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Dortrmund: Sierau kannte Haushaltsloch seit Mai…Der Westen

Dortmund II: 20 Millionen müssen 2009 eingespart werden…Ruhr Nachrichten

Dortmund III: SPD-Fraktion rechnet mit Langemeyer ab…Ruhr Nachrichten

Theater: Streit um Fassbinder-Stück in Mülheim…Spiegel

NRW: Videoschlacht zwischen SPD und CDU…taz

Ruhrtriennale: Schosch Kamerun Interview…DA

Essen: Hochhaus am Bahnhof…Der Westen

Ruhr2010: Liste to the Rhythm…Hometown Glory

Fortschritt: Dieser Stillstand, der alles verändert…Spiegel

 

Staatsfernsehen oder Informationsfreiheit?

Stärker als allen Revolutionären gelingt es der politischen Klasse, das System zu bekämpfen. "Politische Klasse", das sind nicht nur Profipolitiker, sondern auch die die sie bespiegeln, ihre Strippenzieher und Spindoctors, und die, die die Produkte der Zieher und Doctors weiterverkaufen. Was wir uns davon andrehen lassen, und was nicht, dafür sind wir letztendlich auch selbst verantwortlich. Es sind also nicht immer alles irgendwelche Anderen schuld.

Jetzt dreht sich in den Traditionsmedien einiges darum, dass erst die Kanzlerin und dann auch ihr Nicht-Wirklich-Herausforderer aus einer "Berliner Runde" des ZDF gar nicht erst ein- die Eine, und ausgestiegen der Andere, sind. Und der wackere ZDF-Chefredakteur Brender meint nicht ganz falsch, sie versündigten sich damit an der politischen Kultur.

Das Tragische für die oben beschriebene Politische Klasse ist, wie wenig gesellschaftlichen Wandel sie wahrnimmt. Kein Wunder, sie drehen sich ja überwiegend um sich selbst. Die einen am Ostrand unserer Republik, von wo aus sie kaum noch nachhause kommen, die andern in Sendeanstaltsbunkern und auf beamtengleichen Redaktionsstellen, von wo aus sie übermenschliche Fantasie aufbringen müssten, um die Wirklichkeit um sich greifender Prekarität da draussen im Lande überhaupt zu verstehen. Bei Privatsendern ist das nicht viel besser: dort wissen zwar mehr Beschäftigte, was Prekarität ist, gerade deswegen ist ihnen aber vorauseilender Gehorsam und Selbstzensur nicht fremd. Die eine Senderkette – RTL – gehört mehrheitlich der Familie Mohn, deren Matriarchin Mitglied der Friends of Merkel ist; die andere Senderkette gehört mehreren "Heuschrecken". Das ist es wirklich schwer zu sagen, was schlimmer ist.

Aus all dem ist letzten Sonntag das Staatsfernsehduett Merkel/Steinmeier entstanden, das von der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger mit Missachtung gestraft wurde, ganz im Gegensatz zu den Medien, wozu an dieser Stelle auch ich als Ruhrbaron zu zählen bin (ich habs aus Langeweile nicht geguckt, schreibe aber drüber),  Wenn die gleichen Medien nun beklagen, dass die Kanzlerin nicht mit Steimeier, Westerwelle, Trittin und Lafontaine diskutieren will – wenn ich so mal rein menschlich drüber nachdenke, verstehen kann ich das schon – sind sie dann nicht selber schuld?

Schon Helmut Kohl hat solche Zusammentreffen vermieden, weil er gut beraten wurde. Er ist bei Widerworten regelmässig ausgerastet, man denke nur an den Eierwerfer (war es in Magdeburg?), den er fast eigenhändig verprügelte. Nicht auszudenken, Kohl  wäre in seinen frühen Kanzlerjahren in den 80ern auf Rainer Trampert getroffen, der sogar einen jesuitengeschulten Heiner Geißler auf jede bereitstehende Palme getrieben hat – bei den Grünen gabs damals sogar drei Vorsitzende, so dass Trampert leider nur jedes dritte Mal drankam. Diese Auftritte wären mal eine eigene DVD-Edition wert.

Aber wir schweifen ab. Sendeanstalten, die Frau Merkel jedes Podium hinstellen, Soloauftritt bei Frau Christiansen, Soloauftritt bei Frau Will, Soloauftritt bei Frau Illner, Duett mit Herrn Steinmeier, die sollten keine Krokodilstränen vergiessen. Das Publikum wendet sich dann eben anderen Medien – und übrigens immer mehr auch anderen Parteien – zu. Und das ist auch gut so.

