3 FÜR 7 – Diesmal: Planen für den Sommer

Alle müssen immer ihre Seiten vollschreiben und/oder Kunstwerke schaffen, anscheinend nicht immer nur des lieben bzw. bösen Geldes wegen. Und das war für den Autor dieser Zeilen ein guter Grund, keinesfalls zu einer Tageszeitung zu gehen, schon gar nicht zu einer lokalen, aber auch nicht fulltime-Kulturarbeiter zu werden. Und dann sorgt der technische Fortschritt via Feeds & Co. auch noch dafür, dass immer schneller immer unreflektierter irgendein Krams ausgebreitet und gerne einmal skandalisiert wird. Mittelmäßiges Business. Fast Food für den Kopf. Und der deutsche Planet lamentiert, diskutiert, meistens unter sich. Es drängt sich aber auch nichts auf diese Woche. Also diesmal: Planen für die nahe Zukunft.

Kulturell betrachtet sind ja bald schon die Oberhausener Kurzfilmtage, aber mensch könnte auch einmal beim Maifest der Zeche Carl reinschnuppern. Die Termine für Haldern, c/o pop und so stehen natürlich auch schon. Oder mal was Größeres gen Osten mitmachen? Dieses Jahr dann mal Reeperbahnfestival? Oder endlich den Kurz-Trip ins benachbarte Holland? Gut wäre natürlich auch eine Art Urlaub, wo mal gar keine Kultur, wie sie hier verstanden wird, aufzufinden ist. Juicy Beats, Pfingst Open Air Werden? Für die einen Standards, für die anderen das älteste von der Welt. Notiz: Fernweh zulassen und was draus machen, die Ruhr kümmert sich schon genug um sich selbst im Moment.

Technisch betrachtet will der gut ausgerüstete Gelegenheitsblogger ja aber doch nie so recht auf all die Informationen von den Lieben, den Beobachtenswerten und den Wichtigen verzichten. Also verknüpft dieser §‘!$$?-Computer eh permanent das Private mit dem Dienstlichen. Ist ja eh alles immer nur Milimeter voneinander entfernt. Tja, manches ist aber ziemlich weit voneinander entfernt und trotzdem der Mühen wert. Kann schlecht drauf verzichtet werden. Kann man die und das einfach mal alleine lassen und nicht nur Kultur Kultur, sondern auch Internet Internet sein lassen? Notiz: Kultur ist auch, wenn was nicht in der Zeitung von heute steht.

Abschließend betrachtet: Popmusik, Klassik, Theater, Ausstellungen, Kulturwirtschaft, etc. sind alle schön und gut, machen aber doch nur Sinn, wenn nicht immer nur Themen durchs globale Dorf gejagt werden, sondern auch der Sinn dafür behalten wird, wofür das eigentlich gut ist. PR-Leute und die schreibende Zunft können da nur helfen, letztlich müssen die Kunstwerke von Menschen betrachtet werden, die auch aufnahmefähig sind. Und die Kunstwerke, nein, es hieß: Die Meisterwerke sind eh alle nur ganz große Ersatzhandlungen (oder so ähnlich). Notiz: Was nutzt all die Werbung und das Sich-sehen-Lassen, wenn das Leben davon nicht positiv berührt wird?

Genau: Sein lassen ist auch mal erlaubt. Oder schauen Sie sich einfach mal bewusster um, was so in ihrer Gegend an toller Papierwerbung herumliegt. Oder fahren Sie jetzt schon einmal weg, wenn es zu Ostern nicht passiert ist. Bald ist ja Pfingsten, nicht wahr? Und die Ruhr kann gut ohne uns, und der Autor hier auch mal ohne Links – aber das Foto aus dem Grugapark ist von ihm.

Ruhr2010 – Eine erste Bilanz

Gut 90 Tage sind seit dem 9. Januar, dem offiziellen Beginn des Kulturhauptstadtjahres, vergangen. Zeit für eine erste Bilanz.

Sie sollte helfen, das Ruhrgebiet neu zu erfinden, für ein besseres Image sorgen und mit der Kreativwirtschaft das Ruhrgebiet ökonomisch verändern. Die Planungen zur Kulturhauptstadt sind vor vielen Jahren mit hohen Ansprüchen und markigen Sprüchen gestartet. An denen muss sie sich nun messen lassen.

