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Verhaltensregulierung: Moralische Helmpflicht

Helm nicht erwünscht Foto: Klaus Mueller Lizenz: GNU
Helm nicht erwünscht Foto: Klaus Mueller Lizenz: GNU

Der Nutzen des Fahrradhelms ist zweifelhaft, aber für die Mittelschichten, die letztlich auch das Personal der verhaltensregulierenden Institutionen des Nanny-Staats stellen, gehört er zum selbstkontrolliert-asketischen Habitus der Abgrenzung nach unten, meint unser Gastautor Hasso Spode.

Sportlich soll er wirken und sieht doch irgendwie dämlich aus: der Fahrradhelm. Je nach Fahrstil, Altersgruppe oder Verkehrslage gibt es gute Gründe ihn anzulegen, aber eben auch dafür, das nicht zu tun. So weit, so gut. Nun aber ist dieser unschuldige Zubehörartikel in den Fokus der Regulierer geraten. Vergleichbar mit der Glühbirne hat er das Zeug, zum Objekt und Symbol jenes überregulierten Nanny-Staats zu werden, wie er Freigeistern seit Langem auf die Nerven geht. Es fehlte bloß noch eine EU-Verordnung. Indes grassiert die Regulierungswut ebenso beim Mann und mehr noch bei der Frau auf der Straße.

Schon 2011 hatte damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eine Helmpflicht für Radfahrer angedroht, wenn die freiwillige „Helmtragequote“ nicht deutlich steigen sollte. Der Vorstoß verlief zunächst im Sande. Doch am 17. Juni 2013 trat dann Dr. Christine von Milczewski, Richterin am Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht, vor die Presse, um kundzutun, man habe entschieden, einer Radfahrerin, die von einer Autofahrerin durch das Aufreißen der Tür „grob fahrlässig“ zu Fall gebracht wurde und sich dabei eine Kopfverletzung zuzog, gleichwohl eine Mitschuld zuzusprechen, weil sie ohne Helm fuhr. Denn: Ein „verständiger Mensch (wird) zur Vermeidung eigenen Schadens beim Radfahren einen Helm tragen“ (OLG. 7 U 11/12).

Das Urteil – der Casus dürfte vor dem BGH landen – löste eine heftige Debatte aus. Ein Vertreter der mit der Versicherungsbranche verbandelten Verkehrswacht nennt es „mutig und begrüßenswert“, wohingegen sich die Radfahrverbände entsetzt zeigen und auf das Radlerparadies Holland verweisen, wo die „Helmtragequote“ nahe null liegt. Auch in den Medien und Internet-Foren überwiegt die Urteilsschelte. Hierbei zeigen sich zwei durchaus widersprüchliche Argumentationsgänge. Zum einen wird legalistisch eingewandt: Da es keinen Helmzwang gäbe, könne einen unschuldig Verunglückten auch keine Mitschuld treffen – was natürlich, gewollt oder ungewollt, Wasser auf die Mühlen der Helmpflichtbefürworter ist. So hatte auch die Vorinstanz entschieden. Gewichtiger ist die zweite Argumentationsschiene: Es wird in Abrede gestellt, dass ein „verständiger Mensch“ einen Fahrradhelm tragen solle.

Erstens: Die Studien zur Schutzwirkung eines Helms fallen höchst widersprüchlich aus, und zwar sowohl was die physikalische Seite betrifft, als auch den Anteil der Kopfverletzungen bei Unfällen. Der helmpflichtaffine Deutsche Verkehrssicherheitsrat, auch so etwas gibt es, behauptet zwar reißerisch: „Bei jedem zweiten der getöteten Radfahrer im Jahr 2010 waren Kopfverletzungen die Todesursache“, doch nach derzeitigem Wissenstand sei es unklar, wie viele der rund vierhundert getöteten Radfahrer – also etwa ein Zehntel aller Verkehrstoten – durch einen Helm hätten überleben können; wahrscheinlich nur wenige. Vielleicht zehn, vielleicht hundert? In jedem Fall müsse deren Zahl weit unterhalb der Mortalität durch anderweitig verursachte Kopfverletzungen liegen, sodass doch eher ein Helm für Autoinsassen, Fußgänger, Hausfrauen oder Postboten angeraten sei.

