Als ich in der Fortbildung arbeitete…

Die Bundesregierung kürzt bei den Fortbildungsmaßnahmen. In den 90ern habe ich mal in der Branche gearbeitet.

Es war für einen Studenten in den 90ern ein Traumjob: 40 Mark die Stunde. Und wenn man wollte, konnte man viele Stunden arbeiten. Auf bis zu 2000 Mark kam ich so bei meinem Job in der Fortbildungsbranche im Monat. Mein Arbeitgeber war eine privates Fortbildungsinstitut, meine Schüler waren vor allem Langzeitarbeitslose, die nach der Ausbildung zum Altenpfleger und Familienpfleger wieder einen Job finden sollten. Dann gab es auch noch Selbstzahler: Sie wollten Ergotherapeuten werden oder Stationsleiter.
Als ich den Job begann, hatte ich jede Menge hochqualifizierte Kollegen: Ärzte, Pflegedienstleiter, Juristen oder erfahrene Ergotherapeuten unterrichteten die Schüler. Ich lehrte was übrig blieb: Staatsbürgerunterricht und ein Fach das Kommunikation hieß. Da ich Kommunikationswissenschaft studierte (Ja, laut lachen ist an dieser Stelle erlaubt!) kam ich gut zu recht. Über eine pädagogische Qualifikation verfügte ich nicht, das lernte ich im Laufe der Jahre nebenbei.
Irgendwann mal fiel mir auf, dass immer häufiger die Kollegen wechselten. All die Ärzte und Juristen waren weg und immer mehr der eher preiswerten Studenten unterrichteten die Schüler. Ich habe schließlich in einem Ergotherapeutenkurs Fachkunde unterrichtet. Etwas blöd war, dass ich damals glaubte, Ergotherapeuten wären so etwas wie Masseure. Entsprechend fiel der Unterricht aus.
Die Besitzerin der Schule holte jede Menge Aufträge ran. Sie spendete der Gewerkschaft große Summen, denn die saß in den Gremien des Arbeitsamtes, dass die Kurse genehmigte. Besonders gut lief es 98 vor der Bundestagswahl. Die Arbeitslosenzahlen sollten sinken und die Zahl der Kurse explodierte. Jeder Schüler war ein Arbeitsloser weniger. Ob er für den Job, den er erlernte geeignet war oder nicht interessierte so wenig wie die Qualifikation der Ausbilder. Bei vielen Schülern hoffte ich nur, dass sie niemals einen alten Menschen pflegen würden. Die meisten waren allerdings hochmotiviert und wirklich nett.
Wenn ich jetzt lese, die Bundesregierung will Fortbildungskurse streichen, kann ich die Empörung nicht ganz verstehen. Viele der Kurse bringen den Arbeitslosen nichts. Allerdings ist um die Kurse herum eine ganze Industrie entstanden. Zahlreiche Weiterbildungsinstitute profitieren von diesen Kursen. Sie gehören häufig den Gewerkschaften und oder sind Arbeitgebernah.
Ich weiß natürlich nicht, wie die Qualität in diesen Instituten heute ist.  Was man von Leuten hört, die heute solche Kurse besuchen, lässt vermuten, dass sich wenig verbessert hat. Ich glaube, man sollte Geld in die Qualifikation von Arbeitslosen investieren. Allerdings gezielt und mit einer ordentlichen Qualitätskontrolle. Die Kurse die an meiner Schule liefen, haben nur wenigen meiner Schüler etwas gebracht.

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koelneruwe
koelneruwe
14 Jahre zuvor

„Irgendwann mal viel mir auf“
Vielleicht wäre ein Germanistik-Studium besser gewesen:)

Christian S.
14 Jahre zuvor

„In den 90ern habe ich mal in der Branche gearbeitet.“

Topaktueller Bericht, klasse! Vielleicht nächste Woche über die erste Mondlandung berichten?

anon
anon
14 Jahre zuvor

@#3:
na so schwer ist der transfer zu aktuellen themen doch nicht, oder?
wo er doch sogar ausformuliert im text versteckt ist…

