Dokumentation: Nokia im März 2007 zum neuen Werk in Rumänien

Nokia online: Nette Nokiawelt

Wieso bloß waren die Arbeitnehmer, die Stadt Bochum und die Landesregierung so blöd zu glauben, das Nokia, trotz des Werkneubaus in Rumänien, am Standort Bochum festhalten würde? Nun ja, vielleicht weil sie dem Ethikgewäsch der Finnen geglaubt haben. Denn im März 2007 sah die Welt in einem nokiainternen Papier zum Standort Rumänien noch ganz anders aus. Wir dokumentieren:

Questions and Answers: New mobile device factory in Romania

Why Romania?
There are several criteria supporting an investment decision in the Cluj Napoca area, such as good availability of labour, good inbound and outbound logistics connections and long industrial tradition in the area. The new plant will operate according to the EU and Romanian legislation.

Why didn’t you expand in Finland/Germany/Hungary?

Our existing plants have been expanded already before and they have achieved their optimal sizes.

Will your Finnish subcontractors now move to Romania?

An industrial park will be established in Cluj, enabling a number of key partners to locate their operations in the area.

How many jobs will be created in Cluj County?
If we proceed with the plans, the factory will ramp-up gradually; we expect to recruit approximately 500 people this year.

You say that this facility would be an addition to your current production. How much do you estimate to increase your capacity?
We don’t disclose production capacity per factory. However, the mobile device business is a growing industry. For instance; we announced in conjunction with our quarterly results announcement that we expect the global mobile device market to grow by up to 10 % in volume in 2007.
Our current production sites are as follows:
· In APAC, we continue to develop production activities in China (Beijing and Dongguan) Chennai, India, and Masan, South Korea.
· In Europe, we have recently expanded the Komarom factory in Hungary, and our Salo factory in Finland and our Bochum factory in Germany operate at a high capacity
· In Americas, we have recently expanded the Reynosa factory in Mexico and continue at full speed in Manaus, Brazil.

Are you planning to move manufacturing out of Finland?

No, the reason for the new production facility is to meet the growing consumer demand in markets in Europe and Middle East and Africa.

Does the Cluj County factory take production away from other Nokia factories?
Although demand and factory loading are very much seasonally driven in mobile device business, our existing factories have been operating at a very high capacity due to the global market growth in mobile devices. The reason for the new production facility is to increase our capacity to cater for the demand in markets in Europe and Middle East and Africa.

Will this factory focus on low-end phones?

The factory will focus on providing products for Europe and Middle East and Africa.

To which markets do the factories ship the phones manufactured?
The Mexican and Brazilian plants primarily supply the North and South American markets, the European plants principally supply the European market and non-European countries that have adopted the GSM standard. The Asian plants primarily supply the Asian markets.

Which of your suppliers will start their manufacturing in Romania?
They will announce their plans in due course. We believe that this new factory can offer interesting opportunities for some of our suppliers, too.

Which of your suppliers will encourage to set up shop in Romania?
At this stage, the plans and decisions are not finalized yet. We cannot disclose this kind of information as the negotiations are ongoing.

Was your decision to invest in any way affected but the fact that you already have Intellisync R&D activities in Romania?

Intellisync R&D didn’t have impact to the selection of the manufacturing location.   

Nach der Lektüre des Textes sein ein weiteres Mal der Blick in einen exzellenten Artikel des Manager-Magazins empfohlen. Das Magazin beurteilt die  Standortentscheidung  Nokias kritisch.

…und übrigens auch von dieser Stelle einen herzlichen Glückwunsch an Nokia zum Rekordgewinn.

PFT – Das Problem des Umweltministers – Fortsetzung 2

Die Berichterstattung der Ruhrbarone.de über den PFT-Skandal in der Ruhr (hier und hier) ist in den Focus des NRW-Umweltministers Eckhard Uhlenberg (CDU) geraten. In seiner Rede zum Sachstand der PFT-Probleme an der Ruhr griff Uhlenberg im NRW-Landtag die Ruhrbarone direkt an: Die beiden Geschichten von mir seien von einer für einen Journalisten "unübliche Voreingenommenheit" und von "fehlender persönliche Distanz zum Gegenstand der Berichterstattung" geprägt. Gut: Irgendwie geht es bei einem Blog ja auch darum, das persönliche mitzuberichten. Aber egal, über so etwas rege ich mich nicht auf. Wer austeilt, muss auch einstecken.