E.on soll in Datteln zum absoluten Baustopp gezwungen werden

Der Bund für Umwelt und Naturschutz setzt zum Gnadenstoß auf das Dattelner E.on-Kohlekraftwerk an. Während die Arbeiten derzeit noch auf Sparflamme weitergehen und sich ein Heer von Juristen mit den Genehmigungen und OVG-Beschlüssen befasst, will der BUND mit einem Eilantrag den  Baustopp durchsetzen. Hier die Pressemitteilung der Umweltschützer:

Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat am gestrigen Abend beim Oberverwaltungsgericht in Münster einen Eilantrag für einen weiter gehenden Baustopp des E.On-Steinkohlekraftwerks in Datteln eingereicht. Dieser war notwendig geworden, da die Bezirksregierung Münster dem BUND-Antrag auf Stopp aller auf den Teilgenehmigungen 3-5 beruhenden Baumaßnahmen nur teilweise nachgekommen ist. Darüber hinaus endet heute auch die Frist zur Entscheidung über den vom BUND beantragten vollständigen Baustopp.

Anders als der Münsteraner Regierungspräsident hält der BUND die Klageerweiterung auf die Teilgenehmigungen 3 und 4 für nicht verfristet und damit zulässig. Der BUND rechnet mit einer kurzfristigen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Wie das OVG inzwischen mitteilte, wurde der Bezirksregierung eine Frist zur Stellungnahme bis zum 22.09.2009 eingeräumt; die E.On-Kraftwerke GmbH wurde beigeladen. Gibt das Gericht dem Eilantrag statt, müssen auch die Bauarbeiten z.B. für die Dampfkesselanlage, die Elektrofilter, an den Treppentürmen und Gleisanschlüssen eingestellt werden

Ein Weiterbau des Kraftwerks würde nach Ansicht des BUND den Rechtsstaat und damit auch das Fundament des Wirtschaftsstandorts NRW untergraben. Das oberste Verwaltungsgericht des Landes habe eine solche Fülle von gravierenden Rechtsverstößen bei der Kraftwerksplanung aufgezeigt, dass ein Baustopp unausweichlich ist und eine Fehlerheilung ausgeschlossen erscheint.

„Es geht um den Schutz der Bevölkerung in der Region, um eine andere Art der Energieerzeugung, um Klima- und Naturschutz. Wer jetzt das Gespenst der Deindustrialisierung an die Wand malt, hat nichts begriffen. Es gibt in NRW tausende Industrieunternehmen, die sich an die Gesetze halten und mit großen Kosten und viel Engagement den Schutz von Mensch und Umwelt beachten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass es für E.On Ausnahmen zu Lasten der Anwohner und der Umwelt geben soll. Wirtschaftsministerin Christa Thoben darf sich jetzt nicht zur Handlangerin von E.On machen“, sagt Paul Kröfges, Landesvorsitzender des BUND. Aus dem Urteil ergebe sich, dass es sich bei dem Kraftwerk um einen Schwarzbau handelt. Für die Fehlplanung sei auch die Landesregierung verantwortlich. Als Konsequenz dürften nicht die Gesetze zum Schutz von Mensch und Umwelt verbogen werden, sondern die Fehlplanung von E.On müsse korrigiert werden – bis hin zu einem Rückbau.

Der BUND appellierte an die Landesregierung, das OVG-Urteil ernst zu nehmen und endlich eine auf Erneuerbare Energien und effiziente Energiespartechnologien basierende Energiepolitik einzuleiten. Das schaffe neue Arbeitsplätze und stärke den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen. Die Häufung von neuen großen Steinkohlekraftwerken in der Region ist hingegen ein weithin sichtbares Zeichen für klimapolitische Rückständigkeit und ein großer Standortnachteil für die Ansiedlung zukunftsfähiger Arbeitsplätze.

