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Corona und Katastrophenschutz: Die Katastrophe beim Namen nennen

Magnus Memmeler mit Maske Foto: Privat

Seit dem 15. März 2020 unterhalten sich die Ruhrbarone mit Magnus Memmeler.  Bis heute sind 27 Interviews entstanden, die den Katastrophenschutz ins Visier nehmen und auch die Corona-Krise nachzeichnen. Im 28. Interview geht es u.a. um die (altbekannte) Dynamik des neuen Infektionsgeschehens, den immer währenden Mangel an Pflegefachkräften,  warum die Katastrophe immer noch nicht Katastrophe gennant wird und 108 Verpflegungsmodule.

Ruhrbarone: Wir könnten es uns leicht machen, wenn wir zahlreiche Passagen aus den vorangegangenen Interviews kopieren und zu einem Beitrag zusammenfügen. Die Aktualität würde nicht darunter leiden. Haben wir alle nicht dazugelernt? Also wie beurteilen Sie die Lage?

Memmeler: Das könnte in der Tat klappen. Wahrscheinlich müssten wir nur einige Zahlen aktualisieren und fertig wäre das Interview. Leider ist es aber so, dass es Unterschiede zum Frühjahr und Sommer gibt, die uns nachdenklich stimmen sollten.

Am Samstag meldet das RKI über 7.800 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden, mehr als 1/3 der Bürger in NRW leben in Risikogebieten; es kommt erneut zu Neuinfektionen in Pflegeheimen und die Kliniken berichten von schnell steigenden Patientenzahlen.

Ruhrbarone: Unterscheidet sich heute die Situation nur an der Entwicklung der Zahlen?

Memmeler: Nein, die Unterschiede bestehen in der deutlich veränderten Haltung zu notwendigen Schutzmaßnahmen innerhalb unserer Gesellschaft. Im Beitrag „Wo ist nur die große Selbstdisziplin aus dem Frühjahr hin?“ haben die Ruhrbarone in dieser Woche recht prägnant dargestellt, was uns Sorge machen muss. Wir hatten es selbst in der Hand, die Infektionszahlen gut im Griff zu behalten. Eigentlich sollten 100 Corona bedingte Todesfälle innerhalb von nur drei Tagen zeigen, was gerade passiert, wenn wir diese Zahl mit den Werten von vor vier Wochen vergleichen.

Virologen, wie Herr Streeck, haben suggeriert, dass alles halb so wild ist, solange die Intensivstationen leer und die Bestatter noch nicht ausgelastet sind. Karl Lauterbach hat, wenn er auch vollkommen zu Recht als Mahner auftritt, die permanente Präsenz in den Medien überreizt und wird von vielen deshalb nicht mehr ernst genommen. Die Ergebnisse der Bund- Länder-Konferenz aus dieser Woche und die damit verbundenen Medienberichte tragen zur Verwirrung bei den Bürgern bei und lassen das noch recht große Vertrauen in die Handelnden schwinden.


Magnus Memmeler (53 Jahre) lebt in Kamen. Seit über 31 Jahren arbeitet er im Rettungsdienst und Katastrophenschutz. 25 Jahre davon hat er diverse Leitungsfunktionen eingenommen. Er war beauftragt zur Organisation des Sanitätsdienstes beim DEKT in Dortmund und Verantwortlicher einer großen Hilfsorganisation bei der Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten in den Jahren 2013 – 2018. Er war zudem Mitglied bei der Stabsarbeit von Bezirksregierungen und in Arbeitskreisen des Innenministeriums bei der Konzeption von Katastrophenschutzkonzepten.


Angesichts des Infektionsgeschehens in Deutschland appelliert der Immunologe Michael Meyer-Hermann, der die Bund- Länderkonferenz beriet, an die Bevölkerung, auch selbst mehr für die Senkung der Fallzahlen zu tun. Die Ergebnisse des Bund-Länder-Treffens seien, was die konkreten Maßnahmen angehe, „vielleicht etwas hinter den Erwartungen“ zurückgeblieben.

Meyer-Hermann hat darauf hingewiesen, dass man umdenken müsse und es nicht reiche, ein paar Verbesserungen zu machen.

