
Heute war es wieder so weit: Einschulung in Nordrhein-Westfalen. Für die I-Männchen ein aufregender Tag voller Stolz, Schultüte und neuer Wege. Für die Eltern ein emotionaler Einschnitt – und leider für viele auch der Startschuss, das eigene Kind wie ein rohes Ei zu behandeln.
Das Ergebnis war heute an unzähligen Grundschulen in NRW besonders deutlich zu beobachten: Verkehrschaos, Hupkonzerte, genervte Nachbarn. Schuld daran sind die schon seit Jahren berüchtigten Helikoptereltern.
Kaum eine Straße vor einer Grundschule war heute frei. SUVs und Familienvans blockierten Einfahrten, parkten in zweiter Reihe, ließen Motoren laufen. Alles mit dem frommen Vorsatz: „Ich will doch nur, dass mein Kind sicher zur Schule kommt.“
Doch was absurd klingt, ist längst Realität: Statt den Nachwuchs die paar hundert Meter laufen zu lassen – und ihm damit Selbstständigkeit beizubringen – wird er direkt bis zum Schultor chauffiert. Notfalls im Halteverbot. Notfalls mit riskanten Wendemanövern vor den Augen der frisch eingeschulten Kinder.
Natürlich: Der erste Schultag ist besonders. Viele Eltern sind aufgeregt, viele wollen kein Risiko eingehen. Aber wer jemals vor einer Schule zur Bringzeit gestanden hat, oder wie ich dort wohnt, weiß: Hier geht es längst nicht nur um Fürsorge, sondern um Bequemlichkeit und Kontrolle. Und einmalig ist das Phänomen auch nicht.
Dieses aus den Fugen geratene Verhalten ist dabei ein Widerspruch in sich – denn die vermeintliche Sicherheit im Auto wird durch das Chaos vor der Schule ins Gegenteil verkehrt. Kinder müssen zwischen Stoßstangen hindurchhuschen, Anwohner kommen nicht mehr aus ihren Einfahrten, und die Polizei muss regelmäßig einschreiten.
Dabei ist längst bekannt, dass sogenannte „Elterntaxis“ nicht nur den Verkehr gefährden, sondern auch den Kindern schaden. Wer immer gefahren wird, lernt nicht, sich selbstständig im Straßenverkehr zu bewegen. Wer nie zu Fuß geht, verpasst die kleinen sozialen Rituale des Schulwegs: das Plaudern mit Freunden, das eigenständige Ankommen. Kurzum: Die Helikoptermentalität raubt Kindern ein Stück Kindheit.
Es wäre an der Zeit, dass Schulen, Kommunen und vor allem die Eltern selbst umdenken, und nicht nur mit frommen Bitten an die direkt beteiligten Eltern auf diese Realität reagieren. Weniger Blech vor dem Schultor, mehr Vertrauen in die eigenen Kinder. Weniger Panik, mehr Gelassenheit. Und vielleicht wäre dann auch, ganz nebenbei, ein entspannterer Start in das Schulleben das Ergebnis– ohne Stau, ohne Hupen, ohne Nervenzusammenbruch am Steuer.
Denn eines ist sicher: Der erste Schultag sollte in erster Linie den Kindern gehören. Nicht den Autos ihrer Eltern. 😉

Einerseits hat der Autor völlig Recht – dieses Verhalten ist in Bezug auf die Sicherheit der Kinder selbstwidersprüchlich, und es wäre für die Kinder besser, wenn sie Selbstständigkeit lernen, indem sie für sie bewältigbare Strecken alleine zurücklegen, d.h. laufen.
Andererseits fängt da das Problem an: Damit die Kinder das lernen können, müssten die Eltern zumindest die erste Zeit (mangels eigener Kinder habe ich keine Erfahrung damit, wie lange) zusammen mit den Kindern laufen. Sie müssten bei der Einschulung und anderen Schulveranstaltungen die Strecke, die die Kinder bewältigen können sollen, auch selbst laufen. Sie müssten, damit die Kinder das „Den Weg kannst du alleine gehen!“ nicht zurecht als Heuchelei empfinden, auch selbst ähnliche Wege zu Fuß zurücklegen.
Und da liegt der Hase im Pfeffer. In unserer Gesellschaft ist das Auto eben immer noch das Verkehrsmittel Nr.1. Viele Autobesitzer halten es geradezu für ihr Menschenrecht, immer überallhin mit ihrem Auto fahren zu können, und halten es für eine Zumutung, wenn es darin Einschränkungen gibt oder auch nur kein optimaler Service zur Verfügung steht, sprich nicht direkt in der Nähe des gewünschten Ziels ein Parkplatz zur Verfügung steht.
Das führt an vielen Stellen, nicht nur vor Schulen, zu ähnlichen Paradoxien wie dem, das der Autor beschreibt: man möchte schnell, sicher und bequem ans Ziel, steht aber im Stau und macht die Ziele, zB die Innenstädte, durch den Platzbedarf der Automobile für alle unsicherer und unbequemer. Dass sich diese Selbstwidersprüchlickeit auch vor den Schulen zeigt, ist eigentlich nicht überraschend, sondern genau so erwartbar.
Appelle an Eltern, sich nun ausgerechnet vor den Schulen bzw. in Bezug auf den Transport der eigenen Kinder anders zu verhalten, als man es sonst immer macht, sind irgendwie nett, aber m.E. nicht grundlegend erfolgversprechend, weil es dem „normalen“ sonstigen Verhalten einfach zuwiderläuft.
Wenn man das Problem an der Wurzel packen will, dann müsste man eigentlich den Verkehr für alle so umgestalten, dass man – zumindest die Mehrheit der Menschen in den großen Städten – alltägliche Wege ohne Auto zurücklegen kann und das auch tut, sodass die Städte nicht mehr durch den Autoverkehr, seine Gefahren und den damit verbundenen Platzbedarf dominiert werden. Dann ist es einfach selbstverständlich, dass auch die Wege zur Schule so zurückgelegt werden können.