„Das Ruhrgebiet leidet viel weniger an seiner Wirklichkeit als an seinem Image…“ Fritz Pleitgen

Ein Blick auf die Haushaltslage der Städte und die Arbeitslosenzahlen zeigt, dass Pleitgen irrt. Das Ruhrgebiet hat  weniger ein Imageproblem als eines mit der Wirklichkeit:  Es gehört weltweit zu den wenigen Ballungsgebieten die schrumpfen und nicht wachsen. Der Nahverkehr ist eine Katastrophe. Die Forschungsleistungen der Unternehmen liegen weit unter dem Landes- und Bundesdurchschnitt. Vor allem die Qualifizierten verlassen das Ruhrgebiet. Nicht wegen des Images, sondern weil viele von ihnen  hier keine Arbeit finden.

„Herne ist ein wunderbarer Platz auch für die Kreativwirtschaft, die Industrie der Zukunft.“ Fritz Pleitgen

Der Satz sagt alles. Kreativwirtschaft ist eine Modewort. Mehr nicht. Natürlich gibt es sie auch im Ruhrgebiet, aber sie wächst langsamer als im Landesdurchschnitt. Sie wird für das Ruhrgebiet nicht die Industrie der Zukunft sein. Für Herne schon mal gar nicht. Aber das Gerede über sie machte natürlich etwas her. An die Kreativwirtschaft im Revier glaubten die Kulturhauptstadtmacher nie: Mit dem 2010lab durfte sich die Wuppertaler Agentur Boros blamieren, Leitagentur der Kulturhauptstadt ist KNSK aus Hamburg. Was bleibt vom Kreativwirtschaftshype nach 2010? Gornys „european centre for creative economy“ im U-Turm.

„Ziel ist es, durch strukturelle Veränderungen in der Region die kulturpolitischen Voraussetzungen für ein dauerhaftes Zusammenwachsen der Ruhrstädte zu schaffen.“ Fritz Pleitgen

Ein Zusammenwachsen der Ruhrstädte ist nicht zu sehen. Und strukturelle Veränderungen sind von der politischen Agenda verschwunden. Die Kulturhauptstadtmacher haben sie allerdings zu keinem Zeitpunkt offensiv eingefordert.

„Nachhaltigkeit bedeutet für eine Kulturhauptstadt vor allem, dass sie Mut zeigt bei den Themen Städtebau und urbane Entwicklung.“ Dieter Gorny

Genau diesen Mut hat das Ruhrgebiet nicht gezeigt. Mut wäre im Revier Verzicht gewesen. Mut wäre die Erkenntnis gewesen, das man als Kommune auch von den Erfolgen des Nachbarn profitiert und aufhört, in den Grenzen der eigenen Stadt zu denken.

Mut in der Planung gab es nicht. Man hätte zum Beispiel leerstehende Gebäude Kreativen günstig zur Verfügung stellen können und dann abwarten, was da so alles passiert. So etwas wurde nicht gemacht.  Was es gab war die Gieskanne: Kreativquartiere in Dinslaken, Oberhausen und Dorsten statt eine Fokussierung auf die drei Szenequartiere die es gibt. Die Kulturhauptstadt haben die Städte vor allem dazu genutzt, alte Projekte zu verwirklichen: Mal erfolgreich wie in Dortmund, wo das Museum am Ostwall in den U-Turm ziehen wird. Mal erfolglos wie in Bochum, wo man, statt auf neue Ideen zu setzen, ein weiteres Konzerthaus einfach zum Kernstück eines Kreativquartiers erklärte. Für die meisten Städte war die Kulturhauptstadt vor allem eine weitere Mitnahmegelegenheit für Subventionen. Nachhaltigkeit? Eine Seltenheit.

„Kulturhauptstadt ist kein Festival, wer das behauptet, hat das Konzept nicht verstanden.“ Oliver Scheydt

Am stärksten war die Kulturhauptstadt bislang, wenn sie sich im Rahmen eines klassischen Festivals bewegte: Die Eröffnungsfeier, die Odyssee, das Henze-Projekt waren die bisherigen Höhepunkte. Auch erfolgreich waren die großen Eröffnungen: Das Ruhr Museum und das Museum Folkwang sorgten für zumeist positive Schlagzeilen und sind eine Bereicherung für das Revier. Aber immer dort, wo die Kulturhauptstadtmacher den Festivalpfad verließen, scheiterten sie. An  dem Zwang, noch das letzte Kaff in die Kulturhauptstadt integrieren zu müssen, an dem Kirchturmdenken  im Revier oder, um es auf den Punkt zu bringen, an der Provinzialität des Ruhrgebiets.

