?ahhh!? wie Arcor ? ein Leidensbericht

Foto: Arcor-Pressebild

Seit eineinhalb Monaten terrorisiert mich eine Frau. Das Ungewöhnliche an diesem Fall: Die Dame existiert nicht mal und hat einen ganzen Konzern im Rücken. Sie wohnt in meiner 36-Quadratmeter-Wohnung, hat gleich fünf Verträge bei Arcor abgeschlossen und kostet mir den letzten Nerv. Die Maschinerie eines Großkonzerns reagiert nur schwerfällig, wenn man ihr falsche Datensätze einspeist. Vertreter entwickeln auf der Jagd nach Provisionen ungeahnt kriminelle Energien. Was dabei rauskommt, ist absurd und anstrengend.

Kapitel 1: Ein Kasten voller Briefe

17. Dezember, kurz nach Acht. Feierabend. Ich öffne meinen Briefkasten und sechs Umschläge fallen mir entgegen, fünf von Arcor, einer von der Telekom. Seit einem dreiviertel Jahr hatte ich nichts mehr von Arcor gehört. Sie hatten meinen Umzug vermasselt, ich musste fast vier Monate ohne Internet arbeiten, wir sind nicht im Guten auseinandergegangen. Jetzt ist als Adressat eine Sabine Schlange angegeben, wohnhaft bei mir und Neukunde bei Arcor. Geschwätzig muss diese Sabine sein. In den Umschlägen stecken insgesamt vier Simkarten über vier verschiedene Handyverträge und eine Benachrichtigung, dass zum Ende des Jahres ihr DSL-Anschluss aktiviert werde.

„Guten Tag Frau Schlange, vielen Dank für Ihren Auftrag.“ Ich bin irritiert und habe nicht mal ein Haustier.

Kapitel 2: Ein Name wie eine Geschlechtskrankheit

Knapp zehn Minuten stecke ich in der Warteschleife der kostenfreien Störungsannahme, rauche eine Kippe nach der anderen. Mein Fuß wippt aufgebracht. Ich rechne mit einer zähen Diskussion und einer Spüle voller Geschirr, die bis morgen kein Wasser sehen wird. Der Typ, der sich schließlich meldet, klingt sympathisch, sein Name eher wie die Bezeichnung einer Geschlechtskrankheit. Ich frage nach, mache einen Scherz und bringe ihn zum Lachen. Dann erkläre ich ihm die Problematik. Mein erster Verdacht: Irgendein Bursche oder ein Mädel in den Outbound-Callcentern hat meine alten Datensätze aufgefrischt, eine Sabine Schlange ins Leben gerufen und für fünf Verträge die Provisionen kassiert. Mein Kundenbetreuer, nennen wir ihn S., ist einsichtig, ähnliche Fälle – meint er – scheinen häufiger vorzukommen.

Er: „Es sei denn, Sie haben eine Umwandlung hinter sich…“

Ich: „Wie bitte?“ Dann beruhigend und eine Oktave tiefer: „Nein, nein, das können Sie ausschließen. So wichtig ist mir Arcor nicht.“

Er glaubt mir und nimmt die Stornierung auf. Betrugsversuch und Vertragsfälschung. Immer wieder lande ich für Rückfragen in der Warteschleife. Gut eine Stunde dauert unser Gespräch. Am Ende versichert S. mir, dass er alles in die Wege geleitet, ich keine weiteren Unannehmlichkeiten zu erwarten habe, mich ein Mitarbeiter in jedem Falle anrufen und mir ein Entschuldigungsschreiben zugesandt werde.

Ich: „Das Schreiben ist mir egal. Ich will nur meine Ruhe haben.“ S. gibt mir Recht.

Mein Geschirr bleibt ungespült und ich misstrauisch. Einen Anruf habe ich nie erhalten.

Kapitel 3: Arcor – Reloaded

19. Dezember. Wieder ein Brief. „Guten Tag Frau Schlange, am 08.01.2009 steht Ihnen Ihr Anschluss mit Arcor-Internet 6000 zur Verfügung.“

Klar, denke ich, der war bereits raus, kann vorkommen, und werfe das Schreiben zu den anderen auf die Fensterbank. Vier Tage später der nächste Umschlag. Adressat: Andreas Schlange. Ich stutze. Schlange wer? Langsam macht sich eine Identitätskrise breit.

„Sehr geehrter Herr Schlange, vielen Dank für Ihre Mitteilung vom 18.12.2008. Sie informierten uns, dass Sie eine Auftragsbestätigung erhalten haben, obwohl Sie keinen Auftrag erteilt hatten. Den Sachverhalt werden wir prüfen und umgehend Maßnahmen einleiten, damit sich dieser Vorfall nicht wiederholt.“ Der Wisch fliegt auf die Fensterbank.

Exkurs: Das DSL-Paket

Kurz nach Weihnachten finde ich einen kleinen grünen Zettel in meinem Briefkasten. Ein Paket konnte nicht zugestellt werden. Es wartet abholbereit in der nächsten Packstation. Ich befürchte Arcor, hoffe allerdings auf Geschenke. Am 2. Januar stapfe ich durch den Nieselregen zur Post, scanne das grüne Kärtchen ein, bestätige den Empfang mit meiner Unterschrift, damit sich die Schiebetür der Packstation öffnet und ich das Geschenk bekomme. Dann die Enttäuschung. Der Empfänger ist natürlich die Sabine, der Absender Arcor, und mir schnürt sich der Hals zu. Rein in die Post und das Paket zurückgehen lassen.

Die Dame hinter ihrem Schalter: „Das geht nicht.“

Ich: „Wieso? Ich will das Paket nicht entgegen nehmen und ungeöffnet zurückschicken.“

Die Dame hinter ihrem Schalter: „Sie haben den Empfang mit Ihrer Unterschrift bestätigt. Wenn Sie es zurückschicken wollen, muss ich Ihnen die normalen Versandkosten berechnen.“ (Anmerkung: knapp 7 Euro)

Ich: „Ich musste aber unterschreiben, damit sich die scheiß Tür an dieser Packstation öffnet. Sonst hätte ich doch nicht gesehen, von wem und für wen dieses Paket ist. Auf diesem verdammten Schein steht nur Schlange.“

Die Dame hinter ihrem Schalter bleibt hart und unser Gespräch führt sich im selben Wortlaut weiter. Gute fünf Minuten, vielleicht auch mehr. Dann nehme ich das Paket unter den Arm und laufe schnaubend durch das Dreckswetter zum nächsten Arcor-Laden. Das Geschäft ist voll, ich warte und lege schließlich dem Mitarbeiter das Paket auf den Tresen.

