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Senioren am Steuer – CDU gegen regelmäßigen Gesundheitscheck

Noch fit? Ein Check-Up wäre sinnvoll, Foto: flickr by: der_dennis, (CC BY-NC-SA 2.0)

Die CDU NRW nimmt die Wählergruppe der Senioren ins Visier. Lutz Lienenkämper, Röttgens Wahl für das Verkehrsministerium im Schattenkabinett, kritisiert den Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD). „Mit Senioren-Diskriminierung kommen wir nicht weiter“, schreibt Lienenkämper. Neumann fordert einen regelmäßigen Gesundheitstest für Autofahrer. Das wäre eine Verschärfung der Regelung, die ab 2013 gelten soll. Dieser zufolge soll die Gültigkeit von Führerscheinen auf 15 Jahre begrenzt werden. Neusten Zahlen zufolge sind Menschen ab 65 Jahren mit 61,6 Prozent die häufigsten Unfallverursacher im Straßenverkehr. Auch der ADAC kritisiert Neumann für seinen Vorstoß.

„Bei der Verlängerung von Führerscheinen darf es keinen Automatismus mehr geben. Der Bundesverkehrsminister sollte die Chance nutzen, parallel zur Einführung der 15-jährigen Befristung von Führerscheinen regelmäßige Gesundheitstests zur Pflicht zu machen“, sagte Neumann der Bild-Zeitung. Dies klingt zunächst recht vernünftig, sorgen Senioren doch regelmäßig mit spektakulären Unfällen für Schlagzeilen. Der ADAC hingegen „wendet sich ausdrücklich gegen regelmäßige verpflichtende Fahrtauglichkeitsuntersuchungen für Führerscheininhaber, da davon keine Verbesserung der Verkehrssicherheit zu erwarten ist.“ Der Verband sagt:

„Als schwächere Verkehrsteilnehmer – also als Radfahrer und Fußgänger – sind Senioren sehr viel häufiger sogar Opfer statt Verursacher. Jeder zweite Verkehrstote aus diesen beiden Gruppen war älter als 65 Jahre.“

Dies mag stimmen. Nur erstens können auch „schwächere Verkehrsteilnehmer“ Unfälle verursachen, denen sie dann selbst zum Opfer fallen. Und zweitens sagt die Tatsache, dass radelnde und schlendernde Senioren häufig Unfallopfer werden, nichts darüber aus, wie sich diese Gruppe am Steuer benimmt. Widerspruch übt der ADAC auch an den Zahlen, die Neumann anführt. Während sich der Hamburger Innensenator bezüglich seiner Zahl von 61,6 Prozent auf die Unfallbilanz der Hamburger Polizei für das Jahr 2011 beruft, schreibt der Automobilclub mit Verweis auf die „offiziellen Unfallzahlen des Statistischen Bundesamtes“:

„Autofahrer über 65 Jahre sind lediglich in 13 Prozent aller Fälle Verursacher eines Unfalls mit Personenschaden. Bei einem Bevölkerungsanteil von 20 Prozent liegen Senioren damit weit unter dem Schnitt anderer Altersgruppen.“

Das gerontologische Einmaleins

Der Zahlenwirrwarr ist somit perfekt. Abseits nackter Statistiken, die beiderseitig in Zweifel gezogen werden, bietet der ADAC auch „weiche“ Argumente. Ältere Verkehrsteilnehmer besäßen eine „lebenslange Erfahrung am Steuer“, so Ulrich Klaus Becker, ADAC Vizepräsident für Verkehr. Das mag stimmen, doch es gehört zum gerontologischen Einmaleins, dass im Alter die Seh- und Hörfähigkeit abnimmt, die Motorik beeinträchtigt wird und somit das Reaktionsvermögen leidet. Altersforscherinnen bedienen sich ganz praktischer Methoden, um diesen Zustand zu simulieren. Dazu entwickelten sie den sogenannten Alterssimulationsanzug. Wikipedia erklärt ihn so:

