Die vom Bundespräsidenten angestoßene Pflichtdienst-Diskussion ist unehrlich!

Bergmann übergibt das letzte Stück Kohle an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (re.).  Foto: Ina Fassbender/RAG Lizenz: Copyright

Der Vorschlag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Bundesrepublik eine soziale Pflichtzeit für junge Menschen einzuführen sieht auf den ersten Blick interessant aus. Es erscheint durchaus nachvollziehbar, wenn der Bundespräsident den großen Wert für die Gesellschaft unterstreicht, den ein solcher Dienst unzweifelhaft hätte. Und auch für die Persönlichkeit des Einzelnen mag eine solche Tätigkeit ebenfalls durchaus vorteilhaft sein.

Dass die Idee nicht überall gut aufgenommen wird, ist auch logisch. Pflichten werden halt immer auch kritisch gesehen. Meist von den direkt von ihnen Betroffenen. Viel spannender an der laufenden Debatte über Sinn oder Unsinn eines solchen Pflichtdienstes erscheint mir dann auch ein anderer Aspekt, den Steinmeier nicht anspricht. Wohl aus gutem Grunde.

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Debatte um jüdischen Bundespräsidenten: „Wir sind Menschen, keine Symbole!“

Sergey Lagodinsky fordert, dass Juden als Teil der Gesellschaft ernst genommen werden.
Sergey Lagodinsky will, dass Juden ernst genommen werden.

Die Forderung von „Bild“-Herausgeber Kai Diekmann nach einem jüdischen Bundespräsidenten Salomon Korn stößt auf Kritik. Gespräch mit Sergey Lagodinsky, Repräsentant der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Er wirft Diekmann eine Instrumentalisierung von Juden vor.

„Bild“-Herausgeber Kai Diekmann spricht sich für einen jüdischen Bundespräsidenten aus. Er schlägt Salomon Korn vor, den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ein guter Vorschlag?

Natürlich. Aber nicht als Selbstzweck und nicht aus einer Laune heraus. Und genau so hörte sich der Vorschlag an.

Was meinen Sie mit „aus einer Laune heraus“?

Wenn so ein Vorschlag ernst gemeint wäre, hätte man

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Bundespräsident Wulff ein Jahr im Amt: die Wende?

Foto: Martina Nolte - via Wikipedia

Donnerstag, 30. Juni 2011. Der erste Jahrestag. Ein Jahr lang ist er nun Bundespräsident, der Christian Wulff. Nachdem Horst Köhler, sein Amtsvorgänger, für alle etwas überraschend hingeschmissen hatte, war der Job des „Ersten Mannes im Staate“ erstmalig vakant, so dass Wulff direkt nach seiner Wahl das Amt anzutreten hatte. Und was das für eine Wahl war! Drei Wahlgänge, Hochspannung im völlig überfüllten Bundestagsplenarsaal im Reichstagsgebäude, Emotionen pur.

SPD und Grüne zogen in die Bundesversammlung, als ginge es in die Entscheidungsschlacht zur Rettung der Demokratie. Zur Ehrenrettung von Rot-Grün muss gesagt werden, dass man eigentlich nicht Christian Wulff persönlich zum großen Unhold „aufgebaut“ hatte. Doch die hübsche Idee, Kanzlerin Merkel mal eins auszuwischen, steigerte sich bis zur Besessenheit von dem Gedanken, dass einzig ein Präsident namens Joachim Gauck

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Wird Wulff der nächste Heitmann?

Merkel weht der Wind seit der Wulff-Präsentation ins Gesicht. Ihr geht die Düse, denn sie hat schon einmal miterlebt, wie ein Kanzler mit seinem Vorschlag für einen Bundespräsidenten scheiterte.

Für Helmut Kohl war die Sache klar. Nach dem ungemein populären und ihm in vielerlei Hinsicht  überlegenen Richard von Weizsäcker wollte der Kanzler auf Nummer sicher gehen. Zum Weizsäcker Nachfolger wollte er jemanden küren lassen, der den Schein der Pfälzer Sonne nicht trüben würde. Der Mann hieß Steffen Heitmann, war Justizminister in Sachsen und wurde 1993 der Öffentlichkeit präsentiert.

CDU und FDP verfügten damals über ein ordentliche Mehrheit in der Bundesversammlung und die SPD sah sich unter Rudolf Scharping auf dem Tiefpunkt angekommen. Eine, wie man heute weiß, optimistische Einschätzung.

Doch dann gab Heitmann der Süddeutschen Zeitung ein Interview. Heitmann sagte Sätze wie: „Eine multikulturelle Gesellschaft kann man nicht verordnen, sie kann allenfalls wachsen.“  oder  „Ich glaube, daß der organisierte Tod von Millionen Juden in Gaskammern tatsächlich einmalig ist – so wie es viele historisch einmalige Vorgänge gibt.“

Das führte zu einem Aufschrei in den Medien. Kohl versuchte die Situation auszusitzen. Aber der Protest gegen Heitmann wurde immer lauter. Die FDP ließ Kohl hängen. Die SPD nominierte Johannes Rau. Der schien auch für die FDP wählbar zu sein. Kohl reagierte: Heitmann verzichtete auf seine Kandidatur. Roman Herzog wurde nominiert und gewann, mit den Stimmen der Liberalen, im dritten Wahlgang gegen Rau.

