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Sascha Pallenberg: „700 Euro Handys sind nur noch Statussymbole, die rational nicht mehr zu empfehlen sind“

Sascha Pallenberg 2015 zu Besuch in seiner Heimatstadt Waltrop. Foto: Robin Patzwaldt
Sascha Pallenberg im Sommer 2015 zu Besuch in seiner Heimatstadt Waltrop. Foto: Robin Patzwaldt

Blogger und Technik-Freak Sascha Pallenberg und Ruhrbarone-Autor Robin Patzwaldt wuchsen beide in Waltrop (Kreis Recklinghausen) auf. In den 1980-er Jahren besuchten sie eine Zeit lang beide das Theodor-Heuss-Gymnasium in Waltrop. Im Vorjahr war Pallenberg nach einigen Jahren Pause mal wieder zu Gast auf dem ‚Waltroper Parkfest‘, kehrte dafür extra in seine alte Heimatstadt im ‚Revier‘ zurück. Patzwaldt nutzte damals die günstige Gelegenheit um sich im August 2015 mit dem inzwischen seit Jahren in Taiwan beheimateten Pallenberg zu einem Interview in der örtlichen Fußgängerzone zu treffen und u.a. über alte Zeiten zu plauschen.

Nun, gut ein Jahr später überraschte der Technik-Experte jüngst mit einer Ankündigung, dass er sein inzwischen recht berühmtes Internet-Projekt ‚Mobile Geeks‘ zum Jahresende 2016 verlassen werde um sich danach dann beruflich ganz neu aufzustellen.

Anlass genug also für ein weiteres Interview mit Sascha Pallenberg in diesem Blog.

Ruhrbarone: Kannst Du Dich eigentlich noch daran erinnern, wie Du mal mit dem Bloggen angefangen hast und wann und wo das war? Was hat sich Deiner Meinung nach in der Szene verändert? Und wie beurteilst Du diese Entwicklungen seither?

Pallenberg: 2001 habe ich meinen ersten Testbericht auf meiner damaligen Seite Epiacenter veröffentlicht… über ein Motherboard aus Taiwan (auch ein Grund warum ich ein Jahr später zum ersten Mal auf diese Insel eingeladen wurde), aber so richtiges Blogging war es nicht. Im Gegenteil, ich finde es rückblickend verdammt langweilig was ich damals gemacht habe. Als ich dann Mitte 2006 in die USA ging, da änderte sich langsam aber sicher mein Stil. Weg von dem „Fakten runter rattern“ hin zu mehr Meinung, Leidenschaft und „Tacheles“. Ein Jahr später ging dann auch mein Youtube-Kanal online. Rückblickend habe ich wohl die ersten dt. Techvideos auf Youtube gepackt und sorry, dass darunter wohl auch die ersten Unboxing-Clips waren. Die nerven ja inzwischen so einige 😉

https://www.youtube.com/watch?v=bISydc0xygo

(altes GIGA Video von 2002)

Mit Eeepcnews ging es dann fast auf den Tag genau vor 9 Jahren los. Ich wohne damals in Rancho Cucamonga in East-L.A. und hatte diesen kleinen ASUS Eee PC vor allen anderen Medien in Deutschland. Ein kleines Netbook, welches die PC- und Notebook-Szene im Sturm erobern sollte. Ja und dann habe ich halt 1, 2 Artikel am Tag veröffentlicht. Jeden Tag. Dazu Videos, Messereports und ganz viele persönliche Einschätzungen. Ich denke mal diese Kombination gab es zuvor noch nicht in Deutschland und war deshalb auch entsprechend erfolgreich.

Und jetzt? Schau die Youtube an! Du kannst mit Tech-Youtubern die Straße pflastern. Alle besprechen die gleichen Plattformen, im gleichen „wie viele Kameraschwenks bekomme ich in 60 Sekunden untergebracht“-Stil. Dazu kommt noch ein mehr als offensichtlicher Opportunismus. Alles ist toll, schön. Rants oder mal einen deftigen Verriss, das suchst du da vergeblich. Es ödet mich ehrlich gesagt sowas von an. Es ist alles so beliebig und austauschbar geworden.

https://www.youtube.com/watch?v=khFuwmNTHpI

(Golem 2012)

Blogs in Deutschland? Ach ja, es gibt da sicherlich in den verschiedenen Kategorien jeweils eine Hand voll, die über den Status eines Hobbyprojekts gekommen sind. Aber ich glaube die dt. Blogosphaere hat es verpasst bereits vor 5, 6 Jahren den Claim hier abzustecken und zu sagen, hey… wir machen hier die Inhalte mit Meinung. Jetzt rollt die von mir bereits 2012 angekündigte US-Blogwalze über die Szene. Solchen Highlights wie Vice, stehen auch Content-Müllhalden wie Buzzfeed und Huffington Post gegenüber. Klicks um jeden Preis und das leider durchaus erfolgreich. Und wie reagieren die dt. Publisher darauf? Spiegel bringt mit Bento einen Buzzfeed Clickbait-Klon, der sich ganz offensichtlich auch auf die Gesamtperformance der SpOn-Redaktion ausgewirkt hat. Ganz ehrlich, das ist schockierend, wie die Qualität in ehemaligen „Leitmedien“ in den letzten Jahren abgenommen hat.