Silke
14 Jahre zuvor

Also heute ist’s schon anders. Nachdem vor ca. 5 Jahren die Branche fast kollabiert war und Dozenten maximal 14,- Euro pro Unterrichtseinheit bekamen, haben sich sowohl die Preise als auch die Qualität in den letzten Jahren wieder erheblich verbessert. Die beauftragenden Agenturen und Argen sind nämlich schwer auf Zack und kontrollieren die Bildungsträger und verlangen gewisse bis hochwertige Qualifikationen und langjährige Erfahrungen. Schwarze Schafe, die mit Dumpingpreisen vor allem die kurzfristigen 4-Wochen-Maßnahmen in Verruf brachten, sind erkannt und verbannt. Heute laufen vor allem langfristige Fortbildungen mit verschiedenen Erprobungsphasen, Zeiten des Lernens in Theorie und Praxis – inklusive Vermittlungsauftrag. Die Nähe der Bildungsträger zur regionalen Wirtschaft, die den Arbeitsvermittlern in den Ämtern oft leider fehlt, bringt dann sogar Langzeitarbeitslose wieder in den Job. Und das ist doch eigentlich ganz gut, oder?

Wähler
Wähler
14 Jahre zuvor

„Wenn ich jetzt lese, die Bundesregierung will Fortbildungskurse streichen, kann ich die Empörung nicht ganz verstehen. Viele der Kurse bringen den Arbeitslosen nichts.“

Stimmt, bei den Ausbildern..
aber mal im Ernst, es werden ja noch nicht mal Schulmaterialien, aus Kostengründen zur Verfügung gestellt…

Gruss

David Schraven
14 Jahre zuvor

Aufdränge. 🙂 lustiges Wort.

Alex
14 Jahre zuvor

Ja, das kommt mir bekannt vor. Ich weiß von Hartz IV’lern, die das x-te mal ein Bewerbertraining mitmachen (auch die zwei Wochen werden das Amt mind. ’nen Tausender kosten) und ich weiß von Personalern, die klar sagen, dass Menschen, die ihre Bewerbungen nach einem solchen Training ausrichten schon beim Anschreiben in den Mülleimer fliegen.

Hauptsache aus der Statistik raus oder in die Soll-Erfüllungsstatistik der Fallmanager rein … Egal, was es kostet oder obs was bringt.

Sehr geil ist auch das hier: https://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/12/0,1872,8036620,00.html?dr=1

emden09
emden09
14 Jahre zuvor

Da all die Leute die bei diesen „windigen“ Instituten Fortbildungen besuchen irgendwann einmal ein Betriebspraktikum von mehreren Wochen oder Monaten machen müssen landen zumindest die, die sich zukünftig als Fachinformatiker betätigen wollen für ihre Praktika häufig bei uns. Man kommt dann schon mal ins Gespräch. Aus deren Berichten lässt sich schließen, dass sich die von Dir beschriebenen Verhältnisse eher noch verschlimmert haben.

Da es im Fach Informatik wenig qualifizierte Lehrkräfte gibt (logisch jeder Student, der was drauf hat verdient mit ein paar Programmierjobs nebenbei deutlich mehr als er jemals in der Fortbildungsbranche verdienen könnte) bilden sich die „Schüler“ zum größten Teil im „Selbststudium“ fort. Prüfungen für z.B. Microsoft-, Java-, Oracle- oder Cisco-Zertifikate sind in den Fortbildungspreis einkalkuliert, aber auch hier ist überwiegend Selbststudium angesagt.

Die Fortbildungsorganisation ist offensichtlich noch verheerender als von Dir beschrieben. Stehen keine Lehrkräfte zur Verfügung werden die „Schüler“ schon mal nach Haus geschickt, aber mit der Maßgabe bei Wegeunfällen anzugeben, sie seien wg. eines Artzbesuches freigestellt worden (möchte nicht wissen, was passiert wenn da mal mehrere „Schüler“ einer „Klasse“ gleichzeitig auf dem Nachhauseweg verunfallen – aber die geringe Wahrscheinlichkeit einer solchen Koinzidenz wird wohl auch von den Fortbildungsanbietern einkalkuliert).

