The Heap
Ruhrpilot – Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet
Dortmund: CDU OB-Kandidat gegen Pöstchenschieberei im Fall Hengstenberg…Der Westen
Dortmund II: Drabig bleibt SPD-Chef…Ruhr Nachrichten
Online: Google Streetcar zurück überwachen…Netzpolitik
NRW: Es ist wieder alles offen…taz
NRW: Auf die Grünen kommt es an…Sprengsatz
Reportage: Wie Elisabeth Wienbeck ihr Herz an Afghanistan verlor…Kontextschmiede
Wirtschaft: IGBCE Chef warnt vor Industrieflucht…Der Westen
Recht: Keine Halterhaftung für Internetzugänge…Law Blog
Ruhr2010: Local Heroes in Neukirchen Vluyn…Der Westen
Ruhr2010 II: Offenes Haus im Lohberg-Quartier…RP Online
Willi ist Weg. Banales Ende eines SPD-Dutzendsassa aus Essen
Am Ende ging es ganz schnell. Willi war weg. Willi Nowack, 60 Jahre aus Essen-Altenessen, wurde mit 81 gegen drei Stimmen bei zwei Enthaltungen abgewählt. Er ist nicht mehr Chef des früher größten SPD-Ortsvereins im westlichen Ruhrgebiet. Der ehemalige Landtagsabgeordnete, der vorbestrafte Pleitier, der Mann, der einst Essen beherrschte, ist am Ende, gescheitert und raus.
Zuvor hatte Willi Nowack noch ein letztes Mal versucht, Zwietracht und Verwirrung zu stiften. Er behauptete um 11:00 Uhr im AWO-Heim an der Schonnebeckstraße die Jahreshauptversammlung der SPD-Altenessen sei widerrechtlich einberufen worden. Er behauptete, 40 Mitglieder wären nicht gekommen, weil er in den vergangenen Tagen die Jahreshauptversammlung aus fadenscheinigen Gründen abgesagt hatte. Er rief in den Saal hier geschehe Unrecht und daran werde er sich nicht beteiligen. Er rief seine Anhänger auf, mit ihm den Saal zu verlassen. Dann ging Willi Nowack. Ein Dutzend Männer und Frauen folgten ihm.
Fast hundert Leute blieben sitzen. Keine Schreierei, keine Schlägerei. Nichts. Das Ende war banal. Willi ging mit seinem Häuflein. Und der Rest war Formsache. Keine 90 Minuten später war Theo Jansen neuer SPD-Chef in Altenessen.
Draußen drohte Willi Nowack der SPD noch mit Rechtsstreit, mit Prozessen, mit Ärger und Querulanz. Willi pöbelte, kindisch, klein. Willi sagte, er stehe für die Einheit des Ortsvereins und konnte nicht begreifen, dass er der einzige ist, der spaltet. Ein Mann, der selbst im Scheitern nicht die Größe findet, die er im Erfolg gerne gehabt hätte.
Hans-Wilhelm Zwiehoff, Kassierer des Ortsvereins und früher Willis Hand in Altenessen, sprach vielen aus dem Herzen, als er ohne Widerworte sagte:
Der wird nie gehen, wenn ihm nicht irgendeiner den Holzpflock in das politische Herz steckt. Er soll den Ortsverein Altenessen endlich aus seinen Klauen geben.
Willi Nowack hat eine kriminelle Karriere hingelegt. Er hat die Partei beherrscht mit dubiosen Methoden. Vielen ist immer noch in Erinnerung, wie er mit über 100 gedungenen Polen den Ortsverein Essen-Dellwig überrannte.
Das ist alles vorbei. Willi ist weg.
Auf die Frage, warum Willi Nowack sich so lange in Altenessen an der Spitze halten konnte, sagte Karlheinz Endruschat: „Wir könnten uns jetzt alle selber geißeln, aber das sollten wir nicht tun.“
Hans-Wilhelm Zwiehoff sagte, ihm sei erst die Niedertracht Nowacks aufgegangen, als ihm seine Tochter fragte, was das eigentlich solle, diese Nibelungentreue zu Nowack.
Wie dem auch sei, nun wird die SPD in Altenessen neu aufgestellt. Und vor allem auf die Jusos wird dabei viel Arbeit zukommen. Haben sie doch den Sturz Nowacks maßgeblich unterstützt. Man darf gespannt sein, was sich hier neu entwickelt.