Ich. „Ein etwas komplizierter Sachverhalt aber ein eigentlich ganz einfaches Anliegen.“ In angebrachter Kürze erkläre ich dem Burschen meine Theorie von den gefälschten Callcenter-Verträgen und mache ihm deutlich, dass ich dieses verdammte DSL-Equipment im Laden lasse werde. Er gibt sich verständnisvoll, bestätigt mir auf Nachfrage, dass so etwas durchaus öfter vorkäme, und versichert mir eindringlich, dass er das Paket nicht entgegennehmen könne. Die zweite mühsame Diskussion beginnt, während sich hinter mir Kunde nach Kunde in die Schlange reiht.

Er schließlich: „In Ihrem Paket ist ein Retour-Schein. Den können Sie ausfüllen, auf das Paket kleben, und es bei der nächsten Post zurückschicken. Völlig kostenfrei.“

Ich: „Ich fasse das Paket nicht mehr an.“

Er: „Ich bitte Sie, Herr Schlange.“

Ich: „Nein.“

Er: „Och.“

Die Schlange aus wartenden Kunden hinter mir macht ihn sichtlich nervös. Er öffnet das Paket, füllt den Retour-Schein aus und klebt das Paket wieder zu. Ich – kein Unmensch – honoriere seine Hilfsbereitschaft, nehme das Paket zurück und laufe wieder zur Post. Derselbe Schalter, dieselbe Dame – sie schaut mich mitleidig an – ich lächle gequält, gebe ihr das Paket und fahr nach Hause.

Fazit: eineinhalb Stunden gestohlene Zeit, das Bedürfnis zu trinken und ein Paar durchnässte Schuhe. Danke Arcor.

Kapitel 4: Arcor immer noch Reloaded

10. Januar. „Guten Tag Frau Schlange, wie wir Ihnen in unserem letzten Schreiben mitgeteilt haben, ist es notwendig, dass die Deutsche Telekom AG Vorarbeiten für Ihren Anschluss ausführt. Dieser vereinbarte Termin kam nicht zu Stande.“ Als nächstes Datum wird der 22. Januar vorgeschlagen, Bereitschaft von 8 bis 16 Uhr. Ich sehe davon ab, den Termin zu stornieren. Die angegebene Hotline-Nummer kostet aus dem deutschen Festnetz 49 Cent pro Minute. Von meinem Handy aus sicher das Dreifache.

Wieder vier Tage versetzt gleich zwei neue Schreiben: „Guten Tag Frau Schlange, Sie kündigen Ihren Anschluss, da es bei der Beratung durch einen unserer Vertriebsmitarbeiter zu Missverständnissen kam. Schade, dass wir Sie aus diesem Grund als Kunden nicht behalten können.“

Es gab kein Gespräch, es gibt keine Kundin, es wird keine Partnerschaft geben.

Der zweite Brief ist förmlicher. „Sehr geehrte Frau Schlange, vielen Dank für Ihren Anruf vom 17.12.2009.“ – Ich hätte doch noch tiefer sprechen sollen, denke ich – „Sie haben sich über einen unserer Außendienstmitarbeiter geärgert und bitten um sofortige Stornierung Ihres Arcor-Auftrages. … Wir verstehen, dass Sie aufgrund der Geschehnisse Ihr Widerrufsrecht in Anspruch nehmen.“

Danke, allerdings flattert mir drei Tage danach eine Rechnung ins Haus. 30,82 Euro. Mir wird netterweise angeboten, den Betrag der Rechnung gutschreiben zu lassen. Ich muss lediglich bei der Hotline anrufen und mindestens fünf Euro mehr an meinen Handy-Anbieter abdrücken.

Kapitel 5: Das Ende?

Eine Dame der Verbraucherzentrale bestätigt mir, dass es immer wieder zu gefälschten Vertragsabschlüssen bei den diversen Telefonanbietern käme. Studenten, die ihr Leben im Callcenter finanzieren, erzählen mir vom Druck Abschlüsse zu machen, der miesen Bezahlung und der Konsequenz dem Datenpfusch. Also Anruf bei der Arcor-Pressestelle: Ich schilder die Sachlage, sie wollen einen Fall überprüfen, ich geb meine Daten – besser gesagt, die von der Sabine. Es ist Freitag 16.30 Uhr und mir wird ein Rückruf in den kommenden Tagen versprochen.

Und der kommt dieses Mal auch. Montag um kurz nach 10 direkt der erste: technischer Support. Der kleinen Arcor-Maus geht es während unseres Gespräches allerdings weniger um die Einzelheiten des Falles vielmehr um die Info, wer denn behauptet hätte, dass solche Betrugsfälle häufiger vorkämen. Ich halte mich an die relevanten Aspekte des Falles, unser Gespräch ist nicht sehr ergiebig, ich warte wieder auf den Rückruf der Pressestelle. Der folgt dann am Mittag. Ein kompetenter Mann, wie ich sofort merke. Mit sonorer Stimme erklärt er mir, dass doch alles ganz anders sei. Die gefälschten Verträge kämen von Außenvertretern eines Vertriebspartners. Es seien Adressen aus dem Telefonbuch oder gleich von der Haustür abgeschrieben worden und so in die Konzernmaschinerie gelangt. Den Rückruf zur Vertragsbestätigung und zum Datenabgleich habe man umgangen.

Doch kein Grund zur Sorge: Arcor habe bereits personelle Konsequenzen gezogen, sowie Strafanzeige gegen den Vertriebspartner gestellt. Natürlich seien auch die Lücken im Sicherungssystem geschlossen worden.

„Aber Herr Schlange, Sie sind mir nicht nur als Journalist und Kunde wichtig, Arcor liegt vor allem auch der Mensch am Herzen. Wären Sie nun Frau Schlange, hätten Sie schon längst zur Entschuldigung einen Blumenstrauß bekommen. Bei Ihnen bin ich mir allerdings noch unsicher.“

Für einen kurzen Moment habe ich eine Flasche Scotch vor Augen, verzichte dann aber auf weitere Post von Arcor und verabschiede mich.

