man kann darauf aufbauen.

So entsteht eine Kulturszene, aber es steht gleichzeitig ein Ruf, eine Marke, und diese Marke verkauft sich nicht schlecht. Berlin ist ein Ort, an dem man als Künstler gewesen sein sollte, ob es sich nun um eine australische Garagenband oder einen New Yorker Gelegenheitskünstler handelt – die beide angenehm davon überrascht sind, wie günstig man in Berlin leben kann, die aber möglicherweise negativ davon überrascht sind, dass man in Berlin sehr viel Kunst erleben kann, aber selbst selten dazu kommt, sich künstlerisch zu entwickeln, weil man zu beschäftigt ist. In Berlin kann man an sieben Tagen pro Woche Konzerte erleben. So mancher hoffnungsvoller Künstler hat nach Monaten in Berlin festgestellt, dass er in dieser Zeit viel erlebt, aber wenig geschafft hat. Aber auch dies trägt dazu bei, eine Marke zu schaffen. Die Marke lebt, und ihr Ruf wird durch jeden Menschen, der von anderen Plätzen nach Berlin gegangen ist, um sich kreativ weiter zu entwickeln, weiter verbreitet.

Berlin erinnert also an eine nicht mehr ganz junge, aber immer noch sehr attraktive  Blondine mit einem ausgedehnten Vorleben, die sehr selbständig und auch selbstbewusst ist, aber sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie ganz genau weiß, was sie nicht will, und ansonsten keinen wirklichen Plan hat, was die Zukunft bringen soll. Das ist zwar durchaus interessant, vielleicht auch amüsantt, aber nicht lukrativ, und sexy ist es nur begrenzt.

Daraus folgt die zweite Antwort auf die Frage. Um arm, aber gleichzeitig sexy, hilft es, wenn man sich selbst und sein Leben schönredet. Eine der Lieblingsbeschäftigungen des Berliners, und auch aller Menschen, die aus der Ferne, aus Quakenbrück oder Emmendingen, nach Berlin gezogen sind, ist es, sich selbst und jedem, der bereit ist zuzuhören, immer wieder zu erklären, warum es so geil ist, in Berlin zu leben. Beispielsweise trat einmal in einem der führenden Berliner Radiosender, Radioeins, ein Vertreter eines Berliner Debattierclubs auf. Dieser erklärte, was sein Club so treibe, und erzählte von der letzten Debattensession. Thema des Abends – Warum ist es so schön, in Berlin zu leben.

Dabei ist der Berliner an sich eigentlich ein vollständiger Misanthrop und bereits gestresst, wenn er morgens aus dem Bett steigt. Wenn man ihm dann im Berufsverkehr vor die Stoßstange kommt oder ihm im Bus oder der U-Bahn gegenüberseht, sollte man sich sehr vorsehen. Der Berliner ist auch gerne nur zu bereit, seine Stadt im Detail zu kritisieren, ob es sich um den Nahverkehr, die innere Sicherheit oder die Hertha handelt.

Generell aber lässt der Berliner auf seine Stadt nichts kommen. Es ist fast unmöglich, einen Berliner aus seiner Stadt wegzubekommen, weil für ihn das Leben nur in Metropolen lebenswert ist – komischerweise, denn in der Realität ist Berlin keine Metropole, sondern eine Ansammlung von als „Kiez“ bezeichneten Siedlungen – und dies trifft ebenfalls auf all jene Neu-Berliner zu, die auf der Suche nach kulturellen Entfaltungsmöglichkeiten nach Berlin gekommen sind. Diese kehren Berlin entweder innerhalb eines halben Jahres den Rücken, oder sie bleiben für immer und erzählen für den Rest ihres Lebens sich und allen ihren Freunden, warum es so geil ist, in Berlin zu leben.

