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Bochum: Haushaltssperre entleert Koalitionsvertrag von SPD und Grünen

Dirk Schmidt
Dirk Schmidt

Viele meiner politischen Emails drehen sich in den Tagen vor der konstituierenden Ratssitzung um die Bildung von Ausschüssen und der Organisation der Arbeitsweise im Stadtrat, der CDU-Fraktion und der Partei. Normal. Dazwischen trudelte einen Monat nach der Kommunalwahl eine Email ein, die mitteilt, dass der Kämmerer Dr. Busch (Grüne) eine Haushaltssperre verhängt habe. Ich dachte gleich an Dortmund. Vor fünf Jahren kam da die Haushaltssperre direkt in den Tagen nach der Kommunalwahl. Nun, sie werden auch im Rathaus Bochum gelernt haben, dachte ich so. Dann hab ich die Email mal gelesen. Ein Beitrag von Dirk Schmidt, Mitglied der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Bochum.

Die Zeitung und der Bericht des Kämmerers im Rat verdeutlichten das Ausmaß des Problems. Bis zu 40 Millionen Euro fehlen in der Kasse. Und die fehlen so plötzlich, dass das vor einem Monat noch nicht absehbar war? Da gibt es Mindereinnahmen, weil zum Beispiel die Sparkasse nicht so viel Gewinn abführt, wie erhofft. Bei den Sozialtransfers und den Personalkosten kommt es zu Steigerungen. Das sind dann so die Zwangsläufigkeiten.

Sparmaßnahmen greifen nicht so wie erhofft

Da sind dann aber auch verwaltungsseitig hausgemachte Probleme. Der Personalabbau kommt nicht so recht voran. Standortdebatten haben Verschlankungen der Verwaltungsorganisation nicht vorankommen lassen. Es sind nicht nur die nicht erfolgreichen Maßnahmen des Haushaltskonsolidierungskonzepts (HSK), die jetzt schmerzen. Dieses Jahr müssten ja weitere folgen. Dr. Busch hat dazu eine Folie, die er im Ratssaal an die Wand projeziert. Die Einsparungen von 0,7 Mio. € bei den städtischen Seniorenheimen erwartet er auch nicht mehr – und so manch anderes auch. Ich sehe die Liste und denke mir: Da fehlen noch die Folgen des Sturms am Pfingstmontag.

Kämmerer Dr. Busch erklärt dem Rat eine Kurve. Das ist die Kurve, wie sich jedes Jahr das Defizit der Stadt Bochum verringern soll. Im Bundeshauhalt würde das dann Nettoneuverschuldung heißen. Die Kurve fällt dieses Jahr auf 85 Millionen Euro. Immer noch eine stolze Summe, aber leider wird die fallende Soll-Linie auf der Wand von einer roten Kurve geschnitten. Ihr Endpunkt liegt bei etwa 120 Millionen Euro. Das wird schwierig, auf mindestens 40 Millionen Euro weitere Einsparungen zu kommen. Einige Oberbürgermeister wollen beim Land vorsprechen, die Verluste an Bäumen und anderen Schäden nicht regulär mit allen Konsequenzen in ihren Haushalten verbuchen müssen, hörte ich.

Luft in den Finanzplänen ist nirgends mehr, auch nicht bei den städtischen Gesellschaften und Beteiligungen. Die Energiewende lässt die Einnahmen aus Stadtwerken und RWE-Aktien bröseln. Vielleicht gibt es doch noch einen Beitrag von Gelsenwasser, wenn die Tilgung für die Kredite zum Kauf der AG über längere Zeit gestreckt werden. Das wäre ein Anfang für schnelle Erfolgen.

Kein genehmigter Haushalt, kein umsetzbarer rot-grüner Koalitionsvertrag?