Am nächsten Tag dann ein erneuter Anruf: „Herr Schlange, das hatte ich gestern vergessen. Aus systemtechnischen Gründen könnte Ihnen noch eine Rechnung zugesandt werden. Ignorieren Sie diese bitte. Der Betrag wird Ihnen gutgeschrieben.“

Letztes Kapitel: Ein sauberes Paar Socken nach soviel Scheiße

Die Verbraucherzentrale rät: Kommen falsche Verträge ins Haus, sofort reagieren, dem Unternehmen mitteilen, dass kein Vertrag zustande gekommen ist. Rein vorsorglich sollte vom Widerrufsrecht gebraucht gemacht werden und gegebenenfalls der Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Ebenfalls wichtig – gerade im Fall eines Telefonanbieters: Die Telekom benachrichtigen, dass der Port nicht freigegeben werden darf. Sonst kann es passieren, dass man sich mit dem falschen Vertrag rumschlägt, und plötzlich das Telefon gesperrt ist, weil der neue Anbieter bei der Telekom Antrag gestellt hat, den Port zu übernehmen.

Dies Ärgernis blieb mir erspart. Dennoch: Jeder normale, nicht völlig lethargische Kunde dreht im Angesicht dieser maschinell erstellt Briefeflut durch. Es scheint, als käme ein stählerner Koloss in Bewegung, der sich ungerührt von Beschwerden und Einwänden bewegt und nichtmals merkt, ob ihm der mickrige Kunde vors Schienenbein tritt. Der verbockte Umzug lief ähnlich ab. Vier Monate lag ich in der Briefeschlacht mit Arcor, seitenlange Schreiben, Chronologien der Gespräche, horrende Telefonrechnungen für die Servicenummer. Alles vergebens. Immer wieder dieselben ignoranten Formschreiben – ohne nur das kleinste Einlenkung zum Problem. Dann der letzte verzweifelte Versuch: Anruf bei der Pressestelle. Rückruf am nächsten Tag, am darauffolgenden war der Vertrag gekündigt und drei offenstehende Monatsraten gutgeschrieben.

Ich hatte Glück, ich konnte über die Journalisten-Schiene zu einer Lösung kommen. Jedem anderen Kunden bleiben nur die Hotline-Berater, die kaum Zugriffe haben, keinen Ermessensspielraum und lediglich zur läppischen Adressänderung geschult wurden. Rechtliche Schritte kosten – Zeit, Geld und Nerven.

Es ist zum Kotzen, womit sich Leute rumschlagen müssen, weil irgendeinem Unternehmen Fehler unterlaufen. Es ist erniedrigend und ernüchternd, wie wenig Einfluss man auf die Zahnräder der Konzerne hat. Für Frust und verlorene Zeit kann kein Schadensersatz gestellt werden. Ein Blumenstrauß hilft da auch nicht, ist mehr ein schlechter Scherz mit Zuckerguss. Ich ziehe vor jedem den Hut, der sich durch diese Scheiße quält und am Ende noch ein sauberes Paar Socken findet.

Gespräche ohne Ergebnis beim Hydro-Alu-Werk Neuss

Die Angst vor einer Pleite der Neusser Aluminiumhütte Norsk Hydro bleibt bestehen. Ein Spitzengespräch zwischen Vertretern der Hütte, der Landesregierung und des Stromversorgers RWE ging heute Mittag ohne Ergebnis zu Ende. Das Ministerium teilte mit, dass nun die Bundesregierung um Hilfe angegangen worden sei. Von einer Pleite des Hydro-Werkes wären bis zu 6000 Mitarbeiter betroffen.

Die Krise kam, weil das Werk des norwegischen Metallkonzerns Norsk-Hydro nach eigenen Angaben wegen hoher Strompreise nicht mehr wirtschaftlich produzieren kann. Weil das auch anderen stromintensiven Industriebtrieben so geht, hat das Bundeswirtschaftsministerium bereits vor einigen Tagen von den deutschen Energieversorgern gefordert, eine Art subventionierten Stromtarif für Großabnehmer zu schaffen. Sollte dies nicht geschehen, drohe die De-Industrialisierung Deutschlands, heißt es.

Und zumindest der Versorger RWE weigert sich bislang, einen Preis unter dem Großhandelspreis zu akzeptieren. Das ist auch irgendwie verständlich – denn wenn der Konzern RWE seine Ware unter Marktpreisen abgeben soll, wäre er über kurz oder lang nicht mehr wettbewerbsfähig und würde selbst zum Problemfall in der Wirtschaft.

Die Frage lautet also eher, wenn die Bundesregierung  einen Versorger wie RWE zwingen will, subventionierten Strom zu verkaufen und dann noch den Betrieb des Unternehmens strikt reguliert und gut 50 Prozent des Strompreises selbst einnimmt oder verantwortet – warum verstaatlicht die Regierung dann nicht die Energieversorger direkt genauso wie die Systembanken? Geht ja irgendwie um Grundversorgung, oder?

Update:

Hydro brüskiert Landesregierung: Bereits am Montag entschied der Vorstand, die Produktion weiter zu drosseln. Grund sind eben jede Verluste, die Deutschlands größte Alu-Fabrik täglich produziert. Nach einer Halbierung der Aluminiumpreise kann das Neusser Rheinwerk nicht mehr rentabel arbeiten. Laut dem Handelsblatt liegen die Kosten der Fabrik um ein Drittel über denen der Schwesterhütten. Diese können anders als die deutsche Tochter auf günstige Wasserkraft zurückgreifen.

Alle Hoffnungen legen die Beschäftigten auf einen neuen Stromvertrag, der billige Preise langfristig garantiert. Viele Versorger winkten bereits ab, heißt es in der Branche. Rettung soll nun RWE bringen, der Konzern, der das Rheinwerk bis 2005 mit Strom belieferte. Die Essener unterbreiteten ein „marktüberbliches“ Angebot, das reicht Hydro aber offenbar nicht. Der Krisengipfel im Wirtschaftsministerium blieb ohne Vertragsabschluss.

Wirklich erwartet hatte dies auch niemand. Warum sollte RWE seinen Strom für kleines Geld verschleudern? Für Hydro spricht immerhin, dass für die Aluminiumproduktion viel Strom gebraucht wird. Das Rheinwerk verbraucht so viel wie die Stadt Düsseldorf.

