STEAG: „Wir wollen Klarheit über die wirtschaftliche Situation.“

Ulrike Märkel Foto: Privat
Ulrike Märkel Foto: Privat

Morgen geht es im Rat um die wirtschaftlichen Probleme der STEAG. Ulrike Märkel, Ratsfrau der Grünen, sorgt sich im gestrigen Gespräch mit den Ruhrbaronen um die wirtschaftliche Situation des Unternehmens.

Ruhrbarone: Warum stellen die Grünen zum jetzigen Zeitpunkt eine Anfrage zur Entwicklung der STEAG?

Ulrike Märkel: Man kann es so zusammenfassen: Quo vadis STEAG? Aufgrund der aktuellen Berichterstattung wollen wir uns Klarheit über die wirtschaftliche Situation und die mittel- und langfristigen Unternehmensziele verschaffen. In der Marktanalyse, die vor dem Kauf erstellt wurde,  heißt es noch sehr optimistisch: „Die Konsortialpartner gehen daher davon aus, dass der Kauf der STEAG zu Stabilität und Wachstum der kommunalen Ruhrgebietsstadtwerke führen und gleichzeitig in Einklang mit dem Gedanken der Rekommunalisierung als Basis der kommunalen Daseinsvorsorge auch eine ökonomisch starke Stütze der Region Rhein-Ruhr sein wird.“ Darüber, ob der Stützpfeiler auf festem Grund steht oder eher auf Sand gebaut ist, kann man nachdenken. Und da die STEAG gerade an einem Krisenszenario arbeitet, ist unsere Anfrage im Rat durchaus berechtigt.

Ein paar Beispiele: Wenn die Zinsbelastung 2013 tatsächlich noch mal von 8,4 auf 12,5 Millionen steigt, kann man das nicht auf der Haben-Seite verzeichnen. Auch die Berichte darüber, dass 2012 bei einem Gewinn nach Steuer von 4,9 Mio die Ausschüttungen an die Kommunen über Rücklagen erfolgte, lässt bei uns noch Fragen in Blick auf die Zukunft offen. Da hilft es leider auch nicht, auf das Konzernergebnis von 29,9 Mio. zu verweisen.

Der Energiemarkt und die an der Börse in Leipzig gehandelten Strompreise haben sich in einem rasanten Tempo verändert. Das hat unweigerlich eine erhebliche Wirkung auf den fünftgrößten Energiekonzern in Deutschland. Bei einem Energieunternehmen, dass zum großen Teil Kohlestrom anbietet, ist die Vorrangseinspeisung nicht gerade ein wirtschaftlicher Vorteil – die fossilen Energien müssen sich hinter Wind und Sonne anstellen. Laut des Aufsichtsratsvorsitzenden Guntram Pehlke liefen die deutschen STEAG-Kraftwerke sogar nur je 2000 Stunden im Jahr, Investitionen würden sich daher in Deutschland nicht lohnen – also  folgt logischerweise die Stilllegung?

Für das wichtige Ziel, das Fernwärmenetz im Ruhrgebiet auszubauen, sind Investitionen notwendig. Und noch etwas zeigt sich als eine ungünstige Entwicklung: Das Betreiben von GuDs ist zur Zeit, daraus machte auch der Bochumer Stadtwerkechef Wilmert keinen Hehl, ist zur Zeit leider nicht rentabel und könnten für den grünen Umbau ein Problem werden. Eine zusätzliche Belastung entsteht durch die nicht mehr kostenfreien CO2-Zertifikate.

