letzte Woche / diese Woche (kw13)

„You need hands to show the world you’re happy“ – Malcolm McLaren

Erinnern Sie sich? England und Frankreich sind im Krieg mit Libyen, letzterer Staat durch die Anerkennung der Rebellen-Regierung für sein eigenes Verständnis aber nicht wirklich, sondern nur mit der Gaddafi-Fraktion. Das sieht der Rest der Welt wiederum anders. In diesem Zusammenhang ein Gruß an die Türkei: Ehrenwerter Versuch! Die „Welt“, also die UN, hatte die Einrichtung einer Flugverbotszone erwirkt, die nun die NATO durchsetzen soll. England ist aber auch in der NATO. Schießen die dann auf ihre eigenen Flugzeuge, wenn diese jenseits des UN-Mandats operieren? Kaum. Müsste also nicht jemand anders als die NATO das Flugverbot überwachen? Oder gilt für die Franzosen und Engländer als fröhliche Anarchisten mit kolonialer „Zuständigkeit“ eine Sonderregelung?

Leider habe ich es letzte Woche verpasst, diese Frage mit meinen Bekannten englischen oder französischen Migrationshintergrundes zu diskutieren. Stattdessen war ich endlich einmal in der Essener Proust Buchhandlung und habe mir „Zenos Gewissen“ von Italo Svevo gekauft. Lag da rum. Kritiken und Texte auf Buchrücken versuchen ja immer zu erzählen, wie man etwas zu lesen hat – auch deshalb lese ich solche Empfehlungen am ehesten entweder nach der Lektüre oder nur dann, wenn ich das Buch eh nicht lesen, den Film nicht schauen, das Album nicht hören will. Diesmal aber fühlte ich mich sicher in meiner Herangehensweise an das Buch, las den Buchrücken und musste lächeln: „Italo Svevo“ heißt tatsächlich „der italienische Schwabe“. Weitere gute Sätze: „Eine grandiose Parodie auf die Psychoanalyse, noch bevor sie überhaupt populär wurde.“ „Der Spiegel: Eine grandiose Beichte“. Haha.

Im Grunde gilt aber natürlich: Weder Spiegel noch Bild, und die anderen auch erst, nachdem man sozusagen das Buch der Geschehnisse selbst gelesen hat. Eine Kommentatorin der Süddeutschen meinte gar, die Staaten der Welt hätten zuerst „die Herzen über den Zaun geworfen“, um dann quasi bewaffnet hinterherzuspringen. Deutsche Kriegslyrik, da ist sie wieder, zum Glück bislang nur im Dienste zweier anderer europäischer Staaten. Oh, ich vergaß: Selbstredend auch im Dienste potentieller grüner Außenminister und Rechts-Sozen wie Siggi G. von und zu Seeheim. (Als Nahles rüberkam wie von Gaddafi geduzt, das war auch schön.) Und Joseph Fischer raunzt Identifikationsbegriffe wie bei seinem großen Krieg. Sie erinnern sich? Diese spezielle Fortsetzung der Ostpolitik von Willy Brandt, interpretiert á la Rot-Grün im Einheitsrausch.

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Atom: Die aktuellen Strahlenschutzmaßnahmen in Deutschland

Aus Japan kommen schlechte Nachrichten. Der Kontrollraum von Reaktor 3 in Fukushima wurde geräumt. In Deutschland wurden indes Strahlenschutzmaßnahmen ergriffen.

Ein Schreiben des Bundesumweltministeriums, das uns vorliegt, gibt einen Überblick über die in Deutschland getroffenen Strahlenschutzmaßnahmen:

– Flugzeuge aus Japan sollen nach Radioaktivität untersucht und, wenn nötig, dekontaminiert werden.

– Passagiere aus Japan sollen die Möglichkeit bekommen, sich untersuchen zu lassen.

– Lebens- und Futtermittel aus Japan werden kontrolliert.

– Güter aus Japan werden stichprobenartig kontrolliert

– Schiffe sollen den Standort Fukushima weiträumig (50 Seemeilen) umfahren.

Das Schreiben stammt vom 18. März.

Jugendmedienschutz: JMStV-Camp in Essen

Am 30. April wird in Essen im Unperfekthaus über den Jugendmedienschutz-Staatsvertrags diskutiert.