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Wahlkampf: Lammert gegen Kraft-Überwachung…Der Westen

Bundestagswahl: Ein Meister des fast…Zeit

Bundestagswahl II: Wie es uns gefällt…Tagesspiegel

Datenschutz-Demo: Opfer soll Täter sein…taz

Datenschutz-Demo II: Unterlagen verschwunden…taz

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Finanzen: Schacht und die kommunalen Schulden…Weissgarnix

E.on-Kraftwerk: Datteln droht Investitionsruine…Der Westen

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Schauspiel: Theater unter Tage umgestaltet…Ruhr Nachrichten

Kultur: Ruhrgebiets-Museen unter einem Dach…Bild

Essen: Gadgetcluster an der Viehofer-Straße?…Pottblog

Geschichte: Victor Jara ermordet…Zoom

 

Schavans AKW-Studie doch online

100 Forscher für neue Atomkraftwerke in Deutschland – die vom Bundesforschungsministerium finanzierte Studie – "Konzept für ein integriertes Energieforschungsprogramm in Deutschland" – ist jetzt doch online. Und zwar hier: klick (pdf) – gegen den Willen der Ministerin Schavan (CDU). Die wollte erst nach den Wahlen damit rausrücken. Hier auch die vertraulich gestempelte Version der Studie aus Schavans Ministerium: klack (pdf in 7 Teilen) oder klick (eine große pdf). Wäre interessant die beiden Versionen zu vergleichen. Ich konnte bis jetzt keine Unterschiede feststellen.

Spannend wirds auf den Seiten 42 bis 47, vor allem die Verbindung von boomender Elektromobilität und dem so begründeten Ausbau der Atomkraft. Ob es allerdings wirklich 100 Forscher sind, die eindeutig für den Neubau von Atomkraftwerken plädieren oder nur einen von vielen Vorschlägen machen, kann ich auf die Schnelle nicht sagen. Außerdem haben wir uns im Ruhrgebiet ja sowieso längst an die Dinger gewöhnt: klick

Ansonsten haben sich die Forscher zu der Studie geäußert. Wie immer wollen sie nichts gesagt und gemeint haben, sondern nur zu einer sachlichen Diskussion beitragen. klack

Blaukraut bleibt Blaukraut und Grauhemd ist Blauhemd!

Was sich seit dem Wochenende abspielt, ist für mich ein Lehrstück darüber, wie Meinung gemacht werden kann, wenn man geschickt genug ist. Wie stark Vorurteile und vorgefasste Meinungen sein können, wie sie wirken. Und es zeigt auch, wie Journalismus teilweise funktioniert, wie er zumindest heutzutage funktioniert…

Ich habe hier kommentiert, daß ich das Verhalten der Polizisten für "übertrieben hart" emfunden habe, weil mir "Blauhemd" als sprichwörtlich schmales solches vorgekommen ist. Trotzdem hatte ich schon gestern ein ungutes Gefühl darüber, ob ich vielleicht nicht alles "gesehen" habe, was zu der Situation geführt hat. Heute müsste ich vielleicht sagen, daß ich ein ungutes Gefühl damit habe, daß mir nicht alles gezeigt worden ist.

Gestern kannte ich "Blauhemd" noch nicht, ich lernte ihn im ersten Video als stillen Menschen, Radfahrer, kennen, der unvermittelt und ziemlich rüde von der Polizei angegangen, vermöbelt und festgenommen wird. Heute sind mir insgesammt vier Videos bekannt, die sich mit "Blauhemd" befassen und mein Eindruck ist zumindest der, daß er vieles ist, aber bestimmt nicht still.

Der erste Videonachtrag kam in Form eines Beitrages, den ich im Forum den SPON gefunden hatte (ich muß gestehen, ich lese die Kommentare zu den Artikel dort, meistens jedenfalls…). Dort verlinkte ein Kommentator auf den "Berliner Kurier". Mir ist diese Zeitung absolut unbekannt, komisch fand ich nur, daß sich der nächste Kommentar nicht auf das Video bezog, sondern auf das "standing", welches diese Zeitung zu genießen scheint, aufgrund der Quelle sollte das Material unglaubwürdig sein. Ich erlaube mir darüber kein Urteil. Egal. Ich habe mir das Video angesehen, wartete auf den time-code und sah einen Menschen, diesmal im grauen Hemd, der, bei einer Tempelhof-Demonstration, sein Rad ziemlich offensiv schieben kann, jedemfalls dann, wenn sein Gegenüber eine Frau ist. Egal ob sie Protektoren trägt, hauptsache die Gewichtsklasse stimmt einigermaßen. Unabhängig davon, wie das standing des Berliner Kuriers sein mag, auch in diesem Fall sind die
 Bilder eindeutig: "Grauhemd" passiert nicht viel, er wird nach "hinten durchgereicht", die Geschichte für ihn ist durch, aber "Grauhemd" spricht, ruft sogar um Hilfe, bekommt eine Stimme.