Mit Helm auf der Hut Foto: MIK NRW
Mit Helm auf der Hut Foto: MIK NRW

Ein Blick in die Todesursachenstatistik zeigt, wie berechtigt dieser ironische Ratschlag ist. So schrecklich ein tödlicher Unfall ist, so abwegig ist die Idee hundertprozentiger Sicherheit. Alljährlich sterben in Deutschland über achthundertfünfzigtausend Menschen, darunter mehr als fünfhundert, weil sie sich beim Essen verschluckt haben. Über siebentausend tödliche Kopfverletzungen werden gezählt; exakt 1.117 Menschen starben 2011 beim Sturz auf Treppen oder Stufen, 3.465 bei einem Sturz zu Hause. Essen, Treppensteigen und Wohnen sind absolut gefährlicher als Radfahren.

Eine Helmpflicht hingegen mache – zweitens – das recht sichere Radeln nicht noch sicherer, sondern im Gegenteil ein wenig unsicherer. Dazu wird auf Länder verwiesen, in denen sie bereits ganz oder teilweise gilt. Darunter Spanien, Malta oder Südafrika (wo wenig geradelt wird, aber viel gemordet: 19.000 Mal im Jahr) und selbstredend die üblichen Verdächtigen, wenn es um staatliche Verhaltensregulierung geht: Neuseeland, Teile der USA, Kanadas und Australiens und drei skandinavische Länder. Sorgfältige empirische Studien in Nordamerika und Australien, so lautet der zweite Einwand, hätten keinen signifikanten Rückgang der unfallbedingten Mortalität und Morbidität bei Radfahrern ergeben; vielmehr sei ein Rückgang der Fahrradnutzung bei etwa gleicher absoluter Unfallhäufigkeit eingetreten, sodass für die „verbliebenen“ Radler das Risiko gestiegen sei. Aus dem Rückgang der gesundheitsfördernden Nutzung des Fahrrads wurde von Statistikexperten sogar eine Erhöhung der Gesamtmortalität errechnet. Letzteres scheint weit hergeholt und wird selbstredend von anderen Statistikexperten bestritten.

Es bahnt sich mithin ein medienwirksamer Expertenstreit an, wie er einst die Einführung der Alkoholprohibition begleitet hatte und wie er heute mit großem Erfolg um den Tabak geführt wird. Hinter solchen Debatten steht stets ein Streit um fundamentale Werte; es geht exemplarisch ums große Ganze. Oft entwickeln sie ein bizarres Eigenleben, wobei paradoxerweise auch kritische Einwände durch das bloße Ansprechen des jeweiligen Themas dazu beitragen können, die Debatte noch weiter anzuheizen.

Schlechte Aussichten für Helmmuffel. Die Thematisierungskonjunktur des Fahrradhelms dürfte in einer Helmpflicht münden. Sei es in verkehrsrechtlicher Form, in haftungsrechtlicher oder in Gestalt einer moralischen Helmpflicht. Gut vorstellbar, dass das Schleswiger OLG-Urteil keinen Bestand haben wird. Die „Helmtragequote“ wird dennoch deutlich zunehmen. Der moralische Konformitätsdruck ist allemal das effektivste Zwangsmittel. Wer künftig ohne Helm unterwegs ist, legt eine asoziale Sorglosigkeit an den Tag, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt: totale Sicherheit, keine Kompromisse. Damit ist auch gesagt, dass jene Kritik an der „freiheitsfeindlichen Regulierungswut“ zu kurz greift, die sich allein gegen „die da oben“, gegen den „Nanny-Staat“, gegen „Brüssel“ und die „WHO-Bürokratie“ richtet. Die Sache ist viel komplizierter und viel trauriger. Zahlreiche, teils miteinander verkoppelte Faktoren sind hier am Werk – und der wichtigste sind wir selbst.

