Werbung

Vom Westpark zum neuen Berne Park – eine Ruhrstadtradtour

Die Sonne strahlt. Der Sattel ruft. Frühstück im Bermuda-Dreieck muss sein. Es ist Sonntag, da gönnt man sich sowas. Reichlich muss es auch sein, denn die geplante Tour dauert ein paar Stunden.

Um 11 geht es endlich los. Richtung Westpark zur Jahrhunderthalle. Könnte ich auch zu Fuß hingehen, denn sie liegt gerade mal 15 Gehminuten vom B3E entfernt. Per Pedal sind es nicht mal 5. Drehe da erst mal eine kleine Runde rund um das Industriedenkmal, denn das Bauwerk mit seinem weit hin sichtbaren Wasserturm ist beeindruckend. Nicht zuletzt weil es in einer Art Tal liegt in das man beim Drumherumradeln herunterschauen kann. Alles zusammen ein landschaftsarchitektonisches Meisterwerk.

Ich kenne diese ehemalige Kruppsche Fabrik noch im Urzustand. Voller Maschinen und Getöse. Da konnte man nur sehr schwer und vor allem nur illegal auf das Gelände. Jetzt ist es ein Freizeitparadies und Leute liegen auf den Wiesen mit Blick auf die industrielle Vergangenheit Bochums. Einer hat einen großen Lenkdrachen in den Wind gestellt und tanzt als sein Bodenanhängsel gelenkig hinter ihm her. Eine türkische Familie beobachtet ihn von ihrer reichlich mit Essen garnierten Sitzdecke aus.

Es sind für Ruhrgebietsverhältnisse erstaunliche viele junge Leute die mittlerweile den Park regelmäßig bevölkern. Ähnlich wie im Dortmunds Westpark, der allerdings viel keiner ist und nicht zu den IBA-Emscherpark-Highlights gehört. Allerdings ist er mir nicht weniger lieb, weil dort seit der Kulturhauptstadt im Sommer auf einer extra dafür aufgestellten Tanzfläche open-air getanzt werden kann. An sowas haben die Gestalter in Bochum leider nicht gedacht. Dabei braucht es dafür nur eine robuste und waagerechte Steinfläche die glatt und groß genug ist. Wahrscheinlich eine zu einfache Aufgabe für Architekten.

Ich verlasse den Park über eine wundervolle geschwungene Fußgängerbrücke um über die Erzbahntrasse in Richtung Rhein-Herne-Kanal zu düsen. Dieser aus einer ehemaligen Güterzugstrecke entstandene Rad- und Fußweg hat sich zu einer Art Fahrrad-Boulevard gemausert. Alles was ein Pedal bewegen kann ist dort heute unterwegs. Hoch über dem Ruhrgebiet, denn diese Strecke liegt wie auf einem Deich im und über dem grünen Baum- Meer, das fast  alle Häuser der Ruhrstadt umspült.

Es geht über  Gewässer, Straßen und Autobahnen einmal quer durch das nie endende Riesendorf namens Ruhrgebiet Richtung Norden, Richtung Emscher und Rhein-Herne-Kanal. Der Strom der mir entgegenkommenden Radler reißt einfach nicht ab. Es ist wie auf der großen  8 im Central Park von New York City. Da allerdings geht es immer nur im Kreis und nur in eine Richtung.  Aber es ist ähnlich bunt  wie auf meinem Ruhr-Trail. Nicht nur was die Typen auf den Fahrzeugen sondern auch was die Fahrzeuge selbst betrifft. Einschließlich eines Mannes der mir auf eine Art Skier  auf Rollen entgegen stakt.

An manchen Brücken wird es richtig eng, denn die Nahbereichsfußgänger und die Jogger sind  bei diesem herrlichen Wetter natürlich auch unterwegs. Dazu viele radelnde Kinder die mit ihren Eltern zusammen äußerst unkalkulierbare und zugleich fröhliche kleine Biker-Gangs bilden. Da, wo es am Wegesrand Bänke  gibt, bilden sich ebenfalls Gruppen die dem Treiben äußerst interessiert zuschauen. Zusammengesetzt aus pausierende Radlern, Kids aus den anliegenden Stadtteilen und irgendwie sonntäglich gekleideten alten Damen und Herren verschiedener ethnischer Herkunft.

Man geht an warmen Wochenenden offensichtlich nicht mehr nur in die City, um  Schaufenster und Leute zu gucken. Männlein und Weiblein wählen stattdessen den kurzen Fußweg zu der am  nächsten gelegenen Strecke des überlokalen Radwegenetzes um nur noch Leute zu gucken. Und deren äußerst vielfältige. nur durch Körperkraft betriebenen Fahrzeuge. Statt wie früher von der Fensterbank auf die Nachbarn in der Siedlung geht jetzt der Blick von der Sitzbank auf die Radel-Passanten. Dazu ein Zigarettchen, denn man sitzt  ja draußen, dazu noch im Grünen, und fertig ist der Aussichtsplatz am Biker-Boulevard.

