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Rache für einen Kriegsverbrecher

Slobodan Praljak begeht Selbstmord vor laufenden Kameras im Gerichtssaal in Den Haag. (c) ICTY

Eine Welle von Drohungen und Angriffen lähmt seit Tagen Kroatiens Antifaschisten und unabhängige Medien – unter anderem renommierte Seiten wie Lupiga und die Wochenzeitung Novosti. Neben Morddrohungen in Social Media lassen kroatische Faschisten in koordinierten Aktionen Facebook-Auftritte von Medien und Antifaschisten schließen. Sie rächen sich für die Berichterstattung über den Selbstmord eines Kriegsverbrechers.

„Danke Euch. Wir haben mitbekommen, dass ihr die Rücknahme unserer Sperre beantragt habt“. Das schreibt erleichtert die Facebook-Seite von Antifa Šibenik heute abend.

Seit Samstag standen sie unter Beschuss von kroatischen Identitären und offenen Neofaschisten wie der Gruppe Urbana Desnica (Urbane Rechte, UD) und der kleinen Rechtsaußenpartei Generacija Obnove (GO), berichtet das Portal Balkanist.

Die Rechtsradikalen hatten Anstoß daran genommen, dass Antifa Šibenik kritisch über Trauerkundgebungen für den ehemaligen General Slobodan Praljak berichtet hatte.

Der verurteilte bosnisch-kroatische Kriegsverbrecher hatte am Mittwoch in Den Haag Selbstmord begangen, als das ICTY seine Verurteilung zu 20 Jahren Haft aufrecht erhalten hatte – unter anderem wegen Massakern kroatischer Einheiten in einem bosnjakischen Dorf und der Zerstörung der Brücke von Mostar.

Die kroatische Rechte feierte ihn nach seinem Selbstmord in Kundgebungen und katholischen Messen als Nationalhelden.

„Hybrider Krieg“

Am Wochenende meldeten Sympathisanten von UD und GO massenweise, dass Antifa Šibenik gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstoße. Facebook sperrte die Seite. Erst Dienstagabend stand sie wieder uneingeschränkt zur Verfügung.

Worauf eine Welle fingierter Beschwerden über Antifašistički Vjesnik hereinbrach. Ergebnis: Sperre.

Die Faschisten feierten sich offen in ihren eigenen Facebook-Foren und berieten das nächste Ziel, wie diese Screenshots zeigen.

In anderen Threads erklären sie einen „hybriden Krieg“ gegen die kroatische Antifa.

Kroatische Faschisten feiern ihre Angriffe.
Bombenstimmung in Faschistenforen nach erfolgreichen FB-Attacken
Freude über die gesperrte FB-Seite von Antifa Zagreb.

In jedem Fall bedurfte es einer massiven Beschwerdewelle bei Facebook, um die Sperren wieder aufzuheben.

Angriff auf freie Medien

Parallel erwischte es mehrere kritische Medien. Dem renommierten unabhängigen Portal Lupiga wurde am Dienstag der Facebook-Auftritt gesperrt. Was die Arbeit der Redaktion massiv behinderte.

Gesperrte Facebook-Seite des kroatischen Portals Lupiga

Lupiga ist seit Jahren Ziel der Rechten. Das Portal berichtet kritisch über nationalistische Umtriebe in allen Nachfolgestaaten Jugoslawiens.

Es veröffentlichte auch einen Aufruf von Linguisten und Literaten, die die Existenz einer gemeinsamen Sprache für Serben, Kroaten, Bosnier und Montenegriner postulierte.

Die Standardidiome der Nachfolgestaaten werden vor allem in Kroatien und Montenegro zu eigenständigen Sprachen erklärt. Die Sprachpolitik ist Teil einer revisionistischen Kulturpolitik, die ein scharf abgegrenztes nationales Erbe in geschlossenen Kulturräumen konstruieren will.

Vor wenigen Tagen erschien auf Lupiga ein Bericht, dass Unbekannte Teilnehmer einer Gedenkkundgebung für gefallene Partisanen in Mostar bedroht hatten. Auch das brachte vermutlich keine Sympathiepunkte bei Neofaschisten.