Auf den ersten Blick sieht es beim Fahrradhelm anders aus: Nach dem OLG-Urteil eilig eingerichtete Internet-Voten erbrachten meist deutliche Mehrheiten gegen eine Helmpflicht. Doch solche Abstimmungen täuschen. Eine repräsentative, im Auftrag des Stern durchgeführte Forsa-Umfrage ergab vielmehr ein Fifty-Fifty-Verhältnis. Damit wären wir beim ersten Faktor der Regulierung des Alltagslebens: dem demographischen Wandel. Denn Internetnutzer sind jünger als der Bevölkerungsdurchschnitt. Mit dem Alter aber wachsen die Ängste und sinkt die Risikotoleranz. Bereits 2011 hatte die Apotheken Umschau vermeldet, 72 Prozent der Deutschen würden sich eine Fahrradhelmpflicht wünschen. Nun ist dieses Werbeblatt nicht gerade eine Jugendzeitschrift. In dessen zweifelhafter Helm-Umfrage waren offenbar ältere Semester stark überrepräsentiert. Je älter unsere Gesellschaft wird, desto mehr Sorgen macht sie sich, desto mehr Schutzmaßnahmen fordert und ergreift sie.

Ferner scheinen mehr Frauen als Männer die Apotheken Umschau zu lesen; umgekehrt verhält es sich bei der Internetnutzung. Die repräsentative Forsa-Umfrage ergab denn auch, dass nur eine Minderheit der Männer eine Helmpflicht befürwortet, aber eine Mehrheit der Frauen. Der „kleine Unterschied“ beträgt in diesem Fall satte 14 Prozent. Damit wären wir beim zweiten Faktor der Regulierung des Alltagslebens: dem Machtzuwachs der Frauen. „Weibliche Werte“ stehen hoch im Kurs, männliche Risikobereitschaft wird tendenziell pathologisiert: „Testosterongesteuert“ sei der Mann, ein dumpfer Draufgänger, wohingegen die Frau klug und achtsam mit sich und anderen umgehe. Ein gleichermaßen abwertendes „östrogengesteuert“ ist hierfür nicht zu hören, doch der Genderforschung zum Trotz zeigen sich in der Tat kulturübergreifende, mithin offenbar biologisch grundierte Differenzen im Umgang mit Risiken: Frauen sind risikobewusster beziehungsweise risikoscheuer als Männer. Verschiebt sich die geschlechtliche Machtbalance, muss dies Folgen für den gesellschaftlichen Umgang mit Risiken haben.

Grüner Minister Winfried-Hermann mit Helm und Handy Foto: Björn Appel - Warden Lizenz: GNU
Grüner Minister Winfried-Hermann mit Helm und Handy Foto: Björn Appel – Warden Lizenz: GNU

Das „Ewig-Weibliche“, das die Menschheit laut Goethe „hinanziehen“ soll, ist freilich – da ist der Genderforschung einmal zuzustimmen – hochgradig soziokulturell moduliert. Beobachtet man in städtischen Parkanlagen, wie Mütter ihren Dreikäsehoch nicht mehr ohne Schutzhelm aufs Laufrad lassen, wäre es allzu simpel, darin nur ein hormonelles Problem sehen. Damit sind wir beim dritten und wohl wichtigsten Faktor, dem statuspolitischen. Die unfalltechnisch sinnlose Einschalung der Kinderköpfe verdankt sich den mächtigen Mechanismen sozialer Distinktion. Es gilt, sich als der bessere Mensch, in diesem Fall: die bessere Menschin, zu beweisen. Im flexibilisierten Turbokapitalismus ist die soziale Geborgenheit der Mittelschichten dahin; ein asketisch-selbstkontrollierter Habitus hilft da, den prekären Status zu legitimieren und sich „nach unten“ abzugrenzen. Dieser Mechanismus arbeitet weitgehend unbewusst. Ein Resultat unter vielen: die moralische Helmpflicht für Kleinkinder. Wer sich weigert, dem Steppke das alberne Plastikteil auf den Kopf zu setzen, fällt der Verachtung der Müttergemeinde anheim.

