Fürsorgliche Belagerung

Hass gegen Juden und Israel auf der Straße. Foto: Thomas Hafke

Schlimmer als Trumps Einreisebann gegen zwei Vertreterinnen von „HateAid“ und einen EU-Kommissar ist die Tendenz des Staats, mit Hilfe regierungsnaher Organisationen und Meldestellen den Meinungskorridor kontrollieren zu wollen.

Eine alte Weisheit sagt: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Wer wäre nicht gegen Hass und Hetze – wenn es andere betrifft? Und wer hätte grundsätzlich etwas dagegen, dass der Staat Beleidigungen, Verleumdungen und dem Verbreiten von Unwahrheiten entgegen tritt? Das  Problem nur: Wer legt fest, was unzulässige Äußerungen sind? Wer kontrolliert es? Und welche Auswirkungen hat der inzwischen üppige Apparat zur Überwachung der Kommunikation im Internet auf ebendiese öffentliche Kommunikation?

Nähert man sich diesen wichtigen Fragen, fallen zunächst spontan mehrere Dinge auf: Während der Staat weitgehend tatenlos zuschaute, dass muslimische Eingewanderte und Linke seit dem 7. Oktober Hetze gegen Juden und den jüdischen Staat öffentlich verbreiten und zu ihrer Eliminierung aufrufen, werden Beleidigungen von Politikern im Netz rigoros verfolgt. Ausschreitungen gegen AfD-Versammlungen werden von vielen, z.T. auch Journalisten wohlwollend kommentiert. Jeder Angriff auf Linke, Queere oder Muslime wird dagegen von diesem Milieu scharf gebrandmarkt.

Umgekehrt gilt das genauso: AfD-Anhänger und andere Rechtsextreme finden es völlig in Ordnung, mit Lügen und Agressionen gegen Andersdenkende vorzugehen. Aber wehe, es geschieht ihnen selbst. Mit dem Unterschied allerdings: Ihnen steht kein Netzwerk von NGOs und staatlichen Meldestellen zur Seite, das gegen sie gerichtete Attacken sanktioniert.

Meinungsregeln weit auslegen

Nun kann man mit guten Grund argumentieren, es gebe einen Unterschied zwischen Menschen, die Freiheit, Demokratie und Menschenrechte verteidigen, und deren Gegnern. Aber auch hier wieder die Frage: Wer entscheidet auf welcher Grundlage, auf welcher Seite wer steht? Völkische nehmen für sich in Anspruch, ebenfalls Menschenrechte und die Demokratie zu verteidigen – die des „deutschen Volkes“ gegen Immigranten und Linke oder Woke. Ist das per se illegitim?

Nein, solange es sich innerhalb der Verfassung und der Gesetze bewegt. Ein liberaler Staat sollte diese Grenzen möglichst weit auslegen. Die Gerichte und das Bundesverfassungsgericht tun das in der Regel, auch wenn es mehr und mehr Urteile im anderen Sinne gibt. Die Regierungen haben jedoch Barrieren jenseits des Rechts errichtet, mit Hilfe von Organisationen wie „HateAid“, die staatlich alimentiert gegen Meinungsäußerungen schon unterhalb der Schwelle des gesetzlich Verbotenen vorgehen. Und zwar einseitig gegen „Rechts“. Wobei sie diesen Begriff oft sehr weit auslegen, sodass auch etwa konservative Äußerungen darunter fallen.

Die verheerende Folge ist, dass der Staat mittels dieses Netzwerks dazu beiträgt, das zu verstärken, was er und das linksliberale Milieu bekämpfen wollen: die gesellschaftliche Polarisierung. Inzwischen sind, wie etliche Umfragen zeigen, nicht nur „Rechte“ der Ansicht, dass sie ihre Meinung nicht mehr frei äußern dürfen. Es ist ein wachsender Teil der Bevölkerung insgesamt, wozu auch die öffentlich-rechtlichen Medien ihren Teil beitragen, die von vielen als Erziehungsanstalten wahrgenommen werden.