Da der Geschäftsbericht für 2013 noch nicht vorliegt, fragen wir nach, wie sich alle diese Fakten auf die Ertragssteigerung auswirken und natürlich auf die Investitionen. Im letzten Finanzausschuss in Dortmund wurde offen ausgesprochen, dass die STEAG von der Energiewende nicht so profitiere, wie man sich das vorgestellt hätte. Für uns Grüne ist wichtig zu erfahren, ob geänderte wirtschaftliche Gegebenheiten das erklärte Unternehmensziel des ökologischen Umbaus gefährden. STEAG-Chef Joachim Rumstadt sagte in Bezug auf eine Prognose 2013, dass das Ergebnis durch die kostenpflichtigen CO2-Zertifikaten und geringere Gewinnspanne bei der Stromvermarktung deutlich belastet werden. Noch dramatischer drückt er es Ende letzten Jahres in einem Interview mit der WAZ aus: “Natürlich wird das Geschäft schwieriger, der Einspeisevorrang der Erneuerbaren kann so nicht bleiben, er stellt für uns eine Bedrohung dar.“ (http://www.derwesten.de/wirtschaft/steag-chef-kann-sich-neubau-von-kohlekraftwerk-vorstellen-id7414617.html)

Auch Dr. Brinkmann äußerte sich in diesen Tagen auf „Der Westen“ dazu, dass man das Tempo der Energiewende überdenken müsse. Niemand stellt in Frage, dass der Kostendruck bei der STEAG groß ist und sich in den nächsten Jahren verstärken wird. Es ist daher notwendig zu diesem Zeitpunkt die Diskussion zur Situation und Ausrichtung der STEAG im Dortmunder Rat zu führen. Es reicht nicht aus, einmal seine Hand für den Kauf zu heben – wer A sagt muss auch die Verantwortung für Plan B übernehmen. Uns geht es um mehr Transparenz und darum, die Unternehmensstrategie auf kommunalpolitischer Ebene für uns Ratsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder nachvollziehbar und überprüfbar zu machen.

Ruhrbarone: Aber es gibt doch durchaus Stimmen, die die Lage von STEAG gar nicht schlecht bewerten?

Märkel: Uns reicht es nicht, dass durch die Ausschüttungen an die Kommunen die Bedienung der Kredite ermöglicht wird und die STEAG ihren Kauf durch das Konsortium auf diesem Weg selbst finanziert. Unsere Zustimmung zum Kauf der ersten 51%-Tranche haben wir Dortmunder Grünen im Rat der Stadt Dortmund von verbindlichen Zusagen zum ökologischen Umbau und der Stilllegung alter Kraftwerke, der verbindliche Selbstverpflichtung zur weltweiten Einhaltung der Menschenrechte und von der klaren Absage an die Planung weiterer Kohlekraftwerke – vor allem Herne 5 und Lünen– abhängig gemacht. Leider wurde unser Antrag zum Kauf der STEAG von der Mehrheit abgelehnt und so haben wir in der Konsequenz gegen den Kauf gestimmt.

In der Diskussion um den Kauf hatte sich bei den Dortmunder Grünen zudem der Eindruck manifestiert, dass die finanziellen Risiken nicht kalkulierbar sind. Man muss jetzt leider feststellen, dass dies keine Unkenrufe waren, sondern die kritische Bewertung der Situation durchaus Berechtigung hatte. Zweifel gab es zum Beispiel in Bezug auf Frage, ob die STEAG langfristig gewinnbringend ihren Strom vermarkten kann – verbunden mit der Ungewissheit der Einnahmeperspektive bei Steinkohlekraftwerken. Auch diese Überlegung war nicht ganz verkehrt: Die Kraftwerke Fenne und Weiher im Saarland haben Ende 2012 feste Stromlieferverträge an die RWE verloren – ein 5-Punkt-Programm sollte daher neue Großkunden an Land ziehen.

Ruhrbarone: Aber das Auslandgeschäft läuft doch gut!

