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Bundesregierung will 500.000 Industriearbeitsplätze auf dem Altar der Energiewende opfern

Liebreich und Graichen Foto: Screenshot


Am 1. Juni vergangenen Jahres gab Patrick Graichen, der wichtigste Staatssekretär in Robert Habecks (Grüne) Wirtschaftsministerium, in einem ausführlichen Video-Interview in der Reihe „Cleaning up – Leadership in an Age of Climate change“ Einblicke in sein Denken. Lange bevor die Debatte um die Wärmewende, Wasserstoff  als Gasersatz zum Heizen und als Basis von E-Fuels an Fahrt gewann, machte er klar, dass Wasserstoff und auch erneuerbare Energien in Deutschland für immer teuer bleiben werden. Ihr Import wird in dem Gespräch als illusorisch dargestellt und geht es nach Graichen, wäre der Verlust von 500.000 Arbeitsplätzen in der deutschen Grundstoffindustrie eine hinnehmbare Folge der Umstellung auf eine C02-freie Energieversorgung.

Das Gespräch wirkt, als ob sich zwei alte Freunde treffen, um etwas über die Energiewende zu plaudern. Michael und Patrick, sie sprechen beide nicht zum ersten Mal über dieses Thema. Es bewegt sie seit Jahren, sie machten es zur Grundlage ihres beruflichen Aufstiegs.

Michael Liebreich ist der Chef von Liebreich Associates. Das Unternehmen berät unter anderem die Swedbank, Davids Kempner European Partners und den UK Clean Groth Fund.  Liebreich arbeitet immer noch für Bloomberg New Energy Finance, das er auch mitgründete. Davor war er beim Beratungskonzern McKinsey.

Patrick Graichen kann nicht auf eine so schillernde Karriere zurückblicken. Beeindruckend ist sie trotzdem. Sie führte ihn in das Zentrum der politischen Macht in Deutschland. Graichen ist Staatssekretär in Robert Habecks Wirtschaftsministerium und der Mann, dem die Deutschen die „Wärmewende“ zu verdanken haben. Dass bald fast alle Haushalte mit Wärmepumpen heizen sollen, ist maßgeblich seine Idee gewesen. Dass sie nun umgesetzt wird ein Zeichen seiner Macht.

Bevor Graichen Habecks „Superhirn“ wurde, als dass er von manchen bezeichnet wird, war er Direktor von Agora Energiewende. Hinter dem Unternehmen stehen die Mercator Stiftung und die European Climate Foundation. Man sieht sich selbst als „unabhängiges Denk- und Politiklabor“. Im Lobbyregister des Deutschen Bundestages läuft das Ganze dann unter dem Namen Smart Energy for Europe Platform (SEFEP) gGmbH. Adresse, Telefonnummer und Mailadresse sind die des selbsternannten Denk- und Politiklabors Agora Energiewende.

Liebreich ist begeistert, dass „Patrick“ nun eine Art Minister ist und der lächelt wie ein Honigkuchenpferd in seine mittelmäßige Webcam. Graichen strahlt Selbstsicherheit aus. Es läuft gut für ihn, er hatte ja auch so oft recht behalten: Noch vor Kurzem hätten die Briten auf gefracktes Gas, Kernenergie und Wind gesetzt. Das war für sie dann so was wie eine Energiewende. Jetzt bauen sie vor allem Windkrafträder. Liebreich und Graichen lachen. Man hat es ja schon immer gewusst.

Liebreich macht sich aber auch Sorgen: Gas könnte in ein paar Jahren wieder billig sein. Die Begeisterung für die Energiewende und vor allem ihre Kosten könnten dann schnell nachlassen. Auch Graichen wirkt kurz in sich gekehrt. Preiswerte Energie hat in den Kreisen von Ökolobbyisten keinen guten Ruf.