Im Dezember scheiterte die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV)am NRW-Landtag. Doch wie geht es weiter  mit dem JMStV? Darüber wird auf dem JMStV-Camp im Unperfekthaus diskutiert:

Wie muss Jugendmedienschutz im Zeitalter neuer Medien aussehen? Das Scheitern der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) als Aufhänger nehmend, wollen wir dies gemeinsam diskutieren. Auf dem JMStVCamp wollen wir die Diskussion von Grund auf neu starten, wir wollen wissen, was genau eigentlich das Problem ist, welche Fragen offen sind und ob nicht ein positiver, Chancen orientierter Jugendmedienschutz im Mittelpunkt stehen sollte. „Wir“ bedeutet dabei, dass alle eingeladen sind, also Parteien jeglicher Couleur, Wissenschaftler, Medienpädagogen, Jugendschützer,Bürger, alt wie jung.

Sponsoren sind unter anderen die Grünen, die Jusos und die Piratenpartei. Mehr Infos gibt es hier.

Ich will einen Heatball

Mit Wehmut verabschiedete ich mich von der Glühbirne. Jetzt könnte es eine Wiedersehen geben. Wenn aus der Glühbirne der Heatball wird.

Mittlerweile sind in meiner Wohnung immer mehr Energiesparlampen. Das macht in Räumen Sinn, in denen die Lampen lange brennen. Dort sparen sie Energie und haben eine lange Lebensdauer. Im Flur, auf der Toilette oder im Bad, wo man sich in der Regel nicht mehrere Stunden aufhält, sind Energiesparlampen Unsinn. Das ständige an- und abschalten geht auf Kosten der Lebensdauer der Leuchtstofflampchen. Und wenn man sie wegwerfen muss, werden sie wegen des Quecksilbers in ihrem Inneren zu einer großen Umweltbelastung.

Die Energiesparlampe ist aber auch ein Symbol für politischen Scheinaktionismus und Gängelung der Bürger. Es bringt für die Umwelt nichts, aber erweckt den Anschein von Aktivität auf Seiten der Politiker. Rudolf Hannot aus Niederzier wollte das Verbot der Glühbirnen umgehen. Er will sie als „Heatballs“ nach Deutschland importieren. Aus der Schwäche der Glühbirne macht er eine Stärke: Er hat sie als Mini-Heizungen deklariert, die in Lampenfassungen passen. Immerhin: Einen großen Teil der Energie geben die Glühbirnen als Wärme und nicht als Licht ab.

Im Moment kann man die Heatballs nicht kaufen – die ganze Sache hängt vor Gericht. Aber sollten sie wieder auf den Markt kommen werde ich mir welche holen – als kleine Heizung für die Nasszellen.

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letzte Woche / diese Woche (kw12)

In der letzten Woche hat der Netzweltwutbürger mal wieder mehr genervt als so manche politische Entscheidung in Deutschland. Das ist eine bedenkliche Entwicklung.

Der Netzweltwutbürger arbeitet sich nämlich immer an konkreten Personen ab: Der Verteidigungsminister. Der Außenminister. Der Premierminister. Und das könnte in manchen Fällen sogar zu interessanten Fragestellungen führen, wenn der Netzweltwutbürger nämlich einmal die Beziehungen zwischen diesen Leuten überdenken und noch etwas Weiteres bedenken würde, was er meist verdrängt, weil er sich sonst nicht selbst inszenieren kann: Politiker wissen vieles früher als der Medienkonsument.

Auf einer ganz netten Geburtstagsparty gestern gab ich zum Beispiel zum Besten, zu Guttenberg (oder jemand anderes) könnte ja dieses Doktortitel-Ding als eine Art Ausstiegsszenario selbst permanent parat gehabt haben. Und dann fiel mir ein: Westerwelle steht für das „Nein“ zum Libyen-Einsatz und zu Guttenberg muss sich weiter mit Afghanistan herumschlagen? Das wäre doch – in einer Parallelwelt sozusagen – eine spannende Vorstellung. Denken Sie doch einmal kurz darüber nach, wenn Sie mögen.

