Die Leiden des jungen L

Was ist hinter der Hassmaske von L? (Symbolfoto. Quelle: Janni Kay/ Flickr/ cc by 2.0)

In Berlin wohnt L. Er ist Mitte/ Ende Dreißig. Er trägt eine Brille und er ist Journalist. L hat über 5 Jahre für verschiedene, große, öffentlich-rechtliche und linke Medien in Deutschland publiziert. Viele Geschichten, wie jeder Journalist berichtete er mal besser, mal schlechter. Irgendwann entdeckte L den Nahen und Mittleren Osten als Thema seiner Berichtserstattung. Ein Minenfeld. Es ist voll von Meinungen, die mitunter den Blick auf die Fakten erschweren. Viel menschliches Leid, viel Manipulation, wenig Grautöne. L entschied sich für die Seite der Hamas. Seine Argumente wirken da mitunter krude, wenig reflektiert, voll im Sog der Propaganda. Es folgt, wie üblich, der Diskurs. L fällt dadurch auf, dass er in Schreiben einerseits aggressiv Forderungen aufstellt, andererseits fast schon devot Kontakt sucht, zu denen, die ihn angreifen. Finanziell läuft es nach dieser Zeit wohl nicht mehr gut bei ihm. Die großen Gazetten und Medien nehmen ihm seine Geschichten da nicht mehr ab – in doppelter Hinsicht.

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Holocaust for sale!

(Screenshot ebay-Kleinanzeigen)
(Screenshot ebay-Kleinanzeigen)

Internetfundstück – Im Internet soll es alles zu kaufen geben. Und all das, was man nicht  im sichtbaren Teil des Internet erhält, soll man im sog. „Darknet“ bekommen. Drogen, Waffen, Kinderpornos, illegal gehandelte Kunst. Das ist hier anders. Es geht hier auch nicht um Neonazis, die aus antisemitischen Motiven versuchen den Holocaust zu relativieren oder seine Opfer zu verhöhnen. Es geht vielleicht irgendwie um Anstand und Moral. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist es nur eine bizarre Randgeschichte der Gegenwart, vielleicht Ausdruck einer Geschichtsvergessenheit, wie ich sie nicht erwartet hätte. Vielleicht geht es um die Fragen nach Illegalität oder Illegitimität. Vielleicht ist diese Geschichte aber auch völlig irrelevant.

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27. Januar: Holocaustgedenktag – auch das noch!

KZ Auschwitz, Einfahrt (Quelle: Deutsches Bundesarchiv)

Heute ist Holocaustgedenktag. Er wurde in Deutschland 1996 durch den damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführt, der bei der Proklamation ausführte, der Tag solle „dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“ Im Jahr 2005 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den 27. Januar in einer Resolution offiziell zum internationalen Holocaustgedenktag. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz.

Weil es ihn gibt, finden an vielen Orten Veranstaltungen zum Holocaustgedenktag statt – auch im Ruhrgebiet. Zum Beispiel in Dortmund ab 19 Uhr im Rathaus am Friedensplatz. Oder in Duisburg um 19:30 Uhr in der Salvatorkirche neben dem Rathaus am Burgplatz. Das ist gut so. Allerdings steht zu befürchten, dass sich in diesem Jahr im Grunde auch wieder diejenigen einfinden werden, die schon letztes Jahr da waren.

Der jüdische Publizist Henryk M. Broder hält den Holocaustgedenktag für „ein Ritual, ebenso wohlfeil wie folgenlos“. Wichtiger als dieses Gedenken sei allerdings die Verhinderung des nächsten Holocaust, erklärt Broder, wobei: selbstredend „wiederholt sich Geschichte nicht, nicht einmal als Farce“. Na dann … – Auch dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland „persönlich bedeutet der Tag nicht besonders viel“. Dieter Graumann „braucht gar keinen speziellen Tag, um an den Holocaust zu denken“.

Für Graumann ist nämlich „eigentlich jeder Tag Holocaust-Gedenktag“, was man sich freilich nicht so vorstellen darf, dass er nun der Präsident einer „depressiven Trauergemeinschaft“ sei. Genau dies sind sie nämlich nicht, die Juden in Deutschland. „Wir sind keine depressive Trauergemeinschaft“, erklärt Graumann. Das wirft freilich die Frage auf, zumal Graumann persönlich ihn ja nicht braucht: „Braucht man dann überhaupt noch einen speziellen Gedenktag?“

Moment! So nun auch wieder nicht! Die Antwort des Präsidenten: „Auf jeden Fall. Es ist wichtig, dass möglichst viele Menschen an dieses einmalige Menschheitsverbrechen denken.“ Richten Sie sich bitte danach! Und sollten Sie heute Abend verhindert sein, keine Zeit oder aber auch einfach keine Lust (schon okay) haben, eine Gedenkveranstaltung zu besuchen, sehen Sie sich doch bitte einmal die Website der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem an. Die hat jetzt nämlich – in Zusammenarbeit mit Google – ihr Bildarchiv ins Netz gestellt. Es muss nicht unbedingt heute sein; es sollte allerdings in aller Ruhe gemacht werden. Wenn Ihnen mal danach ist …

Sarrazin in Duisburg: am Rande ein Streit über die Gaskammern

Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau

Deutschlands Sachbuch-Bestsellerautor Nr. 1 gab sich gestern Abend die Ehre, im Duisburger Lehmbruck Museum die Thesen aus seinem Werk einem geneigten Publikum vorzutragen. Etwa 200 begeisterte Anhänger sind gekommen; sie scheuten weder den hohen Eintrittspreis noch die strenge Personenkontrolle, um ihr Idol persönlich bewundern und ihm zujubeln zu können. Eine „Löwenbräukeller-Stimmung 1933” habe in der Sarrazin-Veranstaltung geherrscht, zitiert xtranews einen örtlichen CDU-Politiker, ohne seinen Namen zu nennen. 

