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Update: Bochum (Marketing): Werbe-WLAN statt Freifunk

Bochum-Marketing

Nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch darüber hinaus, wird über freies WLAN in Städten diskutiert. Immer mehr Stadtverwaltungen aber auch die entsprechenden Lokalpolitiker haben erkannt, dass freies WLAN ein Standortvorteil sein kann, der sowohl Touristen als auch den eigenen Bürgern nutzt. In vielen Städten gibt es inzwischen lokale Freifunk-Initiativen, die den Aufbau eines freien Netzes fördern wollen. Eine der Hauptanwendungen wäre dabei dann ein barrierefreier und bequemer WLAN-Zugang für Alle.
Eine solche Initiative gibt es auch in Bochum – dennoch wird Bochum Marketing auf ein eigenständiges und (vermutlich für den Betrieb) teureres Werbe-WLAN setzen.

Im Januar 2015 wurde das Thema freies WLAN in Bochum im Stadtrat behandelt. Aktuell gab es kürzlich den WAZ-Artikel Öffentliches WLAN: Wie die „Freifunker“ am Internet für alle in NRW spinnen, in dem über Freifunk und die damit verbundenen Möglichkeit u.a. freies WLAN zur Verfügung zu stellen berichtet wurde. Auch die WLAN-Situation in Bochum wurde dort geschildert:

In Bochum hat Bochum Marketing den Ausbau eines freien WLANs übernommen. Einige Router sind positioniert. Anfang Mai soll die Innenstadt ausgestattet sein. „Es gibt keine Begrenzung an Zeit und Datenvolumen, und Nutzer müssen sich nicht anmelden. Wir halten die Barrieren gering, damit viele unser Netz nutzen“, sagt Christian Gerlig von Bochum Marketing.

Wer das las und die oben erwähnte Diskussion im Stadtrat mitbekommen hat, der wundert sich ein wenig:

Ursprünglich gab es zu dem Thema einen Antrag der UWG/FDP-Fraktion in Zusammenarbeit mit den Stadtgestaltern. Dann gab es Änderungsanträge der CDU, der rot-grünen Koalitionsfraktionen und der Piratenpartei dazu, bevor dann auf Basis des Antrages von SPD und Grünen eine Art gemeinsam getragener Antrag entstand.
Dieser wurde einstimmig vom Rat getragen. In diesem Antrag wurden auch einige Handlungsaufträge an Bochum Marketing beschlossen, die die Ruhrbarone nachfolgend dokumentieren (die Hervorhebung stammen von den Ruhrbaronen):

  1. Bochum-Marketing wird gebeten, einen Erfahrungsbericht zum WLAN-Angebot auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt 2014 zu erstellen.
  2. Bochum-Marketing wird gebeten darzulegen, ob das während des Weihnachtsmarktes umgesetzte Konzept als Blaupause für eine dauerhafte Einrichtung von freien WLAN-Angeboten in der gesamten Innenstadt dienen kann und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen.
  3. Bochum-Marketing wird gebeten, in diesem Zusammenhang eine Ausweitung dieses Angebots mindestens auf die Wattenscheider Innenstadt in Betracht zu ziehen. Auch das Rewirpower-Stadion und weitere Orte könnten in Frage kommen.
  4. Bochum-Marketing wird gebeten zu prüfen, welche Kooperationen möglich sind, etwa mit Freifunk-Initiativen, den Hochschulen oder den Nachbarkommunen, die bereits eigene Netze betreiben.
  5. Die Verwaltung wird gebeten, die datenschutzrechtlichen Aspekte zu prüfen und eine Einschätzung hinsichtlich der Störerhaftung zu geben.
  6. Die Verwaltung wird gebeten zu erläutern, welche Pläne es für WLAN-Angebote in Bochumer Schulen gibt.
  7. Die Verwaltung und stadtnahe Gesellschaften werden gebeten zu prüfen, mit welchen Maßnahmen, insbesondere die Bereitstellung von Standorten für benötigte Technik, sie freie WLAN-Angebote unterstützen können.
  8. Als kommunales Unternehmen bieten die Stadtwerke beziehungsweise Tochterunternehmen der Stadtwerke Kommunikationsdienstleistungen an. Die Stadtwerke werden gebeten darzulegen, ob es Planungen für freie WLAN-Angebote in Bochum gibt.
  9. Die Verwaltung wird gebeten, Erkenntnisse über die aktuelle LTE-Abdeckung in der Innenstadt und den Stadtteilzentren zu sammeln.
  10. Die Bogestra und der VRR werden gebeten zu erläutern, welche Pläne es für WLAN-Angebote in Bussen und Bahnen gibt.