Kommentatoren stellten die Frage, ob es sich bei beiden Menschen um ein und dieselbe Person handeln würde, handeln könnte. Ne, das sei jemand anderes, das Alter würde nicht hinkommen und auch nicht die Frisur. Kann alles sein. Mir ging aber die Stimme nicht aus dem Kopf, die ich gehört habe. Merkwürdig fand ich ja schon die Ähnlichkeit von Rucksack und Fahrrad. Zuggeben, ich wohne und lebe ebenfalls in einer Metropole mit ein paar Millionen Einwohnern und der damit einhergehenden Wahrscheinlichkeit, daß es unterschiedliche Menschen gibt, die sowohl die gleiche Frisur tragen, als auch den gleichen Rucksack und auch ein ähnliches Fahrrad fahren, solche Zufälle gibt es immer wieder. Kann alles sein! Ich habe Sattelformen, Rahmenfarben und die Position der Fahrradschelle am Lenker verglichen… ziemlich ähnlich, aber irgendwie kein "Beweis"… blieb die Stimme…

Der zweite Videonachtrag bestand im "zweiten Blickwinkel" der "Angst-Demo-Situation" (irgendwie erinnert dieses episodenhafte langsam an Tarrantino). Man hört plötzlich "Blauhemd" sprechen, rufen, vielleicht sogar brüllen, was auch immer, Fahrrad, Frisur oder Rucksack mögen Zufälle sein… die Stimme nicht!

Blaukraut bleibt Blaukraut und Grauhemd ist Blauhemd!

Dann kam Videonachtrag Nummer vier. Diesmal von SPON aufgenommen (oder zumindest in deren Archiv zu finden), am Rande einer Demonstration in Berlin… Nach wenigen Sekunden hüpft eine Person ins Bild, zwar ohne Fahrrad, aber mit, jedenfalls für mich, unverkennbarer Stimme… alles andere als ruhig, alles andere als defensiv, alles andere als hilflos…

Die sehr lange Vorrede hat einen verdammt kurzen Sinn:
Ursprünglich war "Blauhemd" ein stiller, junger Mann, der ziemlich derbe von der Polizei auf’s Maul bekommt, worüber die Wellen der Empörung hoch schlagen. Prinzipiell sogar zu recht, sollte die Gewalt nicht gerechtfertigt gewesen sein. Im Nachhinein erscheint er zumindest als jemand, der doch vielleicht nicht so hilflos ist… und ich frage mich… ich frage mich, ob die Empörung diese Wellen geschlagen hätte, wären die anderen Videos vorher bekannt gewesen.

Um es klarzustellen, die Wellen wären sicherlich gerechtfertigt gewesen, aber die Höhe wäre vielleicht, wahrscheinlich, eine andere gewesen. Ist es zu Übergriffen gekommen, dann gehören die Beteiligten auf allen Seiten bestraft!

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Dortmund: Opposition kritisiert Sieraus Entscheidung…Ruhr Nachrichten

Dortmund II: SPD gerät ins Abseits…Der Westen

Berlin: Skandal im Sperrbezirk…Lizas Welt

NRW-Wahlkampf: CDU-Videoprofis überwachen Kraft…Spiegel

Bundestagswahl: Irrlichternde Genossen…Zeit

Gelsenkirchen: Auch arm – aber sexy?…Hometown Glory

Wahl: Oppa koaliert mit Omma…Jetzt

Zeitungen: Vertgleich WAZ und NRW…Prospero

VEBs: Was verdienen die Chef öffentlicher Unternehmen?…Der Westen

Krise: Lehmann vor Ort…Weissgarnix

TV: Die Yes Man…Zoom

Piraten: OptOutDay in Bochum…Bo Alternativ

 

 

IAA Vorschau – meine ganz persönliche Geschichte des Verzichts aufs Auto

Seit zehn Jahren lebe ich meistens draussen. Auf der Flucht vor den horrenden Gebühren deutscher Fahrschullehrer habe ich mittlerweile in drei verschiedenen Ländern versucht, einen Führerschein zu machen. Das Ergebnis: Ich kenne keinen besseren Weg, ein fremdes Land kennen zu lernen. Die Geschichte eines Scheiterns.