Spannend ist aber, dass der Minister in den Fluren des Landtags streuen läßt, er bereite eine Klage vor. Ich weiß nicht genau, wen er verklagen will. Wahrscheinlich auch mich, wenn er die Ruhrbarone explizit in seiner Rede erwähnt. Wie dem auch sei, ich möchte an dieser Stelle schon sagen, dass ich mich darauf freue, meine Beweise einem Richter zeigen zu können.

Vor allem drei Punkte hat Uhlenberg angegriffen:

Zunächst habe er die Daten zu Brilon Scharfenberg in der Tabelle Komkas.pdf nicht unterdrückt.

Tja, wie jeder in der Tabelle komkas.pdf sehen kann, hat er das aber getan. Da stehen anstelle von Daten Sternchen. Die Daten selbst gibt es. Die habe ich vom Ruhrverband und stelle sie hier ein, sobald ich zu Hause bin. Da steht jedenfalls, aus der entsprechenden Kläranlage fließen so rund 6 Gramm Gift am Tag in die Ruhr.

Dann meint Uhlenberg, er habe keine Daten in seinen Tabellen auf Null gesetzt, obwohl dort Daten stehen müssten.

Wie in der Tabelle komkas.pdf ersichtlich ist, hat er die Null-Nummer bei der Reduzierung der Meßdaten für das Klärwerk Werdohl durchgezogen. Da steht bei der Reduktion eine 0 und keine 69 Gramm, wie dort eigentlich stehen müssten.

Und dann behauptet der Minister, ich hätte berichtet, Uhlenberg habe gesagt, insgesamt würden weniger als 500 Gramm PFT am Tag in die Ruhr eingeleitet. Tja, ich finde, das geht aber aus dem folgenden Uhlenberg-Zitat hervor:

All diese Maßnahmen der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zeigen bereits Wirkung. Wir sind das erste Bundesland, das innerhalb eines Jahres eine deutliche Reduzierung des PFT-Eintrags aus allen relevanten Einleitungen um 35 Prozent erreichen konnte. Insgesamt handelt es sich um Einträge von weniger als 500 Gramm pro Tag, die in die Gewässer eingeleitet werden. Im Interesse der Bürger und der Umwelt wird die Landesregierung ihre Anstrengungen auch im nächsten Jahr fortsetzen.“

Jetzt sagte Uhlenberg, dass heute nur 147 Gramm in die Ruhr fließen würden. Dabei beruft er sich offenbar auf seine Reduzierungen in den Klärwerken, die nur zustande gekommen sind, weil er die Grammzahlen aus den Klärwerken, in denen sich die Lage verschlechtert hat, nicht mitberechnet hat.

Ich rede aber von den Gesamtzahlen in der Ruhr. Und tatsächlich geht aus Unterlagen des Ruhrverbandes hervor, dass im Dezember über 600 Gramm durch die Ruhr geflossen sind. Das kann man hier nachlesen, sobald ich einen Scanner gefunden habe und auf die Seite hier ein Bild hinstellen kann. Weil diese Tabelle habe ich leider nur auf Papier. Und ich bin gerade im Land unterwegs.

Da anscheinend auch der Minister oder seine Mitarbeiter die Ruhrbarone.de verfolgen, an dieser Stelle einen Gruß. Ich freue mich auf den Rechtsstreit.

Ansonsten aber hoffe ich auf Deeskalation. 🙂

 

Nokia nicht unfehlbar?

Die Nokia-Spitze begründet das Aus für den Standort Bochum mit wirtschaftlichen Notwendigekeiten. In einer Reaktion des Betriebsrates auf das Interview von Nokia-Chef Kallasvuo in der FAZ machen die Nokia-Mitarbeiter indes Versäumnisse des Vorstandes für das Nokia aus verantwortlich. Nokia-Betriebsrat: Kallasvuo will von eigenen Versäumnissen ablenken. Gisela Achenbach, Betriebsratsvorsitzende bei Nokia Bochum:  „Kallasvuo will von den Versäumnissen der Unternehmensleitung ablenken." Der Grund für die Schließung des Standortes seien nicht die angeblich zu hohen Kosten, sondern Versäumnisse in der Strategie des Managements. „Nokia hat meiner Ansicht nach Überkapazitäten geschaffen, aber es gleichzeitig versäumt, genügend neue unterschiedliche attraktive Produkte zu entwickeln", so Achenbach. Obwohl bei Nokia in Bochum noch vor der Einführung des iPods Konzepte für Musikhandys entwickelt worden seien und die Ingenieure ab Mitte 2001 das 3300 – ein Handy mit MP3Player und Musik auf Speicherkarten – entwickelt hatten, hätte das Management die konsequente Markteinführung einer neuen Produktpalette gestoppt. „Damals", so Achenbach „war die Botschaft des Senior Vice President Entertainment: „Music is not our Business", wohl weil man sich nur noch auf Spielehandys konzentrieren wollte. Das Geschäft mit portablen Musikplayern, die damals schon hätten in Mobiltelefone integriert werden können, machte schließlich Apple. Erst jetzt fängt auch Nokia an, Musik über das Internet zu vertreiben, ein Vorschlag der Bochumer Ingenieure, der 2002 niemanden in Finnland interessiert hat.