Scheiterten sie am mangelnden Geld? Nein, denn gerade dieser Mangel wäre eine gute Grundlage gewesen, Neues zu wagen und unkonventionelle Wege zu gehen. Das wurde nie ernsthaft versucht.

Wir sollten die  Modebegriffe Nachhaltigkeit und Kreativwirtschaft also ganz schnell vergessen. Metropole sowieso. Es gab bislang gut Kulturveranstaltungen. Es wird weitere gute Kulturveranstaltungen geben. Auf der A40 kann es nett werden, wenn das Wetter mitspielt. Aber im Jahr 2010 wird sehr wahrscheinlich kein neues Kapitel in der Geschichte des Reviers aufgeschlagen werden.

Noam Chomsky: Die Gefahr ist im Westen

Das Hinterzimmer des Stuttgarter Restaurants hat eine große Scheibe, dahinter blitzt ein erster Frühlingstag, Kinder und Hunde tanzen vor dem blitzblank restaurierten Schloss in der Sonne. Gleich wird hier die US-Linksintellektuellen Legende Noam Chomsky sprechen – in kleiner Runde. Es ist der erste Vortrag auf seiner Deutschlandreise, am nächsten Tag werden ihn mehr als 1000 Studenten in Mainz hören. Es geht um die Frage, ob die amerikanische Arbeiterschaft ähnlich verzweifelt ist, wie die deutsche in der Weimarer Republik und könnte sie das Land in eine faschistische Diktatur stürzen? von unserem Gastautor: Peter

Man muss ganz genau hinhören, sonst versteht man Chomsky kaum. Obwohl er die Welt scharf unterteilt in Eliten, die zu ihrem Vorteil die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung manipulieren, und diesem mehr oder weniger nutzlosen Rest, spricht er zurueckhaltend, beinahe murmelnd.

Er hat Ausführungen über die amerikanischen Arbeiter und über einen Selbstmord im Gepäck.

Was würde passieren, wenn die USA zu einer faschistischen Diktatur werden würde? Was, wenn in einem Land, militärisch und wirtschaftlich mächtiger als jedes andere, in einem Land, das keine internationalen Gerichtsbarkeit akzeptiert, der letzten Rest demokratischer Kontrolle verlören ginge und eine Gewaltherrschaft ausbräche?

Wenn Terror die Kontrolle der eigenen Bevölkerung durch Propaganda in Werbung und Medien ersetzen würde und offene und verdeckte Kriege im Ausland noch ungehemmter geführt würden?

Man mag diese Gefahr für weit hergeholt halten, wenn man, so Chomsky, aber seinen Blick auf den Teil der amerikanischen Bevölkerung wendet, der in der veröffentlichten Öffentlichkeit keine Rolle spielt, findet man Parallelen zwischen den heutigen USA und dem Deutschland der Weimarer Republik.

Man findet eine Marginalisierung großer Teile des Landes, eine Interessenspolitik im Sinne führender Eliten und einen Mangel an Alternativen in beiden Staaten. Zumindest in der deutschen Geschichte sind die Folgen bekannt.

Die Wahl von Barak Obama in all ihrer Einzigartigkeit und der berichtete Optimismus, der damit einherging, lassen in den USA möglicherweise eine andere Zukunft vermuten. Doch Chomsky zeigen eine düstere Perspektive als ebenso realistisch auf.

Denn die Hoffnung, die die Wähler in Obama gesetzt haben ist gleichzeitig Gradmesser für die Verzweiflung, die hinter seiner Wahl steht. Was passiert also, wenn Barak Obama die in Ihn gesetzte Hoffnung enttäuscht?

Diese Situation in den USA ähnelt den deutschen Verhältnissen vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933: Ebenso wie in der Weimarer Republik ist in den USA der überwiegende Teil der Bevölkerung aus dem politischen Leben ausgeschlossen und in seinen Interessen nicht im Parlament vertreten – und nimmt dies auch so wahr, sagte Chomsky auf einer Veranstaltung in Stuttgart.