Unsere Blondine ist sich also durchaus unterbewusst im Klaren darüber, dass in ihrem Leben etwas falsch läuft, aber grundsätzlich geht sie davon aus, dass sie ein wunderbares Leben führt, und abgesehen davon hat sie Spaß dabei. Das ist ihr Selbstbild, und sie trägt dieses Selbstbild nach außen, damit auch alles es mitkriegen und selbst davon überzeugt sind, dass sie eine tolle Type ist. Berlin ist in der Hinsicht zwar gealtert, aber immer noch in der Pubertät, was sich auch daran zeigt, dass jeder Mensch, selbst wenn er bereits in den Fünfzigern ist, in der lebendigen Berliner Szene noch einmal jung zu sein, wenn er sich selbst für jung hält. Viel davon ist im Endeffekt Selbstbetrug, aber niemanden stört es, solange alle diesen Selbstbetrug leben.

Nun gut, irgendwie muss man das Ganze aber auch bezahlen, wird so mancher jetzt einwenden. Wovon leben all die Leute, die sich kulturell entwickeln und „etwas mit Medien“ machen, die seit Jahren dabei sind, irgendwelche Projekte zu entwickeln und vermarkten, ohne allerdings irgendeines dieser Projekte jemals fertig zu stellen. In dieser Hinsicht ist Berlin seinen Bürgern sehr ähnlich, wie der neue Flughafen Berlin Brandenburg International zeigt. Erfolgreiche Projekte wurden in Berlin schon immer fremd finanziert, und im Normalfall auch von Außenstehenden realisiert, oder es besteht die Gefahr, dass sie nie fertig gestellt werden.

Wie man das macht, nun, das führt uns direkt zur dritten Antwort auf die Frage, wie man es schafft, arm, aber sexy zu sein – Schulden machen und im Zweifel Mutti um Geld angehen. Das ist im Großen nicht anders als im Kleinen. Auch die sexy Blondine, die sich von einem Teilzeitjob zum Nächsten hangelt, aber nicht auf ausgedehnte Shoppingtouren oder Discobesuche verzichten möchte, weiß ganz genau, dass man durchaus mal bei Mutti einen Schein abstauben kann, wenn man die richtigen Argumente bringt oder ersatzweise eine Träne aus dem Augenlid rollt, oder dass man durchaus auch das Konto überziehen kann, oder die Kreditkarte. Im Zweifel kommt dann halt Peter Zwegat und darf hinter einem aufräumen.

Bundesländer haben es da noch besser, denn ihr Dispokredit ist deutlich höher. Berlin verfügte gleichfalls in seiner Geschichte über einen entscheidenden Vorteil – Im Kalten Krieg war Berlin das Bollwerk des Westens mitten im bösen Osten, weswegen keiner so genau darauf achtete, wie viel Geld man dort für Vorzeigebauten versenkte, weil Berlin vor allem immer noch das Schaufenster des Westens war, mit dem man den armen Menschen, die unter dem Kommunismus litten, mal zeigte, auf was sie alles verzichten mussten. Ost-Berlin hingegen genoss den Bonus, dass es Hauptstadt war, ein Vorteil, der inzwischen nach dem Ende des Kalten Krieges auf ganz Berlin ausgedehnt wurde. Altgedienten DDR-Bürgern aus Erfurt oder Schwerin kriecht immer noch der Hass in die Augen, wenn man sie auf Berlin anspricht, weil sie mit Berlin die Millionen verbinden, die nach Berlin geschleust wurden, um der Hauptstadt der DDR ein modernes Antlitz zu verleihen, während rundherum alles vor sich hinmoderte.

Das ist heutzutage nicht ganz anders, denn Berlin hat sich an diesen Zustand gewöhnt. Berlin ist daran gewöhnt, erst Geld auszugeben und sich erst dann Sorgen darum zu machen, wer die Rechnungen bezahlt. Ganz Berlin ist eine einzige Baustelle, die aus irgendeinem Grund niemals fertig wird, und trotzdem wird Klaus Wowereit nicht müde, darauf hinzuweisen, welche Kosten und vor allem auch Repräsentationspflichten mit dem Hauptstadtstatus Berlins verbunden sind, und welche Bundesmittel daher zusätzlich nach Berlin umgeleitet werden müssen. Auch wenn er politisch eine andere Grundhaltung vertritt als sie, hat auch Klaus Wowereit kein Problem, Mutti um Geld anzugehen, wenn er sich sein Operhaus nicht selbst leisten kann, oder wenn er unbedingt aus drei Flughäfen einen machen muss und dabei völlig überraschend die Kosten explodieren. Mutti oder ersatzweise Peter Zwegat werden schon helfen.