„Kleinkinderhelme“ kosten Geld. Der vierte Faktor ist ökonomischer Natur. Ängste, sei es um den Körper oder um den Status, sind hoch profitabel. „Ja, Sicherheit ist teuer!“ sang schon der Barde Ulrich Roski. Die Stiftung Warentest mahnt: „Kleinkinderhelme: Von Anfang an.“ Unklar bleibt bei all den Testtabellen, wozu so ein Ding – außer für den Hersteller – nütze sein soll (und wie viele der im doppelten Sinne behüteten Knirpse später den Fahrradhelm als Kinderkram verschmähen werden). Klar ist hingegen: Mütter, kauft Kleinkinderhelme – natürlich CS-geprüft und bitte jedes Jahr einen neuen! Dem schließt sich selbstredend die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung an: „Gewöhnen Sie Ihr Kind auch beim Dreirad- oder Laufradfahren von Anfang an daran, einen Schutzhelm zu tragen.“

Damit sind wir beim fünften Faktor der Einschränkung von Alltagsfreiheiten, der Obrigkeit als Erzieher. Hier setzt die Kritik am Nanny-Staat ein. Staat und Verbände haben systematisch diffuse Ängste geschürt, allerdings die moralische Helmpflicht für Kleinkinder nicht verursacht. Zweifellos aber verstärkt, und Gleiches steht für die generelle Helmpflicht zu erwarten. Schon seit 2005 ist hier die Hannelore-Kohl-Stiftung aktiv. Ihr Plakat zeigt einen Menschen mit Kopfverband im Rollstuhl, der ohne Helm unterwegs war – ergo: „Ein Helm hilft“. Ein schockierendes, gleichwohl rätselhaftes Bild, werden doch fast alle unfallbedingten Lähmungen des Gehapparats durch ein Rückenmarkstrauma verursacht. Bereitet die Stiftung etwa eine Kampagne für Rückenprotektoren vor? In den zahllosen staatlichen und parastaatlichen Institutionen, die mit gesundheitlicher Verhaltensprävention befasst sind, finden sich bevorzugt Menschen aus eben jenen Bildungsmilieus, die – um ihren Körper und Status ausnehmend besorgt – dem Ideal asketischer Selbstoptimierung verpflichtet sind. Aus der „Mitte der Gesellschaft“ kommend besetzen sie die einschlägigen Multiplikatoren- und Steuerungsposten, von der Gesundheitsstadträtin bis zum Verbandschef. Auch hierbei entfaltet die Dynamik sozialer Distinktion ihre ganze Wirkungsmacht. Wir haben es also weniger mit obrigkeitlicher Gängelung tun als vielmehr mit einem sich selbst verstärkenden Regelkreis, einer Rückkopplung der Risikokommunikation zwischen den Volkspädagogen und dem Volk. Das gilt sinngemäß auch für jene Richter und Richterinnen, die sich anmaßen, wie im angloamerikanischem Rechtssystem nach ihrem Gusto auf das Alltagsverhalten der Mitmenschen einzuwirken, wenn sie flächendeckende Rauchverbote gutheißen oder die Helmpflicht durch die Hintertür einführen.

Ebenfalls in diesen Rückkopplungsmechanismus eingebunden ist der sechste und letzte Faktor, der Staat als Gesetzgeber – also der kritisierte Nanny-Staat schlechthin. Allerdings ist der Staat alles andere als ein Monolith. Auch das politische Personal ist meist bildungsbürgerlich geprägt, doch in seinen Werthaltungen ist es pluralistischer zusammengesetzt als das volkspädagogische. Hier werden handfeste ökonomische Interessenkonflikte ausgetragen, die oft in komplexer Weise mit moralischen interagieren. Da mögen sich die einen als Bannerträger der Selbstbestimmung positionieren, die anderen als Garant umfassender Schadensabwehr. Doch die internen Bündnisse und Machtbalancen sind instabil; die jeweilig ausgehandelten Kompromisse sind entsprechend schwer vorhersagbar. Ein Trend aber ist eindeutig: In dem Maß wie die Politik „alternativlos“ wird, sprich: an Handlungskompetenz einbüßt, sucht sie ihre Daseinsberechtigung darin, die kleinen Dinge des Alltags zu verregeln. Wenn man schon die Märkte nicht in den Griff kriegt, dann wenigstens die Radfahrer. Insofern erscheint die derzeitige „Regulierungswut“ als ein Abfallprodukt der Globalisierung und Europäisierung.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die Macht der Obrigkeit zur Steuerung des Alltagsverhaltens ist geringer als ihre Kritiker glauben. Selbst totalitäre Regime stoßen da an ihre Grenzen. Die Alkohol- und Tabakfeinde Hitler und Ulbricht wussten dies und hielten sich in diesem Punkt einigermaßen zurück; Gorbatschow musste es erst schmerzlich lernen, als er den Russen den Wodka entziehen wollte. Nur wenn – und solange – große, diskursrelevante Bevölkerungsteile Repressivmaßnahmen zur Verhaltenssteuerung gutheißen und unterstützen, werden sie Bestand haben. Der Nanny-Staat braucht Millionen Nannies. Aufstieg und Fall der Prohibition in den USA sind hierfür ein schönes Beispiel.