Integrationswahl: „Fünf Prozent Wahlbeteiligung wären ein Erfolg.“
Heute wird in Dortmund der neue Ausländerbeirat gewählt, der künftig Integrationsrat heißen wird. Höchste Zeit also für einen Selbstversuch: Wie ich zum ersten Mal in meinem Leben an einer Wahl teilnahm!
Ich bin Staatsbürger eines Niemandslandes und habe noch nie an allgemeinen politischen Wahlen teilgenommen. Ich habe einen kanadischen Pass, weil ich irgendwann mal in Kanada geboren wurde, aber meine deutschen Eltern sind leider wieder nach Deutschland zurück gewandert, als ich acht Monate alt war. Da galt meine Stimme noch nicht. Der kanadische Pass (einen zusätzlichen deutschen Ausweis habe ich nicht) hat mich vor Musterung und Bundeswehr bewahrt und mir die Aura eines geheimnisvollen Weltbürgers gegeben; mehr verbindet mich nicht mit Kanada. Ich habe das Land zum ersten Mal besucht, als ich schon 43 war. Nett da. Aber nicht meine Heimat. Meine Heimat ist das Ruhrgebiet.
Beteiligt habe ich mich bisher weder an Wahlen in Kanada (ist Pierre Trudeau eigentlich noch Premier?) noch an deutschen Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen. Heute jedoch war ich zum ersten Mal aufgefordert, aktiv ins Geschehen einzugreifen! Ich war gefordert, man wollte meine Stimme! Und auch, wenn ich auf den imaginären abgetragenen Wahlsonntagsanzug mit dem leicht speckigen, zu oft gebügelten Kragen verzichtete, der zu solchen Gelegenheiten voller Stolz und Würde aus dem Schrank geholt wird, und auf den nass gekämmten Seitenscheitel ebenfalls, so wollte ich mich doch angemessen auf diesen wichtigen Termin vorbereiten.
Kurze Google-Orgie, dann Ratlosigkeit. Das Netz hält allerhand nützliche Informationen für mich bereit; ich lerne, dass der Integrationsrat erstmals gewählt wird, den bisherigen Ausländerbeirat ablöst und mit mehr Kompetenzen ausgestattet sein soll. Alle Fragen der Kommunalpolitik sollen auch Angelegenheit des Integrationsrates sein. Das ist ja löblich. Aber wen soll ich wählen? Nach einiger Suche finde ich den Stimmzettel, darauf 13 Namen. Kenne ich alle nicht. Aber vor einigen Wochen gab es in den Ruhr Nachrichten mal ein Foto mit einigen Kandidaten, von denen mir besonders ein Rastamann gut gefallen hat. Steht er auf der Liste? Ja, wahrscheinlich, aber wer von denen könnte es sein?
Die „Allgemeine Liste der türkischen Verbände“ steht auf Listenplatz 1 und weist drei Namen auf. Hinter Sönmez, Gülec und Karaca-Tekdemir steht immer „deutsch“ als Staatsangehörigkeit. Aber wofür stehen diese Leute? Was will mir die „Internationale SPD-Liste“ unter Nummer 2 sagen? Ist Dmitrij Reusenmann ein Spätaussiedler aus der Ukraine, für wen wirft er seine Netze aus? Hm, er ist Beisitzer und Internetbeauftragter der CDU Ortsunion Dortmund-Hörde, aber das steht nirgends. Kann ich ihm trauen? Ist Kokou Apenouvon der Rastamann meines Vertrauens? Nö, er stammt aus Togo und hat das Buch „Am Zuckerspeicher“ über seine Jahre als Asylbewerber geschrieben. Wer die „Interkulturelle Liste“ ist und wofür sie steht, was sich hinter „VMDO“ verbirgt oder was die „Linke gegen Ausgrenzung und Faschismus“ will außer gegen Ausgrenzung und Faschismus zu sein, erschließt sich mir nicht. Großes Interesse weckt hingegen auf Listenplatz 12 eine Verena Freifrau von der Heyden-Rynsch. Ich weiß, dass eine Straße in Dorstfeld so heißt und entnehme Google, dass die Freifrau offenbar ein Übersetzungsbüro in der Gutenbergstraße unterhält, aber noch besser gefällt mir der Name ihrer Partei: „Verena löst Eure Probleme“. Das isses! Ich wähl die VLEP! Oder nö, lieber doch nicht, ich hab ja keine Probleme. Jedenfalls keine, bei denen mir Verena helfen könnte.