Da günstiger Strom im Moment nicht verfügbar ist, greift die Hydro-Führung nun durch. Die Herstellung soll deutlich gesenkt werden, heißt es in Neuss. Vor drei Wochen hat das Unternehmen die Herstellung bereits um 30.000 auf 200.000 reduziert. Wie stark es nun bergab geht, sollen die Mitarbeiter auf einer Betriebsversammlung am Donnerstag erfahren. Der Konzern hüllt sich in Schweigen.

3 für 7 – Theater Spezial: Eine Woche in Bochum und Essen

 

"Wer den Woyzeck noch sehen will, der bekommt ihn auch", dachte der Autor dieser Zeilen nach einem Spontanbesuch im Grillo am Sonntag, den Duft vom Bodennebel des Stückes noch in der Nase. Und bald: "Was macht eigentlich Bochum?" Und: "Dieser Intendantenwechsel von Anselm Weber von Essen nach Bochum ist tatsächlich ein schöner Ruhr interner Hype, der nach außen strahlen soll. Bestimmt ist das so. Und wenn nicht, dann mach ich es so." Also diesmal eine Woche Schauspielhaus Bochum versus eine Woche Schauspiel Essen.

Am Dienstag (3. Februar) zwei kleinere Aufführungen in Bochum und die "Bochumer Geschichten" von Wolfgang Welt und Rainer Küster im Theater unter Tage. "Lesart Spezial: Wegbereiter der Wende" mit Wolgang Herles (Aspekte, ZDF) und den Veranstaltern KWI, Deutschlandradio und der hausinternen Proust-Buchhandlung in Essen (Café Central). Eine dieser kleinen, wertvollen Reihen mit Inhalt und viel Strahlkraft in Essen. BO – E 0:1

Am Mittwoch die öffentliche Probe von "Krankheit der Jugend" von Nuran David Calis (Foto) im Grillo und direkt danach ein Konzert von Tangoelectrón in der Heldenbar. Die Wiederaufnahme von "Emilia Galotti" im Schauspielhaus, "Komödie der Irrungen" in den Kammerspielen, zweimal Junges Schauspielhaus im T.u.T und im Melanchthonsaal. Bochum also zwar ein wenig vorhersehbar, aber stark in der Wochenmitte. BO – E 1:1

Die American Drama Group gastiert am Donnerstag (und Freitag) mit "Romeo and Juliet" im Schauspielhaus, "Forelle Stanley" von Claudia Dey hat Deutsche Erstaufführung im Theater unter Tage. Poetry Slam in der Heldenbar, Broadway-Klassiker mit Nadja Karasjew und Mark Weigel (Comedian Harmonists) im Café Central. Das ist ein wenig rustikal da in Essen. BO – E 2:1

Freitag: "Dream Team" (oh, Thema iPhones!) in der Casa, das Spardosen-Terzett plus Weber-Beckmann im Grillo selbst und auch noch parallel (Olaf) "Kröcks kapitale Kritik – Das Kochstudio zur Weltverbesserung" in der Heldenbar. Im Schauspielhaus? Nach der American Drama Group auch noch "Macbeth" (Regie: Lisa Nielebock). In den Kammerspielen premieren Torsten Kindermann, Karsten Riedel und Band mit "A Tribute to Quentin Tarantino", im Melanchthonsaal ist Uraufführung von Michael Lippolds "Zwischen" aus der Regiewerkstatt. Das geht trotz Shakespeare-Overkill an Bochum, ist aber beides natürlich je nach Möglichkeiten und auf seine Art gut. BO – E 3:1

Der Samstag hat im Schauspielhaus "Wie es euch gefällt" zum letzten und im T.u.T. "Connecting People" rund um Nokia-Betroffene zum ersten Mal. Im Melanchthonsaal noch einmal "Zwischen", in den Kammerspielen "Endstation Sehnsucht". Die Uraufführung von "Krankheit der Jugend" im Grillo plus anschließende Premierenfeier im Central, Wiederaufnahme von "Paradies" (alle Plätze 8 Euro!!) in der Box, "Heldenhouse"-Party mit Geier und Yoshino in der Heldenbar. Die Kombination aus Glam-Faktor und Niedrigschwelligkeit bringt es deutlich: BO – E 3:2

Am Sonntag im Grillo diesmal alle Plätze 8 Euro bei Aischylos‘ "Die Orestie" von Roger Vontobel, Katja Lillih Leinenwebers Kinder- und Jugendstück "An der Arche um Acht" des nachmittags in der Casa. Deutsche Erstaufführung von Yasmina Rezas "Der Gott des Gemetzels" im Schauspielhaus, "I Hired a Contract Killer" nach Karusmäki in den Kammerspielen, Uraufführung von Martina van Boxens "Troi" (Musiktheater für Kinder) im Melanchthonsaal und auch noch "Der kleine Prinz" im Planetarium. Ein rundum toller Sonntag für Bochum! BO – E 4:2

Tarantino, Macbeth, "Der Kleine Prinz" am Montag (9. Februar) in Bochum, ebenso wie "Das Tagebuch der Anne Frank" mit Johanna Sembritzki in der Titelrolle. In der Essener Casa wieder "An der Arche um Acht". Man kann auch Äpfel und Birnen vergleichen. BO – E 5:2

Conclusio: Essen ist gemütlicher, braucht mehr Theaterfreunde. Bochum hat diese anscheinend zu Genüge und könnte hier und da etwas konzeptionelle Improvisationsfreude "nach unten" gebrauchen. Aber das war ja vorher schon klar. Alles super. War ja nur ein Freundschaftsmatch.

Spielkinder am Business-Phone

Das Leben ist hart genug, vor allem als Statussymbol gebeutelter Iphone-Besitzer. Warum also nicht einmal so ganz zwischendurch den App Store besuchen, um das ein oder andere Spiel herunterzuladen? So hat man auch in der  langweligsten Sitzung Spaß. Hier sind fünf der besten Spiele für das Iphone oder den Ipod Touch:

HoldEm: Dieses grafisch wunderbar gestaltetes Poker-Game nach den derzeit überall gehypten HoldEm-Regeln war eines der ersten Spiele von Apple selbst. Das Spiel richtet sich an Single-Player und hat neben der tollen First Person-Ansicht auch einen übersichtlicheren Tischblick aus der Vogelperspektive im Angebot. Die Gegner sind spielstark, lediglich der Preisvon 3.99 Euro ist recht happig.