Scherbenhaufen
Scherbenhaufen

Und wenn sich das Defizit nicht auf 85 Millionen zurückführen lässt? Dann ist die Haushaltsgenehmigung futsch. Nächstes Jahr sollen die Mehrausgaben nochmals weniger werden. Ich denke an das Video von Genosse Jens Matheuszik’s Pottblog mit eine Interview mit Ditte Gurack (Grüne), das er nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags von SPD und Grüne geführt hat. Stolz ist sie da auf das Vereinbarte im Politikfeld Umwelt. So sollen gefällte Bäume kompensiert werden.

Kein Geld für rot-grünen Quatsch im Koalitionsvertrag

Das wäre mit dem Ersatz für verwaiste Baumscheiben wäre ein Fortschritt, denn für nicht einmal für alle Ersatzpflanzungen war in den letzten Jahre Geld da. Auch vor dem Pfingststurm gab es leere Baumscheiben oder solche mit Stümpfen. Aber anstatt Bäume bevorzugt zu pflanzen, haben die Grünen gegenüber der SPD durchgesetzt, dass Bochum endlich ein Baumkataster bekommt. Das ist eine Datenbank in der alle Bäume erfasst und bwertete sind. Ich meine mich zu erinnern, dass daran 17 Verwaltungsmitarbeiter ein Jahr lang dran arbeiten würden. Fast freu‘ ich mich, dass der Quatsch jetzt nicht kommt. Das ist schon mal den Notwendigkeiten eines Nothaushalts zum Opfer gefallen.

Wir können in Bochum und Wattenscheid froh sein, wenn wir überhaupt Ersatzpflanzungen zustandebekommen und mittelfristig die sturmgeschädigten Bäume ersetzen können. Bei mehr als 50 Millionen erwarteten Sturmschäden ist das eine gewaltige Leistung.
Der Koalitionsvertrag stand immer unter Finanzierunsgvorbehalt. Eine Forderung der SPD?

Grüne haben ihre Vorstellungen gegenüber SPD durchgesetzt: Jetzt muss gespart werden

Ein Abgleich der Kommunalwahlpogramme zeigt mir, dass sich die Grünen bei Mobilität, Umwelt, Integration und vielen anderenn Stellen durchgesetzt haben. ‚Hatten durchgesetzt‘ trifft es besser. Der Grüne Dr. Busch hat ihren Erfolg mit dieser Meldung zunichte gemacht. Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts. Statt zu gestalten, heißt es jetzt zu kürzen. Das wird weh tun. Gut das der Koalitionsvertrag voraussichtlich für viele Anliegen vorsieht, dass die Stadt sich dafür bei Bund und Land einsetzen sollen. Politische Solidaritätsbekundungen ohne Hilfe für die Betrofffenen.

Die jetzt anlaufende Wahlperiode ist mit sechs Jahre sehr lang. Dann macht mal, denk ich mir. Für die nächste Ratssitzung schreibe ich einen Dringlichkeitsantrag für das Freizeitbad Heveney, den meine Fraktion am Montag berät. Die Anlage am Kemnader See ist so marode, dass ich die Gesundheit der Schwimmgäste in Gefahr sehe. Die technischen Anlagen sind großteils 30 Jahre alt. Die Gesellschaft muss für unabweisbare Maßnahmen 300.000 € ausgeben, die sie nicht hat. Die Zuschüsse für Investitionen sind bereits vor 10 Jahren gekürzt worden. Das erschwert die Lage jetzt.

Im rot-grünen Koalitionsvertrag steht was von einem Sanierungsprogramm für Straßen. Das braucht Bochum wirklich. Womit wollen die Koalitionäre das Programm im Haushaltsplan füllen? Mit Steinen? Jahre des Stillstands drohen.

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Stefan Laurin
Admin
9 Jahre zuvor

In den vergangenen Jahren halfen Sparkassen und Stadtwerke immer noch dabei, die Härten des Sparkurses bei Kultur und Sport abzuwenden. Das wird immer schwieriger: Die Stadtwerke leiden unter der Energiewende, die Sparkasse muss wegen der Bankensicherung ihre Rücklagen erhöhen.