Moralhistorisch befinden wir uns derzeit in einer Phase, die mit dem langen Vorlauf der Prohibition vergleichbar ist. Keineswegs sind wir nur Opfer staatlicher Überregulierung, wir sind auch Täter. Wir rufen nach dem Staat, der Sicherheit produzieren soll. Und wir minimieren unaufgefordert selbst Risiken, tatsächliche und vermeintliche, verhalten uns ostentativ „rational“ und schnallen uns und unseren Sprösslingen Plastikhelme auf den Kopf: „Diese Ausrüstung schränkt doch kaum ein und kann vielleicht Schlimmes verhüten.“ Auf den ersten Blick ein unwiderstehliches Argument. Die Freiheit stirbt bekanntlich zentimeterweise. Gegen den Zeitgeist können kritische Analysen wenig ausrichten. Immerhin bewahren sie das Andenken an andere, prallere Lebensentwürfe und halten so die Option auf einen Umschwung im Wertekosmos offen. Dieser Umschwung – das zeigt die Geschichte – wird zweifellos kommen. Die Frage ist nur wann. Das Ende der Fahnenstange dürfte noch lange nicht erreicht sein.

Prof. Dr. Hasso Spode ist Historiker und Soziologe. Er ist Mitherausgeber von Voyage, dem „Jahrbuch für Reise- & Tourismusforschung“ sowie Autor zahlreicher Bücher. Der Text erschien bereits auf Novo-Argumente.

 

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Thorsten Stumm
10 Jahre zuvor

Fand ich schon auf Novo gut…schön das auch hier zu finden….

TuxDerPinguin
TuxDerPinguin
10 Jahre zuvor

Der Artikel fing gut an und spiegelt auch meine Argumentationsttruktur wieder.
Ich glaube nicht, dass das OLG-Urteil Bestand haben wird. Es ist schlicht nicht rechtlich haltbar.
Ob die Radhelm-Pflicht kommt? Wer weiß. Anders als der Tenor des Artikels würde ich aber nicht behaupten, dass viele einer vermeintlichen Sicherheit folgen. Ich sehe sehr wenige helmtragende Radfahrer. Meistens nur die Rennradfahrer, denen es abwärts dann mit 50kmh+ zu unsicher wird.

Das zentrale Argument wie mehr Sicherheit herzustellen ist, ist schon genannt worden: mehr Radfahrer auf die Straße. Zeigt sich überall, dass das die Sicherheit erhöht.

Helme fördern auch eine psychologische Wirkung, die im Artikel unberücksichtigt bleibt. Es wurde festgestellt, dass verkehrsteilnehmer auf Radfahrern mit Helm rücksichtsloser reagieren und die Radfahrer mit Helm wiederum auch rücksichtsloser fahren… beides, weil der Helm falsche Sicherheit suggeriert.
Etwa so wie Autos heute so sicher sind und es so viele Vorschriften auf der Straße gibt, dass ständig Unfälle aus Rücksichtslosigkeit und Rechthaberei passieren… möchte man weniger Unfälle, so zeigen ja erste reale Ergebnisse, sollte man sich lieber an SharedSpace orientieren…

(der Abschnitt zu Gender war allerdings sehr verwirrend und unsachlich und eigentlich versteh ich den Zusammenhang mit den Artikel nicht. Ohne den Abschnitt wäre der Artikel gut)

Nansy
Nansy
10 Jahre zuvor

Zitat: „Mit dem Alter aber wachsen die Ängste und sinkt die Risikotoleranz. Bereits 2011 hatte die Apotheken Umschau vermeldet, 72 Prozent der Deutschen würden sich eine Fahrradhelmpflicht wünschen.“