Nimmt Bochum Marketing den Ratsbeschluss ernst?

In dem Antrag heißt es natürlich nicht, dass Bochum Marketing kein eigenes WLAN anbieten darf – das wäre auch nicht möglich, da Bochum Marketing zu 50 % private Eigentümer aus der Bochumer Wirtschaft hat (die anderen 50 % hingegen trägt die Stadt Bochum).
Die Prüfung, inwiefern das WLAN-Konzept aus der Zeit des Weihnachtsmarktes für den dauerhaften Einsatz als Blaupause dienen kann, scheint Bochum Marketing nicht nur theoretisch vornehmen zu wollen – sondern gleich praktisch, in dem man es einfach schon mal macht.

iPhone mit Freifunk-WLAN (Bild erstellt mit: mockuphone.com, Lizenz: CC-BY)
iPhone mit Freifunk-WLAN (Bild erstellt mit: mockuphone.com, Lizenz: CC-BY)

Es stellt sich jedoch jetzt die Frage, inwiefern Bochum Marketing den Ratsbeschluss ernst nimmt – oder ob man einfach mit dem neuen Netz Fakten schaffen will.

Schließlich wird Bochum Marketing in dem Beschluss gebeten „zu prüfen, welche Kooperationen möglich sind, etwa mit Freifunk-Initiativen“.

Interessanterweise wurde dazu von Bochum Marketing auf Anfrage mitgeteilt, dass man sich „in Gesprächen mit Freifunkern [befindet]“. Das steht in einem leichten Widerspruch zu anderen Aussagen:

  • Nach den uns vorliegenden Informationen durch Freifunk-Vertreter (im Rahmen der Recherche für diesen Artikel), hat jedoch seitens Bochum Marketing niemand mit den örtlichen Bochumer Vertretern von Freifunk gesprochen.
  • Es wurde aber zugetragen, dass man seitens Bochum Marketing sehr wohl eine Kooperation mit Freifunk geprüft habe – aber ohne Rücksprache mit Freifunk. Da man den Prüfauftrag nicht als Gesprächsauftrag ansehen würde…

Natürlich kann man eine „Prüfung“ auch durchführen, in dem man nicht mit den wesentlichen Akteuren spricht. Aber ob das besonders zielführend ist, sei mal dahingestellt. Es mag natürlich auch sein, dass eine Kooperation nicht möglich ist oder nicht sinnvoll (auch wenn es in anderen Städten anscheinend problemlos klappt) – aber wenigstens vorher reden könnte man ja, oder?

Bei einer solchen Prüfung gibt es nicht nur den technischen Aspekt (da sieht es tatsächlich so aus, als sei die Werbe-WLAN-Lösung mit dem besseren, da barrierefreien, Freifunk-Konzept nicht vereinbar), aber in Gesprächen hätte man dennoch über Möglichkeiten der Kooperation reden können. Es ist ja nicht so, dass die Freifunk-Vertreter solche Lösungen, wie Bochum Marketing es vorhat, komplett per se ablehnen.

Vor allem, wo es den politischen Willen in den Bochumer Gremien gibt, mit Freifunk ein freies Netz zu ermöglichen und dieses zu unterstützen.

