Symbole entzaubern…Oliver Polaks „Jud Süß Sauer“

„Das was ich mache ist eine Kunstform, eher zwischen Tokio Hotel und Rammstein, als wie deutsches Kabarett. Wenn ich mehr Fragen hinterlasse, als dass ich antworten gebe, hab ich was erreicht, für den Moment“ sagt „Deutschlands erster jüdischer Standup-Komiker“ im Gespräch nach seinem Auftritt im Essener Katakomben-Theater. Auf der Live-Bühne lädt Oliver Polak sein Publikum zum Mitmachen ein. Weit weg sind erhobene Zeigefinger oder irgendwelche Opfer-Stilisierungen.
Ein Jude in Deutschland bekommt auch heute den Gelben Stern – wie alle anderen, die genug positive Bewertungen bei einem großen online-Auktionshaus gesammelt haben. „Damals reichte eine einzige negative Bewertung, vom Nachbarn“ – zumindest das hat sich laut Oliver Polak mittlerweile geändert. Juden, Deutschland, Hitler – diese Worte scheinen für ewig zusammenzugehören. Sie bilden eine Mauer, durch die so einer wie Oliver Polak durch muss, wenn er nur einfach sich selbst als Mensch auf der Bühne darstellen will. Nach eigenem Bekunden braucht er dafür alles, nur keine Betroffenheit.
Also lässt er es im Essener Katakomben-Theater humoristisch krachen mit den Mitteln einer fernseherprobten flapsigen Standup-Comedy. Was denn nun wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte? Eine Unterhaltungsbranche im „Nazi-Tainment-Fieber“! Polak parodiert mal eben einen „KZ-Klo“ singenden Helge Schneider, und er lässt Udo Lindenbergs „Sonderzug“ ganz woanders hinfahren. Diese typisch erstickten „Hohoho“-Lacher angesichts solch derber Pointen bleiben im Katakomben Theater in der Minderzahl. Viele zeigen sich auf eigenartige Weise befreit angesichts der Leichtfüßigkeit, mit der solche Tabubrüche aus dem Munde eines „echten“ Juden kommen. Und die übergroßen Schäferhunde-Attrappen auf der Bühne sind ja auch ganz süß – trotz ihrer Ausstaffierung mit Davidssternen und SS-Mützen.
Polaks aktuelles Programm „Jud Süß Sauer“ macht nachdenklich, weil es den Symbolen ihre Macht ganz spielerisch nimmt. Mit unverfänglichem Pop-Appeal tönt es in seinem Lied: „Lasst uns alle Juden sein.“ Dazu regnen Konfetti und Luftballons von der Bühne.

Weitere Termine
29.11.10 Cineplex Münster
09.12.10 Stadtgarten Köln
23.03.11 (K1) Kolonie Eins Leverkusen
24.03.11 zakk Club Düsseldorf
30.03.11, (K1) Kolonie Eins Leverkusen

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Michael Kolb
Admin
13 Jahre zuvor

Wenn dem Programm genauso viel Witz und Ironie innewohnt, wie der Überschrift und dem Namen des Künstlers, dann bin ich dabei! Schweinefleisch süß sauer? Ne, dann nehm‘ ich doch lieber die Ente und anstatt der 33 zweimal die 16,5 …

Ich kenne Polak (noch) nicht, aber für mich ist die Zeit mehr als reif für einen Sarah Silverman aus Deutschland… O.K. am Aussehen muß er noch arbeiten…

Danke für den HInweis.

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