Es ist ziemlich ähnlich zur späten Weimarer Republik. Die Parteien brachen zusammen, es gab enorme Missstände, derer sich niemand angenommen hat und die Leute waren ziemlich unglücklich über die bedeutungslosen Debatten im Parlament.“

Die Anzeichen der heutigen Verzweiflung in den USA sind sichtbar, sie zeigen sich immer wieder in scheinbar widersprüchlichen Handlungen. Beispielsweise in einem Selbstmord im Februar mit einem eindrucksvollen Abschiedsbrief, oder bei der Senatorenwahl in Massachusetts im Januar, so Chomsky.

Die Senatorenwahl war eine Wahl für oder gegen Obamas Pläne für eine allgemeine Krankenversicherung – ein Begehren einer Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung, das seit Jahrzehnten von der Politik ignoriert wird. Für viele wurde diese Absicherung durch die Wahl Obamas eine realistische Perspektive.

Doch die Arbeiter fühlen sich von Obama schon im zweiten Jahr seiner Präsidentschaft in ihrem Anliegen dermaßen enttäuscht, so Chomsky, dass sie in Massachusetts nicht etwa einen Parteigenossen Obamas von der demokratischen Partei wählten, sondern den Republikaner Scott Brown.

„Sie haben sich selbst geschadet, es ist eine irrationale Entscheidung.“ Und genau von dieser Geisteshaltung geht die Gefahr aus, sagt der US-Intellektuelle. „Das sollte Erinnerungen wach werden lassen.“

Stellvertretend für das, was viele denken und möglicherweise eine berechtigte Analyse der amerikanischen Gesellschaft ist der Abschiedsbrief eines Arbeiters, der im Februar diesen Jahres in Austin, Texas Selbstmord beging, indem er ein Kleinflugzeug in das Gebäude des Finanzamts flog: Klick

Es gäbe durchaus Auswege, doch diese sind mit Bedacht und systematisch in unerreichbare Ferne gerückt worden. Die Arbeiter etwa in der Automobilindustrie könnten sich organisieren und die Fabriken übernehmen, die geschlossen werden und in diesen Waren wie etwa Züge produzieren, die die USA gerade im Ausland einkauft.

Doch dies würde einerseits die Bereitschaft der Politik voraussetzen, die Arbeiter und nicht etwa den Finanzsektor zu unterstützen – und es verlangt nach Arbeitern, die diese Möglichkeiten sehen. Chomsky:

Es bedarf einer aufgeklärten Arbeiterschaft. Was wir aber sehen ist eine selbstzerstörerische Arbeiterschaft“,

Wenn man dieser Beobachtung zustimmt, kann man auch die damit einhergehende Gefahr nicht mehr leugnen. Allerdings haben die Amerikaner schon oft gegen ihre Interessen gewählt, man denke nur an die Wahl Ronald Reagans zum Praesidenten 1981, der die Gewerkschaftsgesetzgebung praktisch ausser Kraft gesetzt hat. Somit besteht die heutige Gefahr im Prinzip schon seit Jahrzehnten – eine Tatsache, die sie möglicherweise eher noch gefährlicher macht.

Foto: John Soares unter Creative Commens Lizenz via Wikipedia

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Der Ruhrpilot

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Die WAZ-Gruppe setzt auf „Bürgerreporter“

Mit ihren Anzeigenblätter will die WAZ Mediengruppe die Bürger als Reporter für ihre eigenes Online-Angebot gewinnen. Zum Startschuss von Lokalkompass.de sind die Städte Wesel, Xanten, Menden und Fröndenberg dabei. Hinter dem Angebot steckt die Westdeutsche Verlags- und Werbegesellschaft (WVW) mit ihren 61 Titeln.