„Sondern dass es da sehr deutliche Maßnahmen geben muss, wenn man das Ruder jetzt noch rumreißen möchte. Denn wir befinden uns gerade in einem unkontrollierten Wachstum, das man ansonsten nicht mehr ausbremsen kann.“ Als „wahrscheinlich nicht sinnvoll“ bezeichnete er, dass es derart unterschiedliche Maßnahmen in Deutschland gibt. „Ich glaube, die Bevölkerung braucht ein klares Signal. Und dieses klare Signal kann nicht sein, dass sich jetzt Ministerpräsidenten darüber streiten, ob das Beherbergungsverbot nun gut ist oder nicht“.

Deshalb forderte er sehr deutlich:

„Wenn sich die Ministerpräsidenten da nicht einigen können, dann muss die Bevölkerung das eben selber sehen, dass es notwendig ist, dass man hier wirklich aufpasst, und auf die Weise mehr tun als das, was in den Beschlüssen eigentlich drinsteht.“ Meyer Herrmann sagt, dass jeder für sich etwas tun könne um die Fallzahlen zu senken. „Es gibt eine ganz einfache Regel: Jeder hat eine bestimmte Zahl von Kontakten pro Tag. Und wenn wir das auf etwas weniger als die Hälfte reduzieren, dann haben wir eine echte Chance, das zu bewältigen.“

Meyer-Hermann ist Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Er hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am Mittwoch in ihren stundenlangen Debatten beraten.

Jeder von uns kennt Situationen, in denen man froh gewesen wäre, so eindeutige Handlungsempfehlungen zu erhalten, um eine schwierige Entscheidung treffen zu können. Und was tun unsere Länderchefs? Allesamt ignorieren sie den Wunsch der Bevölkerung, endlich Einigkeit im Handeln zu leben.

Der ARD Deutschlandtrend vom 16.10.2020 belegt, dass sich 68% der Deutschen für einheitliche Regelungen in Deutschland aussprechen. Das in dieser Woche vereinbarte „Ampelsystem“ gerät aber im Streit um das Pro und Contra von Beherbergungsverboten, die ohnehin nur wenig bewirken aber sehr großen wirtschaftlichen Schaden verursachen, vollkommen in den Hintergrund. Dieser Eindruck der Uneinigkeit wird dadurch verstärkt, dass inzwischen einige Beherbergungsverbote, die zu viel Unruhe geführt haben, inzwischen wieder gekippt wurden und handwerklich schlecht gemachte Sperrstundenregelungen durch Gerichte einkassiert werden. Wenn wir die jetzt zwingend notwendige Selbstdisziplin innerhalb der Bevölkerung erhalten wollen, muss der Eindruck von schlampig erstellten Regelungen vermieden werden.

Politik blamiert sich gerade bis auf die Knochen

Auch kann es nicht sein, dass Menschen ihren Urlaub an der niedersächsischen Küste stornieren, um dann nur einige Tage später zu lesen, dass ein Beherbergungsverbot wieder aufgehoben wurde. Das sorgt alles nur für schlechte Stimmung und schwindendes Vertrauen in die handelnden Personen. Selbst die EU hat es geschafft, ein einheitliches Ampelsystem für Reisebeschränkungen innerhalb der Mitgliedsstaaten zu vereinbaren, damit nicht jede Nation eigene Maßstäbe ansetzt, die zu unterschiedlichen Einstufungen von Risikogebieten führt.

Große Sorgen sollten wir uns aber auch wegen der zunehmend pessimistischeren Äußerungen machen, die uns aus der Ärzteschaft und von den Pflegekräften erreichen. Insbesondere deshalb, weil sich die Politik gerade bis auf die Knochen blamiert, wenn es darum geht, die Pflege zu stärken und den Pflegeberuf attraktiv zu gestalten.

Ruhrbarone: Was versetzt Sie denn in Sorge, wenn Sie an den Pflegebereich denken? Es heißt doch immer, dass ausreichend Intensivbetten zur Verfügung stünden.

Memmeler: Laut DIVI-Intensivregister gibt es aktuell ausreichend freie Intensivbetten in deutschen Kliniken. Hinzu kommt eine Notfallreserve von über 12.000 Betten, die innerhalb einer Woche bereitgestellt werden könnten. Und damit endet der positive Teil dieser Nachricht.