Ob nun gerade die Apotheken Umschau repräsentativ für ältere Leute ist, darf bezweifelt werden – ebenso gut ließe sich vermuten, dass besonders um ihre Gesundheit besorgte Menschen zum Leserkreis der Apotheken Umschau gehören.
Genauso wenig leuchtet mir die Vermutung ein, dass gerade ältere Menschen eine Fahrradhelmpflicht wünschen – zumindest müsste man „älter“ näher definieren.
Da ich auch nicht mehr zu „Jungen“ gehöre, mich aber ständig frage, wie wir unsere Jugend in unserer „Schutzlosigkeit“ überhaupt lebend überstanden haben (kein Fahrradhelm, Eltern rauchten, wir durften auch mal am Wein nippen, haben als Kinder hemmungslos an Blechspielzeugen mit Bleianteil in der Lackierung gelutscht usw.) ist mir – und auch wohl anderen so Aufgewachsenen – dieses Sicherheitsgetue fremd.
Man muss also wohl schon sehr alt sein, wenn man diesen Sicherheitswahn unterstützt….

Thorsten Stumm
10 Jahre zuvor

@Tux
Also ganz Holland fährt ohne Helm Fahrrad…ohne Bedarf nach „psychologischer Wirkung“ und ohne die Notwendigkeit etwas „suggeriert “ zu bekommen…..machen die was falsch….ne die wälzen sich vor lachen im Vla über Deutsche, die immer Angst haben und Sicherheit brauchen… wie können, die das bloss risikieren einfach so loszufahren und vorsichtig und rücksichtsvoll zu sein….und das ohne höchstrichterliche Entscheidung….schlimm

Arnold Voss
Arnold Voss
10 Jahre zuvor

Helme sind für Soldaten und Rennfahrer, nicht für Zivilisten. Wer im Alltag auf ein Rad steigt zieht aber weder in den Krieg noch will er an der Tour de France teilnehmen. Er ist in friedlicher und kooperativer Absicht unterwegs und sollte deswegen auch entsprechend aussehen. 🙂

Walter Stach
Walter Stach
10 Jahre zuvor

Nansy -3-
Ich -75- bin viel mit dem Fahrrad gefahren und ich fahre weiterhin mit dem Fahrrad. Das geschah ,das gechieht und wird hoffentlich noch weiter geschehen können ohne Helm.
Soviel zu den Älterern, den angeblichen Fans einer Helmpflicht.

(Ich begegne, weil sachlich geboten, jeder Umfrage mit Mißtrauen. Das gilt in gesteigertem Maße für alle Forsa-Umfragen.)

Thorsten Stumm -4-
Die Niederlande sind meine zweite Heimat.
Ich beneide unsere Nachbarn um ihr „fahrradfreundliches Land“, von dem wir sehr viel lernen könnten, aber nicht Lernen wollen, da bei uns das Auto in jeder Beziehung Vorfahrt hat!

Wenn in den Niederlanden, d e m Fahrradland schlechthin , niemand auf die Idee kommt, eine Helmpflicht zu verordnen, muß uns das doch zu denken geben, es sei denn, man hält es mittlerweile bei uns in allen Lebensbereichen für unumgänglich nötig, jede denkbare, durch menschliches Tun oder Unterlassen herbeiführbare gesundheitliche Gefahr kategorisch ausschließen zu wollen.Das scheint dann auch eine abwägende Betrachtung der Vor- und Nachteile staatlicher Ge- bzw. Verbote, vor allem mit Blick auf die Praxis in einem Nachbarland, von vornherein auszuschließen.

Oder stecken auch hinter dieser Campagen, wie so oft, wirtschaftliche Interessen?

Meine Frau und ich liegen in der Regel richtig, wenn wir unterwegs in den Niederlanden darauf wetten,daß die Radfahrer mit Helm Deutsche und die anderen Niederländer sind.Also selbst in einem Land ohne Helmpflicht, ohne eine diesbezügliche „Stimmung“ in der Bürgerschaft ,in einem Land, wo beinahe alle „einheimischen“ Radfahrer keinen Helm benutzt, sind Deutsche als Helm-Fetischisten auszumachen. Amüsant; stimmt aber auch nachdenklich.

Nansy
Nansy
10 Jahre zuvor

Walter Stach -6-
Ich wollte Ihnen wirklich nicht zu nahe treten – ich glaube nicht wirklich daran, dass die Älteren Fans einer Helmpflicht sind!