Vossi
Vossi
9 Jahre zuvor

Die Führung eines Baumkatasters ist kein rot-grüner Quatsch.
Neben einer ordentlichen Vermögensbewertung ist es ein zwingendes Instrument der rechtlich relevanten Baumkontrolle und dient der Sicherheit der Bevölkerung.
Gerade in diesen Tagen so wichtig wie nie…

Volker Steude
9 Jahre zuvor

Es ist in Bochum nicht etwa so, dass der Kämmerer erst im Rat seine Maßnahme ankündigt, sie dort diskutiert wurden und er sie dann verhängt.

Nein, der Kämmerer sperrt rechtzeitig 48 Stunden vor der Ratssitzung den Haushalt. Den Beschluss über die Sperrung bekommt man erst 6 Tage später per Mail nachgereicht, natürlich deutlich nach der Ratssitzung.

Im Rat wird überhaupt erst auf Drängen eine dürftige Mitteilung des Kämmerers zu den Gründen der Haushaltssperre nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt. Dann aber mit dem ausdrücklichen Hinweis der OBin, darüber werde man jetzt nicht diskutieren, zu Mitteilungen der Verwaltung werde grundsätzlich nicht diskutiert.

Rechtlich kann das eine Verwaltung so machen. Guter Politikstil ist das freilich nicht. Überraschend, Kritik aus dem Rat, zu diesem Vorgehen hört man so gut wie nicht. Hat man sich längst daran gewöhnt, dass man so düpiert wird?

Am Donnerstag ist wieder Ratssitzung. Wir werden sehen, ob wir da endlich deutliche Worte hören.

Ansonsten fehlt es in der städtischen Finanzverwaltung entweder an einem effektiven Berichtswesen und der Kämmerer hat bisher deswegen nichts von der desaströsen Entwicklung gewusst oder er hat davon gewusst, sie aber bis nach der Kommunalwahl für sich behalten:

https://www.lokalkompass.de/bochum/politik/wahlbetrug-wieso-merkt-die-stadt-erst-nach-der-wahl-dass-40-mio-in-der-kasse-fehlen-d449023.html

Beides wirft kein gutes Licht auf die Stadtkämmerei.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@Stefan Laurin: In Dortmund „leiden“ die Stadtwerke unter unsinnigen Investitionen und Beteiligungen ala Flughafen, Phoenix-See und STEAG. Die Sparkasse hat dort zwar noch keine unsittlichen Renten- oder Gehaltserhöhungen transparent machen müssen, aber im Vorgriff auf *geplante* Bankensicherungsmaßnahmen wie Basel2 und Basel3 seit vielen Jahren immer wieder illegale Gebühren und deren Erhöhungen durchgesetzt.

AFDler
AFDler
9 Jahre zuvor

@ Vossi…
Jau, wie konnte man in Bochum bloss die letzten 40 jahre OHNE Baumkataster auskommen? Es grenzt an ein Wunder, das bisher noch nichts passiert ist….
Über „ordentliche Vermögensbewertung“ in Bochum möchte ich lieber gar nicht erst anfangen zu sprechen, sonst bekommt Herr Dr. Steude noch einen Herzinfarkt, so hart, wie er mit dem zuständigen Kämmerer immer umspringt 🙂

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[…] Viele meiner politischen Emails drehen sich in den Tagen vor der konstituierenden Ratssitzung um die Bildung von Ausschüssen und der Organisation der Arbeitsweise im Stadtrat, der CDU-Fraktion und der Partei. Normal. Dazwischen trudelte einen Monat nach der Kommunalwahl eine Email ein, die mitteilt, dass der Kämmerer Dr. Busch (Grüne) eine Haushaltssperre verhängt habe. Ich dachte gleich an Dortmund. Vor fünf Jahren kam da die Haushaltssperre direkt in den Tagen nach der Kommunalwahl. Nun, sie werden auch im Rathaus Bochum gelernt haben, dachte ich so. Dann hab ich die Email mal gelesen. Ein Beitrag von mir, Dirk Schmidt, Mitglied der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Bochum, der zuerst auf… […]

