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„Europa lässt die Iraner im Stich“

Thomas von der Osten-Sacken Foto: Privat


Der Publizist und Buchautor Thomas von der Osten-Sacken arbeitet seit Jahren im Nahen-OstenEr ist Geschäftsführer der seit über 25 Jahren im Nordirak tätigen Organisation Wadi – Verband für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit  Wir sprachen mit ihm über die Aufstände im Iran, Libanon und Irak.

Ruhrbarone: Im Iran, im Libanon und im Irak gehen die Menschen auf die Straße. Was eint die Aufstände, was unterscheidet sie?

Thomas von der Osten-Sacken: Die Proteste, die ja im Irak und im Libanon begonnen haben, richten sich gegen die korrupten Regierungen und den Einfluss des Irans auf diese Länder. Die jungen Menschen haben die Schnauze voll, deswegen kommt es zu diesen Massenprotesten. Aber im Gegensatz zum Iran sind der Libanon und der Irak halbdemokratische Gesellschaften. Es gibt Mehrparteienregierungen, Pressefreiheit und eine Öffentlichkeit. Auch wenn die Politik im Irak brutal zuschlägt und es hunderte Tote gibt, es bleibt nicht geheim.

Ruhrbarone:  Im Iran ist das anders.

Thomas von der Osten-Sacken:  Im Iran haben die Sicherheitskräfte mehrere hundert Menschen umgebracht, tausende verhaftet und das Internet wurde abgestellt, wir bekommen kaum noch Informationen. Die Menschen die der Gewalt des Staates vollkommen ausgeliefert.

Ruhrbarone:  Haben die Proteste Erfolg?

Thomas von derOsten-Sacken:  Im Libanon ist der Premierminister zurückgetreten und das Land ist zahlungsunfähig. Im Irak schließen sich zum Teil Polizisten den Protesten an. Die Polizeigewalt, die es massiv gibt, wird öffentlich diskutiert. Aber ein großer Erfolg ist auch, dass die Menschen in diesen beiden traditionell konfessionell gespalteten Ländern gemeinsam auf die Straße gehen. Ob jemand Christ, Sunit oder Schiit ist, ob man Kurde ist – das spielt alles keine Rolle. Die Menschen wollen Staatsbürger ihrer Länder sein und sehen sich als Libanesen und Iraker. Auch das Frauen eine sehr große Rolle bei den Protesten spielen, ist ein Fortschritt.

Ruhrbarone:  Im Iran gibt es keine Erfolge?

Thomas von der Osten-Sacken: Im Iran ist es schwieriger. Dass es so Proteste gibt ist ja schon ein Erfolg. Sie sind ja eine Fortsetzung der Demonstrationen im vergangenen Jahr, die jetzt durch die massiven Benzinpreissteigerungen so stark wie noch nie wieder aufgeflammt sind. In über 100 Städten wird protestiert. Aber das iranische Regime reagiert brutaler als im Libanon und im Irak. Es ist auf Aufstände vorbereitet und verfügt über Einheiten, die darauf sind, sie niederzuschlagen. Die Geheimdienste kontrollieren das Land auch sehr engmaschig. Mindestens ein Drittel der Iraner steht noch hinter den Mullahs, aber sie halten sich an der Macht.

Ruhrbarone: Wie kann der Westen, kann Europa den Menschen helfen?

Thomas von der Osten-Sacken: Es gab und gibt konkrete Forderungen: Zum Beispiel über Satelliten die Abschaltung des Internets zu umgehen und Druck auf die Regierung auszuüben. Aber Europa tut nichts. Die Bundesregierung hat beide Seiten zum Dialog aufgefordert und von der iranischen Regierung verlangt, das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu achten. Als ob es jemals so etwas im Iran gegeben hätte. Für das Regime ist klar, was das bedeutet: Ihr könnt machen was ihr wollt. Was die Bundesregierung da macht ist ein Form der Kollaboration. Europa lässt die Iraner im Stich.

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