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Der Sorgenwürfel

sanaa

Der Sanaa-Kubus auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen ist ein architektonisches Kunstwerk mit einer leidvollen Geschichte. Findet die nun ihr Happy-End?

Der Sanaa-Würfel auf dem Gelände der Zeche Zollverein ist eines der beeindruckendsten Beispiele moderner Architektur im Ruhrgebiet: Ein fast perfekter, weißer Würfel mit 132 Fenstern und einem drei Kilometer langen Heizsystem in den dünnen Wänden. Das Gebäude war bei der Fertigstellung 2006 ein Symbol des Aufbruchs. Auf seinen fünf Etagen, so der Plan, sollte gelehrt und geforscht werden. Dafür flossen Fördergelder in Millionenhöhein den 12 Millionen Bau. Noch bis Ende 2029 muss das Gebäude als Hochschule genutzt werden.

Eine Auflage, die bislang kaum erfüllt wurde und auch der aktuelle Versuch der Folkwang-Universität, einen Studiengang mit dem klangvollen Namen Heterotopia im Sanaa Gebäude zu etablieren, war bislang nicht erfolgreich. Der mit viel Vorschusslorbeeren geholte Schweizer Professor Ruedi Baur ist längst wieder in die Alpen geflohen. Studenten ließen sich ebenfalls nicht in nennenswerter Zahl von dem Studiengang überzeugen. Die Heterotopiapleite passt zur Geschichte der Hochschulversuche im Sanaa-Gebäude:

Die erste Hochschule war die Zollverein School of Management and Design. Für sie war der Kubus mit Mitteln des Landes und der Europäischen Union gebaut worden. Manager sollten hier in Sachen Design einen Master of Business Administration (MBA) erwerben. Daran hatte von denen jedoch kaum jemand Interesse. Die Zollverein-Schule wurde schon 2008 abgewickelt. Nach kurzer Zwischennutzung einer kleinen Teilfläche durch eine Immobilienhochschule mietete schließlich 2010 die Folkwang Universität für 24.500 Euro im Monat das Gebäude. Damit war zumindest gesichert, dass der Kubus-Besitzer, die Landestochter NRW Urban, die Fördermittel nicht an Land und Europäische Union zurückzahlen muss. Der Kubus wurde ja von einer Hochschule genutzt.

Zumindest ab und an: Den größten Teil der Fläche vermietet die Hochschul-Tochter Folkwang Agentur GmbH weiter: Messen finden hier ebenso statt wie Vorträge und Ausstellungen. 1000 Euro am Tag kostet die erste Etage, die von der Hochschule ab und an auch für eigene Veranstaltungen genutzt wird. Für 200 Euro bekommt man die Dachterrasse mit Aussicht auf das Zollverein Gelände und Essen Katernberg. Ein auskömmliches Geschäft, das nach Auskunft der Folkwang Universität die Mietkosten für die Immobilie deckte. Trotzdem: Die meiste Zeit wurde der größte Teil des Gebäudes nicht genutzt. Und Studenten gab es ohnehin keine. Die saßen weiterhin in ihren alten Räumen an die Universität Duisburg Essen am Rand der Innenstadt.

Ohne räumliche Anbindung an eine richtige Hochschule taugt das Sanaa-Gebäude zu wenig mehr als einem edlen Veranstaltungsgebäude. Wenn 2017 der Neubau des Fachbereichs Design nebenan fertig wird, ist damit endlich Schluss. Denn auch ein 2013 gegründeter Folkwang-Studiengang erwies sich bislang als Flop:

Ganz in der Tradition der gescheiterten Hochschulversuche erfand die Folkwang Universität das Graduate Programm „Gestaltung Heterotopia“. Zielgruppe: Künstler und Wissenschaftler einem „Entwicklungsvorhaben“. Heterotopia sollte Leben in die Bude bringen. Der Studiengang ist auf 100 Studenten pro Jahr ausgerichtet. Zur Zeit verlaufen sich gerade einmal 23 von ihnen auf den weiten, weißen Flächen im Sanaa-Gebäudes.