Ruhrbarone: Was wird Deiner Meinung nach in den nächsten Jahren geschehen? Wohin wird sich das Bloggen entwickeln? Was würdest Du Dir wünschen?

Pallenberg: Das würde eigentlich den Blogs die Chance geben in diese Lücke zu stoßen, um Premium-Inhalte anzubieten. Aber das erfordert entweder sehr viel Einsatz oder aber eine entsprechende Finanzierung. Guck dir doch die Horden heute an, die durch Supertalent, DSDS und Lets Play Videos konditioniert werden. Heute kann jeder ein Star sein und genau das wollen sie. Egal wie. Das dürfte auch der Grund sein warum Blogs wie Buzzfeed überhaupt Schreiber finden. Ich mein, was sind das denn für Vögel, die ihre Lebenszeit mit Artikeln wie „49 Fotos, die dich ratlos zurücklassen, wie bisher nichts in deinem Leben“ verschwenden? Was ist da schief gelaufen in deren Leben?

Wir haben in den letzten 10 Jahren massenhaft mutierte Internetverstopfer herangezogen, deren Reputation anhand der Like-Zahlen auf Facebook definiert wird. Recherche, Storytelling… das war gestern, heute sind es die Likes, Shares und Emoji unter dem Artikel. Engagement als Öl der Publisherbranche und das wird nicht besser werden.

Umso wichtiger ist es, dass es Angebote wie z.B. die Ruhrbarone gibt. Die Blogosphaere braucht Idealisten und sie braucht auch die Leser, die dies erkennen und sich entsprechend beteiligen. Sei es durch den Besuch der Seite, aber auch vor allen Dingen durch finanzielle Unterstützung.

Das mag sich alles ein wenig fatalistisch anhören und ja, ich bin mir sicher, dass es immer wieder Highlights geben wird, der Qualitätsinhaltskampf ist aber auf breiter Front verloren. Trash ist einfach lauter!

Ruhrbarone: Du hast Dich in den letzten Jahren naturgemäß ja sehr intensiv mit technischen Entwicklungen beschäftigt, hast in Deiner jüngsten Erklärung im Netz auch schon kurz angedeutet, dass es Dich aktuell vielleicht nicht mehr so sehr reizt auf dieser Schiene weiterzumachen, das x-te Handy vorzustellen usw.. Hat Deine Technikbegeisterung zuletzt so etwas gelitten? Oder habe ich das überinterpretiert?

Pallenberg: Aber hallo! Das 5000. Smartphone zu testen… sorry, ich kann es einfach nicht mehr. Mein jetziges Handy ist in 3 Jahren auch immer noch grandios gut. Es kommt vielleicht noch 1 oder 2 mal im Jahr vor, dass mich etwas wirklich begeistert und ich sagen kann… wow! Was habt ihr denn da bitte gezeigt? Aber dann betrifft das kaum noch Unterhaltungselektronik, sondern Entwicklungen im industriellen Bereich oder in irgendwelchen Laboren. Der Unterhaltungselektronik-Markt wird sich in den nächsten Jahren auf eine gehörige Durststrecke einstellen müssen. Wir stehen bereits am Rande der Innovationswüste und das wird die Hersteller veranlassen, weitaus günstigere Geräte herauszubringen. 700 Euro Handys sind nur noch Statussymbole, die rational nicht mehr zu empfehlen sind.

Ruhrbarone: Du hast in Deinem Statement zuletzt zudem so einen leichten Anflug von ‚Midlife-Crises‘ durchschimmern lassen, wie ich fand, als Du davon geschrieben hast, dass Du in 25 Jahren schon 70 Jahre alt sein wirst und diese Jahre entsprechend nutzen willst. Was konkret willst Du denn in den nächsten Jahren machen, welche Ideen umsetzen? Worauf hast Du aktuell so richtig viel Lust? Konkret: Was planst Du ab Januar zu tun?

Pallenberg: Ich werde am 1. Januar bei Daimler in der Unternehmenskommunikation anfangen. Ein Traumjob bei einer Firma, die mir sehr am Herzen liegt. Sie haben bei mir angerufen, ich habe nach vier Wochen endlich ‚Ja‘ gesagt und bin nun darüber sehr sehr glücklich. Da gibt es noch so viele Ideen die ich umsetzen will und muss, aber dafür brauche ich nun auch eine etwas größere Infrastruktur. Ich trete nicht bei Daimler an, die ja mit Markenclaims (siehe Mercedes) „das Beste oder nichts“ antreten, um dann da irgendwie so eine „me too“-Plattform zu befeuern. Nein, der Anspruch der Stuttgarter ist mit dem meinen deckungsgleich. Zeigen was der Erfinder des Automobils drauf hat, ohne aber kritiklose Werbebotschaften ins Netz zu schießen. Mich interessieren die Stories hinter der Kulissen. Die „hidden Heroes“, die die automobile Entwicklung in den letzten Jahrzehnten maßgeblich mitbestimmt haben. Aber natürlich auch, wie sich das auf unsere Umwelt und Städte auswirken wird. Die Automobil-Industrie ist da für mich ein Schlaraffenland für Inhalte und Geschichten und ich bin froh, dass dies auch Daimler erkannt hat.