Kurz hinter dem Gelsenkirchener Zoo, sorry, der“ Zoom Erlebniswelt“,  geht es über ein weiteres architektonisches Brückenhighlight  über den Kanal auf die Emscherinsel. So heißt neuerdings die Landzunge zwischen dem Rhein-Herne-Schifffahrtsweg und der offenen Ruhrkloake die bis zum Jahr 2020 wieder in den ehemaligen Fluss gleichen Namens zurückverwandelt werden soll. Eine tolle Vorstellung, die man im Dortmunder Raum schon realisiert sehen kann.

Am Nordsternpark, meiner nächsten Station ist es noch nicht soweit. Dafür kann man aber hier sehr gut erkennen, dass die Emscherinsel wirklich eine Insel ist. Und eine schöne dazu. An dieser Stelle massenhaft bestückt mit  dem Teil des Ruhrvolks, der  sich den Nordsternpark als Treffpunkt ausgesucht hat. Neuerdings gekrönt von einer Skulptur namens Herkules, die von weiten wie aus Knetgummi aussieht.

Zu meiner Irritation dreht diese Mythengestalt  allerdings den unzähligen Menschen auf dem großen Platz vor dem ehemaligen Zechengebäude nicht ihr Gesicht sondern ihren noch viel voluminöseren Hintern zu. Vielleicht ist es dieser Wahrnehmungsaffront der zur folgenden schriftlichen Kunstrezeption geführt hat, die ich per Edding auf einem der Infotafeln gekritzelt sah. Originalzitat: Gelsenkirchen  Horst hat einen schwulen Griechen auf dem Dach mit 1 Arm.

Mein eigentliches künstlerisch-architektonisches  Ziel ist aber der neue Berne-Park. Also radele ich weiter auf der Emscherinsel am Kanal entlang Richtung Bottrop-Welheim. Jetzt lässt endlich auch der Strom der Radler etwas nach. An meiner Seite nur noch der mächtige Kanal, auch heute von Schiffen befahren, denn die kennen keine Sonntagsruhe. Am Essener Stadthafen muss ich mich dann leider etwas durch die Büsche schlagen, weil der Radweg nun die Wasserkante verlässt bzw. verlassen muss.

Kurz vor dem ehemaligen Klärwerk der Emschergenossenschaft, da wo die Berne in die Emscher mündet, kommt sie dann wieder in Sichtweite. Und der neue Berne-Park selbst, der sich, je näher man ihm kommt,  ebenfalls als ein kleines landschaftsarchitektonisches Meisterwerk herausstellt. Im Mittelpunkt  2 kreisrunde Wasserbecken von denen eins im Rahmen der Emscherkunst in einen kreisrunden begehbaren Garten verwandelt worden ist. Dazu ein wunderschön renoviertes Maschinenhaus das jetzt ein Restaurant mit Minihotel geworden ist.

Besonders witzig sind die eigentlichen Übernachtungsstätten. Es sind bewohnbare Betonröhren.  Die Innenausstattung ist schlicht und funktional. Gestaltet nach dem Motto: Reduce to the max!  Die Röhren selbst sollen wohl eine formale Anspielung auf den Emscherumbau sein.  Der basiert ja im technischen Kern auf  einem gewaltigen großen neuen Kanalnetz das parallel zur offenen Emscher gebaut wird und in dem nach Fertigstellung das Schmutzwasser der Kloake verschwinden soll, bzw. im Dortmunder Raum schon verschwunden ist.

Ich trinke auf der Terrasse mein wohlverdientes und wohltemperiertes Bierchen und komme wieder einmal zu dem Schluss: In der Ruhrstadt  lässt es sich gut leben gerade weil sie keine Metropole ist.  Meine Radtour war auf ihre besondere Art genauso spannend, als wäre ich durch Berlin geradelt. Den Verkehrsstress den ich dort jedoch automatisch mitgeliefert bekomme, habe ich mir hier fast komplett erspart. Nichts  gegen Berlin. Ich lebe auch da gerne. Aber so eine relaxte, durch und durch grüne und zugleich urban  hoch interessante Radtour kann man nur im Ruhrgebiet machen.