Märkel: Wenn die Ausschüttungen an die Anteilseigner und die Sicherung der Dividende hauptsächlich durch Erträge aus dem Auslandsengagement im Bereich Kohleverbrennung erfolgen würde, ist das nicht in unserem Sinne. Laut internen Mittelfristplanung (Bericht im Manager Magazin,12/2012) sollen bis 2019 zwar insgesamt acht Inlands-Kraftwerksblöcke vom Netz gehen. Der Vorsitzende Joachim Rumstadt möchte aber gleichzeitig den Umsatzanteil im Ausland um 50% steigern. Glänzende STEAG-Augen gibt es offensichtlich zur Zeit vor allem bei den gut laufenden Auslands-Kohlekraftwerken: Rumstadt kündigte im März 2012 in einer Presseerklärung vollmundig an, dass man sehr wohl den Ausbau der fossilen Kraftwerke im Ausland fest plane – zum Thema erneuerbare Energien ist nur noch von einem „Bereich“ die Rede. Das ist uns zu wenig! Wir wollen, dass sich das Auslandgeschäft ausschließlich auf regenerative Energieerzeugung beschränkt – so hatten wir das auch in unserem Antrag zum Kauf formuliert.

Die STEAG plant die Investition eines 2-stelligen Millionenbetrages in ein indisches HNPCL-Kohlekraftwerk – gut so? Schwierig! Wenn wir unsere CO2-Bilanz in Deutschland verbessern, indem wir hier alte Kraftwerke wie Lünen 6/7, Herne 3 oder Völklingen Venne stilllegen, aber gleichzeitig im Ausland den Ausbau fossiler Kraftwerke gewinnbringend vorantreiben, hinterlässt ein schales Gefühl: Hier CO2 sparen – und auf der anderen Seite des Globus wieder in die Atmosphäre pusten. Das ist paradox. Der deklarierte Umbau würde nur dazu dienen, sich hier eine saubere Ökoweste anzuziehen, um sie im Ausland wieder auszuziehen. Wir wollen nicht, dass die schriftlich als Unternehmensziel festgelegte „Modernisierung des bestehenden Kraftwerkpark“ und der „mittelfristige Aus- und Umbau“ nur Greenwashing bleibt. In dem „Strategie-Papier“ steht aber gleichzeitig, dass die STEAG als Ganzes und in seiner jetzigen Form bestehen bleibt. Das erweckt nicht gerade den Eindruck, dass man den großen und umwälzenden ökologischen Umbau verfolgt.

Ruhrbarone: Meinen sie das „herumgeisternden“ Strategiepapier?

Märkel: Ja. Es gab gewisse Irritationen zu einem 7-Punkte Papier, dessen tieferer Sinn sich uns nicht erschließt. Es wurde vom Dortmunder Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke unterzeichnet, allerdings ausschließlich in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der STEAG wie auch vom Evonik-Chef Klaus Engel und dem IG BCE- Vorstand Michael Vassiliadis. In Bezug auf Herrn Pehlke klingt das etwas nach Schizophrenie – kann man sich in zwei Teile teilen?

Und uns interessiert, warum nicht alle Beteiligten in die Gestaltung des Strategie-Papiers einbezogen wurden. Wenn ein Chefsessel nicht aufgrund der fachlichen Qualifikation besetzt wird, sondern nach Parteibuch, ist das nicht zwingend im Sinne des Unternehmens. Ob die erworbene Kompetenz als Ex-Gesundheitsdezernent der Stadt Salzgitter und Ex-Kämmerer von Dortmund ausreicht, um ein internationales Energieunternehmen in schwierigen Zeiten zu beaufsichtigen, sei dahingestellt. Zudem Guntram Pehlke seine Aufgabe als DSW-Aufsichtsratsvorsitzender mit Blick auf das 300-Millionen-Euro-Minus des Unternehmens „Dortmunder Flughafen“ offensichtlich erfolglos wahrnimmt. Wollen wir also nicht hoffen, dass er seine Defizit-Kompetenz nun auch bei der STEAG einbringt. Fakt ist aber, dass es beim Dortmunder Energieversorger DEW 21 energiepolitischen Sachverstand gibt. Diesen sollte man als Aufsichtsratschef der STEAG ruhig nutzen.