Auch die Berichterstattung im Fall Praljak http://lupiga.com/trazilica?utf8=%E2%9C%93&q=praljak.

Die Facebook-Seite von Lupiga war erst am späten Dienstagnachmittag wieder freigeschaltet – dank massiver Beschwerden von Lesern bei Facebook.

Novosti dürfte knapp davongekommen sein

Auch die linksorientiere Zeitung Novosti war Opfer massiver Angriffe von Identitären und anderen Neofaschisten.

Bis dato dürfte ihnen nicht gelungen sein, den Facebook-Auftritt von Novosti sperren zu lassen.

Auch Novosti ist Feindbild der kroatischen Rechtsradikalen. Es wird von Vertretern der serbischen Minderheit betrieben und ist klar antifaschistisch.

Unter anderem entlarvte es im Vorjahr die Vergangenheit des damaligen Kulturministers Zlatko Hasanbegović in der Neo-Ustaša-Bewegung der 1990-er.

Hasanbegović nannte wenig später die Niederlage der Ustaša die größte Tragödie in der Geschichte des kroatischen Volks.

Allerdings wurden mehrere Artikel auf der Facebook-Seite von Novosti gesperrt und mehrere Administratoren der Seite blockiert.

Balkan Stories ist es bisher nicht gelungen, eine Reaktion von Novosti zu erhalten.

Antifaschistische Dokumentation als „Verstoß gegen Gemeinschaftsstandards“

Nach wie vor offline war Dienstagabend der Facebook-Auftritt der antifaschistischen und linken Partei Radnička fronta. Auch er ein Opfer der offensichtlich koordinierten Attacke.

Laut Balkanist stellte die Partei die Seite inaktiv, bevor sie gesperrt werden konnte. Die gleiche Vorgangsweise habe die Organisation Mreža Antifašistkinja Zagreb gewählt.

Die Vorgangsweise der Neofaschisten war in jedem Fall plump, wie das für seine Recherchen bekannte Portal Balkanist schreibt.

Die Neofaschisten beschwerten sich bei Facebook über Screenshots von Hakenkreuzen und Ustaša-Symbolen und historische Fotos, die faschistische Verbrechen anprangerten.

Dass die Screenshots von den eigenen Seiten stammten und die offen faschistischen Umtriebe in der kroatischen rechtsradikalen Szene dokumentierten, verschwieg man wohlweislich.

Morddrohungen gegen kritische Journalisten

Parallel läuft eine offenbar rechtsradikale Einschüchterungswelle gegen kritische Journalisten in Kroatien und Bosnien.

Mitarbeitern von Medien wie index.hr wurde auf ihren Social Media-Konten gedroht, man werde sie umbringen, berichtet der OSCE-Vertreter für Medienfreiheit, Harlem Désir.

Betroffen waren unter anderem auch Sanel Kajan (Al Jazeera) and Štefica Galić (tacno.net). Beiden soll auch Vergewaltigung angedroht worden sein.

Désir fordert, dass kroatische und bosnische Behörden umgehend aktiv werden.

Ein Zusammenhang mit kritischen Berichten über Slobodan Praljak ist wahrscheinlich.

Das macht diese Kampagne zu einer der umfassendsten und bedrohlichsten gegen freie Medien und Antifaschisten in Kroatien seit Jahren.

Der Rechtsruck der kroatischen Politik ist spürbar

Seitdem die klerikalnationalistische HDZ zurück an die Macht gewählt wurde, hat sich das Klima in dem EU-Mitgliedsland deutlich verschlechtert.

Neofaschistische Gruppierungen treten immer offener auf. Faschistische Symbole, in Kroatien verboten, werden kaum mehr versteckt. Der „kroatische Gruß“, der aussieht wie der Hitlergruß, wird von rechtsradikalen Fans bei Fußballspielen offen gezeigt.

Konsequenzen gibt es meistens keine.

Mitarbeit: Ana Benačić und Una Hajdari

Titelbild: Slobodan Praljak nimmt vor laufenden Kameras Gift im Gerichtssaal von Den Haag. Foto: (c) ICTY

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