Nach dem Abi gab ich mein Erspartes lieber für Afrika und für Reisen aus, als zweitausend Mark einem Führerschein hinter her zu schmeissen. Überhaupt hielt ich Autofahren für überholt – wir leben so dicht zusammen, warum muss dann jeder so ein Ding vor dem Haus stehen haben.

flickr.com/G@ttoGiallo

Der erste Versuch: Afrika. Am Ende eines lehrreichen Jahres will ich – interkulturelle Erfahrungen hin oder her – auch noch etwas von Nutzen mit nach Hause nehmen. Ich melde mich in der nationalen Polizeifahrschule an, die auch Zivilisten offen steht. Es gibt stundenlang Theorieunterricht, der Offizier ist engagiert, pädagogisch wetvoll warnt er vor den Gefahren von Alkohol. Bei den Fahrstunden stelle ich fest, dass ich nicht so der praktische Typ bin.

In der theoretischen Prüfung mache ich alles richtig. Ich habe sogar Zeit, mir über die komischen Fingerzeichen Gedanken zu machen, die einer der Prüfer hinter seinem Rücken gibt. Gegen Ende hab ich’s: es sind die Lösungen. Kleiner und Zeigefinger heißt A und D, es sind ja mehrere Antworten möglich. Aber alle Prüflinge können es sehen, haben also alle bezahlt, nur der einzige Weiße nicht?

Die praktische Prüfung besteht aus zwei Teilen. Ein Parcours – rückwärts Einparken ist die schwerste Übung – und ein bisschen Umherfahren im benachbarten Diplomatenviertel, wo man nur links vor rechts beachten muss. Fällt man beim ersten Teil durch, so höre ich, lässt sich nichts mehr machen, schließlich sehen viele Leute zu. Beim zweiten Teil schon eher.

Ich scheitere beim ersten Teil. Beim Rückwärtseinparken geht mir der Motor aus. Nach kurzer Beratung fragt mich der Polizeilehrer, bisher ein Vorbild an Engagement und Unbestechlichkeit, ob ich 60 Mark auftreiben könnte. „Wenn Du willst, dass man Dir hilft, musst Du den Leuten helfen,“ sagt er. Immer noch wenig im Vergleich zu Deutschland, aber ich verzichte, es ist mein vorletzter Tag im Land.

Der zweite Versuch: Kairo. Taxis in Kairo erfüllen alle drei Kriterien öffentlichen Nahverkehrs. Es gibt sie in Massen, sie sind günstig, und man teilt sie sich mit anderen, wenn man in die gleiche Richtung fährt. Dazu gibt es kostenlos Sprachstunden und Landeskunde, denn viele Fahrer unterhalten sich gerne über das Leben im Irrenhaus Kairo, das oft zwei oder drei Jobs erfordert. Einer hat Philosophie studiert und will mir mit dem Führerschein helfen. Er unterrichtet mich auf dem Parkplatz der Oper. Sein Wagen stammt aus den Siebzigern, nur noch Karosserie, Motor und Sitze. Kairos Klima ist optimal, um Autos zu konservieren. Ihre vierzig Dienstjahre sieht man vielen nicht an. Wenn ich in seinem Wagen fahren kann, kann ich jedes Auto fahren, ist seine wichtigste Lektion.

flickr.com/NeilsPhotography

Dann verläuft es sich. Kairo ist vieles, aber vollem eine einzige praktische Prüfung. Ich scheitere an der Stadt, in der sich alles verläuft, scheitere an ihren billigen und stets vorhandenen Taxen. Manchmal treffe ich noch Fahrer, die einen Cousin in der Führerscheinabteilung der Stadtverwaltung haben, aber ich klemme mich nicht dahinter. Berichte lieber über Korruption, da schmiert es sich schlecht selber.

Der letzte Versuch. Ich arbeite am Golf. Öffentlichen Nahverkehr gibt es nicht, nur die Busse, die die Arbeiter aus Indien durch die Gluthitze auf die Großbaustellen bringen. Taxis sind dreimal so teuer wie in Deutschland. Ihe Anzahl ist so verknappt, dass irgendjemand in der Herrscherfamilie dran verdienen muss. Überhaupt funktioniert die Verkehrsökonomie ganz anders, denn Autofahren ist umsonst, eine Tankfüllung kostet weniger als zehn Euro. Also hat jeder ein Auto. Nur ich nicht. Ich bin aufgeschmissen.