„Ein Alterssimulator besteht aus einem Overall, in den Gewichte an verschiedenen Stellen eingebaut sind, um einen Eindruck von den nachlassenden Kräften im Alter zu vermitteln. Ältere Menschen können ihre Gelenke nicht mehr so gut bewegen und dies wird mit Vorrichtungen zur Einschränkung der Beweglichkeit von Arm- und Kniegelenken simuliert. Gehördämpfer simulieren reduziertes Hörvermögen, vor allem für höhere Frequenzen. Die altersbedingten Veränderungen des Sehvermögens Alterssichtigkeit (Presbyopie) einschränktes Gesichtsfeld, Trübungen der Linse (Katarakt) und verändertes Farbensehen können mit speziellen Visieren oder Brillen simuliert werden. Weitere Elemente sind Handschuhe, die den Benutzer nachlassende Fingerfertigkeit und verringerte Sensibilität erleben lassen.“

Dieser Anzug wird in der wissenschaftlichen Altersforschung verwendet. Man stelle sich nun ganz einfach vor, sich mit diesem Anzug an das Steuer eines Autos zu setzen, und in den Stadtverkehr einzutauchen. Da braucht es wenig Phantasie um sich ausmalen  zu können, wie beeinträchtigend dies ist, egal, über wie viel „lebenslange Erfahrung“ die entsprechende Seniorin verfügt. Was auch immer die Zahlen sagen – ein regelmäßiger Check-Up ist da sicher sinnvoll. Andere machen‘s sogar vor: In Schweden und Großbritannien müssen sich Senioren alle drei Jahre auf ihre Fahrtauglichkeit testen lassen, in den Niederlanden ist dies alle fünf Jahre fällig. Und in Spanien muss man schon mit 45 zum verpflichtenden Seh- und Hörtest.

Empörung verständlich

Nun ist die Empörung seitens der CDU und des ADAC über diese durchaus sinnvolle und in keinster Weise diskriminierende Forderung verständlich. Die Christdemokraten kämpfen um die Senioren als Gruppe mit der höchsten Wahlbeteiligung. Und der ADAC hat schlicht Mitglieder zu verlieren, wenn die Generation 65 plus nicht mehr aufs Gas drückt. Dass hier aber aus reiner politischer Ästhetik Menschenleben gefährdet werden, ist eigentlich ein Skandal. Glücklicherweise sind viele ältere Menschen einsichtig – und geben die Fleppe irgendwann von selbst ab.

 

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der, der auszog
der, der auszog
11 Jahre zuvor

Wen wundert die ablehende Haltung der NRW-CDU bezüglich einer Verschärfung der Führerscheinregelungen, wenn man bedenkt, dass man ihrem derzeitigen Generalsekretär und Ex-NRWVerkehrsminsiter Olli Wittke bereits zweimal den Lappen weggenommen hat?
Von mir aus sollte ein Gesundheitscheck nicht nur aus Altersgründen eingeführt werden, sondern auch bei Wiederholungstätern stattfinden, die noch keine 65 sind. Aber solange die Raser und Verkehrsrowdys ihren besten Lobbyisten im Präsidium der NRW CDU sitzen haben, ist das wahrscheinlich reine Illusion.

Eva
Eva
11 Jahre zuvor

Ich fände eine verpflichtende Kontrolle der Verkehrstüchtigkeit älterer Menschen sehr wohl diskriminierend, und zwar weil Statistiken tatsächlich nicht hergeben, dass von dieser Gruppe eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr ausgeht. So weit mir bekannt ist, bauen Fahranfänger und Betrunkene die meisten Unfälle, aber eben nicht Senioren. Es gibt also keinen nachvollziehbaren Grund dafür, Ältere unter Generalverdacht zu stellen und von ihnen – und nur von ihnen! – eine regelmäßige Kontrolle der Fahrtüchtigkeit zu verlangen. Eher angebracht fände ich das zum Beispiel bei Menschen mit einer narzisstischen und antisozialen Persönlichkeitsstörung, denn die fallen nachgewiesenermaßen durch ein hoch riskantes, sich selbst und andere gefährdendes Verhalten im Straßenverkehr auf.