Gisela Achenbach: „Hätte Nokia auf seinen Standort Bochum mit hervorragend qualifizierten Mitarbeitern in der Produktion und einem Entwicklungszentrum mit mehr als 400 Ingenieuren gehört, würde keiner vom iPod reden. Dann hiesse es vielleicht NPod oder NPhone und diese Produktlinie würde garantiert in Bochum entwickelt und produziert"

Nokia hätte in der folgenden Zeit auf den Bereich Games gesetzt – aber unterlassen, eine attraktive Softwarebasis für die entsprechenden Geräte sicher zu stellen. „Die Bochumer Multimediaabteilung hat frühzeitig vor der Entwicklung gewarnt." Der Erfolg des Spielehandies N-Gage lag dann auch weit hinter den Erwartungen zurück. Auch, dass Nokia als Weltmarktführer mehr als ein Jahr nach Einführung des iPhones noch keine Antwort auf Apple gefunden hat sei peinlich. Achenbach: „Technisch und konzeptionell könnten wir Apple innerhalb weniger Monate überholen – wenn man uns lassen würde."

Stattdessen würde sich Nokia auf den Verkauf von Billighandies für Schwellenländer und Internetdienstleistungen konzentrieren. „Preisgünstige Modelle für die Märkte in den Schwellenländern sind zwar wichtig, aber ebenso wenig ein tragfähiges Zukunftsmodell wie das Geschäft mit Internetdienstleistungen." Dort hätten Amazon, Google und Ebay ihre Claims abgesteckt – für Nokia sei dort kaum noch Platz.

„Nokia sollte sich auf das konzentrieren, was es kann: Spitzenhandys entwickeln und bauen. Das hat der Standort Bochum seit fast 20 Jahren auch getan. Der Vorstand sollte endlich eine zukunftsträchtige Vision für das Unternehmen entwickeln, anstatt die Mitarbeiter für das eigene Unvermögen leiden zu lassen."

Der ruhiggestellte Oskar

Kurz zu den Fakten der Nokia-Demo in Bochum Riemke: 15.000 Demonstranten nach Polizeiangaben, die Forderung war klar, Nokia muß erhalten bleiben, eine weitgehend überraschungsfreie Nummer. IG-Metall Protestroutine eben, mit Soli-Transparenten anderer Gewerkschaften. Redner waren, neben Bochums Oberbürgermeisterin, IG-Metall Chef Huber, Nokia-Betriebsrätin Achenbach und vor allem einige Nokia-Mitarbeiter, mit zum Teil wirklich berührenden Reden. Interessant war, wer nicht reden durfte: Der angereiste Politikertross, der sich so sehr einen Platz in der Fernsehübertragung gewünscht hätte: Arbeitsminister Laumann, SPD-Hoffnungsträgerin Hannelore Kraft und vor allem der "Arbeiterführer" Oskar Lafontaine. Sie mußten zurückstehen gegenüber den Nokia-Mitarbeitern. Zwar hatte sich die Bochumer Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Sevim DaÄŸdelen in Gesprächen mit dem Betriebsrat alle Mühe gegeben, "Oskar" auf der Kundgebung zu platzieren, aber sie konnte sich nicht durchsetzen. Auch die spontanen Volkswillen simulierenden Parteimitglieder mit ihren Oskar-Rufen blieben ungehört – und so stand Lafontaine auf der Bühne, mußte Gunther Garbiel anhören und Johnny Cash-Nummer von Musikern des Schauspielhauses – was einem wieder einmal klar machte, dass es Musiker gibt, die unersetzlich sind.