Heterotopia ist schon ein gutes Jahr nach seiner Gründung in der Krise. Gastprofessor Ruedi Baur, der den Studiengang aufbaute, hat die Folkwang Universität im Sommer verlassen. Auf Anfrage dieser Zeitung teile die Hochschule mit, Baurs Vertrag sei ausgelaufen und die Gastprofessur transdisziplinäre Gestaltung sei von Anfang an „roulierend konzipiert“ gewesen.

Baur, der seine Zeit in Essen in guter Erinnerung hat und betont, sein Ziel sei es nicht „eine Polemik zu öffnen“ hat die Geschichte seines Weggangs anders in Erinnerung. Im Sommer gab es Unstimmigkeiten über die weitere Zusammenarbeit: „Ein wichtiges Projekt über Essen Hauptstadt des Designs mit Designschulen aus anderen Designhauptstädten wurde abgelehnt. Das Budget entsprach nicht mehr den Abkommen. Auch wenn das Dekanat und die Schulleitung mich unterstützten war die Situation untragbar. Im Juni gab es ein zwar sehr konstruktives Treffen um neue Perspektiven zu setzten. Die Ergebnisse zeigten eine Ambition dieses „kuratierte Programm“ nicht als Autonom zu sehen sondern als ein von den Professoren des Fachbereiches gemeinsam gestaltetes Veranstaltung. Einen Weg in dem ich meinen Platz nicht mehr sehen konnte.“

Als 2012 die Zusammenarbeit zwischen der Folkwang Universität und Baur begann, pries die Hochschule ihn noch als „international renommierte Gestalterpersönlichkeit und „Querdenker““ Nun hat sie die verloren. Baur, der schon an der Ecole Superieur des Arts Decoratif in Paris lehrte und Rektor der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig war, hatte auf die Auseinandersetzungen innerhalb der Hierarchien schlicht keine Lust: „Ich bin in einer Phase meines Lebens in der ich weiß, dass ich einer solcher Institution viel bringen kann aber auch nicht mehr die Lust habe zweitrangige Detail Kämpfe durchzuführen. Meine Energie ist mit zu wichtig. Wenn da nicht dann halt wo anders.“

Eine weitere Merkwürdigkeit ist, dass der Studiengang Heterotopia als wohl einziger Studiengang in ganz Deutschland nicht Bafögfähig ist. Bis zu einer Änderung der Prüfungsordnung durch die Hochschule, die nach Auskunft des Wissenschaftsministeriums NRW „derzeit oder in Kürze vorgenommen wird“, ist Heterotopia „nach aktuellem Sachstand ist der Studiengang Heterotopia nur „nach Einzelfallprüfung“ förderfähig.“

Auch hier hat die Folkwang Universität offenbar ihre Hausaufgaben nicht gemacht.

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Franz Przechowski
Franz Przechowski
9 Jahre zuvor

Passt doch alles wie gewohnt. Muss alles dem Massstab einer Weltmetropole (… schließlich reiht man sich selbst ja als Metropole Ruhr gleich zu Paris und London ein) entsprechen. Selbst die Blamagen haben hier Metropolenformat. Die Neigung zur Selbtüberschätzung aber auch.

Glückauf

abraxasrgb
abraxasrgb
9 Jahre zuvor

Hallo Stefan,

da stimmen zwar ein paar Zahlen und technische Details nicht, aber schön, dass Du nicht, wie im RGB üblich, dem Gebäude die Schuld für die unfreiwilligen (Be)Nutzer gibst. Der Bau hat ca. 11 Millionen gekostet, was ca. 250 € / Kubikmeter ergibt. Ein beachtlich günstiger Wert, wenn man die architektonische Qualität berücksichtigt. Die „Heizung“ ist eine aktive Wärmedämmung und kann auch kühlen 😉 Der Zollverein Kubus nutzt, mit seinem Energiekonzept, die Ewigkeitsfolgen des Bergbaus in buchstäblich vorbildlicher Art und Weise. Sozusagen mit der Geschichte und dem Ort in 1000 m Tiefe „verwurzelt“. Zudem ist das Gebäude ein „schönes“ Beispiel dafür, dass Energie einsparende Architektur nicht aussehen muss, wie ein Waldorf-Kindergarten. Es ist wirklich ein Juwel.
Aber: Nemo propheta in patria 😉