„Mit Lokalkompass.de festigen unsere Anzeigenblätter ihre Marktposition als Medium mit lokaler und sublokaler Ausrichtung und erschließen zusätzlich neue Leser- und Umsatzpotentiale“, sagt WVW-Geschäftsführer Haldun Tuncay. „Die lokale Online-Community ist ein ideales Modell, unsere Kundenbeziehungen auszubauen und noch näher bei unseren Leserinnen und Lesern zu sein.“ In Wesel berichten die Reporter über die Jahrestagung der DLRG, die neue Fassade des Rathauses und stellen die Landtagskandidaten vor. In Fröndenberg haben sich bisher erst 24 Bürger als Reporter eingetragen und in Xanten sind es immerhin schon 89. Die Redakteure der etablierten Anzeigenblatttitel sollen als Moderatoren die lokalen Communities betreuen und Tipps zum Schreiben von Beiträgen liefern. Mit dem Angebot möchte man neue Leser gewinnen und sich jüngere Zielgruppen erschließen. Ein gewünschter Nebeneffekt ist die Nutzung kostengünstiger Inhalte. Die meistgelesene Themen und besondere Beiträge werden in der Printausgabe der jeweiligen Region abgedruckt. Die journalistische Qualität steht bei den Anzeigenblättern ohnehin nicht im Vordergrund, da es hier um Marktabdeckung und Werbekunden geht.

Die WVW und die Ostruhr-Anzeigenblattgesellschaft (ORA) sind Marktführer in Deutschland und Europa. Nach eigenen Angaben erreichen sie alleine in Nordrhein-Westfalen, mit einer wöchentliche Auflage von über 5 Millionen Exemplaren, „nahezu jeden Haushalt in ihrem Verbreitungsgebiet“. Die WVW gehört seit 1977 zur WAZ Mediengruppe. An der Schwester-Gesellschaft ORA halten sowohl die WAZ wie der Verlag Lensing-Wolff jeweils 50 Prozent. Entstanden ist die Plattform Lokalkompass.de in Zusammenarbeit mit WAZ New Media und der Firma Gogol Medien als technische Dienstleister. Die vier Städte sind nur der Anfang und bis zum Jahresende sollen die übrigen Tittel der WVW folgen.

Asterix bei den Kirgisien – ein Bericht aus den himmlischen Bergen

Vor ein paar Tagen kam es zu einem Umsturz in Kirgisien. Unser Ruhrbaron Marcus Bensmann ist vor Ort. Er sprach mit dem gestürzten Präsidenten des zentralasiatischen Staates und prophezeit eine verdammt harte Zeit zu beiden Seiten des Tien-Shan-Gebirges – wie die himmlischen Berge auf krigisisch genannt werden. Hier sein Bericht:

Das Chaos in der zentralasiatischen Republik Kirgistan erinnert mich sehr an Asterix bei den Goten. Im Comicband drischt der eine Goten-Chef dem anderen Goten-Chef mit einem Knüppel auf den Kopf und verkündet, dass er nun Chef aller Goten sei. Die anderen Chef lachen aber dabei nur.

In Kirgistan ist das nicht anders. Vor fünf Jahren stürzte die sogenannte Tulpenrevolution den ersten kirgisischen Präsidenten Askar Akajew aus dem Amt. Die Revolte wurde getragen von unzufriedenen Clanführern aus dem Süden des durch das Tien-Schan-Gebirge in Norden und Süden zweigeteilten Landes. Die Clanleute bezahlten Tagelöhner und verbündeten sich mit den örtlichen Banditenchefs und stürmten zuerst die Städte in Sükirgistan Dschalalabad und Osch und dann die kirgisische Hauptstadt Bischkek. Akajew floh nach Russland. Die Opposition machte einen der ihren – Kurmanbek Bakijew aus Dschalalabad – zum neuen Chef.

Bakijew wurde Präsident und begann seine früheren Verbündeten abzuservieren.

Die Banditenchefs, die ihm an die Macht gebracht hatten, wurde erschossen.

Die anderen Kampfgenossen kalt gestellt. Die kirgisische Politikerin Rosa Utanbaewa war einer von Bakijew Mitstreitern, die aber dann in die Opposition gegen Bakijew ging.

Im April drehte sich das Bild. Diesmal begannen die Aufstände der Revolte in den Nordprovinzen in Talas und Narin, und schwappten dann am 7. April auf Bischkek rüber. Hier wurde die Sachen blutig.

Hatte sich die Revolte vor fünf Jahre damit begnügt Geschäfte zu plündern, knallte diesmal die Sicherheitskräfte in die anstürmende Menge, die gegen den Präsidentensitz anrannte. Die Demonstranten waren nicht viele, aber entschlossen. Knapp 5000 Mann erstürmten trotz tödlichen Kugelhagels das weiße Haus in Bischkek und zwangen den Präsidenten Kurmanbek Bakijiew zur Flucht. Rosa Utanbaewa übernahm die Regierungsgeschäfte der Notstandsregierung, löste das Parlament auf.