Die Infrastruktur besteht zwar, aber es herrscht Personalmangel an Intensivpflegekräften. Im Jahr 2019, also noch vor der Corona-Krise berichtete das Ärzteblatt, dass in 37 Prozent der Krankenhäuser Intensivbetten wegen Personalmangels abgebaut wurden. Auf einer Pressekonferenz zur Corona-Lage in den deutschen Großstädten am Freitag der Vorwoche machte Ulrich Frei, Vorstand Krankenversorgung der Charité in Berlin, bereits auf das Dilemma aufmerksam. Die Betten seien ausreichend vorhanden, nicht jedoch die dafür ausgebildeten Pflegekräfte. Es herrsche seit geraumer Zeit ein absoluter Mangel. Frei gab auch zu bedenken, dass die Pflegekräfte sich selbst infizieren und ausfallen könnten, was die Situation noch verschärfen würde.

Qualifizierte Pflegekräfte fehlen

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft stellte schon vor drei Jahren durch eine Befragung fest, dass 53 Prozent der Kliniken Probleme haben, Pflegestellen im Intensivbereich zu besetzen. Mehr als 3000 Vollzeit-Pflegestellen waren damals vakant und konnten nicht besetzt werden. Die bittere Wahrheit lautet, die Intensivstationen sind technisch und mit ärztlichem Personal gut ausgestattet. Aber diese Kapazitäten können nicht ausgelastet werden, weil qualifizierte Pflegekräfte fehlen.

Die Länder haben in den letzten 25 Jahren ihre Fördermittel für die stationäre Versorgung halbiert. Was nützen hochkomplexe Herz-Lungen-Maschinen, wenn keiner da ist, um sie zu bedienen? Was nützen 10.000-Euro-Tabletten, wenn keiner sie dem Patienten verabreicht? Wir sollten uns vor Augen führen, dass in den Niederlanden bereits Notaufnahmen wegen Überlastung zeitweise geschlossen werden mussten und die Niederlande deshalb bereits wieder Intensivbetten in Deutschland „reservieren“ müssen, weil es dort, wie aktuell auch in Deutschland, durch zu viel Leichtsinn zu einer massiven Verschärfung des Infektionsgeschehens gekommen ist.

Und Politik und Ministerien überbieten sich aktuell, trotz dieser offensichtlichen Notlage, darin, den Pflegeberuf noch unattraktiver wirken zu lassen. Das Bundesfamilienministerium präsentiert die Kampagne „Ehrenpflegas“, die bei Pflegekräften zu Recht schlechte Laune und Kopfschütteln verursacht, da diese Kampagne das Berufsbild verunglimpft, statt darauf hinzuweisen, wie viel Verantwortung Pflegekräfte täglich übernehmen. 700.000,00 € Steuergeld wurden versenkt für „Fack ju Pflege“! Zeitgleich werden Reiserückkehrer, Urlaubswillige, Lehrer-innen und Erzieher-innen getestet, während Pflegekräfte bisher außen vor blieben. Hätte man doch besser Pflegekräfte befragt, wie der Beruf beworben werden sollte, statt Influencer zu konsultieren, die eine Karikatur erschaffen haben, die diesem wichtigen Berufsbild nicht gerecht wird.

Seit diesem Donnerstag ist eine neue Corona-Testverordnung in Kraft. Sie regelt, wer unter welchen Voraussetzungen Anspruch auf einen kostenlosen Corona-Test hat. Ein Schwerpunkt sind die sogenannten Antigen-Schnelltests, die verstärkt zum Einsatz kommen sollen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bekräftigte am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“, dass es bei diesen Tests wie angekündigt zunächst vor allem um den Gesundheits- und Pflegebereich gehen soll. Anspruch auf Tests haben Mitarbeiter, Bewohner oder Besucher von Pflegeheimen und auch Beschäftigte und Menschen, die in anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens behandelt, betreut oder gepflegt werden. Aber jetzt kommt die Einschränkung, die zeigt, dass es derzeit noch keine Regelung zur Kostenübernahme gibt. Voraussetzung ist nämlich, dass die Einrichtungen oder Unternehmen im Rahmen eines Testkonzepts Tests verlangen oder das Gesundheitsamt diese dort anordnet. Verlangt das Unternehmen diesen Test, hat das Unternehmen, die Pflegeeinrichtung, diesen Test auch zu finanzieren.