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Ein Freund

Am Sonntag-Morgen, um 8 Uhr und 5 Minuten hat ein Passant Marcus Bensmann im Schnee gefunden. Er lag da, bewusstlos. Sein Gesicht zerschlagen, sein Kiefer gebrochen, seine Hände erfroren. Marcus Bensmann lag im Schnee der kasachischen Hauptstadt Astana. Das Thermometer zeigte minus 20 Grad. Es heißt, Marcus Bensmann sei aus einem fahrenden Wagen hierhin geworfen worden, in das Eis der Steppe.

Wir wissen nicht, ob es ein politischer Anschlag war oder ob Marcus Opfer einer kriminellen Entführung geworden ist. Wir wissen, sie haben ihm ins Gesicht getreten, bis seine Augen brachen. Wir wissen, sie haben ihn in das Eis geschmissen. Wir wissen, es war ein Mordversuch. Marcus Bensmann ist 38 Jahre alt.

Marcus Bensmann ist ein Freund. Und ein Journalist. Er schreibt seit Jahren über Zentralasien, für die neue Zürcher Zeitung, für die ARD, die dpa und die taz. Dabei ist er einer der wenigen, die nicht über die schönen Berge fabulieren oder die Seidenstraße. Marcus schreibt über Kinderarbeit in den Baumwollfeldern. Er schreibt über den Fall Musafar Avazow in Usbekistan. Über den Mann, der im Gefangenenlager Yaslik gekocht wurde. Marcus hat die Beweise besorgt, Fotos der entstellten Leiche. Marcus hat gezeigt, wie Rücken, Bauch, Beine und Arme des vierfachen Vaters eine einzige Brandblase bildeten.

Und Marcus hat über das Öl Zentralasiens geschrieben und über das Gas. Wer es kauft, wer es haben will und wer das Schmiergeld kriegt. Die Berichte von Marcus Bensmann waren teuer. Sie haben Despoten in ihren Geschäften gestört.

Vor allem der Diktator von Usbekistan stand immer wieder im Zentrum der Berichterstattung. Marcus Bensmann war einer der wenigen Journalisten im usbekischen Städtchen Andischan am Tag des Massakers, als hunderte Menschen abgeschlachtet wurden. Er überlebte den Kugelhagel. Er sah die Leichen. Er rannte mit den Überlebenden. Und Marcus berichtete und berichtet weiter darüber. Er lässt die Toten nicht vergessen. Er schreibt an gegen die Verharmloser, gegen die Abwiegler, gegen die Vertuscher. Die auch in Deutschland im Außenministerium sitzen. Und dort für die Rehabilitierung der usbekischen Schlächter antichambrieren.

Marcus hat darüber geschrieben, nicht weil es ihm Spaß machte. Sondern weil es wichtig für uns alle ist. Deutschland hat Interessen in der Region. Deutschland macht Politik in der Region. Deutsche Soldaten stehen in Usbekistan. Die Deutsche Regerung zahlt Geld an das Regime in Usbekistan. Der Westen will Zugang zu den Gaslagerstätten in Usbekistan. Und: Politiker Europas hofieren die Greuelherrscher der Region.

Marcus Bensmann wollte aufklären, bei welchen Geschäften sich die deutsche Außenpolitik unter ihrem Minister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mitschuldig macht. Marcus deckte auf, dass sich Steinmeier in der EU dafür eingesetzt hat, die Sanktionen gegen Usbekistan zu lockern. Während er gleichzeitig als Friedensapostel im Nahen Osten auftritt. Mit seinen Berichten lüftet Marcus das Tuch des Schweigens, das über diese dunkle Seite der deutschen Außenpolitik geworfen wird. Er hat die Beweise gesammelt.

Zuletzt hat Marcus Bensmann einen Bericht für das ARD-Magazin Monitor über den Zynismus dieser Politik gemacht. Der Anlass hier war schrecklich. Der usbekische Exiljournalist, Alisher Saipov, war vor seinem Haus in Kirgistan vermutlich vom usbekischen Geheimdienst erschossen worden. Zwei Schüsse in die Beine, einer in den Kopf. Saipov war ein enger Kollege von Marcus Bensmann. Der Mord am Reporter war kein Anlass für den deutschen Außenminister seine freundliche Haltung gegen den Diktator Usbekistans zu überdenken.