SlotZ (Foto oben) ist ebenfalls nicht kostenfrei (2,39 Euro), dafür aber vielleicht das Spiel mit dem meisten Spaßfaktor – weil das Spielprinzip einfach ist. SlotZ ist nichts anderes, als eine virtuelle Carrerabahn und spielt sich entsprechend. Man benötigt nur einen Knopf zum Gas geben und Gasnachlassen. Der Spieler kann sogar eigene Tracks erstellen. Wer also schon immer einmal die Nordschleife des Nürburgrings nachbauen wollte, ist hiergenau richtig.

Midnight Bowling bietet einen schicken Abend im Bowlingcenter. Gespielt werden kann im Mehrspieler-Partymodus, es gibt aber auch eine Karrierevariante, die leider viel zu schnell durchgespielt ist, was den Preis von 1,59 Euro zu einem winzigen Kritikpunkt werden lässt. Per Fingerwisch über den Touchscreen setzt man die Kugel in Bewegung, der Neigungssensor bestimmt den Effet.

Wer weniger Action will, geht fischen: FlickFishing (79 Cent / Foto) sorgt an vielen verschiedenen Orten (etwa an einem Gartenteich oder aber auf hoher See)dafür, dass man immer neue Fischarten aus dem Wasser ziehen kann. Das Spiel nutzt vorbildlich die Eigenarten des Iphones, in dem man mittels Wurfbewegung die Leine auswirft und per Touchscreen sie drehenderweise wieder einholt. Wer zu fest kurbelt, verliert schnell den dicken Brocken.

Dicke 5,99 Euro kostet SimCity, bietet dafür aber das längst bekannte und bewährte Gameplay. Als Bürgermeister gründet man eine Stadt, sorgt für Verkehrsanbindungen und treibt Handel mit den Nachbarstädten. Trotz des hohen Preises kann dieses Spiel durchweg empfohlen werden, da es sozusagen eine 1:1-Umsezung der Ur-Version vom PC ist und sich genauso grandios spielt.

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Ein Gespräch mit Wladimir Kaminer, dem russischsten aller deutschen Schriftsteller

Wladimir Kaminer (41), sieht sich selbst gern “privat als Russe und beruflich als deutscher Schriftsteller“. Die seltsame Beschreibung hat ihren Ursprung in der Geschichte des gebürtigen Sowjetmenschen. 1990 kam Kaminer nach Berlin und erhielt „humanitäres Asyl“ in der damals noch bestehenden DDR. Seinen Durchbruch erlebte er als Schriftsteller mit den Bestsellern Russendisko, Militärmusik und Schönhauser Allee. Gerade ist er mit seinem aktuellen Buch „Salve Papa“auf Lesereise. Daneben veröffentlicht Kaminer weiter Kolumen in verschiedenen Zeitungen und tritt hier und da als DJ auf. Im Berliner Kaffee Burger ist er zudem als Veranstalter grandioser Parties in bleibender Erinnerung. Olga Kapustina sprach mit ihm über Kinder und Sprache, Studium und Bücher, Russland und Ruhrgebiet.

 

 

Über die deutsche Sprache

 

Ruhrbarone ?: In welcher Sprache führen wir das Interview – in deutscher oder in russischer?

Kaminer!: Wird das hier auf Deutsch veröffentlicht? Dann auf Deutsch.

 

 

?:   In welcher Sprache reden Sie beim Frühstück?

!: Zuhause sprechen wir grundsätzlich Russisch. Meine Kinder versuchen mich auf Deutsch umzustellen. Ich versuche immer etwas dagegen zu unternehmen. Aber manchmal schaffen es die Kinder, dass wir mit ihnen Deutsch reden.

?: Können Ihre Kinder besser Deutsch als Russisch?

!: Meine Kinder sind beide in Deutschland auf die Welt gekommen. Sie sind in deutscher Sprache sozialisiert. Wenn wir nach Russland fahren, sprechen sie dort Russisch und machen das relativ korrekt. Aber ihre erste Sprache ist Deutsch, klar.

?: Die Namen Ihrer Kindern sind auch eher Deutsch…

!: Sie sind international. Sebastian und Nicole sind Namen, die für russische und deutsche Ohren gleichermaßen zugänglich sind.

?: Als Sie 1990 nach Deutschland kamen, sprachen sie kein Wort Deutsch. Wie haben Sie es geschafft, die Sprache so gut zu beherrschen?

!: Das ist überhaupt keine Heldentat. Man kann jedem Kaninchen eine Fremdsprache beibringen, wenn man ihn jeden Tag auf den Kopf schlägt.

?: Das scheint geklappt zu haben. Sie haben 13 Bücher auf Deutsch veröffentlicht…

!: Ich schreibe diese Bücher seit 1998. Geschlagen hat mnich niemand, aber in zehn Jahren kann man doch alles lernen. Ich habe mir nie große Mühe gegeben. Ich habe Deutsch aus Neugier, aus Not, also aus gut nachvollziehbaren Gründen gelernt.

?: Stört es Sie, dass Ihre Aussprache Sie als Nicht-Muttersprachler verrät?

!: Ich höre meine Aussprache ehrlich gesagt nicht. Eine typische russische Aussprache, wie sie zum Beispiel in amerikanischen Hollywood-Filmen vorkommt, hört sich für mich anders an.

 

Über das Lernen

?: Ihre Kinder, um die es in Ihrem neuen Buch „Salve Papa“ geht, sind noch Schüler. Aber vielleicht machen sie sich schon Gedanken darüber, was sie später werden wollen…

!: Klar, natürlich. Sie wissen alles. Mein Sohn will Koch werden, meine Tochter – Schriftstellerin.

?: Ihr ersten Roman hat Nicole schon geschrieben, Sie erzählen darüber in Ihrem Buch…

!: Ja, über Kaninchen. Sie schreibt ziemlich fleißig, ziemlich viel. Aber ich möchte diese Literatur nicht bewerten. Ich sage nur: Das, was mein Sohn kocht, gefällt mir besser, als das, was meine Tochter schreibt.