Und mein Rasta? Dem Namen nach kann das nur Sebastiao Manuel Sala sein. Das klingt doch gut, das hat Stil und Melodie. Außerdem erinnert mich sein Vorname an den großartigen Fotografen sozialer Missstände Sebastiao Salgado. Den wähl ich! Mal schauen, was Google über ihn weiß: Aha, der Mann aus Angola gehört dem letztes Jahr gegründeten Basisverband der Rastafari (BVR) an und hat zum 100-jährigen Geburtstag des BVB ein interkulturelles Fußballturnier im Dortmunder Hoeschpark veranstaltet. Cool, ein echter Reggaemann. Wenn der wüsste, dass ich noch neulich, beim Neujahrsempfang des Marketing Clubs Dortmund, artig mit Ihrer Kaiserlichen Hoheit Prinz Asfa-Wossen Asserate, einem Großneffen des äthiopischen Kaisers und schwarzen Messias Haile Selassi, parliert und den eingeprägten Lion of Juda auf seiner Visitenkarte bewundert habe. Also klare Sache: der Angola-Sepp ist mein Mann.
Mein Wahllokal ist die Petri-Grundschule auf der Beurhausstraße. Drei Wahlhelfer langweilen sich. Es ist kurz nach der Sendung mit der Maus, als ich meiner Staatsbürgerpflicht nachkomme. Ob die Wahlhelfer ein paar Tipps für mich haben? Wo kann man denn mal was über die Kandidaten erfahren, ohne das halbe Netz durchpflügen zu müssen? Öh, gute Frage, wissen wir auch nicht. Und wenn wir’s wüssten, dürften wir’s Ihnen nicht sagen. Wofür die Kandidaten programmatisch stehen, wer hinter ihnen steht, wofür sie kämpfen, ist alles ein großes Geheimnis. Nicht aber die Wahlbeteiligung: Ich bin der 21. Wähler seit Öffnung der Wahllokale um 8 Uhr morgens, doch allein in meinem Wahlbezirk sind über 3.000 Wähler aufgerufen. Fünf Prozent Wahlbeteiligung wären schon ein Erfolg, sagen die Wahlhelfer. Na prima. Dann weiß ich ja, welche Relevanz es hat, wenn demnächst ausländerrelevante Fragen im Rat erörtert werden. Hauptsache, es läuft dann guter Dub im Plenarsaal!
Im Westen geht die Sonne unter…

Mastermind Katharina Borchert ist bei Spiegel online, die Flip-Kameras werden beiseite gelegt und RP Online bleibt unerreichbar. Warum ist Der Westen gescheitert?
So ganz habe ich die Häme, mit der das Projekt „Der Westen“ von Anfang an begleitet wurde nie verstanden. Seitdem es den Westen gibt muss ich mich nicht mehr in die verschiedenen Angebote von WAZ, WR oder NRZ einloggen. Ich bekomme schnell einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse in den Städten die mich interessieren. Ich fand den Westen nie sonderlich aufregend. Es war das solide Internetangebot einer soliden Regionalzeitung. Man konnte sich den Kauf der WAZ sparen.
Nun wird es offensichtlich heruntergefahren: Der Westen hat keinen eigenen Chef mehr, sondern wird vom WAZ-Chefredakteur Ullrich Reitz geführt. Über die Zukunft der Blogs wird intern wohl diskutiert und die erst vor kurzem an die Redaktionen ausgelieferten hippen Flip-Kameras werden in den Schubladen der Redaktionen liegen bleiben. Aus den Städten wird es künftig nicht, wie geplant, von den Lokalredaktionen produzierte Filme geben.
Was ging schief im Westen?
Redet man mit WAZ-Redakteuren, haben die meisten von ihnen den Westen nie als „ihr“ Projekt gesehen. Der Westen, das war ihnen aus der Zentrale in Essen aufgedrückt worden. Der stehen die meisten traditionell skeptisch gegenüber. An der Basis wissen sie, dass ihre Arbeit und nicht die der Zentralredaktion entscheidend für den Erfolg von WAZ, NRZ, WR und den anderen Zeitungen ist. Die WAZ kauft man wegen dem Lokalteil. Der Mantelteil ist für viele Leser nur das Ding. was da drumherum liegt. Doch die Arbeit der Lokalredakteure wurde ihrer Ansicht nach nie genug geschätzt. „Eigentlich müssten unsere Geschichten auf die Teleseite“ – den Satz habe ich mehr als einmal gehört. Und er stimmt.