Merkel hat diese Niederlage Kohl aus nächster Nähe miterlebt. Damals war sie noch sein „Mädchen“ und saß als Ministerin für Frauen und Jugend am Kabinettstisch.

Eine solch Niederlage könnte ihr nun ebenfalls drohen. Nicht weil Wulff so ein fürcherlicher Kandidat wäre, sondern weil Gauck so viele Unterstützung erfährt. „Man erträgt den Gedanken an Christian Wulff nur dann, wenn man den Gedanken an Joachim Gauck verdrängt“ schreibt Nils Minkmar heute in der FAZ und die bezeichnet Gauck als idealen Bundespräsidenten. Das sehen viele so in diesen Tagen.

Die nächsten Wochen werden bitter für Merkel und für Wulff. Kann sein, das Wulff nicht durchhält. Wer möchte schon gegen den Willen von sehr vielen Menschen Bundespräsident werden? Ein Amt haben, dessen Autorität sich aus der Akzeptanz der Menschen speist und nicht aus der realen Macht?

Nachdem Heitmann seine Kandidatur zurückgezogen hatte, blieb er übrigens bis 2000 Justizminster in Sachsen. Er trat erst nach einem Skandal zurück. Warum sollte Wulff nicht versuchen einen ähnlichen Weg zu gehen? Vieles Optionen, auch der Wechsel in die Wirtschaft, sind attraktiver als ein unbeliebter Bundespräsident zu werden. Für Wulff würde das Leben weiter gehen. Schwierig würde es für  „Mutti“…

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Gauck!

Joachim Gauck Foto: Matthias HiekelAuf die Frage, ob Christian Wulff oder Joachim Gauck der nächste Bundespräsident werden soll, fällt die Antwort leicht: Gauck!

Joachim Gauck steht mit seiner ganzen Persönlichkeit und seiner ganzen Geschichte für die Werte der Demokratie: Er durfte in der DDR nicht Journalist werden, predigte später als Pfarrer in Rostock gegen die Diktatur. Gauck ging für seine Überzeugungen ein persönliches Risiko ein. Als Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und Chef der „Gauck-Behörde“ setzte er sich für die Aufarbeitung der Stasi-Verbrechen ein. Dafür wurde er, vor allem aus Kreisen der heutigen Linkspartei, immer wieder angefeindet. Gauck war immer jemand, der auf der Seite der Opfer stand, auf der Seite derjenigen, die Mut gezeigt haben.

Das SPD und Grüne den parteilosen Joachim Gauck als Bundespräsidenten vorschlagen zeigt, dass beide Parteien selbstbewusst zu ihrer Geschichte stehen: SPD und Grüne kooperierten im Osten nicht mit den „Blockflöten“, wie es Union und FDP taten. Die Grünen haben ihre Wurzeln direkt in der DDR-Opposition. Sozialdemokraten wurden in der DDR verfolgt und zu Beginn der DDR auch in Lager gesteckt und getötet.

Die Wahl Gaucks ist zudem auch ein klares Zeichen gegen die Linkspartei, die sich kaum für die Wahl Gaucks aussprechen wird. SPD und Grüne zeigen: Es gibt eine demokratische Linke mit einer stolzen antitotalitären Tradition.

Und Christian Wulff? Politisch konturlos ging er immer den Weg des geringsten Widerstandes. Dass er als junger Mann Verantwortung für seine Familie übernahm macht ihn sicher sympathisch. Seine politische Laufbahn verlief glatt. Nie riskierte er etwas. Für was steht Wulff? Für welche Werte würde er etwas riskieren? Man weiß es nicht. Und dass er offenkundig Sympathien für evangelikale Gruppen hat, im Kuratorium von Pro Christ sitzt, macht ihn nicht wählbar. Und deshalb kann es auf die Frage, wer der nächste Bundespräsident werden soll, nur eine Antwort geben: Gauck!

SPD: Leutheusser-Schnarrenberger als Bundespräsidentin denkbar

Ursula von der Leyen wird als Favoritin für die Nachfolge von Horst Köhler gehandelt. Nun  hat die SPD der FDP im ZDF-Morgenmagazin ein Angebot gemacht: Eine FDP Kandidatin wäre für die SPD tragbar: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Das sagte zumindest vor wenigen Minuten Sebastian Edathy, MdB und Mitglied im Fraktionsvorstand  der SPD: „Die FDP ist eine der  politischer Kräfte , die seit der letzten Bundespräsidentenwahl an Gewicht gewonnen hat.“ Für Edathy ist Bundesjustizinisterin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger eine wählbare Kandidatin: „Leutheusser-Schnarrenberger wäre eine Persönlichkeit, für die aus Teilen der Opposition Unterstützung kommen könnte.“

Auch Joachim Gauck sei ein Kandidat, der eine breite Mehrheit finden könnte. Lammert, Schäuble und von der Leyen nannte Edathy  nicht überzeugende Vorschläge.

Eine eigenen Kandidatenvorschlag der SPD, auch zusammen mit den Grünen, lehnte Edathy ab: „Wir haben keine Mehrheit.“