Das Auswärtige Amt nimmt Marcus Bensmann diese Arbeit übel. Immer wieder kamen Zwischentönen aus dem Amt, die seine Arbeit diskreditieren sollten, die ihn beleidigten. Im diktatorischen Zentralasien konnten diese Signale nur so gedeutet werden, dass die Deutsche Regierung kein Interesse am Wohl des Journalisten Marcus Bensmann habe.

Marcus war auch jetzt in Zentralssien, um die Wahrheit zu berichten. Über das, was jenseits der Propaganda geschieht. Marcus Bensmann ist während seiner Arbeit zerschlagen worden.

Als Marcus im Krankenhaus lag, schaute ein Botschaftsangesteller nur kurz vorbei. Und verschwand wieder. Dem Autoren gegenüber machte der Diplomat nachher telefonisch deutlich, dass ihn der Journalist nicht interessiere. Erst auf Druck der Medien wurde diese Haltung später von der Deutschen Botschaft in Kasachstan geändert. Schnell hieß es, der Überfall könne nur einen kriminellen Hintergrund haben. Marcus sei betrunken gewesen. Stimmt das? Ist das Wahrheit oder der Beginn einer Vertuschung? Macht das überhaupt einen Unterschied?

Fakt ist: Marcus war Samstagabend in einer Kneipe in der kasachischen Hauptstadt, um dort einen Drehort zu recherchieren. Als er die Kneipe verließ, verschwand er und wurde einige Stunden später aus einem fahrenden Wagen geworfen. Wir wissen nicht, ob ihm den Tag über Geheimdienstbeamte gefolgt sind, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, einen staatlich gelenkten Anschlag wie eine „normale“ Verschleppung aussehen zu lassen. Wir werden es vielleicht nie erfahren. Schon im vorliegenden Polizeibericht gibt es Widersprüche zur Realität. So heißt es bei der kasachischen Polizei Marcus Bensmann habe um 2:32 Ortszeit Astana die Kneipe verlassen. Fakt ist, die Frau von Marcus Bensmann hat in Gegenwart des Autoren kurz vor 3:00 Ortszeit Astana mit Marcus Bensmann telefoniert. Da war er noch in der Kneipe und machte einen normalen Eindruck.

Wir wissen nur eines sicher: Marcus ist das Opfer eines Verbrechen geworden. Marcus Bensmann hat den Mordversuch überlebt. Er ist zurück in Deutschland. Die ARD und der WDR haben ihn rausgeholt. Dafür gebührt ihnen Dank.

Nokia Demo – CDU Lammert kommt nicht

Heute ist die Nokia Demo. Die Beschäftigten kämpfen um ihre Arbeit, um ihr Werk, um ihre Stadt, um ihre Zukunft.

Alle kommen. Alle. Nur Norbert Lammert nicht.

"Das sieht schlecht aus", heißt es aus dem Umfeld von Norbert Lammert, dem CDU-Bundestagsabgeordneten aus Bochum. Und das ist richtig, es sieht schlecht aus. Offizieller Grund: "unaufschiebbare Verpflichtungen in Berlin" Schlechter kann es eigentlich gar nicht aussehen, wenn die Menschen im eigenen Wahlkreis zur Solidarität aufrufen. Eine Steilvorlage für den politischen Gegner.

Aber: Norbert Lammert hat tatsächlich "unaufschiebbare Verpflichtungen". Denn Lammert ist nicht nur Bochums Delegierter im Parlament. Er ist auch Chef vom Ganzen. Als Bundestagspräsident muss er heute um 12:30 den irischen Parlamentspräsidenten John O’Donoghue empfangen. Was soll er dem sagen? "Sorry, Mann, ich muss nach Bochum, unaufschiebbare Verpflichtungen im Wahlkreis. Kommt doch morgen. Oder heute Abend, oder gar nicht?"

Der Termin mit O’Donoghue stand früher fest als die Werksschließung durch Nokias Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo. (Warum haben die eigentlich alle so seltsame Namen?)

Tatsächlich war aus Lammerts Umfeld zu erfahren, dass der CDU-Mann versucht hat, seinen irischen Kollegen zu überreden, doch einfach mit nach Bochum zu kommen. Man kann ja beim Demonstrieren plaudern. Wollte O’Donoghue aber nicht. Tja, so muss Lammert also in Berlin bleiben.