Für die Lokalredakteure bedeutete Der Westen mehr Arbeit: Sie mussten Texte in das System stellen, sollten auch noch Filme machen und nach Möglichkeit twittern. Die Betreibergesellschaft des Westens bezahlte nichts für die Texte. Im Gegenteil: Die WAZ-Gruppe investierte in den vergangenen Jahren Millionen in ihr Online-Angebot. Das die Männer und Frauen vor Ort dann auch immer häufiger zu hören bekamen, dass man jetzt ja die WAZ nicht mehr kaufen müsse, weil man ja alles im Internet umsonst und sogar früher lesen könne, hob ihre Begeisterung nicht. Vor allem in einer Zeit, in der die Verluste der WAZ an Auflage und Anzeigenumsätzen zu einem massiven Stellenabbau führten: 300 Redakteure, ein Drittel der ganzen Mannschaft, musste gehen. Lokalredaktionen wurden geschlossen. Und gleichzeitig Der Westen ausgebaut. Wer wissen will wie mies die Stimmung bei WAZens ist, muss nur mal einen Blick in die Kommentare des Blogs Medienmoral NRW werfen. Man wundert sich wie es gelingt, in so einer Atmosphäre noch jeden Tag Zeitungen zu produzieren.
Die Kollegen dort wurden von den Journalisten in den Lokalredaktionen nie für voll genommen. Ich glaube nur der mittlerweile auch gegangene Videopunk Markus Hündgen konnte sich Respekt erarbeiten, weil er viele Geschichten lieferte. Das tat die Zentralredaktion bei der Westen kaum. Die bearbeiten bis heute vor allem Agenturmeldungen und die Texte der Printredaktionen. Hatten sie jemals einen Scoop? Haben sie einmal eine Geschichte gehabt, die dazu führte das die Redakteure in den Offline-Redaktionen sagen konnten: „Cool – und das sind unsere Jungs?“ Ich erinnere mich nicht daran.
Man darf sich nicht wundern, wenn unter diesen Umständen Der Westen bei den eigenen Leuten eine viel geringere Akzeptanz hatte als bei den Lesern – und er an dieser mangelnden Akzeptanz nun runter gefahren wird.
Die WAZ-Gruppe ist mit ihren ambitionierten Plänen gescheitert. Ein Fehler war, dass die Lokalredakteure nicht mitgenommen wurden. Ein anderer, dass Der Westen parallel zu einem massiven Stellenabbau ausgebaut wurde. Auch das Ziel, die Rheinische Post online zu überholen, wurde bei weitem nicht erreicht: mit 6.410.077 zu 9.074.447 Visits ist man weit abgeschlagen. Nun wird der Alltag in Essen einkehren. Mit dem Westen hat man jetzt ein überdimensioniertes Portal, mit dem man eigentlich nicht mehr viel anzufangen weiß. Es wird langsam zurück geschnitten werden.
Was die WAZ hätte tun können? Sich auf dass konzentrieren, was eine Zeitung kann: Geschichten machen und journalistisch arbeiten. Genug gute Leute gibt es in der WAZ, ein paar wurden in den vergangenen Jahren aufs Abstellgleis geschoben. Ihre Namen liest man heute kaum noch. Um diese Leute herum und die große Zentralredaktion herum hätte man eine eigene Internetredaktion aufbauen können, die nicht durch technische Spielereien, sondern durch exklusive Geschichten auf sich aufmerksam gemacht hätte. Online hätte die WAZ so einen Leserkreis weit über ihr klassische Erscheinungsgebiet hinaus erreichen können. Und aus diesem Stellenpool wäre es auch möglich gewesen, eigene lokale Geschichten zu machen – und zwar so, dass es für die Leser auch noch Gründe gegeben hätte, am Morgen die Zeitung zu kaufen.
Das alles ist nicht gemacht worden. Und in Zukunft wird nicht mehr viel passieren. Die WAZ wendet sich vom Internet ab. Sie konzentriert sich darauf, ihre Stellung in der analogen Welt zu halten. Das wird ihr allein aufgrund des demographischen Wandels im Ruhrgebiet nicht gelingen. Sie wird nun an zwei Fronten unter Druck geraten: Im Internet und am Kiosk.