Zuerst miete ich mir einen Angestellten des Außenministeriums, dem ich monatlich das gleiche zahle, wie er von seiner Regierung bekommt. Irgendwann stelle ich fest, dass es, wie immer wenn der Staat eingreift und das Angebot reguliert, einen großen Transport-Schwarzmarkt gibt. Inder betreiben informelle Taxifirmen, deren Nummern unter Ausländern zirkulieren. Ich gebe nicht mehr alles, was ich an Steuern spare, für Taxis aus, aber es ist mühsam, die Fahrer wechseln ständig, oft weiß ich am Abend nicht, wie ich am nächsten Morgen ins Büro komme.

Nach einem halben Jahr habe ich meine Aufenthaltsgenehmigung, ich melde mich an, absolviere die einzige Theoriestunde: Ein Offizier geht die wichtigsten Schilder durch. Sein Akzent kommt eindeutig vom Subkontinent. Es stimmt also, dass die Herrscher den Sicherheitsapparat mit Pakistanis auffüllen, weil sie den eigenen Leuten nicht trauen.

Doch ich bin vom Lappen weiter entfernt als je zuvor. Deutsche Fahrschullehrer können sich hier noch was abgucken. Es gibt noch weniger Fahrschullehrer als Taxifahrer, und so läuft man bettelnd über den Übungsplatz der staatlichen Fahrschule. Die meisten Lehrer gucken einen nicht mal an. Sie verdienen prächtig, bekommen für jede gegebene Stunde zwei bezahlt. Wer aus seinem Heimatland einen Führerschein mitbring, bezahlt und bekommt einfach alle Stunden eingetragen.

Schließlich findet eine Kollegin einen, Frauen haben’s einfacher, zahlt ordentlich und er übernimmt mich. Ich absolviere brav alle Stunden, melde mich zur Prüfung an. Falsch. Eine Kollegin meldet mich zur Prüfung an, ich lande auf der Frauenliste. Ich würde mich auch von einer Frau prüfen lassen, aber das ist in diesem Teil der Welt nicht drin. Könnte nicht ein gerade freier Prüfer einspringen? Nein, es geht streng nach Liste.

Ich melde mich wieder an, ein weiterer Monat vergeht. Der Prüfer ist mürrisch, ich mache Smalltalk auf Arabisch, das hilft immer. Ich gebe alles, er bleibt mürrisch. Sind ja auch 45 Grad im Schatten. Es geht über den Parcour, nach dem Anfahren am Berg fahre ich mit Handbremse den Berg wieder runter, beim U-Turn auf der Kreuzung stelle ich den Scheibenwischer an bekomme ihn nicht wieder aus. Überhaupt ist Autofahren nicht so mein Ding, finde ich.

Wenn wir den Planeten retten wollen, haben wir noch viel vor. In Europa vermeiden wir einiges an Emissionen, durch das Umweltbewußtsein vieler Menschen, Fahrräder, die Eisenbahn und den öffentlichen Nahverkehr. Doch wir sind der kleinste Teil der Welt, und woanders fehlt die Bildung, die neuen Mittelschichten wollen konsumieren, die Regime müssen mangels anderweitiger Legitimität Brot und Benzin subventionieren und Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr sind wohl nur in Demokratien so richtig zu organisieren. So würde es sich die ägyptische Regierung aus Angst vor den Protesten der Taxifahrer, mindestens aber der Minibusfahrer nicht trauen, den ÖPNV richtig auszubauen, oder die Benzinsubventionen so zu reduzieren, dass es ein umweltfreundlicheres Gleichgewicht im Verkehr gibt. (Dubai ist ein Fall für sich, und hat es mit seiner letzte Woche eröffneten Metro hinbekommen.)

Europa sollte aber nicht auf andere warten. Zum Beispiel nicht auf mich. Ich bin gescheitert: Leben ohne Führerschein geht nicht. Jetzt habe ich das Ding in der Tasche, und verstehe, dass man bei vierzig Grad im Schatten dreihundert Meter zum Supermarkt fährt.

Ich stelle mir das so vor. Jedes Haus ist ein kleines Kraftwerk, Thermalenergie im Keller und von mir aus Sonnenenergie auf dem Dach. Wenn ich gerade mehr Strom produziere, als ich verbrauche, kann ich den über ein intelligentes Netz meinem Nachbarn verkaufen. Oder jemand tankt draussen an meiner Tür.