WALTER Stach
WALTER Stach
9 Jahre zuvor

Dirk Schmidt
a.)
die gravierenden Haushaltsprobleme in BO sind strukturelle weitgehend deckungsgleich mit denen in DO, Essen,GE und mit denen in vielen kleineren und mittleren Städten des Ruhrgebietes.
b.)
Das Agieren von Politik und Verwaltung, insbesodere seitens desStadtkämmerers, ist folglich in BO grundsätzlich nicht anders als in DO. Das gilt konkret auch für die vom Kämmerer verfügte Haushaltssperre.

c.)
Niemand in BO ist doch „an Wissen und Verstand“ so minderbemittelt, daß ihn die jetzt verhängte Haushaltssperre überraschen konnte oder gar die damit wieder einmal deutlich gewordenen gravierende Gesamtproblematik der städt.Finanzen.

d.)
Es gibt unstrittig in jeder Kommune einige Spezifika, die aufgegriffen und kritisiert werden können, nur kann eine sich darauf beschränkende Debatte letztlich nur Oberflächliches beinhalten, und das gilt eben auch für BO und ihre Kritik.

e.)
Könnte es, wenn von den Spezifika abgesehen wird, eine Finanzpolitik in BO geben, die sich substantiell -kurz-,mittel-,langfristig-von der jetzigen dadurch unterscheidet, daß ein ausgeglichener Haushalt möglich wäre einhergehend mit einem drastischen Abbau der langfristigen Kredite und der kurzfristigen Verbindlchkeiten -Kassenkredite-, wenn z.B. die CDU -alleine oder mit wem auch immer- ine Mehrheit im Rat hätte?

f.)
Weder die CDU/CSU -ihre Partei- noch die SPD -meine Partei- sind offenkundig wider alle ihre Bekundungen im Bundestagswahlkampf bereit, auf Bundesebene eine grundsätzliche Änderung des öffentlichen Finanzwesens herbeizuführen, von der die Kommunen, vor allem die strukturell finanzschwachen, nachhaltig profitieren könnten. Das gilt so auch für die notwendige Übernahme von Finanzleistungen im gesamten Bereich der „Daseinsfürsorge“ durch den Bund; denn die Finanzierung der „Daseinsfürsorge“ ist insgesamt eine Aufgabe des Staates, nicht seiner Kommunen.

g.)
Dass das Land NRW nicht mehr als derzeit zu Gunsten der Kommunen tun kann, ist angesichts der miserablen Finanzlage des Landes nicht zu ändern.
Auch eine CDU geführte Landesregierung -sh.Rüttgers-hat bekanntlich substantiell nichts anderes gemacht als die derzeitige SPD/Grüne Landesregierung.
Eine mögliche zukünftige CDU-geführte Landesregierung wird diesbezüglich ebenfalls nicht mit dem „großen Wurf“ zu Gunsten der finanzschwachen Kommunen im Ruhrgebiet -und darüber hinaus-kommen können

h.)
In BO, in DO, in…….wird folglich weiterhin über Detail-probleme gestritten werden, über die eine oder die andere Besonderheit, über den einen oder den anderen Verfahrenschritt -Haushaltssperre ja oder nein und wann am besten?- ,
aber ohne jede Aussicht darauf, daß es strukturell, vor allem seitens des Bundes, zu einer Änderung der finanzwirtschaftlichen Bedingungen kommen wird, die es BO und anderen Ruhrgebietskommunen möglich machen könnte, mit ausgeglichen Haushalten und kurz- bzw. langfristigen Schulden auszukommen, die der Haushalt bezüglich der Tilgung und der Zinsen problemlos verkraften würde.

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