Strandspaziergang ist mehr wert als Ausbildung zur Pflegefachkraft

Sehr deutlich wird dies unter anderem durch eine aktuelle Antwort des Gesundheitsministeriums in NRW auf die Frage, wie Tests für Auszubildende in Pflegeberufen zu organisieren und zu finanzieren sind, damit diese die schulische Pflegeausbildung wahrnehmen können. Hier die Mitteilung des Ministeriums:

„Zur SARS-CoV-2/COVID-19 Ausbruchsbekämpfung können Testungen der Beschäftigten in den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens sinnvoll sein bzw. angeordnet werden. Unabhängig davon, auf welcher Grundlage Beschäftigte in den Einrichtungen des Gesundheitswesens Zugang zu einer SARS-CoV-2/COVID-19 Testung erhalten oder zu dieser verpflichtet werden, ist der Arbeitgeber auch für diejenigen Auszubildenden der Pflegeberufe verantwortlich, die mit abgeschlossenem Ausbildungsvertrag zu den Beschäftigten der Einrichtung zählen. Der Arbeitgeber ist als Träger der Ausbildung auch verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass CoV-2/COVID-19 Testungen durchgeführt werden, wenn andere an der Ausbildung beteiligte Einrichtungen diese verlangen. Es gelten die Regelungen zur Finanzierung der Testungen, die auf die Beschäftigten der Einrichtung angewendet werden.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christine Riesner
Referat f. Pflegewissenschaft und –pädagogik, Akademisierung Gesundheitsfachberufe
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
Fürstenwall 25, 40219 Düsseldorf“

Das Ministerium verpasst angehenden Pflegekräften diesen Kopfstoß, während das gleiche Haus, mit Unterstützung der KV, kostenlose Tests für reisewillige Bürger ermöglicht, weil völlig vogelwild veranlasste Beherbergungsverbote für Reisebeschränkungen gesorgt haben. Im Klartext heißt das, dass ein Strandspaziergang von Horst Schabulke dem Land mehr wert ist, als Ausbildung einer angehenden Pflegefachkraft. Die Politik muss bei Entscheidungen endlich die Bedürfnisse der Pflegekräfte berücksichtigen, wenn der Mangel an Fachkräften behoben werden soll. Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) hat bereits eine Lösung zur Behebung des Fachkräftemangels gefunden. Er will, dass im Corona-Krisenfall einfach mehr Patienten durch eine Pflegekraft betreut werden dürfen. Die Pflegepersonaluntergrenzenverord -nung, die vorschreibt, dass auf Intensivstationen eine Pflegekraft maximal drei Patienten betreuen muss, wurde im Frühjahr bereits durch Herrn Spahn außer Kraft gesetzt, weshalb Herr Klose und wohl auch seine übrigen Ministerkollegen in den Ländern, darauf baut, dass diese Regelung zur Einhaltung der Behandlungsqualität erneut außer Kraft gesetzt wird. Hierbei wird leider ignoriert, dass die Betreuung von Corona Patienten wesentlich aufwändiger ist, als dies bei „normalen“ Intensivpatienten der Fall ist.

Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass das Gesundheitssystem vor einigen Jahren kurz vor dem Kollaps stand, weil eine Grippewelle die Notfallaufnahmen bundesweit überlastete und auf den Klinikstationen reihenweise Pflegekräfte erkrankt sind. In dieser Situation mussten Kräfte des Katastrophenschutzes bereits in Ambulanzen aushelfen und Sauerstoffgeräte bereitstellen, damit die Versorgungsstrukturen im Krisenmodus aufrechterhalten werden konnten. Es ist nach Aussage zahlreicher Klinikleitungen unwahrscheinlich, dass das eingesetzte Personal die Belastungen dieser zweiten Welle so gut kompensieren kann, wie es im Frühjahr gelungen ist. Ich wünsche mir, dass diese Herausforderung nicht erneut auf uns zukommt.

Ruhrbarone: Vielen Dank für das Stichwort: Was kommt denn noch auf den Katastrophenschutz zu? Und für meine Lieblingsfrage: Wann muss der Katastrophenfall festgestellt werden?

Memmeler: Verlinken Sie hier doch bitte unser Interview „Eine Katastrophe ist eine Katastrophe ist eine Katastrophe“ oder auch andere Interviews, in denen ich Fachleute und Drucksachen zitiert habe, damit ich mich kurz fassen kann. Oder unsere Leser sollen sich die Beiträge einfach selbst erneut ansehen.