Details zum geplanten freien WLAN in Bochum:

Zur WLAN-Lösung von Bochum Marketing, die schon in wenigen Wochen in Betrieb genommen werden soll, haben die Ruhrbarone bei Bochum Marketing nachgehakt – und inzwischen auch Antworten dazu bekommen:

Kein barrierefreier WLAN-Zugang: Beispielsweise die Bogestra-App wird nicht (direkt) funktionieren…

Bochum Marketing erklärt dazu, dass es aus rechtlichen Gründen eine sogenannte „Vorschaltseite“ geben müsse. Die derzeitige rechtliche Lage sieht das aber gar nicht vor.
Jedoch möchte Bochum Marketing die auflaufenden Kosten in unbekannter Höhe durch Werbung refinanzieren – eben über die Vorschaltseite. Insofern dürfte die Pflichtvorschaltseite eher aus finanziellen Gründen geplant sein

Durch eine Vorschaltseite wird der Zugang nicht barrierefrei sein. Wer beispielsweise mittels Smartphone die Bogestra-App nutzen will, der muss vorher den Browser starten, auf die Vorschaltseite gehen, bevor dann die eigentliche App funktioniert.

Das Ganze ist zwar nicht unbedingt selten – aber dennoch nicht barrierefrei, da man keinen direkten Zugang zum Netz hat.

Wo soll es das Bochum Marketing Werbe-WLAN geben?

In einem ersten Schritt werden die Huestraße und die Kortumstraße (zwischen Südring und Bongardstraße) sowie der Husemannplatz, der Dr.-Ruer-Platz und der Kurt-Schumacher-Platz (teilweise) mit freiem WLAN versorgt. Bochum Marketing plant Ende April/Anfang Mai das WLAN-Netz frei zu schalten.

Für weitere Kooperationen (neben der Verwaltung und Sponsoren) wurden der Tierpark und Immobilienbesitzern in diversen Stadtteilen angefragt.

Zwangstrennung nach 30 Minuten

Bochum Marketing trennt die Verbindung nach 30 Minuten, um inaktive User vom Netz zu entfernen. Die Aussage „ohne zeitliche Beschränkung“ stimmt dennoch, denn der Nutzer kann sich erneut einloggen (und sieht dann erneut Werbung).

Für die Zwangstrennung nach nur 30 Minuten wird aufgeführt, dass inaktive Nutzer ansonsten zu viele IP-Adressen blockieren würden, die für neue aktive Nutzer benötigt werden.

Bochum Marketing hält diese Zwangstrennung nicht für störend, da das WLAN für Touristen, Besucher, Passanten etc. gedacht ist und nicht den eigenen Anschluss zu Hause ersetzen soll. Einen Film kann man daher nicht ohne eine Unterbrechung anschauen, aber dafür sei dieses WLAN auch nicht da.
Außerdem wird Bochum Marketing das Netz auch nutzen, um Angebote und Nachrichten, z. B. aus der Verwaltung und von Bochum Marketing, z. B. Veranstaltungstermine etc. zu kommunizieren. Dafür wird es eine zusätzliche Seite geben, die aber erst später folgen wird.

Fazit: Bochum Marketing schafft Fakten und ignoriert leider den Gedanken hinter dem Ratsbeschluss

Grundsätzlich ist das Engagement von Bochum Marketing für freies WLAN zu begrüßen. Das das jedoch jetzt so plötzlich Knall auf Fall kommt, wo – nach Recherchen der Ruhrbarone – die Ergebnisse der Prüfaufträge noch gar nicht bekannt sind, wundert schon ein wenig. Die befragten Politikerinnen und Politiker der Stadt, die sich mit der Thematik beschäftigt haben, sind eigentlich alle von der Freifunk-Idee angetan und nicht umsonst wurde Freifunk auch im Beschluss erwähnt.