Robin Patzwaldt
11 Jahre zuvor

Warum nicht einfach für alle Führerscheininhaber einen regelmässigen TÜV einführen, so wie es ihn auch z.B. für die Autos gibt? Könnte mir gut vorstellen die jeweilige Gültigkeit des Führerscheins generell immer nur auf z.B. 5 Jahre zu begrenzen. Es wäre diskriminierungsfrei und ‚gesund‘ für alle die auf den Straßen unterwegs sind. Leute mit Sehfehlern und Reaktionsschwächen könnten so leicht erkannt werden.
Ich weiss noch welche Schwierigkeiten wir in der Familie hatten meinen über 80-jährigen Opa damals davon zu überzeugen, dass er wirklich nicht mehr gut genug sehen kann, als er innerhalb weniger Wochen zweimal sein eigenes Auto zu Schrott gefahren hatte, indem er beim Verlassen seiner Garagenausfahrt schon mit anderen PKWs direkt vor seiner Garagenausfahrt kollidierte. Zum Glück hat er dann auf uns gehört, hat auf das Führen von PKWs verzichtet, bevor noch jemand zu Schaden kommen konnte. Aber wenn er sturr gewesen wäre, dann hätte er noch lange weiter fahren können.

Höddeldipöpp
Höddeldipöpp
11 Jahre zuvor

Es kommen jedes Jahr mehr Leute wegen Rauchens um, als durch von Senioren verursachte Verkehrsunfälle 😉

Man könnte jedes Jahr mit Tempo 130 auf allen Autobahnabschnitten 200-300 Menschen retten. Das wären seit 9/11 ungefähr genauso viele, wie im Twin-Tower um’s Leben gekommen sind. Wer sich um die Sicherheit in diesem Lande sorgt, sollte dort anfangen.

Es ist ein Witz, dass man heute zum TÜV alle zwei Jahre muss, obwohl die Autos jedes Jahr sicherer werden.

Oder dieser Quatsch mit den 5 verschiedenen Führerscheinen, die man jetzt braucht, um mehr als eine Fahrzeugart zu bewegen.

Es reicht mit der Vorschrifterietis. Irgendeine Insellogik findet sich immer, um wieder irgendwas neu einzuführen um damit irgendeine Interessengruppe (Ärzte, KFZ-Werkstätten, Fahrlehrer, …) zu pimpen.

der, der auszog
der, der auszog
11 Jahre zuvor

@Höddeldipöpp

Kommen jedes Jahr mehr Leute im Straßenverkehr um, weil sie beim Autofahren rauchen? Oder verstehe ich Deinen Satz jetzt völlig verkehrt?

Über ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen von 130 km/h (bzw. 120 km/h wie in Resteuropa) wird zwischendurch ja immer mal diskutiert, natürlich nicht unbedingt vor Bundes- oder wichtigen Landtagswahlen. Neben den von Dir aufgeführten Gründen ist der Umweltschutz das zweite vernüftige Argument. Die Fronten bei dieser Diskussion sind dabei annähernd dieselben wie in der Seniorendebatte. Auch hier vertritt der ADAC die Autoindustrie und die notorischen Raser und seit Mitte der 70er Jahre heißt es von Deutschlands größtem Automobilclub: „Freie Fahrt für freie Bürger.“ Es ist schon ein wenig paradox, welchen Aufwand unsere Gesellschaft, und ihr voran die Politik betreibt, um beispielsweise den Terrorismus, der ja auch seine Todesopfer fordert, zu bekämpfen; und wie laxig andererseits die Tausende von Toten, die der Autoverkehr jedes Jahr fordert, mit Hilfe von Statistikern und Verkehrsexperten „klein“ gerechnet werden.

Aber um noch einmal auf die regelmäßige Überprüfung des Gesundheitszustandes zurückzukommen: In der Luftfahrt ist ein Gesundheitscheck seit Ewigkeiten Gang und Gebe. Jeder Pilot, der in Deutschland und der übrigen westlichen Welt ein Fluggerät bewegen möchte, muss sich alle zwei Jahre einem Gesundheitscheck stellen, egal ob als Bundeswehrpilot, als Berufspilot in der zivilen Luftfahrt, oder als reiner Hobbyflieger, der nur mit dem Segelflugzeug oder Ultralightgerät unterwegs ist. Das Alter spielt dabei keine Rolle, das gesundheitliche Tauglichkeitszeugnis ist für jeden verpflichtend.
Mal ein kleiner Vergleich: In 2011 verloren bei 28 Unfällen in der Zivilen Luftfahrt weltweit 507 Menschen ihr Leben. Im Vergleich dazu starben im selben Zeitraum allein in Deutschland 3991 Menschen durch Verkehrsunfälle. Solange sich das Unfallrisiko durch „Vorschriferitis“ minimieren lässt, kann man damit ganz gut leben. Statistisch gesehen sogar länger.

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