Warum stellt Bayern den Katastrophenfall fest und warum kommen andere Bundesländer und der Bund zu einer völlig anderen Rechtsbewertung? Weil die Sorge besteht, die Formulierung Katastrophe könnte die Bevölkerung noch unruhiger machen, als das bisweilen chaotische Regierungshandeln in den Ländern dies bislang geschafft hat. Pandemie klingt für viele noch ausreichend abstrakt. In zahlreichen Drucksachen der Länder und des Bundes, die wir hier zitiert haben, wird hinreichend deutlich dargestellt, dass die Katastrophe in fast allen Regionen in Westdeutschland festgestellt werden müsste.

Wahrscheinlich wäre es dann auch wesentlich rechtssicherer Möglich, zum Beispiel eine Sperrstunde einzufordern und durchzusetzen. Auf welcher Rechtsgrundlage wird derzeit bundesweit die Bundeswehr eingesetzt, um zum Beispiel Gesundheitsämter zu unterstützen, da dort der Kipppunkt erreicht ist, der die Nachverfolgung von Infektionsketten immer unmöglicher macht? Ich persönlich und auch der Bundeswehr wesentlich stärker verbundene Katastrophenschützer haben hierauf noch keine Antwort gefunden. Die einzige Möglichkeit ist, die in eiligst geschaffenen Sonderverordnungen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes geschaffene Formulierung von Herausforderungen, die mit einer Katastrophe vergleichbar sind.

Politiker umschiffen den Begriff der Katastrophe

Das ist allerdings ähnlich realitätsleugnend, wie die verschwurbelten Äußerungen, die Nena in dieser Woche abgesondert hat. Nur das hier hochrangige Ministerialbeamte und Politiker den Begriff der Katastrophe versuchen zu umschiffen, weil sie den Bürgern nicht zutrauen, diese Wahrheit zu verdauen. Da begrüßt man doch schon fast die erfrischend offene Aussage des Chefs des RKI (Robert Koch Institut), dass wir noch über viele Monate mit diesen Einschränkungen leben müssen, dies sich auch nicht unmittelbar verändern wird, wenn ein passender Impfstoff gefunden ist, und wir wahrscheinlich schon bald mit fünfstelligen Zahlen bei den Neuinfektionen rechnen müssen.

Der Immunologe Michael Meyer-Hermann sagte unseren Landesministern in dieser Woche, es sei bereits zwölf Uhr und nicht erst fünf vor zwölf Uhr. Mit beiden Aussagen kann der Großteil der Bevölkerung sehr gut umgehen, weshalb man auch ehrlicherweise den Katastrophenfall erklären könnte, wie dies in vielen europäischen Ländern bereits geschehen ist, ohne dass es zu größeren Zwischenfällen gekommen ist. Spinner, die Klopapier bunkern, haben wir auch jetzt schon.

Bundesweit sind Testteams der Hilfsorganisationen oder privater Rettungsdienstbetreiber im Einsatz, um Menschen zu testen, die Kontaktpersonen von Infizierten waren. Im Gesundheitswesen sind Nitril-Handschuhe mittlerweile eine Mangelware, wie im Frühjahr Nudeln beim Discounter. Sehr wahrscheinlich werden deshalb die in dieser Woche durch das Innenministerium NRW an die am Katastrophenschutz beteiligten Organisationen übergebenen 108 LKW sehr bald wieder mit Material beladen durch das Land fahren, um Materialengpässe zu beseitigen, die lokal die Gesundheitsversorgung gefährden. Wahrscheinlich werden auch die auf den LKWs verlasteten Verpflegungsmodule in einigen Regionen durch die Hilfsorganisationen zum Einsatz gebracht, da nun die kalte Jahreszeit verdeutlichen wird, was Obdachlosigkeit unter Corona Bedingungen für die betroffenen Menschen bedeutet.

Unter Corona Bedingungen wird die Verpflegung vieler Bedürftiger in den beengten Essensausgaben von in der Obdachlosenhilfe tätigen Hilfsorganisationen nicht leistbar sein. Einen Schlafsack, eine Decke oder Geld zu spenden ist relativ einfach. Wir müssen nun aber auch die logistische Herausforderung stemmen, die Verteilung dieser Güter an die bedürftigen Empfänger zu organisieren. Das selbstgeschaffene Chaos beim Herbsturlaub hat leider den Blick von denen abgelenkt, die Urlaub in den eigenen vier Wänden als Luxus begreifen würden. Wir haben ein Versorgungsproblem und das ist für die Betroffenen eine Katastrophe. Wenn dieses Problem und die damit verbundene humanitäre Herausforderung nur mit Mitteln des Katastrophenschutzes flächig gelöst werden kann, dann haben wir eine Katastrophe und keine isolierte medizinische Notsituation.