Hier wäre Bochum Marketing kein Zacken aus der Krone gebrochen, wenn man das Gespräch gesucht hätte. Es besteht ja kein Widerspruch an sich – natürlich kann man an zentralen Plätzen Bochums bzw. Wattenscheids wie dem Dr.-Ruer-Platz oder dem Alten Markt ein solches WLAN anbieten, während in der Fläche Freifunk-Netze sich viel eher lohnen – auch und gerade mit der Unterstützung von Bochum Marketing (z.B. bei der lokalen Wirtschaft).
Die Vorteile von Freifunk hier liegen angesichts der technischen Begebenheiten und vor allem aufgrund des Aufwandes (im Grunde genommen zahlt man nur einmalige Hardwarekosten von 20-50 Euro, je nach Ausstattung – es gibt keine laufenden Kosten) eigentlich auf der Hand.

Update (17.04.2015): Der Pressesprecher von Bochum Marketing, zeigte sich über die Berichterstattung verwundert. Schließlich habe doch der Geschäftsführer von Bochum Marketing mit André Kasper von Freifunk Bochum persönlich gesprochen. Dies steht im Widerspruch zu der obigen Aussage.

Zum Zeitpunkt unserer ersten Anfrage war es wie ursprünglich berichtet. André Kasper (Freifunk Bochum) bestätigte heute auf Nachfrage dem Pottblog, dass gestern (16.04.2015) ein erstes und überaus konstruktives Gespräch geführt wurde.

Kasper dazu:

Bei dem Gespräch wurde schnell klar, dass beide Lösungen ihre Vor- und Nachteile haben. Während die Netzqualität einer kommerziellen Lösung größer ist, besticht der Freifunk durch die geringen Kosten, Barrierefreiheit und die unkomplizierte Möglichkeit sich selbst am Netz zu beteiligen. Der Freifunk schafft es so das freie WLAN auch innerhalb von Cafés und Kneipen anzubieten. Er ist ein Bürgernetz an dem sich jeder für ca. 20 EUR beteiligen kann. Es bestand bei dem Gespräch Einigkeit darüber, dass die Lösungen sich gegenseitig ergänzen können. Wir werden uns in naher Zukunft gemeinsam an einen Tisch setzen und beraten, wie wir uns in unserem gemeinsamen Vorhaben kostenloses WLAN in Bochum anzubieten unterstützen können.

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keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
8 Jahre zuvor

Es ist doch schön, dass jede Kommune bei einer Basisinfrastruktur ihr eigenes Süppchen kochen will.

Ich bin immer wieder erstaunt, wie selbstverständlich ein freies WLAN bei Dienstleistern an den abgelegensten Orten der Welt ist, während hier einige Städte meinen, dass sie High Tech machen, wenn sie einen WLAN Router aufstellen.

Die freien Initiativen oder aber die großen Mobilfunkbetreiber werden auch das WLAN in die Fläche bringen. Die öffentlichen Bereiche sollten den Rahmen abstecken, aber keine Infrastruktur aufbauen.

Wissender
Wissender
8 Jahre zuvor

Ich wunder mich immer wieder über die Naivität. Die hier geplante Technik ist inklusive aller Monitoringfunktionen. Also der Bürger wird in seinem Bewegungsprofil gemonitort. Einfach mal bei der Firma auf der Seite schauen, die diese Technik plant und aufbaut. Hier wird absichtlich nicht zuviel verraten, aber aus sicherer Quelle weiß ich, dass Hugo F. sich die Hände reibt, da er ja ein paar zeitnahe Infos bekommt, wie viele Menschen gerade unterwegs sind, wo sie sind und ob sie bereits in den letzten Tagen da waren.

http://www.sib-systeme.de/your-spot/

Datenschutz, naja, wird sicher etwas vorhanden sein :-/
Das es hier keinen Aufschrei der Piraten gibt ?!

Karin
Karin
8 Jahre zuvor

Liebe Ruhrbarone,

auf dem Weihnachtsmarkt finden sich nun alleseits Schilder mit Hinweis auf das WLAN des Bochum Marketing. Wie steht es um Aufgabenliste und Zusammenarbeit ? Werb- und barierefrei: Pustekuchen!

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