 

 

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
8 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Thorsten
Thorsten
12 Jahre zuvor

Ich bin begeistert. Die Barone entdecken Ihre Liebe zum Fahrrad und zum Bernepark. Ergänzend könnte man noch anmerken, das die Übernachtungsröhren über das Netz buchbar sind und nach dem Prinzip „Zahl was du willst und kannst“ funktionieren. Die Fahrradständer am Parkeingang sind eine Fehlplanung – am Restaurant wären Sie deutlich besser positioniert. Anmerken sollte man zudem das es aufgrund der noch nicht revitalisierten Köttelbecke Berne dort „wenn der Wind richtig steht“ noch ordentlich nach Scheiße stinkt.

trackback

[…] Vom Westpark zum neuen Berne Park – eine Ruhrstadtradtour (Ruhrbarone) – […]

Thorsten
Thorsten
12 Jahre zuvor
Torti
Torti
12 Jahre zuvor

Ach endlich mal wieder ein Text zum entspannen und geniessen…
Macht Lust den Weg mal nachzufahren. Hier kann man übrigens die entdecken Routen für alle zugänglich machen.
https://www.naviki.org inkl. Routenplaner. Dann kann man auch per App navigieren.

Thomas
12 Jahre zuvor

Thorsten, Arnold – die Übernachtungsröhren im Bernepark sind echt eine niedliche kleine Sensation.

Zumal die ja zwischen Niederrhein-Ruhrstadt (DU) und Westfalen-Ruhrstadt (DO) quasi auf halber Strecke liegen und somit einen missing link für eine mehrtägige Rad-Erschließungstour der Emscher- bzw Kanalregion bilden.

In diesem und auch im nächsten Monat sind die Röhren quasi schon ausgebucht, was uns ein Antesten leider verunmöglicht, gleichwohl: Hier trifft wirklich die lokaljournalistische Phrase zu — ein voller Erfolg.

Dann verfechte ich ja auch den Gedanken, daß die vom Gemeinwesen betriebenen neuen fahrradaffinen Gastronomien an den Reviertrails wie das Berneparksche Restaurant im Maschinenhaus, das von der Arbeitsförderungsgesellschaft GAFÖG betrieben wird, selbstverständlich auch freies W-LAN haben sollten.

Einfach schon, damit von dort Reisende an den Etappenzielen ihre Nahbereichstouren mit dem genialen Radroutenplaner Naviki planen können.

https://www.naviki.org/de/naviki/start/

In dem auch erst seit wenigen Wochen etablierten, gemeinwesenbetriebenen Laden Ziegenpeter

https://www.derwesten.de/staedte/duisburg/Panorama-am-Ziegenpeter-id4699547.html

im Duisburg-Hochfelder Rheinpark an der Rhein-Radmagistrale Basel-Rotterdam wird das nach Auskunft der Jungs und Mädels vor Ort der Fall sein.

Thomas
12 Jahre zuvor

#4 (Torti):

>Hier kann man übrigens die entdecken Routen für alle zugänglich machen.
https://www.naviki.org inkl. Routenplaner.

Ja. Naviki ist große Klasse. Zumal das Kartenmaterial ja auf dem Open Street Map Projekt grundiert. Da können bekanntlich alle mitmachen und zur Genauigkeit betragen.

Endlich sind die Zeiten vorbei, wo wir uns auf den NRW-Radroutenplaner, eine umständliche ingenieurtechnische Umsetzung der NRW-Landesregierung, die auf den jahrzehnte alten Meßtischblättern der Landesvermessungsämtern basierte, verlassen mußten.

>Dann kann man auch per App navigieren.

Apps?

Ich hab‘ nen Garmin mit der jeweils aktuellen OSM-mtbmap drin. Die wird ja praktisch alle paar Tage updatet.

https://openmtbmap.org/

Geplante Touren, also Tracks, also *.gpx-Files lade ich per Naviki runter und überspiel‘ die dann auf den Garmin.

Ist das nicht schrecklich teuer, wenn das IPhone, Smartphone immer live die aktuelle Kartenkachel und das Routing runterlädt?

Vatta
Vatta
12 Jahre zuvor

Nö, heutzutage sollte jeder eine Daten-Flatrate haben.

Tim Koch
12 Jahre zuvor

Wir sind die Route fast genauso bis zum Berne-Park gefahren – wunderbar. Wir sind mit dem Zug nach Bochum gefahren und von da los. Zwischendurch kann man auch noch einen Abstecher zur Zeche Zollverein machen, alles dank relativ guter Beschilderung kein Problem (nur an der Emscher haben uns die Schilder einmal erst in die Irre geführt).
Auch die Übernachtung in den Röhren ist eine klasse Erfahrung. Wichtig ist hier frühzeitig zu planen und zu reservieren.
Am nächsten Tag wäre eigentlich die Fahrt zum Rhein und dann nach Duisburg angesagt gewesen, aber das plötzlich miserable Wetter hat dazu geführt, dass wir nur noch von Bottrop nach Essen zum Bahnhof gefahren sind. Immerhin kann man da die Baustelle an der Hafenstraße begutachten :-).

Werbung