Doch nicht nur Billiggas sieht Liebreich als Risiko für die Energiewende an. Das ist noch etwas, das ihn umtreibt: „Wenn du grünen Wasserstoff forderst,“ sagt er zu Graichen, „insbesondere aus Offshore-Windkraft mit einem Strompreis, der um die 50 Euro pro Megawattstunde kostet, hast du keine Angst, dass die deutsche Industrie einfach nicht mehr  wettbewerbsfähig sein wird?“ In anderen Ländern gäbe es Solarstrom für einen Cent und Strom aus Windkraft zu anderthalb Cent pro Kilowattstunde. „Die Industrie muss nicht in Deutschland bleiben.“ Sie könne, vor allem die Grundstoffindustrie und die Chemie könnten sagen: „Wissen sie was? Wir werden unser Zeug einfach in Übersee herstellen“. Es sei klar, dass Wasserstoff, der mit LNG-Tankern aus Australien käme, allein durch die hohen Transportkosten immer teuer sein würde: „Wir werden Offshore-Windkraftanlagen in der Nordsee und vielleicht Solaranlagen im Mittelmeerraum nutzen können.“ Und der so erzeugte Wasserstoff sei nun einmal auch nicht preiswert. Ist er teuer für die Industrie?

Graichen blickt jetzt ernst in die Kamera und sagt dann Sätze, die Hunderttausende Beschäftigte in der Industrie aufschrecken lassen sollten. Für den Staatssekretär des deutschen Wirtschaftsministeriums müssen ihre Arbeitsplätze auf dem Altar der Energiewende geopfert werden: „Nun, das ist in der Tat eine große Herausforderung, und zwar nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa“ sagt er. Natürlich gäbe Orte auf der Welt, wo man Strom für ein bis zwei Cent pro Kilowattstunde bekomme. Und damit ließe sich dann preiswert Wasserstoff erzeugen. Aber Deutschland, das ist klar, ist keiner dieser Orte. „Was bedeutet das nun für uns? Im Wesentlichen wird es wahrscheinlich bedeuten, dass energieintensive Industriezweige die Produkte, die man auch an anderen Orten einfach herstellen könnte, dorthin gehen, wo es den Strom für ein bis zwei Cent gibt.“ Man müsse sich bei den energieintensiven Industrien auf diejenigen spezialisieren, deren Produkte viel Know-how und eine enge Kundenbindung benötigen.“

Es ist noch keine drei Jahre her, da klang das in einer Studie, die von Agora Energiewende und des Wuppertalinstituts für Klima, Umwelt, Energie herausgegeben wurde noch ganz anders. Im Vorwort schrieb Graichen damals „…die Grundstoffindustrie ist ein Pfeiler des Wohlstands in Deutschland, sie garantiert Wertschöpfung und sorgt für über 550.000 hochwertige Arbeitsplätze.“

Und davon, dass die erneuerbaren Energien und der von ihr benötige Wasserstoff vor allem aus der Nordsee und vielleicht noch aus dem Mittelmeerraum kommt, war auch nicht die Rede: „Eine zukünftige klimaneutrale Grundstoffindustrie wird aller Voraussicht nach einen Teil ihres erheblichen Bedarfs an Strom aus erneuerbaren Energien, Wasserstoff und/oder synthetischen Energieträgern über Importe aus dem Ausland decken.“ Eine frühzeitige Transformation der Grundstoffindustrie in Deutschland und einhergehende Kooperationen mit möglichen künftigen Energie- und Rohstofflieferländern könnten dazu beitragen, im Ausland nachhaltige Geschäftsmodelle mit der Erzeugung und gegebenenfalls auch Verarbeitung CO₂-frei erzeugter Energieträger aufzubauen: „Viele potenzielle Lieferländer beziehungsweise -regionen (zum Beispiel Nordafrika, der Nahe Osten, Südamerika, Russland oder auch Australien) sind zudem heute in hohem Maße wirtschaftlich abhängig von dem Export fossiler Energieträger. Ihren Ökonomien kann durch die Nachfrage nach klimaneutralen Energieträgern eine alternative und nachhaltige Perspektive gegeben werden.“

Die Grundstoffindustrie war damals noch wichtig, ihre Arbeitsplätze hochwertig und Graichen darum bemüht, sich als verantwortungsvoller Denker zu empfehlen. Als Habeckflüsterer sieht das heute anders aus. Nicht in der deutschen Öffentlichkeit, da wird noch immer die Legende von den erneuerbaren Energien erzählt, die ja so günstig seien, weil Wind und Sonne keine Rechnung schicken würden. Graichen weiß, dass das nicht stimmt. Ob er es seinem Minister auch schon gesagt hat?

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[…] Nebenrolle. Für Patrick Graichen, Staatssekretär in Habecks grünem Wirtschaftsministerium, sind 500.000 Arbeitsplätze in der Industrie ein Opfer, das er schulterzuckend auf dem Altar der Klimapolitik zu bringen bereit ist. „Im Grunde seines […]

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