Natürlich darf der Praktikumsbetrieb den „Schülern“ nichts bezahlen. Ok, man kann versuchen, einen während des Praktikums für die Nutzung beim „Schüler“ zu Hause überlassenen Rechner versehentlich nicht zurückzufordern, ein überlassenes Firmenhandy nicht zurückfordern und während des Praktikums Privatgespräche über die SIM des Firmenhandies nicht zu verbieten, kostenlose Mahlzeiten in der Kantine geht auch. Aber all das führt natürlich ähnlich wie „Tafeln“ zurück in einen Almosenstaat, in dem mit Hartz IV auch die Entrechtung der Arbeitslosen beginnt.

Die „Praktika“ werden von den Fortbildunsganbietern meist ebenso windig organisiert wie die gesamte Fortbildung. Macht ein „Schüler“ zwei oder drei Betriebspraktika hintereinander kann man davon ausgehen, dass die „zuständigen“ Mitarbeiter beim Fortbildungsanbieter zwischenzeitlich 5-6 mal wechseln. Natürlich der eine nicht weiß, was mit dem anderen zuvor besprochen wurde und auch schriftlich festgehaltene Vereinbarungen geflissentlich mit Ignoranz behandelt werden.

Silke
14 Jahre zuvor

@Emden09 Bei solch fragwürdigen „Zuständen“ versagt aber der Leistungsträger, also die beauftragende Stelle, der die Bildungsträger regelmäßig zu kontrollieren hat und außerdem Befragungen der Teilnehmer einer solchen Fortbildung durchführt – um nämlich solche Missstände zu erkennen. Wenn ein solcher Bildungsträger, der sich per Zertifizierung zu Durchführungsqualität und Nachhaltigkeit verpflichtet, dann weiterhin Teilnehmer über Bildungsgutscheine von den Agenturen und Argen zugewiesen bekommt, wird dieses ganze Fortbildungskonstrukt natürlich ad absordum geführt.

Alex
14 Jahre zuvor

@Silke: Schaust Du: https://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/12/0,1872,8036620,00.html?dr=1

So werden die Maßnahmen kontrolliert.

Fortbildungen sind nunmal eben auch Verschiebebahnhöfe, um die Leute mal kurzfristig aus der Statistik zu bekommen oder um die eigene „Vermittlungsstatistik“ aufzumöbeln.

Aber, die Zustände machen auch Beispiele aus anderen Bereichen (nicht nur Fortbildung) deutlich …

Wie mußte mein Schwager (Vater von 4 Kindern) kämpfen, um endlich einen Hauptschulabschluss nachholen zu dürfen, damit er endlich eine Ausbildung zum Gesellen ablegen kann. Als die Hauptschulausbildung endlich genehmigt war, schaute sich die Arge das 1,5 Jahre an. Kurz vor Ende schickten Sie ihn in einen auf 6 Monate befristeten Job (Schichtdienst) und ließen sich auch nicht durch die nahende erfolgreiche Erlangung eines Schulabschlusses, erweichen. Er schmiss die Ausbildung auf Druck der Fallmanagerin (er muß ja Kinder ernähren und kann sich eine Sperre nicht erlauben), ging 6 Monate Schichten und war dann wieder Hartz IV Empfänger … weiterhin ohne Schulabschluss.

Das ist die Realität in den Argen … So funktioniert das System. Es führt sich regelmäßig selbst ad absurdum…

BTW: Er steht jetzt gut 8 Monate vor seiner (durch die Arge geförderten) Gesellenprüfung zum Elektriker. Ich hoffe, die Arge kommt jetzt nicht auf irgendwelche dämlichen Gedanken.

BTW2: Man muß sich mit dieser Familie mal unterhalten. Die können Geschichten aus dem System erzählen, die glaubt man nicht.

Wähler
Wähler
14 Jahre zuvor

Haha, der Dozent für Bewerbungstraining der als Arbeitsloser als erstes ein sechswöchiges Bewerbungstraining mit machen mußte……………..
die Fallmanmanagerin hat nicht verstanden das er das nicht braucht…

Gruss

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