Bakijew floh aber nicht ins Ausland sondern ging zurück in seine Heimatstadt Dschalalabad. Hier steht sein Vaterhaus in einem Stadtviertel unweit des Zentrum, die Strassen dort heißen alle Bakijew. Der Präsident hat hier eine Jurte aufgestellt, wie man die örtlichen Filzzelte der Schafshirten nennt. Die Jurte dient Bakijew als Empfangsraum samt Samtsesseln und Holzschreibtisch.

An diesen Ort hat sich der Präsident mit seinen Anhängern und seiner Familie – vor allem mit seinen sieben Brüdern – zurückgezogen und sagt, er sei weiterhin Präsident, und daran werde sich auch nichts ändern. Zudem gibt Bakijew die Schuld für das Blutbad der Opposition. „Die habe zuerst geschossen“, sagt Bakijew, die Sicherheitskräfte hätten nur reagiert.

Wenn jetzt Rosa Utanbaewa sagt, sie sei Chefin, dann Bakijew lacht nur. Er denkt nicht daran aufzugeben.

Die Provinzen und Städte im Süden haben sich zwar offiziell der neuen Macht unterworfen. Aber gleichwohl können Bakijew und seine Brüder ein gesamtes Stadtviertel im Herzen des Landes okkupieren – ohne das auch nur eine Staubspur von kirgisischen Sicherheitskräften zu sehen ist.

So sieht der Bauplan für einen Bürgerkrieg im Herzen Zentralsiens aus – eben wie bei Asterix bei den Goten.

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Der Ruhrpilot

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Anbei die Liste der Bauern mit PFT-verdächtigen Schlämmen

Uhlenberg steht links. Das Foto ist vom Umweltministerium.

Der Skandal um die PFT-Verseuchung der Ruhr ist immer noch nicht zu Ende. Obwohl NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) das gerne hätte.

In der vergangenen Woche hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld Anklage gegen sieben Angeschuldigte erhoben. Ihnen wird vorgeworfen, vor allem Ackerböden im Sauerland und damit mittelbar auch das Trinkwasser des Ruhrgebietes mit der krebserregenden Industriechemikalie PFT verseucht zu haben.

Damit aber nicht genug. Uhlenberg hatte die Menschen in NRW glauben machen wollen, dass die Sanierung eines von dem nun angeklagten Septet vergifteten Feldes in Brilon-Scharfenberg ausreichend sei, um das PFT-Problem in den Griff zu kriegen. Für über 1 Mio. Euro wurde deshalb mit großem PR-Aufwand der Acker in Brilon-Scharfenberg saniert. Erst nach langen Recherchen und viel öffentlichem Druck konnte bewiesen werden, dass Uhlenberg hier eine Sündenbock-Theorie verfolgt hatte.

Danach wurde ein paar Äcker in Rüthen saniert, ein paar andere Flächen stillgelegt. Das war es weitgehend.

Dabei ist die Nummer ganz und gar nicht zu Ende. Zunächst hat der Ruhrverband die Not, seine Kläranlagen entlang der Ruhr in den Griff zu kriegen, damit aus diesen nicht mehr rund 50 Prozent oder mehr PFT-Belastung in der Ruhr in den Fluss strömt.

Daneben strömt aber immer noch aus der schönen Landschaft weiter Gift in die Ruhr und alle möglichen anderen Flüsse. Das liegt unter anderem da dran, dass es viel mehr Ackerflächen gibt, auf die PFT-verdächtige Schlämme der nun angeklagten Gruppe aufgebracht worden sind, als die meisten Menschen in NRW denken.

Aus Unterlagen, die ich einsehen konnte, geht hervor, dass vermutlich mit PFT kontaminierte Düngemittel in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern in landwirtschaftliche Flächen eingearbeitet worden sind. Darüber hinaus in die Äcker von dutzenden Landwirten in ganz NRW.

Immer wieder haben alle möglichen Menschen versucht eine offizielle Liste der betroffenen Äcker vom NRW-Umweltministerium zu bekommen. Das wurde immer wieder verwehrt.