Und für die laufenden Kosten macht man halt Schulden. Irgendwer wird das Konto immer wieder ausgleichen, abgesehen davon, dass dieses chronische Abgebrannt-Sein ja auch sexy an sich ist, wenn man es passend in Szene setzt. Berlin gleicht auch in dieser Hinsicht seinen Bürgern und bemisst seine Ausgaben an dem Leitspruch „Wer nicht über seine Verhältnisse lebt, lebt unter seinem Niveau“. Ob das mit dem Niveau in dieser Hinsicht wirklich so passt, bedarf keiner näheren Überprüfung, denn, wie Antwort Zwei belegt, geil ist man eh, und wenn man nicht geil ist, redet man sich geil.

Und hier beginnt sich die Geschichte im Kreis zu drehen. Man hat auf seine Situation aufgebaut, hat sich diese Situation schön geredet, wo es nötig war, und dadurch hat man sich einen Markenkern geschaffen, den man sich selbst und anderen verkaufen kann. Dann hat man mit teuer Geld seine Situation verbessert und weitere Standortvorteile hinzugebaut, oder man hat mit dem teurem Geld einfach nur dafür gesorgt, dass die laufenden Kosten gedeckt wurden. Das macht im Einzelnen nur einen graduellen Unterschied. Das Wichtige daran ist, dass man aufgrund der daraus entstehenden Rechnung nicht in Depressionen verfällt, sondern die Rechnung entweder weiterreicht, sie ignoriert oder sie schön redet, dass man also entweder die Rechnung klein- oder das, was man gekauft hat, groß redet. Damit geht es einem dann wieder gut, und man kann sich und allen anderen wieder erzählen, wie schön es ist, in Berlin zu leben.

Um mit der Grundlage der gesamte Betrachtung zu enden, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat mit Ihrer Betrachtung, NRW müsse sexier werden, das Thema klar verfehlt, denn Ihre Feststellung beinaltet das Eingeständnis des Defizits, wo ein fröhliches Bekenntnis zu sich selbst notwendig gewesen wäre. „NRW ist verdammt sexy,“ das wäre richtig gewesen, oder „NRW ist viel sexier, als man es gemeinhin annimmt.“ Und dann auf mit dem Staatssäckel und weiter Projekte in Angriff nehmen. Mutti wird schon bezahlen. Aufgrund der Bevölkerungszahl von NRW hätte Frau Kraft hier zudem  die entschieden besseren Argumente.

Hergen Albus ist promovierter Anglist und arbeitet als Übersetzer und Online-Redakteur in Berlin. Seit 9 Jahren während der Woche in Berlin, verbringt er seine Wochenenden immer in der nordhessischen Provinz, um die Realität nicht vollständig aus den Augen zu verlieren.

 

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Praktika: „Machen sie das auch umsonst?“

Büro. Foto: Bundesarchiv Lizenz: CC

Machen sie das auch umsonst? Nööööö, sollte man sagen. Von unserer Gastautorin Anne Winterhagen.

Bei den „Praktikumsinformationsveranstaltungen“ an der Uni sagen Sie einem, dass man dankbar sein soll, ein Praktikum machen zu dürfen: etwas lernen zu dürfen, – auch wenn man kein Geld dafür bekommt. Wo das Geld herkommen soll, sagen sie einem nicht.

Der doofe Comicpraktikant auf der Powerpointfolie grinst den Betrachter widerlich an – und hält ihm eine Kaffeetasse entgegen.

„Noch mehr Zucker? Ich geh schon, Chef!“ steht in einer Sprechblase. Darunter steht: „Cartoon“, als ob das eine Erklärung dafür sei, dass es schlecht ist.

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