Und weiter: Denn natürlich ist einschlägigen Kreisen bekannt, dass die U.S.A., Frankreich und Großbrittanien schon länger diese National Front for the Salvation of Libya (oder whoever) unterstützen. Pikanter Weise tun dann auch noch die von Al-Qaida so, als seien sie auch auf Seiten der Revolution, Demokratiebewegung, der Rebellen, blabla in Libyen. In Afghanistan also gerüchteweise gegen, in Libyen mit Al-Qaida zusammen operieren? Tja, Stellvertreterkriege haben etwas Merkwürdiges, vor allem wenn permanent verschiedenste Player aufgebaut und dann wieder niedergeknüppelt werden. Und das kommt natürlich dem Couchpotato in ständiger Pogromstimmung entgegen. Panis et circenses. Sweet bird of truth. (Schade, dass F.S.K. in Düsseldorf nicht „Patrona Namibiae“ gespielt haben. Kann ich Ihnen nun leider nicht verlinken. Ist aber auf „Son of Kraut“.)

Die anscheinend von Allmachtphantasien geplagten Netzweltwutbürger fühlen sich also für alles zuständig. Aber zum Glück zählen Taten und nicht Worte. Also verwandeln sich diese Menschen schnell mal in Unterstützer von Kriegsparteien, die vielleicht sogar gegen ihre Interessen operieren. Ob dann in punkto Intervention und Diplomatie, wie so oft, auch mal einer Rollenverteilung „good cop – bad cop“ gemäß operiert werden könnte – was die EU mittlerweile gut unter sich alleine kann – das ist diesen Leuten egal. Sie schämen sich neuerdings vorgeblich lieber, Deutsche zu sein, wenn Deutschland nicht bombt. Bahrain? Elfenbeinküste, etc.? Kann man sich nicht mit produzieren, wie unpopulär! Aber eigentlich müsste man da überall mal für Orrrdnung sorgen, mit der neuen Berufsarmee, denn dafür ist die ja da? Da geht im Kopf einiges schief.

Zählt man dies und jenes zusammen und nimmt die Tatsache hinzu, dass natürlich auch mit Libyen Diplomatie betrieben wurde in den letzten Tagen, dann sollten m.E. sogar Zweifel bestehen, ob das ganze Waffengeklirre überhaupt so eindeutig in zwei klare Kriegsparteien aufzuteilen ist. Aber auch das ist den Pogromfreunden egal. Sie wollen ihre Söhne, Töchter und Nachbarn anscheinend vor allem im Krieg sehen. With a hard-on for war.

Welcher Rassismus (als Post-Kolonialismus) darin immer noch steckt, diese „Primitiven da unten“ vor allem als Rohstofflieferanten zu betrachten, die erst einmal „unser Niveau“ erreichen sollen! Und erst wenn „die da unten“ dann mal ihren Berlusconis und Sarkozys und Obamas und Westerwellemerkelgabrielkünastgysis so glauben, wie es der Netzweltwutbürger tut, erst dann sind sie demokratiefähig, ne? Und so schützt man auch Israel am besten? Herzlichen Glückwunsch! Ich freue mich auf einen Sommer, in dem ich mich nicht ansatzweise als Kriegspartei fühlen muss. Wer das lieber anders hat, bitteschön. Sie sichern ja nur klug argumentierend und mit ein wenig Verve den zukünftigen Lebensstandard in Europa und wählen ja auch an der Tankstelle immer die richtige Sorte, ne? Danke, ich komme auch gut zu Fuß klar, mir wird es schon nicht schlechter gehen. Schönen Sonntag!

Reisefotos: Jens Kobler (feat. u.a. F.S.K. im zakk)

Samstag, 19.03.2011: Japan

Es ist Samstag, der 19.03.2011. Die taz bringt eine Nachtzusammen-fassung über die Katastrophe in Japan. Sie schreibt: „Die Lage am Unglücks-Atomkraftwerk Fukushima I bleibt dramatisch. Technikern ist es zwar gelungen, ein Stromkabel zu verlegen. Doch wahrscheinlich sind die Kühlanlagen defekt.“  

„Wenn die Nation zusammensteht, werden wir die Krise überwinden“, hatte Japans Ministerpräsident Naoto Kan schon vorgestern, also am Donnerstag, versichert. „Kan wird aller Wahrscheinlichkeit nach recht behalten“, bemerkte dazu Hartmut Wewetzer, der Leiter des Wissenschaftsressorts des Berliner Tagesspiegel. „Mehr noch: Die Japaner können am Ende gestärkt aus der Katastrophe hervorgehen.“ Diesen Kommentar publizierten sowohl der Tagesspiegel als auch Zeit Online. 