Wenn der „Baur“ nicht schwimmen kann , liegt es eben nicht an der Badehose.

Die Folkwang Agentur als Nutzer ist / hat schon ein dümmliches Nutzungskonzept, stimme Dir auch darin zu. Das mag an den Personen liegen oder / und auch an der Programmatik. Das eigentliche Design-Studio im 1. OG mit knapp 10 m Raumhöhe, 1225 qm freier Fläche und (s)einer besonderen Atmosphäre nicht für den geplanten Zweck zu nutzen ist sträflich blöd. Dieser Raum ist / war das Kernstück des didaktischen Konzepts der Zollverein School als Hochschulort für Kreative. Um dieses Gebäude bestimmungsgemäß nutzen zu können, sollte man wohl besser selbst kreativ sein und keinesfalls Verwalter / Veranstaltungsvermarkter 😉

Die Zollverein School ist wohl nicht zufällig während einer schwarzen Landesregierung (und gleichfarbigem blassen OB) als Projekt der roten Vorgänger (,die ich genau so dämlich(sic!) finde,) gekippt worden. Nicht, weil es keine Studenten gab, das stand nur in der WAZ 😉 Honi soit qui, mal y pense.

Kein Wunder, dass Essen am Montag NICHT als UNESCO City of Design nominiert wurde 😉

Dabei hätte die Stadt, gerade mit der Folkwang-Idee, eine gute Chance, sich auf andere Wurzeln als Steigerlied und Arschleder zu besinnen bzw. sich zu profilieren.

Das Gute: Da ich nicht glaube, dass NRW bis 2031 genug Mittel übrig hat, um die Förderung zurück zu zahlen, bleibt es ein Hochschulgebäude. Auch wenn sich das alles, derzeit noch, eher nach einer Volkshochschule anhört.

Julia
Julia
9 Jahre zuvor

Hallo,
Der Beitrag ist jetzt schon ein paar Wochen alt, ich möchte es aber doch kommentieren.
Ich bin Studentin diesen Studiengangs und ziemlich schockiert über die negative Darstellung. Nach bereits erfolgreich beendetem Bachelor- und Masterstudium (in Bielefeld und Pforzheim) kann ich im Vergleich nur sagen, dass ich mich in diesem Studiengang und an dieser Uni sehr gut unterstützt und aufgehoben fühle. Endlich die Möglichkeit sich intensiv mit seinem Thema und seinen Projekten zu beschäftigen und nicht nur einfach irgendwelche Kurse absitzen zu müssen, das ist leider Alltag in manch anderem vergleichbaren Studiengang. Dass das Graduate Programm nicht Bafög – berechtigt ist, ist in der Tat ein schwieriger Punkt, an dem die Folkwang Uni aber nicht alleine Schuld trägt. Was die Anzahl der Studierenden angeht: Auch andere Masterstudiengänge sind nicht von Anfang an voll belegt. Sowas muss sich unter Studenten nunmal erst rumsprechen.
Sagt über das Sanaa was ihr wollt, aber schreibt nicht so einen Unsinn über einen Studiengang, von dem ihr augenscheinlich keine Ahnung habt und vielleicht fragt ihr nächstes Mal auch die Studierenden nach ihrer Meinung und nicht nur einen, in seinem Stolz gekränkten Professor, der von den Studenten nicht sehr vermisst wird, da er eh fast nie vor Ort war.

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