?: Sollten wir in 7-10 Jahren, wenn Ihre Kinder ein Studium anfangen sollten, mit einem Buch von Ihnen über das deutsche Hochschulsystem rechnen?

!: (Lächelt).Ich weiß nicht, inwiefern dieses Thema interessant sein wird. Zur Zeit arbeite ich an Projekten mit anderen Inhalten. Ich schreibe ein Buch über den Kaukasus. Ein anderes Buch hat sich aus dem Stoff, das ständig neu ankommt, herauskristallisiert. Der Titel wird heißen „Deutschland ist in Ordnung“. Es geht um verschiedene Facetten des deutschen Lebens. Das wird quasi das zweite deutsche Dschungelbuch.

?: Sie selber haben Musik in einer Theaterschule in Moskau studiert… In einem Interview präsentierten Sie sich neulich als Sozialwissenschaftler, da Sie sich mit Lebensforschung beschäftigen. Wenn Sie jetzt vor der Wahl stünden, was sie lernen wollten. Welches Fach würden Sie wählen?

!: Mich interessiert die Geschichte der Menschheit, die letzten dreitausend Jahre. Die Entstehung der Sprache und der Kultur, theologische, politische und soziale Aspekte. Dieses Wissen ist unverzichtbar, um die Gegenwart zu verstehen. Unwissen ist der Geisel der Menschheit. Es stellt sich nicht die Frage: Was studieren? Alles!

 

Über Russland

?: Man sieht in Ihren Interviews und Ihrem Blog, dass Sie sich gut über Ereignisse in Russland informieren…

!: In Russland ist es sehr schwer, wenn irgendwas passiert, an wahre Information zu kommen.Die Presse hat da ihre Spielregeln. Russland ist, was die Presse oder Politik betrifft, zu einem großen Theater geworden. Das geht gar nicht mehr um Wahrhaftigkeit der einen oder der anderen Nachrichtenquelle, sondern nur um die Rolle, die diese Nachrichtenquelle im politischen Theater des Landes spielt. Wahre Informationen über Russland kann man nur aus Blogs erfahren. 

?: Welche Blogs lesen Sie denn?

!: Ich lese Blogs von Schriftstellern und von Journalisten, wenn ich sehe, dass sie in ihren Blogs objektiver urteilen als in offiziellen Medien. Ich lese Menschen, die ich interessant finde. Zum Beispiel: Gortschew, Baru und Beresin.

 

Über sein Buch

?: Am Ende des Buches „Salve Papa“ steht es: „Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind weder vorhanden noch beabsichtigt. Es sei denn, die Personen wollen sich in dem Buch erkennen“. Ist das eine Lehre aus Ihren früheren Veröffentlichungen oder rein prophylaktisch?         

!: Prophylaktisch.

?: Man kann sich schon vorstellen, dass die mit einem Vampir verglichene Leiterin des Gymnasiums ihrer Tochter den Vergleich übel nimmt…

!: Ich konnte das nicht vermuten. Ich finde das total blöd. Aber letzte Woche kam zu Nicole eine Schülerin aus einer anderen Klasse und sagte: „Die Schulleiterin lässt deinen Vater grüßen und bittet dich, ihn zu fragen, falls er konkrete Vorschläge hat, wie man das Schulsystem verbessern kann, dann soll er dir das sagen. Ich komme nächste Woche wieder.“ Anstatt mich anzurufen, schickt die Schulleiterin ein Kind zu einem anderen Kind. Warum? Ich habe doch diese Schule nur verherrlicht. Sie soll froh sein, dass sie wie Vampir aussieht. Vampire sind gerade jetzt in. In Bestsellerliste ist die Hälfte Bücher über Vampire.

 

Über das Ruhrgebiet

?: Geografisch schreiben Sie vor allem über Berlin, aber über andere deutsche Städte auch. Wann taucht Ruhrgebiet in Ihren Büchern auf?

!: Es taucht in „Meinem deutschen Dschungelbuch“ auf, wo ich verschiedene Ecken in Deutschland beschreibe.

?: Womit assoziieren Sie das Ruhrgebiet?

!: Mit einer postkapitalistischen Gegend. Sehr interessant. Wenn die ganze Kohle ausgeschöpft ist, die Zechen zu den Kunstobjekten umgewandelt werden, Menschen viel Zeit in irgendwelchen Shopping-Malls verbringen, mehr angucken als einkaufen. Ich glaube, dass das Ruhrgebiet von allen Gegenden Deutschlands am nächsten zur Zukunft steht.

 

Und weil das Wort Blitz so schön ist – Blitzfragen

?: Welchen Film haben sie zuletzt gesehen?

!: „Bewohnbare Insel“ des russischen Regisseur Bondartschuk.

?: Wann waren Sie letztes Mal betrunken?

!: Vor 22 Jahren in der sowjetischen Armee. (Das Glas Weißwein auf dem Tisch ist halbleer.)

?: Moskau oder St. Petersburg?

!: Natürlich Moskau.

?: Döner oder Curry-Wurst?

!: Weder noch. Ich bin Vegetarier.

 

Warum Essen Hauptstadt des Reviers werden muss

Franz-Josef Britz, der OB-Kandidat der Essener CDU will Essen zur Hauptstadt des Ruhrgebiets machen. Dafür gibt es gute Gründe…

Nachtleben
Ob Bonn oder Canberra – Verwaltungssitze zeichnen sich nicht  immer durch ein spannendes Nachtleben aus. Jeder, der bei schönstem Sommerwetter an der Rüttenscheider Straße schon einmal um 22.00 Uhr ins Haus getrieben wurde, weiß was ich meine.

Kultur
Politik und Kultur passen nicht zusammen. New York ist spannender als Washington, Amsterdam cooler als Den Haag. Eine Konzerthausauslastung von schlappen 34 Prozent und das Downsizing der Zeche Carl sprechen für Essen.

Wissenschaft
Geist und Verwaltung mögen sich nicht – Oxfort und Cambridge liegen auch nicht in London. Essen hat keine eigene Uni mehr und ist als Wissenschaftsstandort eher mau.

Sport
Fußball lenkt ab – wie gut, dass Essen nur einen Viertligisten hat und die Moskitos (Kein Fußballverein, machen irgendwas anderes) in der Insolvenz stecken. Da kann man sich gut auf das Jonglieren mit Verwaltungsvorlaben konzentrieren.