Auch wenn faktisch diese Auffassung unsinnig ist, da die Kritiker ihre Kritik ja in sozialen Medien und Talkshows verbreiten und sich damit selbst widerlegen, bleibt der inzwischen weit verbreitete Eindruck, dass sich der Korridor der von vorherrschenden Kreisen als erlaubt und gewünscht eingestuften Meinungen verengt. Und das hat gravierende Auswirkungen: Die Zustimmung nicht nur zu den etablierten Parteien, sondern zur Politik insgesamt und zur Demokratie nimmt ab. Viele fühlen sich nicht mehr wahr- und ernstgenommen und wählen deshalb extreme Parteien.

Kontraproduktive Programme

Wenn politische Programme das Gegenteil von dem bewirken, was sie sollen, sollte man sie zumindest überprüfen. Die CDU hatte sich das vorgenommen, als sie vor dem Regierungswechsel eine große Anfrage zu dem Dschungel an staatlich geförderten NGOs startete, die man wegen ihrer Staatsnähe und staatlichen Förderung nicht mehr „Nichtregierungsorganisationen“ nennten sollte. Aber seit sie selbst im Bund wieder regiert, ist der Eifer nicht nur erlahmt. Kanzler Merz und andere lassen nun ebenfalls unliebsame Äußerungen verfolgen. Und auch in CDU-geführten Ländern wie Hessen sind staatliche und staatsnahe Meldestellen überaus aktiv.

Hass lässt sich aber ohnehin nicht verbieten. Die Gedanken sind bekanntlich frei. Dazu kommt, dass in vielen Fällen diese Stellen und all die gut gemeinten Programme ziemlich wirkungslos sind, was es noch absurder macht. In Bonn traf ich vor einiger Zeit einen Juristen, der eine Stelle beim Bundesjustizamt angreteten hatte und deshalb extra von Berlin umgezogen war, um Hass und Hetze auf den großen Plattformen der Social-Media-Betreiber zu verfolgen. Der Bundestag hatte dafür kurz vorher ein Gesetz beschlossen. Allerdings, so sagte mir der gut bezahlte Beamte, meldeten sich fast keine Betroffenen, weshalb der eigens eingerichtete Stab in dem Bundesamt arbeitlos sei.

Noch gravierender ist, wenn Bürger feststellen, dass im realen Leben andere Maßstäbe gelten als im Kampf gegen Hass im Netz. Ich wurde selbst in diesem Jahr Opfer eines tätlichen Angriffs. Ein Mitbürger ausländischer Herkunft schlug mir in der Kleinstadt, in der ich seit einiger Zeit wohne, ohne jeden Grund mitten am Tag mit der Faust ins Gesicht und beleidigt mich rassistisch. Mehr an Hass und Hetze, und zwar nicht nur verbal, habe ich noch nicht erlebt. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch sofort ein, weil „kein öffentliches Interesse“ an einer Strafverfolgung bestehe. Ähnliches haben auch andere erlebt, wie sie mir schrieben.

Gewaltsame Angriffe muss der Staat verfolgen, off- wie online. Auch verbale Gewalt etwa in Form von Todes- oder Vergewaltigungsdrohungen. Schützen muss er besonders Kinder und Jugendliche vor Gewalt und Gewaltdarstellungen und Pornografie im Internet. Alles andere sollte er der viel gerühmten Zivilgesellschaft überlassen. Und sich selbst an die Nase fassen, bevor es wieder einmal gegen Trump und die USA geht.

Die Trump-Regierung verfolgt eine rechtsautoritäre Agenda, nicht nur im eigenen Land. Das ist bekannt. Vor allem aber will sie die großen, mit dem MAGA-Lager verbandelten US-Techkonzerne und deren hohe Profite schützen. Das mag man für verwerflich halten. Aber es ist zunächst nichts anderes als eigene nationale Interessen zu verfolgen, so wie es Deutschland und die EU mit ihren entgegengesetzten Gesetzen und Verordnungen tun. Und in den USA gelten nun mal aufgrund des 2. Verfassungszusatzes sehr weite Regeln für die Meinungsfreiheit.

Davon könnte Deutschland etwas lernen – unabhängig von der Ausrichtung der Politik. Vor allem sollte man der US-Regierung, von der wir in Europa in vielerlei Hinsicht, nicht nur militärisch nach wie vor abhängig sind, nicht unnötig Zucker für ihre Kampagnen liefern. Deshalb: Weniger Meinungskontrollen und Meldestellen täten in jedem Fall gut. Auch der Reisefreiheit.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtigen bei
guest
0 Comments
Älteste
Neueste
Inline-Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Werbung