Der Grüne NRW-Landtagsabgeordneten Johannes Remmel sieht in den Bemühungen um Geheimhaltung einen Hort an „Intransparenz“. Nicht nur die aktuellen Gift-Messdaten in der Ruhr würden nicht hinreichend publiziert, auch die Aufklärung des ursprünglichen Skandals werde von Uhlenberg behindert. Das Ministerium veröffentliche nicht eindeutig alle Quellen der Verseuchung.

Und das ganz bewusst, wie ein Sprecher des Uhlenberg-Ministeriums vor einiger Zeit mal sagte. Die betroffenen Bauern sollten nicht an den Pranger gestellt werden.

Es gibt sogar einen Erlass des Umweltministeriums von 2006, den mal als Maulkorb interpretieren kann. In dem Erlass werden die untergeordneten Behörden des Landes von Uhlenberg angewiesen, die belasteten Flächen gegenüber Remmel geheim zu halten. Hier ist der Erlass zum Nachlesen: klick

Nur nach viel Druck und Mühe wurden bislang die PFT-Belastungen in einigen wenigen Landkreisen in Einzelfällen veröffentlicht. Im Hochsauerlandkreis gab etwa die Verwaltung erst auf Drängen der Sauerländer Bürgerliste (SBL) heraus, wie hoch die Belastung der 55 bisher im Kreis ermittelten PFT-Flächen ist. Aber leider schwieg sich die Verwaltung über die genaue Lage und die Besitzer und Pächter der Felder aus, wie die SBL bedauerte.

Worum diese Geheimhaltung um die Flächen und Felder? Ein Hinweis könnte von Uhlenberg selbst kommen. Der Minister mit Bauernhof sagte vor Kurzem in einem Interview mit dem Westfälischen Anzeiger in einem völlig anderen Zusammenhang:

Landwirte sind Unternehmer. Wir als Politiker haben nicht die Aufgabe, immer in Märkte einzugreifen. Wir müssen einfach für gute Rahmenbedingungen sorgen, damit die Betriebe weiter investieren und weitermachen können“

Auch wenn das Zitat in einem anderen Zusammenhang stand. Sieht diese Aussage nicht aus, wie ein politisches Glaubensbekenntnis? Ich finde schon.

Und dann finde ich, dass die Bürger in allen Kreisen ein Recht darauf haben, zu erfahren, wo die Felder mit den besonderen Belastungen sind. Sie müssen vor Ort überprüfen können, ob es ausreichende PFT-Untersuchungen gab, ob nötigenfalls Sanierungen eingeleitet wurden, und ob diese erfolgreich waren. Da die Behörden seit Monaten oder Jahren nicht die betroffenen Felder veröffentlichen, sehe ich keinen anderen Weg, als die mir vorliegende Liste der betroffenen Bauern zu veröffentlichen, die zwischen 2001 und 2004 angebliche Düngemittel der Firmengruppe Terra Vital rund um die Witteler-Brüder angenommen haben.

Ich finde die Aufklärung sehr wichtig. Eine Familie, die zum Erdbeerenpflücken auf einen Acker fährt, sollte bei Bedarf wissen können, ob da PFT-verdächtige Klärschlämme hingekippt wurden.

Zudem halte ich die Veröffentlichung auch deswegen für gerechtfertigt, weil in vielen Fällen an die Landwirte Einarbeitungsgeld gezahlt wurde, damit sie sich das „Bioabfallgemisch“ samt Gift auf die Äcker kippen ließen.

Ganz ausdrücklich muss ich aber auch darauf hinweisen, dass bestimmt nicht allen Bauern klar war, was sie da auf ihren Acker gekippt haben. Dass sie in vielen Fällen bestimmt hintergangen oder betrogen wurden. Ich muss auch darauf hinweisen, dass nicht in allen angeblichen Düngern der Firma Terra Vital das Gift PFT war. Nur wenige der Bauern tragen eine Mitschuld.

Aber trotzdem muss ich aufgrund der Geheimhaltungspolitik des Umweltministeriums die Liste veröffentlichen, damit die interessierte Öffentlichkeit vor Ort kontrollieren kann, ob alles dort getan wurde, um die PFT-Problematik in den Griff zu kriegen.

Aus der Liste, die ich hier veröffentliche, ist nämlich ersichtlich, welcher Bauer in welchem Kreis, welche Mengen angenommen hat.

