„Der alte Antisemitismus ist in neuer linker Weise hochgekommen“

Eva Quistorp Foto: Heinrich-Böll-Stiftung Lizenz: CC BY-SA 2.0


Eva Quistorp, Mitgründerin der Frauen-, Friedens- und Umweltbewegung und der Grünen, spricht im Interview zu ihrem 80. Geburtstag über ihren langen Kampf gegen linke Männer und patriarchalische Strukturen unter Migranten, Israelhass, Fehler von Merkel und Habeck, Alice Schwarzer und andere falsche Pazifisten.

Als Urgrüne unterstützte sie den CSU-Ruf nach einer Obergrenze für Flüchtlinge; als Organisatorin der großen Friedensdemos in den 1980er Jahren forderte sie früh einen Nato-Einsatz im Bosnienkrieg und warnte schon lange vor Putin; ebenso vor der Unterdrückung von Frauen durch Islamisten: Positionen, mit denen Eva Quistorp in ihrer Partei immer wieder aneckte. Weshalb sie nie ein Führungsamt bekam und heute ziemlich vergessen ist, obwohl sie entscheidenden Anteil daran hat, dass es die Grünen überhaupt gibt. Gründe genug, mit ihr ein langes Gespräch anlässlich ihres heutigen Geburstags zu führen, in dem sie auf ihren unermüdlichen politischen Einsatz über sechs Jahrzehnte und Erfolge wie Misserfolge zurückblickt.

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Habeck ist an sich selbst gescheitert

Ex-Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons Lizenz: CC BY-SA 4.0

Der Ex-Vizekanzler war einer der talentiertesten deutschen Politiker. Ein sympathischer Kerl. Dass er nun den Bundestag und die aktive Politik verlässt, ist jedoch richtig. Nachweinen muss man ihm nicht.

Kennengelernt habe ich Robert Habeck, als er Multiminister in Schlesweig-Holstein war für Umweltschutz, Landwirtschaft, Landesplanung, Digitales und Energiewende. Er kam gerade zurück von einer Bootsfahrt mit störrischen Fischern. Denen hatte er erklärt, wie er mir schilderte, dass sie Netze mit größeren Maschen verwenden müssten, um nicht die Brut mit zu fangen und so ihre ökonomische Grundlage zu zerstören. Und weil sie ihre Fische auch an „Ökos“ in den Städten verkaufen wollten. „Meinen Grünen-Freunden sage ich, dass sie Rücksicht auf die Fischer nehmen müssen.“ So ausgleichend kann Politik sein, dachte ich. Und schrieb ein wohlwollendes Porträt.

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Landesrechnungshof NRW wegen teuren Kunstwerks in der Kritik

Hansahaus, der alte Sitz des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen Foto: Wiegels Lizenz: CC BY 3.0

Gerade erst sorgte der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen für Aufsehen, weil Präsidentin Brigitte Mandt in ihrem Jahresbericht unter anderem eine teure Kaffeemaschine bei der Polizei kritisierte. Nun sieht sich die Behörde selbst Vorwürfen ausgesetzt, wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstagausgabe) berichtet.

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Viele von uns werden am 14. September in NRW zur Wahl gehen – obwohl sie es längst nicht mehr wollen

Am Rathaus in Waltrop. Archiv-Foto: Robin Patzwaldt

Am 14. September 2025 stehen in Nordrhein-Westfalen wieder Kommunalwahlen an. Für viele ist das die wohl bodenständigste Form der Demokratie: Entscheidungen, die das unmittelbare Leben betreffen – Straßenbau, Schulen, Kulturförderung, Vereinswesen – werden hier verhandelt.

Doch wenn man in diesen Tagen mit Bürgerinnen und Bürgern spricht, stellt man eine eigentümliche Mischung fest: Viele gehen wählen, ja. Aber sie glauben längst nicht mehr daran, dass es etwas ändert. So geht es mir auch, um ehrlich zu sein.

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„Dass der andere bereit ist, für mich zu sterben“: Die ukrainische Erfahrung, keine europäische

Ukraine in Bochum, Demo am 23. Februar 2025 by Andreas Posmyk

„Die Ukraine erklärt ihre staatliche Unabhängigkeit als souveräner, demokratischer und unabhängiger Staat.“ Das war heute vor 34 Jahren, die Ukraine feiert. Und kämpft. Und leidet. Und feiert und kämpft um das, was sie entdeckt hat. Etwas, das im Westen Europas vergessen worden ist: die unglaubliche Macht jedes Einzelnen.

Vielleicht waren es hundert oder weniger Studenten, Journalisten, Bürgerrechtler, die am 21. November 2013 in Kyjiw auf die Gruschevskoho-Straße gingen und auf den Majdan. Für Europa. Das Ukraine–European Union Association Agreement war ausgehandelt, es musste nur noch unterschrieben werden, Europa hing in der Schwebe. Die Demo wurde von der Berkut zerprügelt, einer Spezialeinheit der Polizei, darauf gedrillt, Aufstände niederzuschlagen. 2000 Elite-Schläger gegen eine Handvoll Europäer. Noch am selben Abend kam es in vielen Städten und Städtchen der Ukraine zu spontanen Kundgebungen. Kleine Majdans im ganzen Land. „Kommt um 22:30 Uhr zum Unabhängigkeitsplatz in Kyjiw“, postete auch Mustafa Nayem, ein afghanisch-ukrainischer Journalist, „bringt warme Kleidung, Regenschirme, Tee, Kaffee, gute Laune und Freunde mit.“ Die Majdan- Erfahrung. So beginnt eine Revolution.

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„Jerusalem dem Erdboden gleichmachen“: Morgen ist Israel-Sonntag in deutschen Kirchen. Ein Stimmungsmacher

Jeder Mensch ein Heiligtum: ZAKA nach 10/7 (Public Domain)

Früher hieß er „Judensonntag“, es gibt ihn seit Jahrhunderten. Freundlich ging es selten zu an diesem Tag. Dann Auschwitz, es begann ein Umdenken. Das morgen wieder beginnt? Oder längst begonnen hat. Morgen ist „Israelsonntag“.

Im August des Jahres 70, dem jüdischen Monat Aw, wurde Jerusalem von römischen Truppen verwüstet, der Tempel zerstört, die Stadt geplündert. „Sie hängten viele Männer, Frauen und Kinder an Kreuze“, heißt es bei Flavius Josephus, an einem Tag waren es „mehr als 500 Männer gleichzeitig“. Bis heute ist Aw ein Monat der Trauer im jüdischen Jahr, an Tischa beAw, dem neunten Tag, wird daran erinnert, dass Hunderttausende ermordet worden sind, versklavt, vertrieben. Unter ihnen die ersten Christen. Dringlich für beide, Juden wie Christen, eine Erklärung zu finden für das Unheil. Mit dessen Deutung trennten sich die Wege: Dass die Zerstörung Jerusalems eine göttliche Strafe sein könnte, verhängt über Israel und Kirche, das ließ sich noch beiderseits denken. In christlicher Theologie wurde daraus eine Strafe, die allein Juden ereilen würde. Ihnen der Fluch, den Christen der Segen. Ein Sonntag im Jahr, zeitlich nahe zum Tischa beAw gelegen, wurde zum „Judensonntag“ im Kirchenjahr erklärt, so hieß der Tag durch Jahrhunderte hindurch bis in die jüngsten 60er Jahre hinein. Ein Stimmungsmacher. Ging es glimpflich ab, ging es um „Judenmission“, lief es weniger gut, dann darum, die göttliche Strafe vorab zu vollstrecken.

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