#Aufstehen: Durchaus löblicher Ansatz mit wenig positiven Perspektiven

Sahra Wagenknecht Foto: „DIE LINKE NRW, Niels-Holger Schmidt“

Dass Deutschland aktuell politisch in einer schwierigen Phase steckt, das ist landesweit weitestgehend unbestritten. Die Stimmung in der Bundesrepublik ist schlecht. Aus ganz unterschiedlichen Gründen. Politikverdrossenheit greift immer mehr um sich. Radikale sorgen für erschreckende Bilder, wie kürzlich in Chemnitz.

Wenn Menschen diese Fehlentwicklungen erkennen und sich engagieren wollen dies in Zukunft zu ändern, dann sollte dies prinzipiell erst einmal die grundsätzliche Anerkennung und den Respekt von allen Demokraten finden.

Im Falle von Sahra Wagenknecht und ihren Mitstreitern, die heute in Berlin in einer fast zweistündigen Pressekonferenz ihr Projekt ‚Aufstehen‘ vorstellten, ist das allerdings völlig anders. Es gab und gibt bereits vor und nach der Präsentation des Projekts Gegenwind. Sogar gleich reichlich davon.

Völlig unabhängig davon ob ein Beobachter die politischen Standpunkte von Wagenknecht & Co. persönlich nun vollumfänglich teilt, oder auch gar nicht, ihr löblicher Versuch wieder mehr Leute zu motivieren und an den gesellschaftlichen Vorgängen teilhaben zu lassen, der sollte von allen demokratischen Kräften zumindest respektiert werden.

Schaut man in diesen Tagen und Stunden jedoch durch die Reaktionen von Politikern und Journalisten in vielen Medien und im Internet, wird eine Schwäche der aktuellen Gesellschaft deutlich: Engagierte Kräfte, die eigentlich aufgrund ihrer politischen Grundausrichtung relativ viele gemeinsame Interessen haben sollten, die attackieren sich gegenseitig in überraschender Schärfe, die unterstellen sich egoistische Absichten und es herrscht bedenklich viel Uneinigkeit über viele vermeintliche politische Grundsätze.

Genau die altbekannten Verhaltensmuster also, die die Wahlbeteiligung zuletzt haben so bedenklich sinken lassen, die viele Bürger dieses Landes das Interesse an Politik vielfach haben verlieren lassen, was letztendlich zum von vielen beklagten Erstarken des rechten Randes geführt hat.

Klar, die heutige Vorstellung von ‚Aufstehen‘ hatte in der Tat noch viele Punkte, die zunächst offen blieben, die auch die Teilnehmer auf dem Podium auf Nachfragen der versammelten Journalisten nicht wirklich schlüssig erklären konnten.

Doch sollte man einer solchen Sammlungsbewegung doch erst einmal Zeit lassen sich zu entwickeln.

Dass der Gegenwind gegen die linke Neugründung aus SPD, LINKE und den Grünen aktuell so stark ist, dass dürfte selbstverständlich hauptsächlich damit zu tun haben, dass sich diese durch ‚Aufstehen‘ als zukünftigem Konkurrenten auf der politischen Bühne bedroht fühlen. Sicherlich  im Kern auch gar nicht zu unrecht.

Doch liegt die eigene Schwäche eben nicht an Sahra Wagenknecht und ihren neuen Mitstreitern, sondern an den jüngsten Darbietungen der etablierten Parteien selber, die es im Laufe der Jahre immer weniger geschafft haben, dem Bürger das Gefühl zu vermitteln, dass sie die Interessenvertreter dieser Kreise sind.

Der Vorwurf an Wagenknecht wirkt also für die etablierten ‚linken‘ Parteien praktisch eher wie ein sich selbst vorgehaltener Spiegel, der ihnen die eigenen Schwächen der Vergangenheit ungewollt sehr klar verdeutlicht. Logisch, dass das nicht gut ankommrt bei den Betroffenen.

Profitiert haben von diesen schon seit Jahren gezeigten Verhaltensmustern der Parteien in den Parlamenten der Republik zuletzt lediglich die Extremisten. Sei es durch direkt dorthin abwandernde Stimmen, oder auch durch immer weniger aktive eigene Wähler. Gerade die SPD hat das seit Jahren ganz klar zu spüren bekommen.