The Raveonettes
The Raveonettes, Montag, 8. Februar, 20.00 Uhr, Gebäude 9, Köln
Ruhrpilot – Das Navigationssystem für das Ruhrgebiet
NRW: Gabriel will nicht mit der Linkspartei…Focus
NRW II: Rüttgers droht mir Nein zur Steuerreform…Stern
NRW III: Grüne halten sich schwarz-grün offen…Spiegel
Ruhr2010: Gestutztes Klavierfestival?…Welt
Ruhr2010 II: Wie teuer sind Theater…Pottblog
NRW IV: CDU-Wahlkampf gegen die FDP…Der Westen
NRW V: Grüne im Schlaraffenland…Welt
Medien: Angeknabberte Süddeutsche…Zoom
Abstandslohn: Theorie vom fehlenden Arbeitsanreiz macht keinen Sinn…Weissgarnix
Dortmund: Das Elend der Prostituierten…Der Westen
Nazis: Demo in Marl…Recklinghäuser Zeitung
Online: Ende der Netzneutralität…Zeit
Arbeitnehmererfindungen: Unterschätzt und unterbewertet…Frontmotor
Ausflugsziel: Bahnhof Winterberg wartet auf Revitalisierung…Zoom
Update: Projekt schwarz-grün: Landesdelegiertenkonferenz in Essen
Jürgen Rüttgers hat’s gut, Angela Merkel hat’s gut: Rechts und links nur willige Juniorpartner, und wer das nicht ist, also Die Linke, treibt ihnen ebenjene geradezu ins Himmelbettchen. Heute und morgen also Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90 / Die Grünen in Essen. Kann sich die Koma- sorry Klimakanzlerin auf gut aufgestellte und – im Gegensatz zur FDP – regierungsfähige Koalitionspartner freuen? Dazu die nächsten Stunden live und mit Updates aus der Messehalle West der Gruga.
17.00:
Inzwischen redet Barbara Steffens, verheiratet mit einem CDU-Regierungspräsidenten, zum Thema „Soziales NRW: Für Gerechtigkeit und Zusammenhalt“ und sagt (in dem Sinne): „Wer soziale Kompetenz in NRW mit der SPD gleichsetzt, hat nichts verstanden.“ Und um kurz nach vier ging folgendes aus einem Interview mit Renate Künast für „Bericht aus Berlin“ über die Ticker: “Eigentlich haben wir politisch die größten Schnittmengen mit der SPD, aber wir können nicht darauf warten, dass die SPD dann immer hinreichend groß ist, und eines ist sicher: der Machtinstinkt der Grünen ist groß.“ S.a. hier. Die Details hier wiegen schon nicht mehr so schwer wie die strategische Ausrichtung, aber es wird weiter tapfer freundlich gestritten. (Letztes Update)
16.20:
„Ökologisches NRW: Schutz für Mensch und Umwelt“. Keine großen Überraschungen. An dieser Stelle also lieber ein Interview von Ruhrbaron Marcus Meier mit Volker Beck.
15.40:
Spannende Fragen:
1) Wie teuer und schwierig wäre eine erneute Änderung der Pflichtschulzeit? Die Grüne Jugend spricht sich, neben anderen, für eine Wahlmöglichkeit zwischen acht oder neun Jahren bis zum Abitur aus, die Gegenposition spricht sich für langfristig umfassendere Änderungen aus, aber dagegen, sich nun so konkret festzulegen. Äußerst knappes Ergebnis, endlich mal so etwas wie Dynamik. Und damit dann doch zumindest eine kleine Überraschung: Nur ganz knapp setzt sich Grüne Jugend und Co. nicht durch.
2) Volker Beck redet für eine Kindergartenpflicht ab vier Jahren und eine Festlegung darauf im Wahlprogramm. Die Gegenredner/innen scheuen vor den Konsequenzen zurück, die ein Zwang zur Tagesstätte mit sich bringen würde: Welche Sanktionen müssten her? Soll die Polizei kommen, Zuwendungen gekürzt werden, etc.? Hier zeigt sich gut, wie die Frage „im Zweifel mehr Staat oder mehr Emanzipation“ immer noch für Kontroversen sorgen kann. Die Lösung heißt hier für die einen „durch mehr Staat mehr Emanzipation ermöglichen“, für die anderen „es sollten sich die Eltern freiwillig für die Tagesstätte entscheiden“. Knapp setzt sich der Antrag von Beck & Co. nicht durch.

