
Die neue schwarz-gelbe Koalition macht Dampf. Das wurde schon bei der Ausarbeitung des Koalitionsvertrages sichtbar. Und auch wenn viele Punkte und Maßnahmen in diesem etwa 120 Seiten umfassenden Werk derzeit wegen des Finanzierungsvorbehaltes nicht mehr sind als Luftschlösser sind, bei einem hat die neue Bundesregierung schon mächtig vorgelegt: bei den Fettnäpfchen. Von unserem Gastautor Cityboy
Zuerst musste man die Tricksereien mit Schattenhaushalten wegen verfassungsrechtlicher Bedenken aufgeben, dann wurde jedem klar, dass die viel gefeierten Steuersenkungen nur auf Pump und damit in Wahrheit Steuererhöhungen sind – und dass die FDP mit Dirk Niebel den Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird, überraschte dann auch noch. Jedem Bundesbürger war danach klar, dass man nicht unbedingt Qualifikationen für das Amt eines Ministers mitbringen muss. Dem Image der Politiker hat diese Benennung einen Bärendienst erwiesen – seit langem war kein Bundesminister mehr so umstritten wie Niebel. Obwohl schon vor der Bundestagswahl die Posten zwischen Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP) nach der 8-5-3-Regelung verteilt wurden, sprach sich vor dem Urnengang die FDP im Parteiprogramm noch für die Abschaffung der Bonner Behörde aus. Nun, gerade frisch im Amt, kündigte Niebel gleich mal an, die Entwicklungshilfe an China zu streichen. Allerdings gibt es da ein Problem: Sie gibt es gar nicht mehr.
Vollmundig und in bester Manier eines Partei-Generalsekretärs tönte der ausgebildete Fallschirmspringer, der sich bisher nicht nur außenpolitische oder internationale Erfahrung hervorgetan hat, dass es nun einen Schlussstrich unter die Geldströme aus dem deutschen Steuersäckel in Richtung China gezogen werde. "Armutsbekämpfung ist für Deutschland wichtiger denn je. Dass heißt, unsere Mittel zu konzentrieren und wirksam dort einzusetzen, wo es am meisten Not tut. Wirtschaftsriesen wie China und Indien erfüllen diese Kriterien nicht mehr", sagte Niebel der BILD-Zeitung. Einen Zeitpunkt für das Ende der Hilfen nannte er jedoch nicht. Niebel setzt mit der Ankündigung ein Wahlversprechen der FDP um. Die Liberalen hatten im Wahlkampf unter anderem erklärt, die staatlichen Hilfen für China streichen zu wollen.
Und in der Tat war die Bundesrepublik einmal der zweitgrößte Geldgeber für das Reich der Mitte. 2005 und auch 2006 flossen durchschnittlich 441 Millionen Dollar als Entwicklungshilfe in das Land, dass seit gut einem Jahrzehnt eine beispiellose wirtschaftliche Aufholjagd hinlegt und sich nun anschickt, als Wirtschaftsmotor die USA abzulösen. China und seine enorme Wirtschaftskraft könnten nun dafür sorgen, dass die Weltkonjunktur schnelle aus der Krise kommt als manche erwartet hatte. Allein die Industrieproduktion legte im dritten Quartal um 16 Prozent zu. Schon unter der rot-grünen Vorgänger-Regierung wurde daher über die Reduzierung der Entwicklungshilfe debattiert, ein Gutachten des Deutschen Institutes für Entwicklungspolitik (DIE), einem politischen ThinkTank des Entwicklungshilfeministerium, kam schon 2003 zu dem Fazit, die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Ankerland China auf dem Prüfstand zu stellen und einzustellen.
Doch erst 2006, nach der blutigen Niederschlagung der Unruhen in Tibet, wurde die Entwicklungshilfe ausgesetzt. 2007 betonte der damalige Regierungssprecher auf entsprechende Vorhaltungen der FDP, dass Deutschland weiterhin keine Entwicklungshilfe mehr an China zahle. Lediglich für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erneuerbaren Energie würden etwa 70 Millionen Euro fließen – Geld übrigens, von dem die deutsche Solarbranche profitiert. Laufende Projekte würden zwar weitergeführt werden, aber mehr passiere nicht mehr, sagte Steg schon vor zwei Jahren auf entsprechende Angriffe des heutigen Bundeswirtschaftsministers Brüderle – und der CDU.
Aber technische Zusammenarbeit ist nun mal keine Entwicklungshilfe. Das müsste eigentlich auch Dirk Niebel wissen.
Brisanz bekommt die Streichung zudem, weil die wirtschaftliche Zusammenarbeit einen neuralgisches Feld betrifft, das sich eigentlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verpflichtet fühlt – dem weltweiten Klimaschutz. Und China ist nun mal der zweitgrößte Verursacher von klimaschädlichen Gasen. Mit Hilfe deutscher Unternehmen, vor allem aus dem Mittelstand, sollte China durch die staatliche Hilfe aus Deutschland sauberer werden. Die FDP tönt nun, man habe einen weiteren Punkt aus dem Parteiprogramm erfüllt. Das Ministerium hingegen bleibt weiterhin unangetastet – wohl auch, weil Niebel sich seine eigenen staatliche Unterstützung sichern will: In Form einer guten und üppigen Staats-Pension, wenn er die notwendige Dienstzeit als Minister erfüllt.