Dabei wollen die Blogger auch gehört haben, dass der Duisburger Alt-Bürgermeister Heinz Pletziger (CDU) am Rande der Veranstaltung geäußert haben soll, dass Millionen vergaster Juden im Dritten Reich doch keine Deutschen waren. Dies werde von Pletziger jedoch bestritten, der deshalb auch gegen diese “Verleumdung” juristisch vorgehen wolle. Die Kollegen von xtranews wiederum nennen zwei eidesstattliche Versicherungen ihr eigen, die der Version des Alt-Bürgermeisters widersprechen. 

Nun steht Aussage gegen Aussage. Wie auch immer: beide Seiten, also auch Herr Pletziger, sind „sich der geschichtlichen Tragweite durchaus bewusst“. Ehe nun die Gedanken zur Frage abschweifen, welche geschichtliche Tragweite überhaupt und grundsätzlich den Aussagen ausgemusterter Duisburger CDU-Bürgermeister zukommt, ist es nützlich, sich die historischen Tatsachen vor Augen zu halten, um auf dieser Basis die wirklich relevanten Fragen zum Tage stellen zu können. 

Ob Pletziger nun darauf hingewiesen haben sollte oder nicht, Fakt ist: Millionen vergaster Juden im Dritten Reich waren keine Deutschen. Nun lässt sich die Anzahl der im Holocaust ermordeten deutschen Juden zwar nicht exakt beziffern. Der bekannte Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz nennt die Zahl 165.000 eine realistische Schätzung. Davon geht auch Burkhard Asmuss vom Deutschen Historisches Museum in Berlin aus. Wikipedia zufolge reicht die Spannweite der Schätzungen von 135.000 bis 195.000 deutscher Juden, die in der Shoa umgekommen sind. 

Bei den sechs Millionen, möglicherweise etwas weniger, wahrscheinlich ein halbe Million mehr, handelte es sich um Juden aus allen von den Deutschen besetzten Ländern Europas. Mehr als vier Millionen Menschen stammten aus Polen und der Sowjetunion. Ebenfalls mehr als vier Millionen Juden wurden in den Vernichtungslagern vergast. So weit der grobe Überblick über die außer Frage stehenden historischen Tatsachen. Eine etwaig gestern Abend gefallene Feststellung, die Millionen vergaster Juden seien doch gar keine Deutschen gewesen, wäre folglich im Grunde genommen ganz und gar zutreffend. 

Es sei denn, mit dieser Bemerkung sollte unterstellt werden, dass nun gar keine deutschen Juden in Auschwitz umgekommen seien. Dies wäre, wie bereits dargelegt, zweifellos unzutreffend. Viele Namen sind bekannt; Vorfahren auch aus meinem Bekanntenkreis haben dort ihr Leben gelassen. Auschwitz zu leugnen – ohnehin eine Straftat – ist auch, wenn sich diese Lüge „nur“ auf deutsche Juden bezöge, haltlos. Aber, schon richtig: „Millionen vergaster Juden“ waren keine Deutsche. 

Zu dieser Anmerkung drängt sich jedoch Frage auf, warum es für nötig gehalten werden könnte, dies festzustellen. Falls es jemand für nötig gehalten haben könnte, dies festzustellen. Denn, wie jedes Zitat, wäre auch dieses selbstverständlich aus dem Zusammenhang gerissen. Sollte es dem mutmaßlichen Autor um die Aufklärung der grundlegenden historischen Sachverhalte gegangen sein, wäre dagegen m.E. naheliegenderweise nichts vorzutragen. Denn sonst würde ich mich ja mit diesem Beitrag strafbar machen oder, was ich schlimmer fände: den Holocaust verharmlosen. 

Oder sollte mit der zitierten Feststellung angedeutet werden, dass weil es sich nicht um Deutsche, sondern „nur“ um Ausländer gehandelt hatte, der fabrikmäßige Massenmord nicht ganz so schlimm war? Oder, dass wenn „nicht einmal“ zweihunderttausend Opfer in Rede stehen, keinerlei Anlass zur Hysterisierung bestehe? Ich weiß es nicht. Ich wüsste es aber gern. Vor allem wüsste ich gern, ob diese Äußerung überhaupt – und wenn, dann mehr oder weniger öffentlich – gefallen ist. Sicher ist, dass wenn Herr Pletziger juristisch gegen diese, wie er sagt, „Verleumdung“ vorgehen sollte, eine Straftat vorliegt. Die Frage ist, ob, wenn keine Verleumdung vorliegen sollte, Pletziger also diese Worte über die Lippen gekommen sein sollten, dann auch eine Straftat vorliegt. Es dürfte dann wohl auf den Zusammenhang und die Absicht ankommen, in dem und in der diese historische Aufklärung vorgenommen wurde.

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