Noch immer ist zu wenig Wasser in den Kühlbecken der Reaktoren“, erfahren wir um 6:30 Uhr MEZ aus dem Liveticker des Hamburger Abendblatts. „Nach Angaben der japanischen Atomaufsichtsbehörde NISA ist der Stand im Reaktor 1 derart niedrig, dass er von den Messgeräten nicht mehr eindeutig erfasst werden kann.“ Also in allen Meilern, im Reaktor 1 sieht es ganz schlecht aus. Doch es gäbe Hoffnung, heißt es. Die Stromleitung zum Reaktor Nummer 2 stehe. 

Zeit Online und der Tagesspiegel hatten Wewetzers Beitrag mit unterschiedlichen Überschriften und Einleitungen versehen. „Psychologen prophezeien Japan ein `posttraumatisches Wachstum´“, titelt die Zeit. Hoffnung in Zeiten der posttraumatischen Belastungsstörungen. Eine Frage der Psychologie. Das Urvertrauen spielt hier bekanntlich eine herausragende Rolle. „Die Japaner haben trotz der schwierigen Lage ihr Urvertrauen nicht verloren“, heißt es in der Einleitung von Zeit Online. Da kann Hartmut Wewetzer wirklich nicht dafür. 

07:40 Uhr: „Leichenberge überfordern Gemeinden in Japan. Die Gemeinden in den japanischen Unglücksgebieten haben nach dem Erdbeben und Tsunami ein riesiges Problem mit den vielen Toten. Die Krematorien sind schlicht überfordert. In Japan sind Beerdigungen unüblich. Knapp 11.000 Menschen werden noch vermisst.“ „Seelisch“, leitet Zeit Online den Text von Hartmut Wewetzer ein, „ist der Mensch Krisen gewachsen und kann sie meistern.“ Seelisch. Körperlich steht die Sache freilich auf einem anderen Blatt. 

“Posttraumatisches Wachstum“ – warum eigentlich nicht?! Auch an anderer Stelle findet sich der Hinweis, freilich nicht ohne das distanzierende Attribut „zynisch“, dass die Katastrophe letztlich vermutlich positive Wachstumseffekte nach sich ziehen werde. Wer weiß? In jedem Fall: positives Denken. Andererseits: sicher ist sicher. „09:26 Uhr: Europäischer Automarkt kaum von Katastrophe betroffen“. 

11:20 Uhr: „Tokio wird von einem Nachbeben erschüttert, Gebäude wanken. Japanische Medien geben die Stärke zunächst mit 6,1 an. Ein Tsunami werde nicht befürchtet.“ Der Tagespiegel titelt „Wo aber Gefahr ist …“ und leitet Wewetzers Beitrag ein mit „… wächst das Rettende auch.“ 11:27 Uhr: „Japans Regierung hat eine Kernschmelze in drei Katastrophenreaktoren von Fukushima I `höchst wahrscheinlich´ genannt. Das berichtet die Nachrichtenagentur dapd ohne Angabe von Quellen.“ 

Premierminister Kan sagte am Freitag in seiner Fernsehansprache mit Tränen in den Augen: „Japan als Land wird die Katastrophe überwinden und sich erholen.“

Pro NRW will Kölsch für den „Lispler“ und seine Kumpanen

Markus "Der Lispler" Beisicht

Das Abendland steht vor dem Untergang. Gerettet werden kann es nur durch einen  Mann mit einem Sprachfehler und seiner kleinen Partei.

Sie ist die Blume, ja die Narzisse ihrer Partei und empört: Die adrette Judith Wolter, Fraktionsvorsitzende von Pro Köln, sieht in der Aktion „Kein Kölsch für Nazis“ den totalitären Ungeist in der Domstadt auf dem Vormarsch. Der Hintergrund: am 7. Mai will Pro NRW in Köln einen „Marsch für die Freiheit“ veranstalten. Es geht gegen Muslime und alles, womit Pro NRW hofft in die Schlagzeilen zu kommen. Und natürlich soll das Abendland gerettet werden. Eine ähnliche Veranstaltung, der Anti-Islamisierungskongress 2008 in Köln, musste wegen starker Proteste abgebrochen werden. Und wie 2008 gibt es auch 2011 die Aktion „Kein Bier für Nazis“. Die Anhänger von Pro NRW sollen auf dem trockenen bleiben. Zahlreiche Kneipen aus Köln machen mit.  Das gefällt Wolter natürlich nicht:

“Denn wer Andersdenkende durch solche Methoden gezielt diskriminiert, der handelt in politischer Hinsicht rassistisch und schlägt sich auf die Seite derer, die schon mehrfach in dunklen Zeiten der deutschen Geschichte die Freiheit der Bürger bedrohten. Das Ergebnis kennen wir. Es darf sich niemals wiederholen, egal unter welchem Vorzeichen…”

Vielleicht aber gibt es auch nicht nur einen politischen Hintergrund dieser Aktion, sondern auch einen hygienischen. Pro NRW Gallionsfigur Markus Beisicht ist als veritabler Lispler bekannt. Kommt er in Fahrt, was nach ein paar Reagenzgläsern Kölsch ja angeblich möglich sein soll, könnte es in seiner Nähe schnell feucht werden . Verständlich, wenn Wirte solche Gäste lieber nicht in ihren Lokalen sehen möchten. Vielleicht wollen sie aber auch nichts mit Leuten zu tun haben, deren Organisation vom Verfassungsschutz beobachtet wird und die etliche ehemalige und natürlich geläuterte Nazis in ihren Reihen hat.

Libyen: Peinliches Deutschland – Alliierte planen Luftschläge gegen Gaddafis Luftwaffe

Der UN-Sicherheitsrat hat heute Nacht das Flugverbot über Libyen beschlossen. Die USA, Groß Britannien und Frankreich werden nun gemeinsam mit arabischen Staaten dafür sorgen, dass Gaddafi die Rebellen nicht mehr  aus der Luft angreifen kann. Zumindest der Himmel über Libyen wird frei sein. Deutschland gehörte zusammen mit Russland und China zu den Staaten, die sich enthalten haben. Eine zweifelhafte Gesellschaft, in die sie die Bundesregierung da begeben hat.

Wochenlang hat sich der Westen angeschaut, wie Gaddafi die Rebellion zusammengeschossen hat. Nun handelt er endlich und stellt sich auf die Seite der Aufständischen.

Gaddafi hat schon vorher für den Fall eines Flugverbots mit Angriffen auf Europa gedroht. Bei Weissgarnix wurde vor zwei Wochen gut beschrieben, warum das eher lächerlich ist.

Zeitlich könnte das alles schon zu spät kommen. Frankreichs Außenminister Alain Juppé: „Es ist eine Sache von Tagen. Es ist vielleicht eine Sache von Stunden. Wir dürfen nicht zu spät kommen.“

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Gaddafi kann sich bei den USA und Europa bedanken

Vor zwei Wochen schien das Ende von Mummar Gaddafi besiegelt. Rebellen nahmen Stadt für Stadt ein. Dann holte Gaddafi zum Gegenschlag aus. Nun steht er kurz vor dem Sieg.

Eine Truppe aus hochmotivierten Laien hat in einer übersichtlichen Wüstenlandschaft wie Libyen kaum eine Chance gegen eine reguläre, halbwegs gut ausgerüstete Armee. Das bekommen die Rebellen in Libyen zu spüren. Ihre wichtigste Hochburg, Bengasi, steht kurz vor dem Fall. Und Gaddafi scheint erst einmal davon gekommen zu sein. Er und sein Clan können die Libyer weiter unterdrücken und ausbeuten.

Gaddafi kann sich bedanken. Bei den USA und Europa. Der Westen hat die von Teilen der Rebellen und der Arabischen Liga erbetene Luftunterstützung nicht erbracht. So konnte Gaddafis Luftwaffe die Rebellen angreifen und die Armee hatte eine intakte Luftaufklärung. Entscheidende Vorteile.

Europa und die USA haben damit gezeigt, dass sie die Rebellionen in der arabischen Welt nicht ernsthaft unterstützen, wenn es darauf ankommt. Eine Botschaft, die alle Despoten verstanden haben: Auch wenn sie Krieg gegen das eigene Volk führen, droht ihnen ausser ein paar Sanktionen, die sie persönlich zum großen Teil umgehen können, nichts. Sie können eine Bürgerkriegs riskieren. Der Westen wird sich raushalten. Die Araber werden sich merken, dass  Europa und die USA nicht nur über Jahrzehnte die arabischen Despotien gestützt haben, sondern auch der libysche Rebellion nicht geholfen haben. So schafft man sich seine Feinde von Morgen.