Seine Botschaft an die Nokianer lautet:

Der Belegschaft und dem Betriebsrat von Nokia in Bochum, die sich für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze sowohl in der Produktion als auch in der Forschung und Entwicklung einsetzen, sowie den Zulieferfirmen und den betroffenen Leiharbeitnehmern sage ich auch auf diesem Wege noch einmal meine Hilfe zu.

Das Unternehmen steht nicht nur gegenüber den eigenen Aktionären in der Verantwortung, sondern auch gegenüber dem Land und der Region, die durch das Zahlen von gewaltigen Subventionen und durch die Bereitstellung öffentlich finanzierter Infrastrukturmaßnahmen die gute Entwicklung von NOKIA mit ermöglicht haben.

Das Ruhrgebiet hat hinreichende Erfahrungen mit einem tief greifenden Strukturwandel und dem Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen in nicht mehr wettbewerbsfähigen Produktionszweigen. Umso weniger können und dürfen wir hinnehmen, dass mit hohem Einsatz öffentlicher Mittel angesiedelte High-Tech-Unternehmen ohne zwingenden Grund allein zur Maximierung von Gewinnerwartungen wie ein Wanderzirkus durch Europa ziehen. Auch das Europa-Parlament und die EU-Kommission sind inzwischen mit dem Vorgang befasst.

Gerne beteilige ich mich an allen Bemühungen, die getroffene Entscheidung der Konzernführung zu korrigieren und unterstütze die entsprechenden Anstrengungen von Stadt, Land und Bund.

Das sagte Lammert. OK. Mit anderen Worten: Wenn der Ire seinen Kaffee leergetrunken hat, geht es weiter. Lammert schubst in den Kulissen.

Experte: Erfolgschance 20%

"Wenn man sich vergleichbare Fälle wie Nokia anschaut, haben die Mitarbeiter eine statistische Chance von 20%, die Schließung noch zu verhindern", erklärte Prof. Dr. Gustav A. Horn, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie
und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung heute im ARD Morgenmagazin. Realistischer sei das Erreichen eines guten Sozialplans.

Thoben trifft Kallasvuo

Zwischen Wirtschaftsministerin Christa Thoben und der Spitze des finnischen Nokiakonzerns ist es am heutigen Montag zu einem ersten Telefonkontakt wegen der geplanten Schließung des Bochumer Nokia-Werks gekommen –  fast eine Woche nach Verkündung des Schließungsbeschlusses. Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo erklärte sich nun  bereit, für ein persönliches Gespräch mit der Wirtschaftsministerin zur Verfügung zu stehen. Ein Termin wird kurzfristig vereinbart. Beide Seiten gehen in das Gespräch ohne jede Vorbedingung und ohne eine thematische Einschränkung. Minsterin Thoben hatte in Bochum angekündigt, mit Nokia über den Fortbestand des Standortes Bochum reden zu wollen.

Ein erstes Gespräch zwischen Betriebsrat und Kallasvuo heute in Finnland soll ohne Ergebnis geblieben sein. Apropos Ergebnisse: Das voraussichtlich sehr gute Quartalsergebnis wird Nokia am Donnerstag nicht wie üblich auf einer Pressekonferenz verkünden – die wurde abgesagt. Wahrscheinlich möchte man sich die schöne Stimmung nicht durch kritische Fragen von Journalisten versauen lassen.

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Italiens Nokia

Foto: Archiv

 

Ihr werdet nicht mehr ruhig schlafen. Bastarde! Ihr habt ein Herz aus Stein und ein volles Bankkonto. Ihr habt so viele Familien ruiniert. Die ganze Welt soll wissen, was ihr angerichtet habt! klick

Globalisierung ist schwer, wenn wir schon Europäisierung nicht hinkriegen:

Im nahen Italien wird gerade nicht etwa ein finsterer finnischer Konzern für Ausbeutung, Raubtierkapitalismus ins Gebet genommen, sondern die Ruhrpottfirma ThyssenKrupp. Nach einem Feuer im Dezember sind mittlerweile sieben Arbeiter eines Turiner Stahlwerks ums Leben gekommen. Jetzt soll die EU-Kommission den Fall überprüfen. Und ? Juckt das hier irgend wen? .

Die Süddeutsche Zeitung erklärt sich das mit traditioneller Ignoranz im deutsch-italienischen Verhältnis.
Ich glaube es ist finsterer, schlichter, unmoralischer:

Wenn Nokia deutsch wäre, und Bochum belgisch, die ganze Chose wäre uns Globalisierungsgewinnlern so was von egal.