14.20:
Antragsmodifikationen, Änderungswünsche, letztlich dann trotz mehrerer Anträge ein nahezu einstimmiges Abnicken des ursprünglichen ersten Kapitels des Landtagswahlsprogrammes namens „Zukunftsfähiges NRW: Grünes Wirtschaftswunder“. Es folgt: „Kluges NRW: Recht auf Bildung für alle“. Überraschungen, also das Durchkommen von Änderungsanträgen gegen die Landesspitze, sind bislang nicht abzusehen. Manches wird als sinnlos, manches als noch nicht ausreichend diskutiert zurückgewiesen. Aber schön, dass es besagte 740 Änderungsanträge gibt: Die Basis diskutiert und bringt sich ein, das freut die (zukünftigen) Politprofis der Partei natürlich. (Vieles, aber längst nicht alles an Material hier.)
13.10:
Claudia Roth wünscht „all das, was man braucht, um erfolgreich zu sein“. Die „alte Dortmunderin“ und „alte Bonnerin“ verspricht „Einbringung statt Nichteinmischung“. Sie fordert „Selbstbewusstsein“ und „Unterscheidbarkeit“ und erklärt Schwarz-Gelb in NRW im Nachhinein als „Blaupause“ für die Regierung in Berlin, betont also die Gemeinsamkeiten in der Ausgangslage der Grünen in NRW und im Bund. Die Bundesregierung sei „Handlanger der Lobbys“, die „Atompläne von Schwarz-Gelb“ sollen anscheinend nochmal etwas Angstpotential freisetzen, um zusätzliche Stimmen zu generieren. Warmer Applaus, ein grünes Herzensthema. Dann geht es zurück ins NRW-Ländle und gegen Kohlekraftwerke. Die SPD wird „Kohlebarone“ genannt, sehr schön. Roth wendet sich gegen „Steuersenkungen auf Pump“ und fragt, was die „wahren Christinnen und Christen“ dazu sagen, wenn „Millionen von HartzIV-Kindern“ Geld weggenommen wird. Sie spricht sich klar für einen Mindestlohn aus und nennt die Gesundheitspolitik neben der Bildungspolitik einen weiteren zentralen Bereich, in dem um mehr Gerechtigkeit gestritten werden muss, anstatt „ein solidarisches System zu zerschlagen“. Die Wahrheit über die Bundesregierung würde erst nach der NRW-Wahl ans Licht kommen, also soll jetzt schon mit einem Wechsel in Düsseldorf ein Signal für Berlin gesetzt werden. Gut, und welches? Gibt es schon Andeutungen zu Koalitions-Präferenzen? Bislang nicht von Frau Roth.

12.20:
Während einige Delegierte paraphrasieren und teils andere Akzente setzen, hier ein paar Ideen zu Koalitionsvarianten für NRW: Rot-Grün dürfte rechnerisch schwierig werden, Schwarz-Gelb wohl auch – immer gesetzt den Fall, Die Linke kommt ins Parlament. Wer sich daran klammert, dass letzteres nicht passiert, muss im folgenden nicht weiterlesen. Denn: Werden viele CDU-Wähler der FDP Leihstimmen geben, um Schwarz-Grün zu verhindern? Bestimmt nur bedingt. Wählt wer mit SPD-Hintergrund grün, um eine Große Koalition unwahrscheinlicher zu machen? Kaum.
Also: Was will WählerIn denn?? a) Die Linke an der Regierung verhindern? Ohne Schwarz-Gelb im Amt zu bestätigen? Geht eigentlich gar nicht (, versuchen aber viele herbeizureden). Außerdem ist eine rechnerische Option, nach der Rot-Grün-Rot (so heißt es hier) zwar klappen würde, dann aber nicht zustande kommt, für CDU und Grüne, die dann quasi koalieren „müssen“ (Große Koalition ohne Not? Wer will das denn?), auch nicht wirklich schlimm. Man kann schon vor sich sehen, wie weder SPD, noch Die Linke, noch die Grünen Rot-Grün-Rot wollen und sich eher darüber einigen müssen, wie das am elegantesten NICHT zustande kommt. Strategischer Vorteil der Grünen als selbsternannte „neueste Mitte“: Wer „die neuen Radikalen“, also FDP und Die Linke, nicht will, soll gefälligst die Grünen wählen. Ergebnis: Schwarz-Grün.