Wer die Augen etwas offen hält, wird erkennen, dass der Katastrophenschutz bundesweit bereits permanent gefordert ist, um die Herausforderung dieser Pandemie zu meistern. Ich denke, wir sollten an dieser Stelle auf weitere Aufzählungen verzichten, warum die Feststellung einer Katastrophe angemessen wäre, um das Problem von Obdachlosigkeit in dieser Zeit bewusster zu machen.

Liebe Leser, bis die Länder die Herausforderung der Obdachlosenhilfe erkannt haben, verschenkt an Bahnhöfen und in Fußgängerzonen ruhig Eure Schlafsäcke, die Ihr noch in den Kellern habt, obwohl all-inclusive bei Euch schon lange das Zelten abgelöst hat. Meine Frau und ich haben es getan und es fühlt sich wirklich gut an. Bleibt vernünftig, haltet Abstand und schützt Euch und andere durch das Tragen von Masken.

Ruhrbarone: Besten Dank, Herr Memmeler – bleiben Sie gesund.

 

108 Verpflegungsmodule


Innenminister Reul (NRW) hat am Montag, 12. Oktober 2020, die neuen Küchen für den mobilen Einsatz für die Arbeit des Katastrophenschutzes in Nordrhein-Westfalen präsentiert. Landesweit werden den Betreuungsgruppen der Einsatzeinheiten des Katastrophenschutzes insgesamt 108 Verpflegungsmodule zur Verfügung gestellt. „Die Verpflegungsmodule sind auf dem neuesten technischen Stand und erfüllen auch Standards, die beim THW und der Bundeswehr für den mobilen Einsatz vorgesehen sind“, so der Minister. Sie können sowohl innerhalb von Gebäuden, Zelten, Bühnen als auch unter freiem Himmel verwendet werden und bestehen aus speziell für den mobilen Einsatz zugelassenem Material und Gerätschaften.
Zur Ausstattung der mobilen Einsatzküchen gehören u.a. Arbeitstische aus Edelstahl, induktionsfähige Gastro-Normbehälter, ein mobiler Heißluftbackofen und ein beleuchteter Küchenbereich. Das Gesamtvolumen der Investition beträgt rund 32 Millionen Euro. „Das Geld ist bestens investiert. Ohne die Arbeit der ehrenamtlichen Kräfte der Hilfsorganisationen wären wir als Gesellschaft aufgeschmissen. Neben der notwendigen Erneuerung alten Materials ist die Beschaffung der Küchen für mich daher vor allem auch ein klares Zeichen des Respekts und der Wertschätzung“, sagte Reul.
Bei einem Stückpreis von 165.000 Euro kosten die 108 Verpflegungsmodule insgesamt rund 18 Millionen Euro. Hinzu kommen 14 Millionen Euro für 108 neue LKW, die u.a. für den Transport der mobilen Einsatzküchen eingesetzt werden (Stückpreis ca. 130.000 Euro). Das Equipment einer Einsatzküche befindet sich auf zwölf Rollcontainern, die als Arbeitsmittel für den sicheren Transport der Gerätschaften sowie für den Betrieb am Einsatzort dienen. Die Stromversorgung durch DIN-Stromerzeuger macht die Küche autark und sichert den Energiebedarf der Bereiche Kochen, Backen, Regenerieren, Kühlen, Warmhalten und Ausgabe.

 

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ke
ke
3 Jahre zuvor

Wenn man immer noch nicht alle Alten-/Krankenpfleger etc. regelmäßige Tests ermöglicht, läuft etwas weiterhin so richtig schief.
Dass die Gewerkschaften deshalb nicht durchdrehen, ist auch nicht nachvollziehbar.

Es ist ein Armutszeugnis, wenn man den Helfern diese Sicherheit , jetzt auch mit Schnelltests, nicht bietet.

Magnus Memmeler
Magnus Memmeler
3 Jahre zuvor

@ke: Das sehe ich genau so. Deshalb freue ich mich über alle, die die Beiträge und diese Kritik teilen. Nur so kann derzeit offensichtlich der erforderliche Handlungsdruck aufgebaut werden.
M.

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