Mein Kopf und mein Herz kommen hier nach Hause. Die Mobilität der Zukunft interessiert mich wie kein anderes Thema und das werde ich nun mit dem gleichen Einsatz angehen, mit dem ich die letzten Jahre meine Blogs hochgezogen habe.

Ruhrbarone: Hast Du schon eine Vorstellung davon wie es dann, nach deinem Ausscheiden, mit/bei Mobile Geeks weitergehen wird? Wird sich für Eure bisherigen Fans etwas verändern? Was wünscht Du Dir für Euer bisheriges Projekt?

Pallenberg: Mobile Geeks ist nicht Pallenberg. Da sind ja mit Bernd Rubel und Carsten Drees, übrigens auch zwei Jungs aussem Pott, Redakteure, die dir täglich eine Story liefern können, die es bis in die Newszentralen aller großen Publikationen in Deutschland schafft. Das sind absolute Profis, die mit mir genau diese Leidenschaft teilen. Und deshalb werden sie auch die Seite in meinem Sinne weiterbetreiben, was übrigens auch heißt, dass sie offen für Veränderung sein werden. Wer heutzutage nicht flexibel ist, der verliert den Anschluss.

Ruhrbarone: Und was wünscht Du Dir für dich selber in den nächsten Jahren? Was ist Dir nun in Zukunft wichtig? Sei es beruflich, oder auch privat….

Pallenberg: Ich wünsche mir, dass ich niemals richtig erwachsen werde und das bitte ich nicht falsch zu verstehen. Meine strategischen Entscheidungen der letzten Jahre waren sehr pragmatisch, ja zum Teil sogar konservativ. Ich habe schließlich eine gehörige Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Aber du brauchst eine gehörige Portion kindlicher Begeisterung, um dich immer wieder Veränderungen gegenüber zu öffnen. Entwicklungen einzuordnen, zu filtern und nicht einfach nur mit einem „ne, das wird eh nichts“ etwas abzuwatschen!

Es gibt keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen, dennoch suchen wir diese offensichtlich viel zu häufig. Deshalb wünsche ich mir vor allen Dingen, dass ich niemals in eine derartig blinde Arroganz verfalle und sollte es dennoch mal den Anschein geben, dass meine Freunde mir dann ordentlich in den Hintern treten werden. Das hätte ich dann nämlich verdient.

P.S. Und so ganz nebenbei… Welt- und inneren Frieden, denn wenn ich sehe was zur Zeit in Europa und der westlichen Welt so abgeht, dann wirkt das auf mich alles sehr bedrohlich. Wenn dann noch Schalke Meister wird, dann gehe ich umgehend in die Rente, denn dann habe ich alles gesehen. 😉

Ruhrbarone: Na, dann wünschen wir Dir, dass alle Deine Wünsche so in Erfüllung gehen mögen. Also alle, bis auf das mit der Schalke-Meisterschaft vielleicht… Da muss ich als alter BVB-Fan natürlich umgehend mein ‚Veto‘ einlegen… 😉 Bis demnächst, Sascha! Und natürlich ‚Viel Erfolg‘ im neuen Job! 🙂

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Yilmaz
Yilmaz
7 Jahre zuvor

"700 Euro Handys sind nur noch Statussymbole, die rational nicht mehr zu empfehlen sind."

Satz des Tages!

Danke dafür…

Michael
Michael
7 Jahre zuvor

Der Name des Interviewten sieht mir nach einem Druckfehler aus:

Pascha Sallenberg

KE
KE
7 Jahre zuvor

Das war dann die pessimistischste Aussage zum eigenen Renteneintritt, die ich bis jetzt gehört hab.

Btw mein fast 700 Eur Handy ist für mich ein Arbeitsgerät, das den High End Bereich darstellt. Wir sollten auch Geld für Technik ausgeben, wenn wir wollen, dass Premium Technik nicht nur in Länder, die hierfür Geld ausgeben angeboten wird.

Dafür würde mir heute noch ein Kadett oder Astra aus den 90er Jahren ausreichen. Mobilität wird sich ändern , ich bin neugierig, wie die dt. Premiumhersteller hier agieren werden.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
7 Jahre zuvor

Ich wüsste nicht, wann statusgeile 700-Euro-Handys jemals eine rationale Empfehlung wert waren. Auf diesem Planeten jedenfalls noch nie – es sei denn, man lügt sich selbst einen in die Tasche, um ans Statussymbol zu kommen.

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