Ruhrbarone: Die Frage ist doch auch, inwiefern das Pannenkraftwerk Walsum mit seinen 3000 undichten Schweißnähte negative Auswirkungen auf den Ertrag hat?

Ulrike Märkel: Der Ex-Aufsichtsratschef Janning äußerte sich gegenüber der WAZ im September letzten Jahres, dass es alleine an der Verzögerung der Fertigstellung von Walsum 10  liegen würde, dass der Griff auf die Rücklagen erfolgte. Es gibt aber auch andere Stimmen, die von einer guten Nachricht sprechen, da Walsum aktuell nicht zu Buche schlägt, sondern bereits im Rumpfgeschäftsjahr 1. Halbjahr 2011 abgebildet wurde. Dennoch haben Abschreibungen und Wertminderungen (insgesamt 378,0 Millionen Euro) mit

immerhin 290,5 Millionen Euro für Walsum ins Kontor geschlagen. Auch zu dieser Entwicklung brauchen wir klare Antworten, ob die Inbetriebnahme im Herbst 2013 gesichert ist und ob das dicke Walsum-Minus Einfluss auf das Investitionsvolumen hat.

 Ruhrbarone:Und sehen Sie das Land in der Pflicht den Kommunen beim Kauf der zweiten Tranche unter die Arme zu greifen?

Märkel: Das klingt natürlich erst einmal mit Blick auf die schwierige Haushaltslage verlockend – aber bisher haben wir Grüne auf kommunaler Ebene darüber nicht diskutiert.

Ruhrbarone: Und Ihre Frage nach dem Aufsichtsratssalär von Guntram Pehlke – ist das nicht der Anstoß für eine Neiddebatte?

Märkel: Nein, gar nicht. Es geht um das Transparenzgebot, wie es in NRW nicht ohne Grund gesetzlich festgelegt ist. Es ist kindisch, dass Herr Pehlke seine Einkünfte nicht offen legen will: Ein Blick in die Geschäftsberichte von Gelsenwasser, DSW und STEAG und ein Rechenschieber reichen, um summa summarum auf geschätzt eine knappe halbe Million Euro Jahreseinkünfte zu kommen. Diese Einkünfte öffentlich zu machen, hat etwas mit politischem Anstand zu tun – dafür braucht man normalerweise keine gesetzliche Aufforderung.

Ruhrbarone: Ist nicht eine Lehre aus der STEAG-Geschichte: Die Politik soll nicht Unternehmer spiele?

Märkel: Naja, das kann man nicht generalisieren. Für mich impliziert die Frage den wirtschaftsliberalen Blickwinkel – „huuh, bloß kein Staat“. Natürlich ist es legitim die Grundsatzfrage zu stellen, ob es zu den kommunalen Daseinsfürsorgepflichten gehört, dass sich eine Ruhrgebietsstadt wirtschaftlich im Ausland engagiert. In Bezug auf die Rekommunalisierung ist aber beispielsweise eine stärkere kommunale Beteiligung wünschenswert. Tatsache ist jedenfalls, dass die Kontrolle städtischer Unternehmen und Beteiligungen über die demokratisch gewählten Gremien unabdingbar ist. Bei den kommunalen Unternehmen ist es kein Problem, den Überblick zu behalten – aber ob einem das als ehrenamtlich tätiges Ratsmitglied in Hinsicht auf ein global agierendes Unternehmen mit mehreren Tochterunternehmen im In- und Ausland immer ausreichend gelingt? Zudem in den Ausschüssen und Aufsichtsräten die Tagesordnungen auch ohne die STEAG umfangreich sind. Ohne die zusätzliche Möglichkeit sich in einem Beirat zeitnah auf dem Laufenden zu halten, wird das schwer werden. Aber es gehört natürlich zur eigenen Informationspflicht auch dazu, große „Strategie“-Papiere zu studieren, die am Ende nur kleine Papiertiger sind.

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