Wähler-Option b): Im Grunde soll die CDU weg, das mit der FDP ergibt sich dann automatisch (denn Jamaica oder Ampel sollen ja mit den Grünen nicht werden). Wer das will, hat irgendwie Rot, Grün oder Rot zu wählen, aber am besten Die Linke, denn nur das verhindert tatsächlich Schwarz-Grün oder Ampel. Rot-Rot allein erscheint unwahrscheinlich, insofern sind also durchaus Leihstimmen aus dem alternativen Millieu von Grün zu Die Linke logisch – ein Horrorszenario für Die Grünen. Ergebnis: Rot-Rot-Grün unter Schmerzen oder … Schwarz-Grün. q.e.d. (Um den Einwand vorwegzunehmen: Nein, Die Linke wird nicht so stark, dass letztlich eine Große Koalition herauskommt.) Unwort des Tages natürlich: Ampel. Wer Spaß haben möchte, sollte die Regierungswilligen mit diesem Begriff quälen.

11.30:
Nächste Stichworte: Der berühmte „green new deal“. Und mensch sagt es auch „mit christlichen Worten“: „Für den Erhalt der Schöpfung“. Und ist auch „die Bildungspartei“. Jürgen Rüttgers‘ „große Lebenslüge“ ist das dreigliedrige Schulsystem, die FDP steht für Zweiklassenbildung. „Wie sagte Kästner: Der Mensch soll lernen – nur die Ochsen büffeln.“ Dann soziale Gerechtigkeit, denn: „Nur Reiche können sich eine arme Kommune leisten.“ Die FDP, das seien die „wahren Staatsfeinde“, weil sie die Kommunen, also den Ort, wo die Menschen „tatsächlich leben“, „untergraben“. Schön, dass hier auch nach links geblinkt wird – aber das war ja durchaus ebenfalls zu erwarten. Jamaica wird ausgeschlossen, Tolerieren von Rot-Rot auch, eine Stimme für die Linkspartei sei „eine Stimme für Schwarz-Gelb“. Gleich mehr Wahlarithmetik, dann aber nicht mehr von Sylvia Löhrmann.
11.10 Uhr:
Recht pünktliche Begrüßung, Claudia Roth ist auch da. „Macht mehr möglich“ prangt groß als „Claim“ über allem, als Slogan für die NRW-Wahl. Livestream übrigens hier: http://essen2010.gruene-ldk.de/ (Auf dem Foto oben – alle Fotos: Grüne NRW – die derzeitige Landtagsfraktion.) Erster Applaus, als ein Demoaufruf gegen Atomstrom erfolgt. 740 Änderungsanträge zum Programmvorschlag gab es. Sofort bezeichnet mensch sich hier als „Programmpartei“ und kündigt die Programmdebatte an – die letzte Sitzung der Programmkommission hatte übrigens auch bis etwa 10:59 gedauert. Erster Redner jetzt: Rolf Fliß, der grüne Bürgermeister von Essen. Er kündigt einen „stürmischen Wahlkampf“ an, redet aber viel über Kulturhauptstadt, Zollverein und Folkwang, macht also brav Werbung für sich und seine Stadt. Dann fordert er „Hilfe“ von Land und Bund für seine „Notstandskommune“ an. Subsidiaritätsprinzip? Spannendes Thema. Dann sagt er noch, schwarz-grün sei wohl „leider vorbei“, da die CDU so schwach sei in den Umfragen derzeit. Jaja.
Willi will es wissen. SPD-Nowack kämpft in Altenessen weiter um seine Macht
Wenn einer verloren hat, sollte man meinen, er merkt das. Willi Nowack ist da anders. Der Pleitier und vorbestrafte Ex-Landtagsabgeordnete aus dem Essener Norden klammert sich an sein letztes Amt, das des Ortsvereinsvorsitzenden der SPD in Altenessen. Und wenn es nur für zwei Monate ist.
Eigentlich soll am Sonntag bereits Nowacks Nachfolger gewählt werden auf einer regulären Jahreshauptverammlung des SPD-Ortsvereins. So hatte es eine Mitgliederversammlung im November beschlossen. Selbst Nowacks Vater, ein Urgestein der SPD in Altenessen, entzog seinem Sproß dort die schützende Hand und enthielt sich in der entscheidenden Abstimmung.