Eine andere von Ihnen angesprochene Frage finde ich interessant: „Oder stecken auch hinter dieser Campagen, wie so oft, wirtschaftliche Interessen?“
Soeben hat die WAZ mal wieder einen Artikel über Übergewicht mit der Angst vor Krebs verbunden (angeregt von Behauptungen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), das wir ja schon aus anderen Kampagnen kennen). Zusätzlich mit der absurden Übertreibung: die WHO betrachte Übergewicht als weltweite Epidemie“ (Panikmache).
https://www.derwesten.de/gesundheit/uebergewicht-kann-eine-gefaehrliche-zeitbombe-fuer-krebs-sein-id8902004.html

Das erinnert mich an die Anmerkungen des Soziologen Friedrich Schorb, der die riesigen Übergewichtskampagnen nicht auf zu vielen dicke Menschen zurückführt, sondern vor allem auf den Interessen der Industrie nach neuen Märkten. Es gehe nicht um die Gesundheit der Menschen, sondern vielmehr um einen Milliardenmarkt für Diäten, Schlankheitspillen und Fitnessprogramme.
Dieses Beispiel ist eine Blaupause auch für andere Kampagnen gegen Zucker, Fett, Alkohol usw. – ein Zusammenspiel von Ärzten, Wissenschaftlern und Politikern im Sinne einer immer größer werdenden Gesundheitsindustrie.

Walter Stach
Walter Stach
10 Jahre zuvor

Nansy -7-„…nicht zunahe treten….“.

Habe ich auch nicht so empfunden!
Meine Replik bezog sich nicht auf Ihre Meinung, sondern auf das von Ihnnen angeführte Zitat.

Tolleranz
Tolleranz
10 Jahre zuvor

Sicherlich ein wichtiges Thema, wenngleich ich den vermeintlichen (?) volkswirtschaftlichen Schaden, der durch eine Nicht-Einführung der Helmpflicht entsteht (Versicherungsbranche, Helmfabrikanten), für eine weitere treibende Kraft halte, außerdem:
„der Abschnitt zu Gender war allerdings sehr verwirrend und unsachlich und eigentlich versteh ich den Zusammenhang mit den Artikel nicht. Ohne den Abschnitt wäre der Artikel gut“

Tom
Tom
10 Jahre zuvor

Menschen unterscheiden sich in Ihrem Sicherheitsbewusstsein. Von daher ist es nachzuvollziehen, dass Manche einen Helm tragen wollen, ganz egal, ob diese Entscheidung letztendlich rational oder irrational ist, auf Statusdenken beruht oder auf sonst etwas.
Viel interessanter finde ich die Frage, warum diese Menschen dann nicht einfach behelmt durch das Land fahren (das verbietet doch keiner), sondern auch noch eine Helmpflicht fordern. Helmbenutzerin „Frau Müller“ aus Gütersloh kennt mich nicht und ist (davon bin ich überzeugt) in keinster Weise an meiner Sicherheit interessiert. Warum will Sie also, dass mir das per Gesetz vorgeschrieben wird?

Das führt m.E. auch zu der wichtigsten Frage bei diesem Thema (die leider gar nie gestellt wird): Wann darf wer, wem etwas befehlen.

trackback

[…] hat die Helmdiskussion nun aufgegriffen. Der Autor Hasso Spode erläutert es in seinem Beitrag Verhaltensregulierung: Moralische Helmpflicht, warum die Diskussion typisch für die heutige Gesellschaft sei und wie sie soziologisch zu deuten […]