Japan: „Es wirkt wie ein Totentanz.“

„Als ich das am Freitag zum ersten Mal gesehen habe, konnte ich nicht glauben, dass das die Realität war“, sagt die in Deutschland lebende Japanerin im TV. Von unserem Gastautor Andreas Lichte

Immer wieder rollt die Welle über den Bildschirm. Nimmt alles mit. Es gibt kein Entrinnen. Wenn mir das jemand nur erzählen würde, ich würde es nicht glauben. So wie damals, als ich im Auto sitze, und aus dem Radio kommt: „Ein Flugzeug ist ins World Trade Center geflogen“, und ich denke: „Das ist aber ein eindrucksvolles Remake von Orson Welles’ „Krieg der Welten“! Zu Hause dann die Bilder, und ich versuche panisch einen Freund in New York anzurufen.

Den Bildern muss man doch glauben, oder? Ich tue es. Zum Tsunami fällt mir nur Shakespeare ein:

„Das Leben ist ein Märchen, erzählt von einem Idioten, voller Klang und Wut und es bedeutet: Nichts!“

Trauer. Ein Vorhang wird zugezogen, alles liegt plötzlich hinter einem dunklen Schleier.

Wenn ich Arzt wäre, würde ich mir jetzt vielleicht Anti-Depressiva verordnen. Oder mich gleich in psychiatrische Behandlung schicken: Warum geht mir das so zu Herzen? Das sind doch Fremde, die da gestorben sind, ich kenne niemanden, der unmittelbar betroffen ist. So ähnlich ist es mir schon einmal gegangen: Damals, nach Kobe, als ich nach dem Erdbeben zum ersten Mal wieder bei „meinem Japaner“ bin, und ganz zaghaft frage …

Kobe, das war 1995. Seitdem ist mir mein Japaner zu einem Stück „Heimat“ geworden, besser zu einer Zuflucht: Immer, wenn mir „gar nichts mehr einfällt“, gehe ich hin. Das hilft: Ich tauche ein in eine fremde Welt, die ich schätze, liebe. Neulich hab ich gedacht: „Ist das nicht ein wunderbares Spiel, dieses Japanische Essen – die Stäbchen?“ Hab mich bei der Bedienung erkundigt, ab wie viel Jahren Kinder damit umgehen können: „Meins kann es schon …“ Da hab ich überlegt, ob das nicht auch mal was für Lukas, 3 Jahre, wäre.

Das waren immer glückliche Momente, beim Japaner. In meinem Tagebuch steht: „o shia wa se ni!“ – „Viel Glück!“

Während der endlosen Wiederholung der Tsunami-Bilder wird knapp mitgeteilt, dass sich die im Katastrophengebiet befindlichen Atomkraftwerke wie vorgesehen abgeschaltet haben. Aber dann taucht der erste Experte auf, der erklärt, dass die Kühlung der Reaktorstäbe ausgefallen ist. Ich hatte vergessen, was das bedeutet –  wozu sich erinnern, „das kann ja gar nicht passieren!“ – aber jetzt weiss ich sofort wieder, was die unweigerliche Folge ist, ich schreibe in mein Tagebuch: „Warten auf die Kernschmelze“.

Und schaue zum ersten Mal im Internet nach, welche Windrichtung es in Japan gibt.

Samstag. Ein Reaktorblock ist in die Luft geflogen. „Der Reaktorschutzbehälter ist intakt“, kommt gleich die Entwarnung. Ich denke: „Noch.“

Auf dem Weg zum Bäcker. Der schwarze Schleier, immer dichter. Die Leute auf der Strasse geniessen den Sonnenschein, fahren in ihren Cabriolets: „Haben die noch gar nicht verstanden, was in Japan passiert ist?“

Jetzt wird die Japanische Wetterkarte auch im Deutschen Fernsehen gezeigt.

Sonntag. Ich muss mit jemandem über die Katastrophe reden. Aber mit wem? M., meine beste Freundin, würde mich vielleicht verstehen. Ich glaube, da gibt es so was wie eine „Seelenverwandschaft“, man muss gar nicht alles sagen. Im Gegenteil: es fällt mir extrem schwer, ihr meine Gefühle zu verbergen, und meine düstere Stimmung will ich ihr nicht zumuten.

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