In den betroffenen Kreisverwaltungen können sich dann interessierte Bürger weitergehend informieren, ob es – und wenn ja, welche – PFT-Untersuchungen vor Ort gab.

Das könnte interessant werden, wie das beiliegende Papier-Konvolut zeigt: klick.

Wie man sieht, hat der Baumschulbauer Gockel in mehr als einem Jahr bei der Firma TerraVital den berüchtigen PFT-Schlamm unter anderem für den besonders betroffenen Acker in Brilon-Scharfenberg bestellt. Wie man auf handschriftlichen Notizen auf den Ablichtungen der originalen Lieferunterlagen der TerraVital weiter sieht, wurde der Kreis häufig über die Lieferungen informiert (etwa Seite 15). Zudem war die Firma Terra Vital offenbar einige Male von Probe-Entnahmen auf den Äckern befreit (Seite acht oder Seite zehn). Zudem soll ein Mitarbeiter gesagt haben, dass keine Unterschriften des Bauern benötigt werden, für die Kippaktionen. Auch das steht da.

Die Frage ist hier: Wer hat die Firma warum von der Probeentnahme auf den Äckern befreit? Und was wusste der Kreis?

Ich veröffentliche in Anlehnung an Vorschriften aus der europäischen REACH-Richtlinie nur die Namen der Bauern veröffentlicht, die mehr als 100 Tonnen PFT-verdächtige Schlämme im Jahr angenommen haben.

Die Listen habe ich einmal nach Kreisen und einmal nach Mengen je Jahr sortiert.

Liste nach Kreisen

Liste nach Jahren

Man kann übrigens auch auf Google Earth sehen, wo der Giftschlamm aufgebracht worden ist. Kurz nachdem die Kipper mit dem PFT-Zeug kamen, flogen die Karten-Satelliten zum Beispiel über den Acker in Brilon Scharfenberg. Wie man auf dem Bild sieht, sind die helleren Wiesen erst vor kurzem mit dem PFT-Schlamm bearbeitet worden. Die dunkleren Äcker sind sauber. Einfach bei Google Earth „Am Knochen Brilon Scharfenberg eingeben“, auf Satelliten-Modus stellen und ein wenig nach Norden scrollen.

Wie dem auch sei: vor Landgericht Paderborn muss sich in Sachen „giftige Klärschlämme“ der 40-jährige Geschäftsführer der beiden Firmen GW-Umwelt in Borchen (Kreis Paderborn) und TerraVital in Bleicherode (Thüringen) verantworten. Weiter sind unter den Angeschuldigten auch ein ehemaliges Vorstandsmitglied und eine Mitarbeiterin eines belgischen Lieferanten. Ob auch gegen den Verantwortlichen eines niederländischen Lieferanten Anklage erhoben wird, hängt vom Ausgang eines an die niederländischen Behörden gerichteten Rechtshilfeersuchens ab.

Zum Kreis der Angeschuldigten gehört auch ein ehemaliger Rechtsanwalt des Geschäftsführers, der Beweismittel unterschlagen haben soll, um eine Bestrafung seines Mandanten zu verhindern. Einige dieser Unterlagen konnten später bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmt werden. Ich konnte diese Unterlagen ebenfalls einsehen. Ein Zeuge berichtete mir, dass aus den Papieren hervorgeht, dass in mindestens einem Fall „Filterkuchen“ im angeblichen Dünger verarbeitet wurden.

Den Leuten droht eine Strafe von bis zu zehn Jahren.

Und was ist mit dem Sündebock, auf dem Uhlenberg reitet? Selbst das klappt nicht. Aus dem besonders betroffenen Feld in Brilon-Scharfenberg, das man wie oben gesagt bei Google Earth sehen kann, fließt bis heute PFT-verseuchtes Grundwasser in den Möhnezufluss Bermeke ab, obwohl auf Veranlassung des Umweltministeriums NRW die Äcker für mehr als eine Mio. Euro saniert wurden. Dies geht aus einem Schreiben der Stadtwerke Brilon an die Anwohner der Felder hervor. Über die Bermeke fließt das Wasser dann weiter – ganz nah an der Kläranlage Brilon-Scharfenberg vorbei – in die Möhne. Dann weiter in die Ruhr und ziemlich verdünnt in die Wasserwerke entlang der Ruhr.

Doch dazu später mehr.