Auf einem Auge blind

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Hamburg ist so tolerant, dass Angehörige des terroristischen Islamischen Staates unter den Augen der Behörden ungehindert agieren können. Ein Gastbeitrag von Ralf Fischer.

Als der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg 2012 einen Vertrag mit dem Hamburger Landesverband der DITIB, der SCHURA, dem Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg und dem Verband der Islamischen Kulturzentren schloss, wähnte sich die Politik am Ziel ihrer Träume. Das sich als fortschrittlich gefallende rot-grüne Klientel klopfte sich voller Begeisterung gegenseitig auf die Schultern, weil es der Hansestadt als erstem Bundesland in Deutschland gelang, einen offiziellen Vertrag mit muslimischen Religionsgemeinschaften abzuschließen. Das es sich bei mindestens zwei Bündnispartnern um den verlängerten Arm einerseits Erdogans und des iranischen Regimes andererseits handelte, spielte schon damals keine große Rolle.

Den Senat störte weder die regelmäßige Teilnahme des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) an dem alljährlich in Berlin stattfindenden antisemitischen Al-Quds-Marsch1, noch die ständige Einmischung der türkischen Religionsbehörde Diyanet in die Belange des Hamburger Landesverbandes der DITIB. „Eine durch Autokraten gelenkte Vereinigung kann kein Staatsvertragspartner sein“, erklärte die FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein Ende letzten Jahres gegenüber der Hamburger Morgenpost. „Doch in Hamburg tut Rot-Grün weiterhin so, als ob es diesen Durchgriff aus Ankara nicht gäbe und setzt die Zusammenarbeit ungerührt fort“, so die Juristin weiter. Ihre Fraktion erwartet, „dass Bürgermeister Tschentscher nun endlich Konsequenzen zieht und die Staatsverträge aufkündigt“. Doch darauf können nicht nur die Freien Demokraten lange warten.

Keiner der Oppositionsparteien im Hamburger Senat gelang es, der regierenden Sozialdemokratie die fixe Idee eines Staatsvertrages mit reaktionären Islamisten auch nur ansatzweise auszutreiben. Nicht nur an diesem ideologischen Prestigeprojekt hält die Partei trotz starken Gegenwindes fest.

Es verwundert in dieser Gemengelage auch kaum, dass die IS-Rückkehrerin Omaima A. von den hanseatischen Sicherheitsbehörden nicht als Gefährderin eingestuft wurde und bis vor kurzem völlig unbehelligt in der Stadt leben konnte. Nur die Recherche der libanesischen Journalistin Jenan Moussa sorgte dafür, die in Hamburg als Eventmanagerin und Übersetzerin arbeitende Frau der Anonymität zu entreißen. Eine Kleine Anfrage von Cansu Özdemir, der Vorsitzenden der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft, enthüllte nun, dass die Rückkehrerin nicht einmal im extra für solche Fälle eingerichteten Instrument Radar-iTE2 beurteilt wurde. Entweder handelt es sich um eine schier unglaubliche Panne oder die Behörden in der Hansestadt fassen weibliche Angehörige des Islamischen Staates nicht einmal mit Samthandschuhen an3. An mangelnden Informationen kann es jedenfalls nicht gelangen haben.

Seit 2011 lagen den Sicherheitsbehörden klare Belege vor, dass Omaima A. enge Kontakte zur salafistischen Szene in Deutschland pflegte. Ein Jahr später heiratete sie den einschlägig bekannten Salafisten Nadir Hadra und folgte ihm mit den zwei gemeinsamen Kindern im Januar 2015 nach Syrien. Nach dem Tod Hadars heiratete sie Denis Cuspert, der in Deutschland auch als Rapper Deso Dogg bekannt ist. Während der Recherche fand Jenan Moussa nicht nur Fotos von Omaima A. mit bekannten Jihadisten, sondern auch solche auf denen sie und ihr Sohn mit Schusswaffen posieren.

Die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, Nana Frombach, äußerte sich auf die Nachfrage, weshalb eine Rückkehrerin aus dem islamischen Staat nicht Gegenstand einer juristischen Aufarbeitung ist, mit der (wenig) überraschenden Antwort: „Die Generalstaatsanwaltschaft ist mit Ermittlungen gegen diese Person nicht befasst.“.


Zu den Frontorganisationen des legalistischen Islamismus, insbesondere dem Verein Inssan e.V., lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des Magazins Cicero einen ausführlichen Artikel von diesem Autoren und Daniel Fallenstein.


  1. Das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) ist Mitglied in der SCHURA.
  2. Mittels diesem Instrument werden Gefährder innerhalb eines dreistufigen Systems eingeordnet, welche potenzielle Gefahr politisch motivierter Straftaten von ihnen ausgeht.
  3. Gegen männliche IS-Rückkehrer fanden mehrere Prozesse statt. Zuletzt wurde ein 29 Jahre alten Tschetschene zu vier Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt.

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ke
ke
5 Jahre zuvor

Wir sollten eigentlich gelernt haben, dass gegen Beteiligte von totalitäre Strukturen dringend ermittelt werden muss.
Insgesamt stellt sich natürlich auch die Frage, warum die Strafverfolgungsbehörden immer mehr Überwachungsmöglichkeiten haben wollen, wenn sie nicht in der Lage sind leicht verfügbare Informationen auszuwerten.
Gleiches gilt natürlich auch für die Fälle, in denen ein Wohnwagen mit Umgebung auf Spuren untersucht wird.
Woran liegt das?
– Fehlende Motivation?
– Überlastung?
– Strukturen, die eher Verschwörungstheoretiker befürworten würden?

Die 11.9. Attentäter waren in Hamburg aktiv.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Terrorzelle
Hierbei zeigt sich auch, dass der OLG HH eine interessante Auffassung bzgl. "terroristischer Vereinigungen" hatte.

Ein strukturelles Problem in HH?

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