Es steht zu befürchten, dass auch ‚Aufstehen‘ daran in der Zukunft nichts ändern kann, wenn diese Reflexe, so wie aktuell zu beobachten, unverändert fortgesetzt werden. Zumal bei der heutigen Pressekonferenz ja völlig unbeantwortet blieb, wie die Aktivisten den Druck auf die Altparteien ausüben wollen, wenn es denn keine eigene Parteigründung geben soll. Es droht eine weitere Spaltung der politischen Linken, verbunden mit immer weniger tatsächlichen Wählern, gar keine Frage.

Einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, das erscheint den Politikern aktuell schlicht nicht zu gelingen, wie die Reaktionen auf die heute vorgestellten Pläne offenbaren. Es ist eben alles sehr vertrackt in diesen Tagen. Einfache Lösungen sind nicht in Sicht. Daran können auch durchaus gut gemeinte Bewegungen wie #wirsindmehr oder #aufstehen nichts ändern. Leider!

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
11 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
Arnold Voss
5 Jahre zuvor

Die Wiedergeburt der alten Juso-Doppelstrategie. Dieses Mal gleichzeitig in 3 Parteien. Nach dem Motto: Wenn wir unsere Partei nicht von Innen verändern können, dann muss dazu eine Bewegung von Außen her, die wir selber anführen und managen. Das dabei sogar ein Bundesfraktionsvorsitzende ist, hätten sich die Jusos damals allerdings nicht vorstellen können. Ich wünsche trotzdem viel Glück und Erfolg. 🙂

Helmut Junge
5 Jahre zuvor

mit über 100000 Mitmachern ist diese Gruppierung zahlenmäßig deutlich stärker als die Linkspartei mit etwa 60000. Mal sehen was Wagenknecht daraus macht.

ke
ke
5 Jahre zuvor

Vom Schreibtisch mit einem "Like" "Aufstehen" ist einfach.

Nur was will die "Bewegung" wirklich und wen wird sie bewegen. Frau Wagenknecht ist gefühlt seit der Ausbildung bekanntes Gesicht im linken Bereich.

Es wird nicht klar, was die nächste linke Bewegung anders macht. Ist es ein Versuchsballon, ob sich eine Spaltung persönlich lohnt?

Der Ehemann wird sicherlich mit seiner Erfahrung beratend aktiv sein.

Arnold Voss
5 Jahre zuvor

@ Helmut Junge # 2
Ja Helmut, die Zahlen zeigen, dass es ein Bedürfnis nach einer neuen Linken gibt. Ich schätze die bislang stillen, aber zur Aktivität bereiten, Sympathisanten gut auf das 10fache. Aber die bisherigen programmatischen Leitlinien sehen nach dem berühmten kleinsten gemeinsamen Nenner aus. Das lässt mich nichts wirklich neues erwarten.

Michael Kolb
Admin
5 Jahre zuvor

Schaut man sich, z.B. bei facebook, die Gruppen und Grüppchen an, in denen die Gesammelten sich schon mal austauschen, dann erinnert das schon sehr an die Wahnmachen, aus denen letztendlich auch Pegida hervorgegangen ist. Und bevor sich da überhaupt irgendwas gesammelt hat, zeigt sich jetzt schon die Russland-Bruchlinie… und mal gar nicht davon zu reden, was da wieder alles an K-Grüppchen und Sekten unterwegs ist.

Helmut Junge
5 Jahre zuvor

ja Arnold, die derzeitige Linke scheint vielen nicht attraktiv, obwohl sie sich oftmals selber als links einstufen. Manch einer würde sich tatsächlich gerne einbringen. Aber das Einbringen setzt ja in allererster Linie Menschen voraus, die ähnlich denken.
Jeder, der sich da einbringt, muß erst mal gucken was und wer sich da tummelt.

Arnold Voss
5 Jahre zuvor

Ich bin kein Pazifist und halte Putin nicht für einen Demokraten. Deswegen kann ich da nicht mitmachen. Aber eine Erneurung der Linken ist dringend von nöten. Deswegen werde ich abwarten, was wirklich passiert, denn immerhin passiert da etwas. 🙂

Helmut Junge
5 Jahre zuvor

An dem dort stattfindenden Meinungsbildungsprozeß dürfen Kommentatoren mit Nicknamen teilnehmen. Die werden sich mit Sicherheit durchsetzen, Und das macht jegliche Hoffnung auf Erneuerung kaputt.
Wer steht dann bei "aufstehen" denn auf?
Wer in diesem Land oder der EU etwas verändern will, muß offen auftreten. Anders geht es nicht.

Werbung