Doch Nowack versucht nach wie vor, den Termin für die Wahlversammlung in den April schieben. Warum? Seine Kritiker glauben, mit diesem Schachzug will sich Nowack eine Rechtschance auf den Posten als Ortsvereinschef bewahren. Die SPD in Altenessen ist eigentlich ein mächtiger Verband mit noch gut 300 Mitgliedern hat er ein dickes Wort mitzureden bei der Platzierung von Ratskandidaten und Landtagsabgeordneten. Einst war die SPD Altenessen der wichtigste Block im westlichen Ruhrgebiet. Die Nowack-Kritiker glauben, Willi würden versuchen, bis zum April wieder eine Mehrheit für sich aufzubauen, um sich für eine neue Periode wählen zu lassen. Auch wenn er jetzt sagt, er wolle nicht mehr antreten, kann er dann immer noch behaupten, wenn er aufgefordert werde von den Genossen, könne er nicht kneifen. Zudem glauben seine Kritiker würe Nowack im Landtagswahlkampf versuchen mit Störfeuer zu drohen, um seinen Machtanspruch in Altenessen durchzusetzen.
Langer Rede kurzer Sinn: Es bleibt dabei, die momentane Mehrheit in Altenessen will Willi morgen absägen.
Doch Willi kämpft. Gestern holte er sich auf der Geschäftsstelle der SPD die neuesten Mitgliederlisten, um die Köpfen zu zählen. Wer wählt wen? Heute laufen die Telefone heiß. Es wird mobilisiert. Ich hab Anrufe von Genossen bekommen, die berichtet haben, wie Willi sie für sich gewinnen wollte. Mit Druck, mit Drohungen und mit Schmeicheleien.
Damit nicht genug. Gestern zündete dann die nächste Willi-Nebelgranate. Ein Brief aus der Feder des Vorbestraften Pleitiers trudelte bei den Sozialdemokraten in Altenessen ein. Darin warf Willi seinen Gegnern vor die Partei zu spalten. Er warf ihnen vor, keine Kompromisse zuzulassen. Er habe ja angeboten, einen neuen Termin für die Wahlen zum Ortsvereinschef zu finden und seinen Rücktritt erklärt. Aber nein, die Gegner hätten ja drauf bestanden, die Beschlüsse der Mitgliederversammlung umzusetzen, während er doch als Ortsvereinschef einen anderen, späteren Termin haben wollte, auf dem er dann auch ganz bestimmt nicht mehr angetreten wäre.
Dass der Unterbezirk in Essen die Jahreshauptversammlung am kommenden Sonntag bestätigt hat, verdrängt Nowack und lamentiert stattdessen wie eine Memme über böse Leute, die ihn abwählen wollten. Mein Gott, Genossen in Altenessen. Von so Einem habt ihr Euch jahrelang beherrschen lassen.
Der Brief ist Sermon, zwei Seiten lang. Wer will, kann ihn hier lesen. Klick. Für mich hört sich das Schreiben an, wie das Zicken einer alternden Zicke, die bald nichts mehr zu zicken hat – voller Eigenlob, weil ihn wohl niemand mehr loben will.
Am miesesten diese Drohung:
„Jetzt wird es zu der Wahlanfechtung und weiteren Auseinandersetzungen kommen’“ (sic!).
Nowack will also weiter kämpfen für jeden Tag an der Restmacht und seien es nur ein paar Wochen.
Reicht das? Nein. Nowack hat mit dem Brief noch ein Schreiben rausgehauen. In diesem Schreiben versucht er ganz billig Verwirrung zu stiften, indem er als Ortsvereinschef von oben herab, die Jahreshauptversammlung aus fadenscheinigen und wirren Gründen absagt. Mein Gott.
Nur zur Erinnerung: Die Mitgliederversammlung im November hat den Termin für die Jahreshauptversammlung morgen bestimmt. Der Unterbezirk hat den Termin bestätigt. Da kann auch kein Ex-Sonnengott mehr per Brief die Wahlen abblasen. Hier das Teil zum Nachlesen. klack
Morgen ist der Tag der Entscheidung. Nowack wird bestimmt abgewählt. Ich denke, die Mehrheiten stehen.
Dann wird hoffentlich die Kasse der SPD-Altenessen durchgeprüft, ob nicht einer wie Nowack mal reingegriffen hat, einem vorbestraften Pleitier wär das irgendwie zuzutrauen, meine ich.