Andererseits, noch etwas Erbauliches für die Demonstranten in Bochum, morgen um 5 vor 12: Im italienischen Terni haben sie vor ein paar Jahren mal so viel Druck aufgebaut, dass der Multi nach einem Jahr Schlacht nokia-artige Schließungspläne zurücknahm. Und, wie hieß die Firma? klick!

PFT – Das Problem des Ruhrverbandes – Fortsetzung 1

Es geht weiter mit dem PFT in der Ruhr, diesem Krebserregendem Gift, dass täglich in den wichtigsten Trinkwasserfluss der Region abgeht. Je Woche gut 3,5 Kilo.

Ich habe mittlerweile eine neue Gift-Tabelle vom Ruhrverband bekommen, in der er die Unterschiede erklären will, zu den Daten, die ich von der Bezirksregierung Arnsberg bekommen habe.

Ich habe das Ganze für die Kläranlagen ausgewertet, die mehr als 5 Gramm PFT am Tag in die Ruhr kippen.

Hier ist folgendes Detail interessant. Bei Werdohl und Rahmedetal sind die Werte zum Jahresende laut Ruhrverband wieder angestiegen. In Rahmedetal lagen die Werte laut Ruhrverband wohl seit April 2007 bei über 140 Gramm am Tag.

In den Daten der Bezirksregierung sah der Meßwert am 13. April mit 299 Gramm am Tag noch aus wie ein Ausreißer.

In Werdohl ein ähnliches Bild. Während die Bezirksregierung im Dezember ebenfalls einen starken Anstieg um 60 Gramm feststellte, notierte der Ruhrverband einen Anstieg um 160 Gramm.

Dabei stehen hinter jedem Meßwert Industriebetriebe, die Gift in die Ruhr und ihre Zuflüsse kippen. Rahmedetal und Wedohl liegen an der Lenne, einem dieser landschaftlichen schönen Ruhrzuflüsse.

Und noch etwas fällt auf, während es im Detail Unterschiede gibt, liegen die Meßwerte im Großen und Ganzen sehr nah beieinander. Die Gesamtfracht liegt sowohl laut Ruhrverband als auch laut Bezirksregierung Arnsberg bei rund 210 Gramm am Tag. Die Angaben des Ruhrverbands sind hier sogar minimal höher als in den Angaben der Bezirksregierung.

Das ist kein Zufall. Wie ich zwischenzeitlich gelernt habe, rechnet die Bezirksregierung mit den Abwasserdaten der Kläranlagen, die auch für die Berechnung der Abwassergebühren benutzt werden. Das ist ein fein austarierter Mittelwert, der von Gerichten in Prozessen bestätigt wurde. Deswegen unterscheiden sich die Berechnungen in der durchschnittlichen Tagesfracht über den gesamten Zeitraum kaum.

Im Detail aber können die Werte auseinander gehen. Für die Beurteilung von Rahmedetal und Werdohl kann genau das erhebliche Auswirkungen haben. Etwa indem man feststellt, dass die Belastung aus Rahmedetal in der zweiten Hälfte 2007 offenbar höher war als in der ersten Hälfte.

Und das zersiebt natürlich die Aussage von NRW Umweltminister Uhlenberg, der in seiner Datei komkas.pdf behauptet: Die PFT-Belastung in der Ruhr sei in den vergangenen Monaten runtergegangen.

Wie er das geschafft hat, zeige ich hier.

 

Man achte auf den Reduzierungs-Wert von Werdohl. Obwohl es einen Anstieg von 60 Gramm (Bezirksregierung) oder 160 Gramm (Ruhrverband) gab, notiert hier der Minister lediglich eine 0 als Belastungssenkung.

Versteht ihr mich richtig?

Übersetzt gibt der Minister hier folgendes an: Gut, es gab in Werdohl also einen Anstieg, das bedeutet, es gab keine Reduzierung. Also es gab Null Erfolg. Deswegen setze ich in meiner Tabelle komkas.pdf den Wert für Werdohl mal auf Null. Da wird schon keiner fragen.

Nur dank dieser Milchmädchenrechnung kommt Uhlenberg am Ende der Tabelle, im Original auf der Seite 3, auf eine Reduzierung von 68 Gramm. Hätte er in Werdohl die Steigerung um 60 Gramm oder 160 Gramm angebenen, wie man es erwarten müsste, wäre die Aussage der gesamte Tabelle hinüber gewesen.

Das für heute. Es geht weiter.