Prestigeobjekte
Hauptstädte sind klamm – und leisten sich teure Prestigeobjekte. Wie Essen. Schon ein fetter dreistelliger Millionenbetrag floss nach Zollverein und die Chancen stehen gut, dass weitere Millionen folgen. Hauptstadtwürdig!

Übrigens: Ich bin für Herne als Hauptstadt des Reviers!

Die fünf besten iPhone Applikationen für unterwegs

Wer mehr Zeit in Autos, Zügen und Flugzeugen als an seinem Schreibtisch verbringt ist ein Straßenkrieger. Was ist ein Krieger ohne seine Waffen? Klar, haben wir doch am Mann. Unser iPhone. Alles dabei um zu surfen, Mails zu checken oder die gängigen Community- und Microblogging Tools alle fünf Minuten anzuwerfen, dass man ja nix verpasst.

Hier eine Liste mit den Top-Five Applikationen, die das Leben auf der Straße wirklich braucht.
(Die Links gehen direkt in den iTunes-Store und verstecken sich in den Überschriften)

Evernote:
Damit kann man Text, Fotos und Sprachaufnahmen machen und sie plattformübergreifend im Web oder auf dem heimischen PC (wahlweise Mac) synchronisieren. Und wer möchte, versieht sie auf Knopfdruck mit der Geocodierung und die abgelegten Infos sind nicht nur nach Tags geordnet, sondern auch nach Orten. 

iHound:
Was ist die Steigerung zum kaputten iPhone? Das verlorene oder gar gestohlene.
Mittels des Location-Service des iPhones und einer webbasierten Anwendung bietet iHound die Möglichkeit, das iPhone wieder aufzufinden.

Take Me To My Car:
Wer kennt das nicht – ich gehöre auf jeden Fall zu den Straßenparkern – da ich mein Auto nicht täglich nutze, weiß ich wenn ich aus dem Haus komme und losfahren will oft nicht mehr wo es steht.
Das Mittel dagegen: Nach dem Einparken Positionen kurz im Programm aktivieren und schon ist man gegen ärgerliches Suchen gefeit.
Auch geeignet für Flugreisen. Welches Parkhaus, war es denn noch gleich?

Jaadu Remote Desktop:
Ist die Applikation für Geeks, die permanent mit ihren Maschinen in Kontakt bleiben wollen oder müssen.
Also weniger für den normalen Anwender.

Letzterer sucht sich einfach mal die Klicktel-Telefonbuch App heraus.
Viele tolle Features, die so erfolgreich sind, dass den Kollegen in Essen beim Start sogar die Server um die Ohren flogen.
Zusätzlich zum erwartbaren wie Telefonbuch, Invers- und Branchensuche, passend für die Verkehrslage im Ruhrgebiet ein Staufinder.

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Auf Kurzarbeit

Duisburg. Bruckhausen. Vorbei am "Schwarzen Diamant". Steht wohl leer. Hier ist Abrissgebiet, Brachland, hinten stehen Hochöfen verziert mit Ringelsöckchen. Dann Werkstore, links. Rechts: Dunkles Glas, das Verwaltungsgebäude von ThyssenKruppSteel macht sich schmal zur Straße, verschalt mit angelaufenen Stahlplatten. Oder Kupfer? Auf der gefrorenen Grünfläche eine dunkelrostige Bramme. Ein gepflasterter Weg führt zu ihr wie zu einem Ehrenmal.

Foto:ruhrbarone.de

Besucherparkplätze in Terrassen, Ebenen, Levels. Auf einer grauen Leitplanke sind Namensschilder angebracht. Fischedick, Schultkamp, Wiefel – Namen halt. Dazu das Auto, kleine Fahrzeuge, Ford, Peugeot. Und doch: Herr Fischedick wird sich jeden Morgen um 7:30 Uhr aufgehoben fühlen: Für mich wurde reserviert. Schlanke Männer in gedeckten Anzügen huschen ins Kasino. Ins Kasino? Die Frauen im Foyer, im Kostüm halten sich Klemmbretter vor die Brust. Warmes, weiches Licht hinter einem Blockrahmen im 1970er Braun.

Auf der Kaiser-Wilhelm-Straße kaum ein Auto. Über der Mauer öffnet sich ein Spalt breit Werk. Es knirscht, zischt, poltert, rumpelt. Keine Menschenseele, Waggons. Im Betriebsratgebäude am Tor 1 ist es warm. Männer begrüßen sich, stupsen sich in ihre Bäuche. Vertrauensköper. Erste Etage, rauchen, eine russische Schachtel liegt im Mülleimer. Ein Steinbock gezeichnet wie das Kamel, die gleiche Cremefarbe, Importware.

In der Vertrauenskörperleitung. Bürostühle um vier große Schreibtischplatten. Ein Telefon im Teleskopschwenkarm. Kaffeemaschine, Küchenpapier. Klarsichtbeutel mit Buttons, 67 steht auf rotem Grund. Verschränkte Arme der Kollegen: ich sach mal, Kurzarbeit. Maximal fünf Tage im Monat, dazu zwei Urlaubstage – mehr als sieben Schichten ist nicht erlaubt. Das regele eine Betriebsvereinbarung. Das haben sie erkämpft. Finde ich gut – nur was bringt das, wie lange hält das, wenn die Krise da ist. 90 Prozent nehmen die Arbeiter mit nach Hause, nicht einmal zehn Prozent wird eingespart. Wie lange wollen die sich das leisten, wenn kaum verkauft wird. 14.000 Mitarbeiter in Duisburg, brennende Hochöfen. In Beekerwerth auf Halde, da stapele sich das Material, da krisse Tränen inne Augen, sagt der VK-Leiter.
Und hat der Konzernchef nicht auch gesagt: so, die letzte Stahlkrise hat fünf Jahre gedauert, mal sehen wie lange es diesmal geht? Krise. Und? Haben sie Zahlen vorgelegt fürs laufende Jahr? Nö.

