
Dass Kinderpornografie nur der Auftakt für weitere Sperren war, wussten wir alle. Nun will die Musikindustrie Internetseiten bei Urheberrechtsverletzungen sperren lassen.
Dieter Gorny, Vorsitzender des Bundesverbands der Musikindustrie, fordert in Der Westen die Sperrung von Internetseiten bei Urheberrechtsverletzungen. Der Musikfunktionär sieht durch die angeblich zunehmende Zahl der Raubkopien das Geschäftsmodell der Musikindustrie in Gefahr.
Dass Gorny, auch als Direktor bei der Kulturhauptstadt aktiv, so schnell aus den Büschen kommen würde, wundert mich ein wenig. Ich habe geglaubt, dass die Enttabuisierung der Sperren langsamer und konsensorientierter laufen würde, und als nächstes Nazi-Sites thematisiert werden würden. Dass die Schamfrist so schnell vorbeisein würde, hätte ich nicht gedacht. So irrt man sich.
In dem Interview spricht sich Gorny auch gegen eine Kulturflatrate aus, die ich für eine gute Idee halte. Gorny sieht in ihr einen Schritt zur Überwachung aller und fragt sich, ob es dann den Handel mit CDs nicht mehr geben wird. Gorny: "Was heißt das eigentlich für den haptischen Handel – gibt es den dann nicht mehr? Verkauft dann Media Markt keine DVDs, die Meyer’sche keine Bücher mehr?" Im Idealfall werden die Künstler künftig direkt an ihren Produkten verdienen – ohne Media Markt und Musikindustrie – und ohne Funktionäre wie Gorny. Das Dumme ist, dass Gorny gut vernetzt ist, Zugang zur Politik hat und mit im Raum sitzt, wenn in der Politik über Fragen wie Urheberrecht diskutiert wird. Auch wenn die von ihm initiierte Messe Popkomm mittlerweile floppt, und der von ihm gegründete Sender Viva längst vom Wettbewerber MTV übernommen wurde, unterstellen viele Gorny eine gewisse Kompetenz in Musikfragen.
Die Umsatzeinbrüche der Musikindustrie auf Raubkopien abzuschieben halte ich für etwas blauäugig – diese These ignoriert den demografischen Wandel – es gibt wesentlich weniger Jugendliche als vor 30 Jahren, und die sind nun einmal die Hauptzielgruppe – und Musik ist viel präsenter als früher: Mainstream-Pop und mehr kann ich auch ohne das Internet heute ständig über Radios, TV und das Internet hören. Die Motivation, Geld für ein omnipräsentes Produkt auszugeben, das ich ständig gratis legal konsumieren kann (nur nicht genau zu dem Zeitpunkt an dem ich es will) ist natürlich gering.