Puck
Puck
10 Jahre zuvor

Die wirtschaftlichen Interessen sollte man bei der ganzen Diskussion nicht außer acht lassen. Erstmal die Hersteller von Fahrradhelmen, die sind natürlich an einer Helmpflicht interessiert. Genau wie die Hersteller von Rollatoren es geschafft haben, einer nicht unerheblichen Anzahl von Leuten über 60 einzureden, daß auf ihre Füße kein Verlaß mehr ist, werden irrationale Ängst bei Fahrradfahrern geweckt.
Und wie sieht es denn aus mit Versicherungen? Können die demnächst Zahlungen verweigern, wenn ein Radfahrer verunglückt? Die Pflicht zu Winterreifen ist da ein interssanter Vergleich, auch wenn der tatsächlich ein bißchen hinkt, weil ich aus eigener Erfahrung sagen kann, daß bei Schnee und Eis Winterreifen tatsächlich mehr Griff haben. Der Punkt ist aber ein ganz anderer: Auch wenn weit und breit kein Schnee und Eis zu sehen ist, kann man versicherungstechnisch den Kürzeren ziehen, indem man zumindest eine „Mitschuld“ angedichtet bekommt – verbunden mit einer Rückstufung der Versicherungsbeiträge – wenn man keine Winterreifen dran hat, und zwar auch dann, wenn man den Unfall nicht verschuldet hat!
Eine Helmpflicht könnte sich also durchaus als „Spardose“ für Versicherungen erweisen.

Was zumindest etwas verkürzt dargestellt wurde ist m. E. die Gender-Kiste. Mag schon sein, daß die neuen Glucken-Muttis die eifrigsten Verfechter von Helmen für Kleinkinder sind und das durchaus auch als Mittel der Distinktion nutzen, um sich von der Plebs abzugrenzen. Das hat aber weniger damit zu tun, daß Frauen – je nach Blickwinkel – vernünftiger oder feige Hühner sind, die sich nix trauen, sondern damit daß sich seit Jahren ein Frauenbild breitmacht, in dem die Glucken-Mami geradezu heroisiert wird, was einem zutiefst konservativen Weltbild entspricht und eben nicht das ist, was die viel gescholtenen „Emanzen“ ursprünglich wollten. Als Frau die sich gegen Kinder entschieden hat müßte man inzwischen glatt wieder fürchten, als irgendwie behindert bezeichnet zu werden, wäre der Begriff „behindert“ nicht durch PC verboten….
Es kann also nicht vom Sieg der Emanzen die Rede sein, sondern der Backlash ist voll im Gange, der Frauen mal wieder auf die Mutterrolle reduziert – und da ist dann am Ende womöglich das einzige Mittel der Selbstbestimmung nur noch die Entscheidung, dem Bambino den Helm überzustülpen.

Fibrile
Fibrile
10 Jahre zuvor

Darf ich bitte trotzdem einfach einen Helm aufsetzen, weil ich das für mich schon vor Jahren so entschieden habe? Und mir egal ist, ob das irgendwelche Hersteller, Gerichte, Blogger, Nicht-Blogger oder sonstwer diskutieren? Einfach so? Ohne blabla. So wie anschnallen im Auto? Ist das jetzt schon wieder schlimm, weil es quasi „angepasst“, über-politisch-korrekt oder sonstwie langweilig ist?

Abgesehen davon: Ich bin NICHT für eine Helmpflicht.

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

@ Fibrile # 13

Haben sie hier irgendwo gelesen das Jemdand das Helmtragen unter Strafe stellen will? 🙂

Thomas
7 Jahre zuvor

Neben der Sicherheit trage ich den Helm auch weil er son tolle Lämpchen hinten hat und ich an meiner Stadtschlampe sonst kein funktionierendes Rücklicht hab Zudem hält es mit einer Helmmütze bei den Wintertemperaturen schön warm am Kopf. Viel besser als ne 08/15 Mütze!

Lutvo
7 Jahre zuvor

Mit dem Helm war ich ehrlich gesagt auch nicht so sicher. Habe mich aber dann im Netz schlau gemacht einen guten finden können. Mir ist es natürlich auch wichtig gewesen, dass der Helm sicher ist und gut sitzt.

Ich kam wie du sehen kannst, gut im Netz weiter. Hoffe du bist ebenso gut bedient.

Gerth
6 Jahre zuvor

Mit den Helmen ist es immer so eine Sache. Ich lebe auf einem Dorf und trage keinen Helm, wenn ich mit meinem Rad fahre. Gelegentlich besuche ich meine Schwester in einer dichtbesiedelten Stadt, wo viel Verkehr herrscht Da trage ich besonders einen Helm. Hinzu kommt, dass die Gesellschaft Schönheitsideale bestrebt und viele Menschen, trotz der hohen Sicherheit mit einem Helm, nie solch einen Helm tragen.

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