Die Gewerkschaft wisse natürlich was los ist. Schlimm ist es. Da drüben hinter dem Grünspan, im Kasino und den dunklen Anzügen, die schlanken Herren und Damen, die wollen nicht raus damit. Die trauten sich nicht. Stattdessen: Kostensenkungsprogramme. Aber das machen alle, ich hab so ein Bauchgefühl, sagt der Betriebsrat – ein ungutes. Ob die den Tarifvertrag einhalten? Was die Tarifrunde im März bringt? Es wird spannend.  Bis Ende März, ist mal sicher, werde hier kurzgetreten, kurzgearbeitet. Fünf Schichten im Monat – das regelt die Betriebsvereinbarung in Duisburg-Bruckhausen an der Kaiser-Wilhelmstraße.

Doch noch was: Wenn das Werk in Brasilien schon Brammen liefern würde, sagen sie, dann gute Nacht Marie. Oder mal so gesagt: "In weiser Vorausicht hat unser Management die Verzögerung der Bauarbeiten in Südamerika billigend in Kauf genommen."     

  

dpa-Chef kontra WAZ-Chef

Der Konflikt zwischen der WAZ und dpa köchelt weiter: Wilm Herlyn, Chefredakteur der Hamburger Nachrichtenagentur, hat seine Kunden angeschrieben, um sie über den Sachstand beim Thema WAZ zu informieren. Der Brief ist zwar ein paar Tage alt, aber erst heute bei uns gelandet. Hier der Brief:

"Betr.: Die dpa im Medienmarkt

Sehr verehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,

in den vergangenen Wochen war die Abkehr der WAZ-Gruppe von den Diensten der dpa ein wichtiges Thema in der Branche. Die öffentliche Darstellung des Falles entsprach nicht in allen Punkten dem Sachstand. Darum möchte ich Ihnen die aktuelle Situation aus Sicht der dpa selbst darstellen:

Alle Zeitungen der WAZ-Gruppe und das Online-Angebot „derwesten.de" beziehen seit dem 1. Januar kein Material der dpa mehr. Es gab keine Kündigung, die Verträge liefen turnusmäßig aus. Der Verlust für die dpa liegt bei etwa drei Millionen Euro. „derwesten.de" muss alle dpa-Beiträge von seiner Site entfernen. Die WAZ war dazu im vertragsgerechten Zeitraum nicht in der Lage, wir haben die Frist jetzt letztmalig verlängert.

Nur die zu der WAZ-Gruppe zählende „Braunschweiger Zeitung" bezieht weiter die Dienste der dpa.

dpa hat in der Vergangenheit immer wieder journalistisch und/oder verlegerisch begründete Entscheidungen gegen den Bezug bestimmter Dienste erlebt. Unser Respekt vor der redaktionellen und unternehmerischen Freiheit der Kunden stand dabei nie in Frage. Vorausgegangen waren immer intensive Gespräche in diesem Geist mit den Kunden. Die WAZ-Geschäftsführung und die WAZ-Chefredaktion allerdings verweigerten diese Gespräche.

Die WAZ-Verlagsgruppe hat entschieden, die Dienste gerade der Agentur nicht mehr zu nutzen, die sie über verschiedene Blätter des Hauses mitbesitzt. In unseren Augen ist das eine Abkehr von dem Solidaritätsprinzip der dpa-Gesellschafter, das seit 60 Jahren Garant für eine unabhängige Nachrichtenversorgung in Deutschland ist.

Den Eindruck einer Schädigung dieses Gedankens, der die Medienvielfalt in der Bundesrepublik Deutschland stützt, verfestigt ein TV-Auftritt des WAZ-Chefredakteurs in dem Medienmagazin „Zapp" in der vergangenen Woche. Der Fachjournalist Peter Turi kommentierte: „Die WAZ-Gruppe nutzt dpa-Inhalte doch weiter – allerdings für lau aus dem Web. Das gesteht WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz ganz offen im NDR-Medienmagazin „Zapp"."

Reitz sagte: „ …die (die Nachrichtenredakteure d. Verf.) sind den ganzen Tag im Internet, die haben vielfältige Quellen und surfen sich durch. Auch da muss man einfach der Fairness halber sagen: auch in Richtung dpa…Und so wie wir Informationen von dpa nutzen oder weiter daran arbeiten, so machen wir es aber auch mit den Informationsquellen, ohne für die diese Informationsquellen zu bezahlen. …. Wir haben aber inzwischen – auf Initiative übrigens der Chefredakteure hin – haben wir uns ganz klar festgelegt auf eine Regelung, die eben für die Zukunft ganz klar festlegt, wie wir es machen: Wir werden jede Information, die wir von dpa haben, als dpa-Information kenntlich machen."

Die Sendung „Zapp" ist abrufbar im Internet unter http:/www3.ndr.de/sendungen/zapp/tv114.html Bitte machen Sie sich selbst ein Bild. Eine solche Stellungnahme des „Ersten Journalisten" einer großen und renommierten deutschen Regionalzeitung ist m.E. ohne Beispiel.

Für Sie als Kunden der dpa möchte ich klarstellen: Die regionale und überregionale Berichterstattung aus Nordrhein-Westfalen wird nicht eingeschränkt. Das Verhalten der WAZ beeinträchtigt nicht die ökonomische Handlungsfähigkeit der dpa. Wir werden aber jeder missbräuchlichen Nutzung unseres Materials nachgehen und sie ahnden. Sollten Sie der WAZ-Gruppe Inhalte zuliefern, achten Sie bitte darauf, dass diese keine dpa-Inhalte enthalten.

Auf die Sendung „ZAPP" gab es eine öffentliche Reaktion der französischen Nachrichtenagentur Agence France Press (AFP), Nachrichtenlieferant für die WAZ-Gruppe. Unter anderem hieß es dort: „Der Beitrag verschweigt außerdem, dass dpa (wie jede andere Agentur auch) selbst hoch dotierte Verträge mit staatlichen Stellen in Deutschland hat." Der guten Ordnung halber möchte ich festhalten, dass selbst die Kumulation aller unserer Bezugsverträge mit staatlichen Stellen im Gesamtumsatz in Höhe bei 93,8 Millionen Euro lediglich mit einer niedrigen einstelligen Prozentzahl zu Buche schlägt. Die AFP erhält nach Aussage ihres Generaldirektor Piere Louette dagegen etwa 40 Prozent ihres Gesamtumsatzes in Höhe von etwa 260 Millionen Euro vom französischen Staat.

Wenn Sie Fragen haben, stehe ich Ihnen wie immer selbstverständlich zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wilm Herlyn"